Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.11.2023, Az. II R 20/21

2. Senat | REWIS RS 2023, 9454

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Gegenstand

Verminderung der Beteiligung eines Kommanditisten am Vermögen einer grundbesitzenden KG


Leitsatz

NV: Die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) entfällt rückwirkend, wenn sich der Anteil des Kommanditisten im maßgebenden Fünfjahreszeitraum tatsächlich im Sinne des § 5 Abs. 3 GrEStG vermindert hat. Ob eine tatsächliche Verminderung vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall zu entscheiden und obliegt der Würdigung durch das Finanzgericht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20.05.2021 - 8 K 973/20 GrE,F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

[X.]

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG mit [X.] als Kommanditisten. Ihr Geschäftsfeld ist der Kauf, das Halten und das Verwalten von Immobilien. § 7 des Gesellschaftsvertrags regelte, dass für jeden Gesellschafter ein festes Kapitalkonto (Kapitalkonto I), ein personengebundenes Rücklagenkonto (Kapitalkonto II), ein Verlustvortragskonto (Kapitalkonto III) und ein --im Gegensatz zu den vorgenannten [X.] verzinsliches Privatkonto (Kapitalkonto IV) geführt werden. Das Kapitalkonto I spiegelte nach der Angabe in § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und an den [X.] wider und entsprach bei den Kommanditisten der zum Handelsregister angemeldeten Kommanditeinlage.

2

Mit notariell beurkundetem [X.] ([X.]) veräußerte [X.] mit schuldrechtlicher Wirkung zum 01.01.2013  90 % seiner Anteile an der Klägerin an die [X.] Nach § 2 Unterabs. 3 des [X.] erfolgte die dingliche Übertragung aufschiebend bedingt durch die Eintragung der [X.] im Handelsregister. Diese fand am 16.08.2013 statt. Der [X.] wurde dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) übersandt; eine Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] erfolgte jedoch nicht.

3

Mit notariell beurkundetem [X.] ([X.]) übertrug [X.] ein Grundstück in [X.] auf die Klägerin. Eine Gegenleistung wurde nicht vereinbart. Nach Ziff. 4 des [X.] erfolgte die Übertragung mit wirtschaftlicher und steuerlicher Zuordnung zum Anteil des [X.] an der Klägerin "in eine persönlich gebundene Rücklage (Kapital II)". Die Veräußerung des Grundstücks bedurfte der Zustimmung durch [X.].

4

Mit notariell beurkundetem [X.] ([X.]) übertrug [X.] der Klägerin weitere Grundstücke in [X.] (§ 1 Ziff. 1 des [X.]) und [X.] (§ 1 Ziff. 2 des [X.]). Nach § 4 des [X.] wurde unter "Gegenleistung" vereinbart, dass [X.] ein Betrag in Höhe von 1.600.000 € für die Grundstücke gemäß § 1 Ziff. 1 des [X.] und ein Betrag in Höhe des Buchwerts des Gebäudes für den steuerlich verstrickten Teil und des [X.] für den nicht steuerlich verstrickten Teil für die Grundstücke gemäß § 1 Ziff. 2 des [X.] auf "seinem personengebundenen Rücklagenkonto (Rücklage gemäß § 264 Absatz 2 II Rücklagen HGB (Kapital II)) bei der [Klägerin] gutgeschrieben" würden. Gleichzeitig wurde das [X.] um 1.000 € erhöht. Nach § 6 des [X.] bedurfte die Veräußerung der Grundstücke der Zustimmung von [X.].

5

Nach einer Veräußerungsanzeige zu [X.] sah die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] den Erwerbsvorgang nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr 2013 geltenden Fassung ([X.]) als steuerfrei an und setzte mit nicht datiertem, der Klägerin am 02.04.2013 zugegangenen Bescheid (Grunderwerbsteuerbescheid 1) Grunderwerbsteuer in Höhe von 0 € fest. Nach einer Veräußerungsanzeige zu [X.] sah die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] auch diesen Erwerbsvorgang nach § 5 Abs. 2 [X.] als steuerfrei an und setzte mit Bescheid vom 03.04.2013 Grunderwerbsteuer in Höhe von 0 € fest ([X.]).

