Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.12.2015, Az. V ZR 269/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 298

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Gegenstand

Rechtsfolgen des Erlöschens eines Nießbrauchsrecht an einem Grundstück mit dem Tod des Nießbrauchers: Rechtsnachfolge des Grundstückseigentümers; Ansprüche gegen Dritte


Leitsatz

1. Der Eigentümer eines Nießbrauchsgrundstücks wird mit dem Erlöschen des Nießbrauchs nicht Rechtsnachfolger des Nießbrauchers.

2. Die Beendigung des Nießbrauchs führt grundsätzlich zu einem Erlöschen der gegen einen Dritten bestehenden Ansprüche des Nießbrauchers gemäß § 1065 i.V.m. §§ 985, 1004 BGB auf Herausgabe der Nießbrauchssache oder Störungsbeseitigung.

Ausnahmsweise können solche Ansprüche bestehen bleiben, wenn der ehemalige Nießbraucher durch die Einwirkung des Dritten an der Erfüllung seiner aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis gegenüber dem Eigentümer bestehenden Pflichten gehindert wird; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ansprüche gegen den Dritten vor der Beendigung des Nießbrauchs bereits rechtshängig geworden oder tituliert worden sind.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 19. November 2014 ([X.]. 1 U 15/14; 1 U 16/14) im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

W.    W.     (fortan: Nießbraucher) übertrug im Jahr 1995 sein Grundstück auf die Beklagten zu 2 und 3, seine beiden Söhne. Im Gegenzug räumten diese ihm hieran einen Nießbrauch ein. Gegenüber der Beklagten zu 1, ihrer Mutter und Ehefrau des Nießbrauchers, bewilligten sie einen durch den Tod des Nießbrauchers aufschiebend bedingten Nießbrauch.

2

In der Folgezeit erstritt der Nießbraucher die - rechtskräftigen - Urteile des [X.] vom 18. März 2003 und vom 17. April 2007, welche die Kläger zur Herausgabe einer mit einem Überbau bebauten Teilfläche des [X.] sowie zur Beseitigung des Überbaus verpflichten (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2004 - [X.], [X.], 301, und Urteil vom 30. Mai 2008 - [X.], NJW 2008, 3122). [X.] verstarb der Nießbraucher. Die Beklagten zu 1 bis 3 sind seine Erben. Ihnen wurde eine mit einer Rechtsnachfolgeklausel versehene vollstreckbare Ausfertigung der Titel erteilt.

3

Mit der Vollstreckungsabwehrklage und [X.] wollen die Kläger erreichen, dass die von den Beklagten zu 1 bis 3 betriebene Zwangsvollstreckung aus den beiden Urteilen für unzulässig erklärt wird. Das [X.] hat den Klagen gegen die Beklagte zu 1 stattgegeben, sie hinsichtlich der Beklagten zu 2 und 3 hingegen abgewiesen. Das [X.] hat die Berufungen der Kläger und der Beklagten zu 1 zurückgewiesen. Mit ihren Revisionen gegen beide Entscheidungen des [X.]s verfolgen die Kläger gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 ihre Klageziele weiter. Diese beantragen die Zurückweisung der Revisionen. Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2015 die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Klagen, soweit sie sich gegen die Beklagten zu 2 und 3 richten, unbegründet. Zwar erlösche der Nießbrauch gemäß § 1061 Satz 1 [X.] mit dem Tod des [X.] und sei damit unvererblich. Das schließe aber den Fortbestand des Nießbrauchs gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des vormals belasteten Grundstücks nicht aus. Der Nießbrauch erlösche insoweit nicht, sondern falle an den Eigentümer zurück. Aufgrund des [X.] sei der Grundstückseigentümer Rechtsnachfolger des verstorbenen [X.]. Dieses Ergebnis entspreche auch dem Rechtsgedanken des § 889 [X.]. Im Übrigen wäre es ein ungerechtfertigter Formalismus, den Grundstückseigentümer bei Versterben des nießbrauchsberechtigten Titelgläubigers darauf zu verweisen, die ihm als Eigentümer unter denselben Prämissen zustehenden Ansprüche aus §§ 985, 1004 [X.] erneut gerichtlich geltend zu machen. Der Heimfall des Nießbrauchs an die Beklagten zu 2 und 3 sei auch nicht auf den Tod der Beklagten zu 1 hinausgeschoben. Diese habe ihr jetziges Nießbrauchsrecht nicht durch Erbschaft erworben, sondern von den Beklagten zu 2 und 3.

