Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2022, Az. V ZB 22/21

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5178

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Gegenstand

Streitgenossenschaft: Verfahrensaussetzung aufgrund des Todes eines Streitgenossen


Tenor

Das gegen den Beklagten zu 1 geführte Rechtsbeschwerdeverfahren wird fortgeführt.

Das gegen die Erben des verstorbenen Beklagten zu 2 geführte Rechtsbeschwerdeverfahren ist nach § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin erwarb 2018 ein Grundstück. Noch vor ihrer Eintragung als Eigentümerin wurde zugunsten des Beklagten zu 1 und des während des [X.] verstorbenen Beklagten zu 2 als Gesamtberechtigte aufgrund einer einstweiligen Verfügung eine Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung eines Nießbrauchs in das Grundbuch eingetragen. Die Klägerin nimmt die Beklagten vor dem Amtsgericht auf Zustimmung zur Löschung der Vormerkung mit der Begründung in Anspruch, sie habe das Grundeigentum gutgläubig lastenfrei erworben und zudem bestehe kein Nießbrauchsrecht der Beklagten. Die Beklagten führen einen Prozess gegen die Verkäuferin des Grundstücks vor dem [X.], in welchem sie diese als Schuldnerin des behaupteten Nießbrauchsrechts auf Zustimmung zur Eintragung des Rechts in das Grundbuch in Anspruch nehmen.

2

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 hat das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem [X.] zur Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen ausgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Aussetzung hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

3

Der Beklagte zu 2, der Prozessbevollmächtigter des Beklagten zu 1 war und sich in dem Rechtsstreit zugleich selbst vertreten hat, ist am 23. Januar 2022 verstorben. Auf den Hinweis, dass der Rechtsstreit durch den Tod des Beklagten zu 2 gemäß §§ 239, 244 ZPO unterbrochen sei, hat die Klägerin beantragt, das Rechtsbeschwerdeverfahren fortzuführen.

II.

4

Der Antrag der Klägerin hat lediglich im Hinblick auf die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Rechtsbeschwerde Erfolg. Insoweit ist das Verfahren fortzuführen. Das gegen die Erben des ehemaligen Beklagten zu 2 geführte Rechtsbeschwerdeverfahren ist demgegenüber nach § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen.

5

1. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist im Verhältnis zum Beklagten zu 1 nicht nach § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Nach dieser Vorschrift tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, wenn in [X.] der Anwalt einer [X.] stirbt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die [X.] im Anwaltsprozess nicht postulationsfähig ist. Ist in einem Anwaltsprozess die anwaltliche Vertretung nicht mehr gesichert, verletzte eine Verfahrensfortsetzung das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juni 2020 - [X.]/19, NJW-RR 2020, 1191 Rn. 17). Anwalt im Sinne der Vorschrift ist allerdings nur der für den Rechtszug, in dem das Verfahren sich befindet, notwendigerweise bestellte prozessbevollmächtigte und postulationsfähige Rechtsanwalt (vgl. MüKoZPO/[X.], 6. Aufl., § 244 Rn. 7). An dieser Voraussetzung mangelt es. Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem [X.] müssen sich die [X.]en gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch einen bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Beklagte zu 1 hat für das Rechtsbeschwerdeverfahren bislang keinen bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt bestellt. Im Hinblick auf den Beklagten zu 1 ist daher das Verfahren fortzuführen. Dies gilt unabhängig davon, dass das gegen die Erben des verstorbenen Beklagten zu 2 gerichtete Verfahren unterbrochen ist (hierzu nachfolgend), da in der Rechtsprechung des [X.]s anerkannt ist, dass das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen durch die Unterbrechung des Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen infolge seines Todes nicht berührt wird (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 2006 - [X.], NJW 2007, 156 Rn. 15 f.). Die Beklagten sind einfache Streitgenossen, weil die Vormerkung einen Anspruch auf Eintragung eines Nießbrauchs in der Form der Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB sichert, so dass jedem Gesamtberechtigten mit Entstehung des Rechts ein eigener Anspruch auf die ganze Leistung zusteht (vgl. Senat, Urteil vom 6. März 2020 - [X.], [X.] 2021, 275 Rn. 7).

6

2. Demgegenüber ist das Verfahren gegen die Erben des verstorbenen Beklagten zu 2 gemäß § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Nach dieser Norm tritt im Falle des Todes einer [X.] eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Die Ausnahmeregelung in § 246 Abs. 1 ZPO findet keine Anwendung, weil der Beklagte zu 2 im Rechtsbeschwerdeverfahren im Zeitpunkt seines Versterbens ebenfalls nicht durch einen bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt vertreten wurde. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Umstand, dass der Nießbrauch gemäß § 1061 Satz 1 BGB mit dem Tode des Nießbrauchers erlischt, der gesetzlich vorgesehenen Unterbrechung des Verfahrens nicht entgegen. § 239 Abs. 1 ZPO ordnet einen [X.] [X.] Gesetzes vor dem Hintergrund an, dass der Prozess mit dem Rechtsnachfolger fortgeführt wird. Der [X.] ermöglicht es, den Rechtsnachfolger zu ermitteln, der den Rechtsstreit in dem Verfahrensstand übernehmen muss, in dem er sich befindet, und gibt diesem Gelegenheit, sich auf den gesetzlichen [X.]wechsel einzustellen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Januar 2017 - [X.], [X.] 2017, 394 Rn. 22). Wegen dieses Gesetzeszwecks kommt es durch den Tod der [X.] zu einer Unterbrechung des Verfahrens nach § 239 Abs. 1 ZPO unabhängig davon, ob das den Streitgegenstand bildende Recht vererblich ist oder nicht, da das Erlöschen des Anspruches nicht zur Beendigung des Prozesses führt. Vielmehr kann der Prozess sowohl zur Feststellung der Erledigung und der Kostenentscheidung als auch zur Entscheidung über mögliche Ersatzansprüche (§ 264 Nr. 3 ZPO) aufgenommen werden (vgl. [X.], ZPO, 23. Aufl., § 239 Rn. 4). Im Übrigen ist Gegenstand des unterbrochenen [X.] unabhängig vom Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens allein die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfahrensaussetzung durch das Amtsgericht, so dass auch vor diesem Hintergrund die fehlende Vererblichkeit des Nießbrauchsrechts keinen Einfluss auf die [X.] Gesetzes vorgesehene Verfahrensunterbrechung hat.

Brückner     

      

Haberkamp     

      

Hamdorf

      

Malik     

      

Laube     

      

Meta

V ZB 22/21

18.07.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Gießen, 30. März 2021, Az: 7 T 6/21

§ 239 Abs 1 ZPO, § 244 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2022, Az. V ZB 22/21 (REWIS RS 2022, 5178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5178 MDR 2023, 159-160 REWIS RS 2022, 5178

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