6

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung, in deren Rahmen die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] nun auch Kenntnis von [X.] erlangte, stellte die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] am 07.05.2019 die Besteuerungsgrundlagen für die "Erwerbe am 21.03.2013 durch Kaufvertrag [[X.]], der sich auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen", --erstmals-- gesondert fest (Feststellungsbescheid). In der Anlage des Feststellungsbescheids wurde unter Ausweis der vertragsgegenständlichen Grundstücke in Spalte 4 aufgeführt, dass der Rechtsvorgang gemäß § 5 Abs. 2 [X.] lediglich in Höhe von 10,89 % steuerbegünstigt sei.

7

Den Einspruch der Klägerin gegen den Feststellungsbescheid wies die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2020 als unbegründet zurück.

8

Mit Bescheid vom 18.07.2019 ([X.]) änderte die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] den Grunderwerbsteuerbescheid 1 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) und setzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 14.208 € fest. Eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 [X.] wurde in Höhe von 10,89 % gewährt.

9

Ebenfalls mit Bescheid vom 18.07.2019 ([X.]) änderte die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] den [X.] und setzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 53.340 € fest. Eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 [X.] wurde in Höhe von 10,89 % gewährt.

Den Einspruch gegen den [X.] wies die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2020 zurück.

Den Einspruch gegen den [X.] wies die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 02.03.2020 zurück. Der Änderungsbescheid vom 18.07.2019 sei ein Folgebescheid. Nachdem der Feststellungsbescheid ergangen sei, habe der [X.] nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] geändert werden müssen. Soweit es im [X.] selbst heiße, die Änderung sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] erfolgt, werde daran nicht mehr festgehalten.

Die Klage vor dem [X.] ([X.]) gegen den Feststellungsbescheid und die [X.] 3 und 4 hatte keinen Erfolg. Das Urteil ist in Entscheidungen der [X.]e 2021, 1393 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 5 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und § 17 Abs. 2 [X.] geltend. Die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] habe keinen Feststellungsbescheid erlassen dürfen. Bei Erlass des Feststellungsbescheids sei zudem bereits Feststellungsverjährung eingetreten gewesen. Dies gelte auch für den Erlass der [X.] 3 und 4. Deren Festsetzungsfrist habe am 31.12.2017 geendet. Eine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 [X.] habe nicht bestanden. Die Übertragung des Grundbesitzes auf die Klägerin sei erst am 21.03.2013 und somit nach Änderung des [X.] am 19.03.2013 erfolgt. Die Handelsregistereintragung am 16.08.2013 entfalte keine dingliche, sondern im Außenverhältnis rein deklaratorische Wirkung. Völlig unabhängig hiervon zu sehen sei die schuldrechtliche Vereinbarung im Innenverhältnis, die auf den 01.01.2013 zurückgewirkt habe.

Der Gesellschaftsanteil des [X.] habe sich trotz prozentualer Herabsetzung der Beteiligung nicht im Sinne des § 5 Abs. 3 [X.] vermindert. Die Beteiligung von [X.] am Gesamthandsvermögen definiere sich nicht nur über das Kapitalkonto [X.] Auch die Rücklagen würden zum Eigenkapital und deshalb zum Vermögen der [X.] zählen. Der Begriff des Vermögens einer Gesamthand im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn habe sich am gemeinen Wert/Teilwert der Beteiligung zu orientieren. [X.] sei das Bewertungsgesetz einschlägig. Danach umfasse das Gesamthandsvermögen immer das gesamte Kapitalkonto, teilweise sogar das Sonderbetriebsvermögen. Die Rücklage sei Bestandteil der Kapitalkonten und deshalb des [X.]. Zudem entfalte der Zustimmungsvorbehalt zu den Grundstücksveräußerungen keine zeitbezogene, sondern eine materiell-rechtliche Wirkung. Schließlich lägen für die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids 2 keine neuen Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 [X.] vor.