II.

5

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

1. Nicht frei von [X.] sieht das Berufungsgericht die Klauselgegenklagen (§ 768 ZPO) als unbegründet an.

7

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Beklagten zu 2 und 3 nicht in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des vormals belasteten Grundstücks Rechtsnachfolger des verstorbenen [X.] geworden.

8

aa) Der Nießbrauch ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - auf die Beklagten zu 2 und 3 im Wege des „[X.]“ übergegangen.

9

(1) Bereits der Wortlaut von § 1061 Satz 1 [X.] schließt einen Übergang des Nießbrauchs auf den Eigentümer bei Versterben des [X.] aus, indem er bestimmt, dass der Nießbrauch mit dem Tod des [X.] erlischt. Ein Übergang des Nießbrauchs auf den Eigentümer scheitert somit daran, dass der Nießbrauch nicht mehr besteht (vgl. [X.]/[X.], 3. Aufl., § 1030 Rn. 5).

(2) Die Annahme eines „[X.]“ des Nießbrauchs auf den Eigentümer bei Tod des [X.] entspricht auch nicht - wie das Berufungsgericht meint - dem Rechtsgedanken des § 889 [X.]. Nach dieser Vorschrift erlischt ein Recht an einem fremden Grundstück nicht dadurch, dass der Eigentümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Die Vorschrift macht zwar deutlich, dass dem Gesetz ein Ausschluss des Bestehens dinglicher Rechte an eigenen Grundstücken fremd ist. Daher kann ein Grundstückseigentümer einen Nießbrauch auch für sich selbst bestellen (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 - [X.] 271/10, [X.], 267 Rn. 7, 9 „Eigennießbrauch“). Die hier relevante - vorgelagerte - Frage, ob nach dem Tod des [X.] noch ein Recht besteht, das auf den Eigentümer übergehen kann, wird von § 889 [X.] aber nicht beantwortet. Vielmehr setzt die Vorschrift voraus, dass der Eigentümer das dingliche Recht, hier den Nießbrauch, „erwirbt“. Ein erloschenes Recht kann jedoch nicht mehr erworben werden. Einen Rechtsgedanken, nach dem bei Erlöschen des dinglichen Rechts an einem Grundstück stets eine Vereinigung mit dem Eigentum erfolgt, enthält § 889 [X.] nicht.

(3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gebieten Sinn und Zweck der Regelung des § 1061 [X.] nicht eine einschränkende Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass der Nießbrauch mit dem Tod des [X.] nur im Verhältnis zu dem Erben erlischt, im Verhältnis zu dem Eigentümer dagegen bestehen bleibt und an diesen zurückfällt. Eine solche (teleologische) Reduktion einer Vorschrift nach ihrem Zweck ist geboten, wenn der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der von ihm gewählten Gesetzesfassung bedacht hat und ihre wortgetreue Anwendung das gesetzgeberische Ziel deutlich verfehlen würde (Senat, Urteil vom 18. Juli 2014 - [X.], [X.], 335 Rn. 14). Von einer Verfehlung der gesetzgeberischen Intention kann hier nicht ausgegangen werden. Wie § 1059 [X.] trägt auch die Vorschrift des § 1061 [X.] der Tatsache Rechnung, dass der Nießbrauch eine Vertrauensstellung des [X.] begründet und der Eigentümer deshalb nicht gezwungen sein soll, Dritte als Nießbraucher zu akzeptieren (MüKo-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1061 Rn. 1). Dieses Ziel wird durch die Anordnung des Erlöschens des Nießbrauchs bei Tod des [X.] erreicht. Es wäre zwar auch dann nicht gefährdet, wenn man - wie das Berufungsgericht - nur ein „relatives“ Erlöschen des [X.] im Verhältnis zu den Erben, nicht aber gegenüber dem Eigentümer annähme. Dies allein vermag jedoch nicht die Annahme einer Verfehlung des gesetzgeberischen Ziels zu begründen. Die Rückübertragung der dinglichen Rechtsposition des [X.] auf den Eigentümer ist nicht erforderlich, da die Einräumung des Nießbrauchs die dingliche Rechtsposition des Eigentümers unberührt lässt und das im Nießbrauch verdinglichte [X.] mit Ende des Nießbrauchs dem Eigentümer ohne weiteres wieder als Inhaltsbestandteil des Vollrechts „Eigentum“ zusteht.