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung, den Feststellungsbescheid vom 07.05.2019, die Einspruchsentscheidung vom 26.02.2020 sowie die [X.] vom 18.07.2019 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 26.02.2020 und 02.03.2020 aufzuheben, hilfsweise, die [X.] vom 18.07.2019 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 26.02.2020 und 02.03.2020 dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer mit 0 € festgesetzt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Feststellungsbescheid und die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

1. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der Feststellungsbescheid vom 07.05.2019 rechtmäßig war.

a) Die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] hat den Erlass des Feststellungsbescheids zu Recht auf § 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.] gestützt.

aa) In Fällen, in denen sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen, stellt das Finanzamt, in dessen Bezirk der wertvollste Grundstücksteil oder das wertvollste Grundstück oder der wertvollste Bestand an Grundstücksteilen oder Grundstücken liegt, die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.]).

bb) Danach hat das [X.] zutreffend dargelegt, dass nach § 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.] die Besteuerungsgrundlagen am 07.05.2019 für den Erwerb am 21.03.2013 gesondert festzustellen waren, weil --wie die Norm ausführt-- sich der Erwerbsvorgang auf mehrere Grundstücke bezog, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter lagen.

cc) Dem steht die frühere Auffassung der Finanzverwaltung, dass es einer gesonderten Feststellung nach § 17 Abs. 2 [X.] nicht bedürfe, wenn in einem Vertrag mehreren Grundstücken jeweils selbständige, nachvollziehbare Kaufpreise zugeordnet würden (vgl. koordinierter Ländererlass vom 19.03.2001, Der Betrieb 2001, 672; vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Durchführung der gesonderten Feststellung nach § 17 [X.] vom [X.], [X.], 549, [X.]. 1 und 2), nicht entgegen. Zum einen hat die Finanzverwaltung selbst diese Auffassung mit den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Durchführung der gesonderten Feststellung nach § 17 [X.] vom 01.03.2016 (BStBl I 2016, 282, [X.]. 1), die gemäß [X.]. 11 auf alle noch offenen Fälle anzuwenden sind, aufgegeben. Zum anderen handelt es sich bei den Erlassen der Finanzverwaltung zu § 17 Abs. 2 [X.] um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die im gerichtlichen Verfahren keine Bindungswirkung entfalten (Urteil des [X.] --BFH-- vom [X.] - VII R 62/18, [X.], 211, Rz 18).

b) Die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] hat im Feststellungsbescheid zutreffend angegeben, dass die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 [X.] lediglich in Höhe von 10,89 % zu gewähren war, da sich der Anteil des [X.] an der Klägerin innerhalb von fünf Jahren um 89,11 % vermindert hatte (§ 5 Abs. 3 [X.]).

aa) Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine [X.] über, so wird nach § 5 Abs. 2 [X.] die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der [X.] beteiligt ist. Als Anteil am Vermögen der [X.] im Sinne des § 5 Abs. 2 [X.] ist die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am [X.]svermögen anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2022 - II R 4/20, [X.], 380, [X.] 2022, 521, Rz 17). § 5 Abs. 2 [X.] hebt allein auf die Beteiligung am Vermögen ab und nicht etwa auf eine abweichende Auseinandersetzungsquote oder auf die Beteiligung am Gewinn und Verlust der [X.] (vgl. [X.] vom 27.08.2009 - II B 35/09, [X.], 2003, unter [X.]). Maßgeblich für die Höhe des Anteils ist das Festkapital eines Gesellschafters, wenn dieses die Höhe der Beteiligung am [X.]svermögen widerspiegeln soll und keine anderweitigen Vereinbarungen getroffen sind (vgl. BFH-Urteil vom 31.05.1972 - II R 9/66, [X.], 360, [X.] 1972, 833).

bb) Eine Anteilsminderung im Sinne des § 5 Abs. 3 [X.] liegt vor, wenn innerhalb von fünf Jahren nach Übergang des Grundstücks auf die [X.] die Beteiligung am Vermögen der [X.] tatsächlich herabgesetzt wird. Das kann durch Veräußerung des [X.] selbst bewirkt werden. Die Anteilsminderung kann aber auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am [X.]svermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des [X.] und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt (BFH-Urteil vom 12.01.2022 - II R 4/20, [X.], 380, [X.] 2022, 521, Rz 20). Für die Frage, wann sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der [X.] innerhalb von fünf Jahren vermindert, ist auf den Zeitpunkt der dinglichen Übertragung des Anteils abzustellen. Nicht maßgebend ist ein gegebenenfalls vorangegangener Erwerb eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung einer Gesellschafterstellung (BFH-Urteil vom 06.06.2001 - II R 56/00, [X.], 423, [X.] 2002, 96, unter [X.]). Ob nach diesen Grundsätzen eine tatsächliche Verminderung des Anteils nach § 5 Abs. 3 [X.] vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall zu entscheiden und obliegt der Würdigung durch das [X.] (BFH-Urteil vom 12.01.2022 - II R 4/20, [X.], 380, [X.] 2022, 521, Rz 22).

cc) Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zutreffend erkannt, dass sich durch den [X.] der Anteil des [X.] an der [X.] Klägerin zumindest in Höhe von 89,11 % am 16.08.2013 und somit innerhalb von fünf Jahren seit dem 21.03.2013 tatsächlich vermindert hat, sodass die zunächst gewährte 100%ige Steuerbefreiung rückwirkend in dieser Höhe nach § 5 Abs. 3 [X.] weggefallen ist.

(1) Als Zeitpunkt der Verminderung des Anteils ist --anders, als die Klägerin meint-- nicht der 01.01.2013 maßgeblich, auf den der [X.] schuldrechtlich zurückwirken sollte. Ausschlaggebend ist vielmehr die dingliche Übertragung. Diese war im Streitfall aufschiebend bedingt durch die Eintragung der [X.] im Handelsregister, welche am 16.08.2013 durchgeführt wurde.

(2) Entgegen der Ansicht der Klägerin war die Verminderung des Anteils auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil handelsrechtlich zulässige abweichende Vereinbarungen getroffen wurden, nach denen das Vermögen der Klägerin oder einzelne Grundstücke [X.] abweichend von seiner Beteiligungsquote wirtschaftlich nach wie vor zugeordnet werden sollten oder [X.] auch nach Verminderung seiner quotenmäßigen Beteiligung an der Klägerin nach wie vor wie ein Eigentümer (anteilig) an den [X.] der betroffenen Grundstücke beteiligt sein sollte.

Diesbezüglich hat das [X.] den [X.] dahingehend gewürdigt, dass sich eine abweichende Grundstückszurechnung nicht deshalb ergebe, weil die Grundstücksübertragung gegen Einräumung von [X.] erfolgte und [X.] Geldbeträge auf seinem Kapitalkonto II gutgeschrieben werden sollten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere verstößt sie nicht gegen Denkgesetze. Bei dem Kapitalkonto II handelt es sich lediglich um einen Geldanspruch des [X.] gegen die Klägerin, der die Beteiligung an deren [X.]svermögen unberührt lässt. Denn nach § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags spiegelte bei der Klägerin nur das Kapitalkonto I die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und an den [X.] wider und entsprach bei den Kommanditisten der zum Handelsregister angemeldeten Kommanditeinlage. In Übereinstimmung mit der Auffassung des [X.] wird die Ansicht des [X.] durch die im Rahmen der Gesellschafterversammlung im März 2020 getroffene Vereinbarung, dass [X.] zu Lasten seines [X.] der Verkaufspreis auf sein Kapitalkonto IV gutgeschrieben werden solle, bestätigt.

(3) Die Klägerin hat gegen diese Würdigung keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Kapitalkonto II stellt lediglich einen geldwerten Anspruch des [X.] dar, der durch Überweisung des Geldbetrags auf das Kapitalkonto IV von [X.] erfüllt werden konnte. Aufgrund der klaren Vereinbarung in § 7 des Gesellschaftsvertrags, dass nur das Kapitalkonto I die Beteiligung des Kommanditisten am Gesellschaftsvermögen der Klägerin widerspiegelt, ist der Einwand der Klägerin, auch die Rücklagen würden zum Gesellschaftsvermögen im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn zählen, nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig entscheidungserheblich ist deshalb auch der Einwand der Klägerin, der Begriff des Vermögens einer [X.] im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn habe sich am gemeinen Wert/Teilwert der Beteiligung zu orientieren.