bb) Die Beklagten zu 2 und 3 sind hinsichtlich der titulierten [X.] und [X.] aus § 1065 [X.]. §§ 985, 1004 [X.] auch nicht aus sonstigen Gründen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des [X.] Rechtsnachfolger nach dem Nießbraucher geworden.

(1) Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Eigentümer der belasteten Sache sei Rechtsnachfolger des verstorbenen [X.] ([X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 727 Rn. 25; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 727 Rn. 10; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 239 Rn. 27; [X.]/[X.], ZPO, § 239 Rn. 6; BeckOK-ZPO/Jaspersen, § 239 [Stand: 1.6.2015] Rn. 32; [X.]/[X.], [X.] [2009], § 1061 Rn. 17; Soergel/Stürner, [X.], 13. Aufl., § 1061 Rn. 4). Zur Begründung wird aber lediglich auf eine Entscheidung des [X.] (Rpfleger 1953, 82 f.) verwiesen, das den Grundstückseigentümer in Bezug auf einen von dem verstorbenen Nießbraucher mit einem [X.] geschlossenen Pachtvertrag als Rechtsnachfolger des [X.] bezeichnet hat. Hierbei hat das [X.] allerdings verkannt, dass der Eigentümer von Gesetzes wegen (§ 1056 [X.]) in einen solchen Vertrag eintritt, ohne dass dies eine Rechtsnachfolge nach dem Nießbraucher bedeutet (Senat, Urteil vom 20. Oktober 1989 - [X.], [X.], 111, 114; [X.], Urteil vom 29. Januar 1970 - [X.], [X.]Z 53, 174, 179).

(2) Richtigerweise wird der Eigentümer mit dem Erlöschen des Nießbrauchs nicht Rechtsnachfolger des [X.] hinsichtlich der diesem gegenüber [X.] gemäß § 1065 [X.] zustehenden [X.] oder [X.] aus §§ 985, 1004 [X.] (zur Rechtsnachfolge des [X.] in die Rechtsstellung des Eigentümers vgl. Senat, Beschluss vom 26. März 2014 - [X.] 140/13, NJW 2014, 1740). Der Eigentümer leitet die Ansprüche aus §§ 985, 1004 [X.] nicht von dem Nießbraucher ab. Nicht erst das Erlöschen des Nießbrauchs versetzt ihn in die Lage, solche Rechte geltend zu machen; vielmehr hat der Eigentümer auch während des Bestehens des Nießbrauchs gegen Dritte eigene, aus seiner Eigentümerstellung folgende Ansprüche, die - wenn auch mit gewissen Modifikationen (vgl. MüKo-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1065 Rn. 7) - grundsätzlich neben denen des [X.] aus § 1065 [X.] bestehen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - [X.], NJW 2010, 2341 Rn. 8). Diese Ansprüche können, weil Nießbraucher und Eigentümer nach allgemeiner Auffassung keine notwendigen Streitgenossen sind ([X.]/[X.], [X.] [2009], § 1065 Rn. 9; MüKo-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1065 Rn. 7; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 1065 Rn. 1; vgl. allerdings auch [X.]/[X.], [X.] [2009], § 1042 Rn. 8), ein unterschiedliches rechtliches Schicksal nehmen. Das Erlöschen des Nießbrauchs hat auch nicht zur Folge, dass der Eigentümer die dem Nießbraucher gegen einen [X.] zustehenden Rechte aus § 1065 [X.]. §§ 985, 1004 [X.] zusätzlich zu den Eigentümerrechten „hinzuerwirbt“. Es bleibt vielmehr bei dem Nebeneinander der Ansprüche von Eigentümer und Nießbraucher; soweit die Ansprüche des [X.] nicht auf dessen Erben übergehen (dazu unter 1 [X.]), erlöschen sie.