(4) Außerdem ist das [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Zustimmungsvorbehalt des [X.] zum Verkauf der Grundstücke nicht zu einer von der Beteiligungsquote abweichenden Zuordnung des [X.] führt. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das [X.] den Zustimmungsvorbehalt nicht nur zeitbezogen, sondern auch als materiell-rechtliche Widerspruchsvorschrift beurteilt. Dass das [X.] --anders als die [X.] hieraus nicht den Schluss gezogen hat, dass aufgrund des materiell-rechtlichen Bestimmungsrechts von [X.] die mit den Grundstücken zusammenhängenden Chancen, Risiken und [X.] allein ihm zuzuordnen sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

dd) Angesichts des im finanzprozessualen Verfahren aus § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 [X.]O folgenden Verböserungsverbots (Verbot der reformatio in peius; BFH-Urteil vom 22.01.2020 - XI R 26/19 ([X.]), [X.], 337, [X.] 2020, 421, Rz 22) kann offenbleiben, ob sich die gewährte Steuerbefreiung --wie durch die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] festgestellt-- auf 10,89 %, oder nur auf 10 % beläuft, was der Höhe des verbliebenen Anteils von [X.] an der Klägerin nach der [X.] gemäß [X.] entsprechen würde. Die sonstigen festgestellten Besteuerungsgrundlagen stehen unter den Beteiligten nicht in Streit.

c) Die Feststellungsfrist war bei Erlass des Feststellungsbescheids am 07.05.2019 noch nicht abgelaufen.

aa) Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.] gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung nach §§ 169 ff. [X.] sinngemäß. Eine Feststellung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die reguläre Feststellungsfrist beträgt vier Jahre (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]). Ist eine Anzeige zu erstatten, beginnt die vierjährige Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]). Diesbezüglich tritt eine Anlaufhemmung für die Feststellungsfrist ein.

bb) Vorliegend trat die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.] ein, da der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 [X.] nicht nachgekommen worden war.

(1) Nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 [X.] haben Steuerschuldner Anzeige zu erstatten über Änderungen im Gesellschafterbestand einer [X.] bei Gewährung der Steuervergünstigung unter anderem nach § 5 Abs. 2 [X.]. Die Anzeigepflicht nach § 19 [X.] besteht unabhängig davon, ob und inwieweit die Beteiligten erkannt haben, dass der Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt, beziehungsweise wussten, dass insoweit eine Anzeigepflicht besteht. Die Anlaufhemmung einer Feststellungsfrist tritt deshalb unabhängig von subjektiven Merkmalen schon bei objektiver Anzeigepflichtverletzung ein (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2017 - II R 41/15, [X.], 94, [X.] 2018, 667, Rz 39). Auf den unter den Beteiligten unstreitig nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang vom 21.03.2013 ([X.]) war die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 [X.] anwendbar, weil die Grundstücke aus dem Alleineigentum des [X.] auf das [X.]seigentum der Klägerin übertragen wurden, deren Alleingesellschafter er zu diesem Zeitpunkt war. Die 100%ige Steuerbefreiung ist aber gemäß § 5 Abs. 3 [X.] rückwirkend entfallen, weil sich der Anteil des [X.] an der Klägerin aufgrund des [X.] zumindest in Höhe von 89,11 % am 16.08.2013 und somit innerhalb von fünf Jahren seit dem 21.03.2013 verringert hat (vgl. unter [X.]). Es bestand danach eine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 [X.].

(2) Die [X.] haben innerhalb von zwei Wochen, nachdem sie von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten haben, den Vorgang anzuzeigen (§ 19 Abs. 3 [X.]). Die Anzeige muss die in § 20 [X.] vorgegebenen Angaben enthalten. Gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist sie in den Fällen des § 17 Abs. 2 [X.] an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu richten. Sie wird nur durch Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts erfüllt (BFH-Urteil vom [X.], [X.], 454, [X.] 2020, 157, Rz 20).

(3) Die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 [X.] wurde im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Eine ordnungsgemäße Anzeige der [X.] durch den [X.] ([X.]) an die Grunderwerbsteuerstelle des [X.] erfolgte nicht. Die bloße Übersendung des [X.] an das [X.], die unstreitig nicht den Vorgaben des § 20 [X.] entsprach, reichte nicht aus.

cc) Die vierjährige Feststellungsfrist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]) begann daher erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden war (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]) --das heißt mit Ablauf des 31.12.2016 bei Entstehung der Steuer im [X.], zu laufen. Sie endete mit Ablauf des 31.12.2020 und war bei Erlass des Feststellungsbescheids am 07.05.2019 noch nicht abgelaufen.

2. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der Grunderwerbsteuerbescheid 3 vom 18.07.2019 rechtmäßig war.

a) Das [X.] konnte den [X.] durch den Grunderwerbsteuerbescheid 3 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 [X.] korrigieren. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Ein rückwirkendes Ereignis liegt auch dann vor, wenn gemäß § 5 Abs. 3 [X.] eine Steuervergünstigung nicht anzuwenden ist. § 5 Abs. 3 [X.] ist kein eigener Steuertatbestand, sondern regelt, dass die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer gemäß § 5 Abs. 2 [X.] rückwirkend im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 [X.] entfallen, soweit sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der [X.] innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die [X.] vermindert. Dies war --wie unter [X.] ausgeführt-- vorliegend der Fall. Der [X.], bei dem der Erwerbsvorgang hinsichtlich des [X.] als steuerfrei im Sinne des § 5 Abs. 2 [X.] angesehen wurde, war danach gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 [X.] zu ändern und die Steuerbefreiung auf 10,89 % herabzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 15.01.2019 - II R 39/16, [X.], 473, [X.] 2019, 627, Rz 19).

b) Die Festsetzungsfrist war bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids 3 am 18.07.2019 noch nicht abgelaufen. Eine ordnungsgemäße Anzeige des [X.] über die Anteilsminderung wurde nicht erstattet (vgl. unter [X.]). Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]) begann daher erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden war (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]) --das heißt mit Ablauf des 31.12.2016 bei Entstehung der Steuer im [X.], zu laufen. Sie endete mit Ablauf des 31.12.2020 und war bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids 3 noch nicht abgelaufen. Die Gewährung der Steuerbegünstigung in Höhe von 10,89 % war rechtmäßig (vgl. unter [X.] dd). Auf die Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 [X.] kommt es daher nicht an.

3. Auch der Grunderwerbsteuerbescheid 4 vom 18.07.2019 war rechtmäßig.

a) Der Grunderwerbsteuerbescheid 4 änderte nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] zutreffend den Grunderwerbsteuerbescheid 2 und setzte dort ordnungsgemäß die im Feststellungsbescheid vom 07.05.2019 getroffenen Feststellungen um. Ob nachträglich bekannt gewordene Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vorlagen, braucht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geprüft zu werden, da die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids 2 durch den Grunderwerbsteuerbescheid 4 durch das [X.] nicht auf § 173 [X.], sondern zutreffend auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] gestützt wurde.

b) Festsetzungsverjährung war bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids 4 am 18.07.2019 noch nicht eingetreten. Der Feststellungsbescheid vom 07.05.2019, der Bindungswirkung für den Grunderwerbsteuerbescheid 4 entfaltete, löste die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 [X.] aus, wonach die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids --und daher nicht vor Mai 2021-- endete.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 20/21

08.11.2023

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 20. Mai 2021, Az: 8 K 973/20 GrE,F, Urteil

§ 169 Abs 1 S 1 AO, § 169 Abs 2 S 1 Nr 2 AO, § 170 Abs 2 S 1 Nr 1 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO, § 175 Abs 2 S 1 Alt 1 AO, § 5 Abs 2 GrEStG 1997, § 5 Abs 3 GrEStG 1997 vom 24.03.1999, § 17 Abs 2 GrEStG 1997, § 19 Abs 1 GrEStG 1997, § 19 Abs 2 Nr 4 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.11.2023, Az. II R 20/21 (REWIS RS 2023, 9454)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9454

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