(3) Überlegungen zur Schutzbedürftigkeit des Eigentümers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Dem Eigentümer steht es jederzeit offen, die neben den Ansprüchen des [X.] bestehenden eigenen Ansprüche aus §§ 985, 1004 [X.] selbständig geltend zu machen. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Eigentümer, sähe man ihn als Rechtsnachfolger nach dem Nießbraucher an, auch an ein Urteil zu Lasten des [X.] gebunden wäre; dass dies nicht seinen Interessen entspricht, liegt auf der Hand.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich eine Rechtsnachfolge der Beklagten zu 2 und 3 in die titulierten Ansprüche aber aus deren Stellung als Erben des [X.] ergeben.

aa) Zwar ist der Nießbrauch - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht - als solcher nicht vererblich, da er gemäß § 1061 Satz 1 [X.] mit dem Tod des [X.] erlischt. Die Beendigung des Nießbrauchs, gleichviel ob sie aufgrund Todes des [X.], durch Ablauf einer zeitlichen Befristung oder aufgrund einer einverständlichen Aufhebung (§ 1062 [X.]) eintritt, führt grundsätzlich zu einem Erlöschen auch der Ansprüche des [X.] auf Herausgabe der [X.] oder auf Störungsbeseitigung, da diese Ansprüche das weitere Bestehen der Stellung als Nießbraucher voraussetzen (zum öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch vgl. [X.], NJW 1994, 3244). Ebenso wie die Ansprüche des Eigentümers aus §§ 985, 1004 [X.] untrennbar mit dem Eigentum verbunden sind (Senat, Urteil vom 23. Februar 1973 - [X.], [X.]Z 60, 235, 240; Urteil vom 18. Oktober 2007 - [X.], Grundeigentum 2007, 1551), kann auch der [X.] und Beseitigungsanspruch des [X.] nicht von dem Nießbrauch getrennt werden. Der [X.] und Beseitigungsanspruch gemäß § 1065 [X.]. §§ 985, 1004 [X.] dient dem Schutz der dinglichen Rechtsposition des [X.] bei einer vollständigen oder partiellen Verletzung seines Rechts (vgl. [X.]; BeckOK-[X.]/[X.], Edition 36, § 1065 Rn. 1). Erlischt die dingliche Rechtsposition des [X.], hat er, da er zur Nutzung der [X.] nicht mehr berechtigt ist, grundsätzlich kein rechtlich schützenswertes Interesse daran, einer durch Entziehung oder sonstige Beeinträchtigung hervorgerufenen Verletzung des [X.] weiter zu begegnen.

bb) Ausnahmsweise kann ein gegen einen [X.] gerichteter [X.] oder Beseitigungsanspruch des [X.] aber auch nach Beendigung des Nießbrauchs bestehen bleiben, wenn der ehemalige Nießbraucher durch Einwirkungen des [X.] auf die [X.] an der Erfüllung seiner aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis gegenüber dem Eigentümer bestehenden Pflichten gehindert wird; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ansprüche gegen den [X.] vor der Beendigung des Nießbrauchs bereits rechtshängig geworden oder tituliert worden sind.

(1) Mit der Nießbrauchsbestellung entsteht zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis ([X.]/[X.], [X.] [2009], [X.]. zu §§ 1030 ff. Rn. 6). Dieses erlischt nicht mit der Beendigung des Nießbrauchs. Vielmehr wandelt es sich in ein gesetzliches Rückabwicklungsschuldverhältnis um ([X.]/[X.], [X.] [2009], § 1055 Rn. 1). Ist die Beendigung des Nießbrauchs aufgrund Todes des [X.] eingetreten, gehen die Rechte und Pflichten des [X.] aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis auf dessen Erben über (MüKo-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1061 Rn. 12). Als Bestandteil des gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnisses normiert § 1055 [X.] eine Rückgabepflicht des [X.] gegenüber dem Eigentümer. Der Nießbraucher - bzw. sein Erbe, auf den der Besitz an dem [X.] gemäß § 857 [X.] übergeht - hat die [X.] grundsätzlich in dem Zustand zurückzugeben, der ordnungsmäßiger Bewirtschaftung unter Aufrechterhaltung der bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung entspricht (Soergel/Stürner, [X.], 13. Aufl., § 1055 Rn. 2).

(2) Wird der Nießbraucher an der Erfüllung seiner Rückgabepflichten aus § 1055 Abs. 1 [X.] durch Einwirkungen Dritter auf die [X.] gehindert, sei es durch deren vollständige Entziehung, sei es durch deren partielle Beeinträchtigung, können ihm gegen den [X.] ausnahmsweise weiterhin die Rechte aus § 1065 [X.]. §§ 985, 1004 [X.] zustehen. Das durch § 1065 [X.] geschützte Interesse des [X.], Beeinträchtigungen des [X.] abzuwehren, gründet sich auf das durch die Bestellung des Nießbrauchs entstandene gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher und verändert durch die Umwandlung des Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis lediglich seine Zielrichtung. Während der Nießbraucher für die Dauer des [X.] ein rechtlich schutzwürdiges Interesse daran hat, die [X.] frei von Störungen durch Dritte zu nutzen, und er daher Verletzungen des [X.] unterbinden kann, kann er (bzw. - im Fall des § 1061 Satz 1 [X.] - sein Erbe) nach Beendigung des Nießbrauchs ein in gleicher Weise schutzwürdiges Interesse daran haben, an der Erfüllung seiner aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis folgenden Pflichten gegenüber dem Eigentümer nicht durch Einwirkungen Dritter auf die [X.] gehindert zu werden. [X.] in einem solchen Fall niemals [X.] oder [X.] des [X.] gegen den [X.], könnte er seine Rückgabeverpflichtung nicht erfüllen, müsste dem Eigentümer deshalb Schadensersatz leisten und wäre gehalten, den [X.] seinerseits auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Ein sachlicher Grund, ihn auf diesen Weg zu beschränken statt die (weitere) Durchsetzung der sich aus dem Nießbrauch ergebenden Rechte zuzulassen, besteht jedenfalls in den Fällen nicht, in denen die Ansprüche gegen den [X.] - wie hier - noch während des Bestehen des Nießbrauchs rechtshängig geworden oder tituliert worden sind.

Schutzwürdige Interessen des [X.] sind nicht berührt. Für ihn stellt es sich als reinen Zufall dar, dass der Nießbraucher stirbt oder das Nießbrauchsrecht infolge Zeitablaufs erlischt; er kann, wenn der Nießbraucher bereits gerichtliche Schritte in die Wege geleitet hatte, nicht erwarten, dass sich ein während des Bestehens des [X.] begonnener Rechtsstreit aus diesem Grund erledigt und er deshalb seiner Verpflichtung zur Herausgabe des Grundstücks oder zur Störungsbeseitigung nicht mehr oder nur nach (erneuter) Geltendmachung durch den Eigentümer nachkommen muss.

cc) Entscheidend ist daher, ob die Beklagten zu 2 und 3 als Erben des [X.], dessen [X.] und [X.] gegen die Kläger bereits vor Beendigung des Nießbrauchs tituliert waren, an der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis gehindert werden. Nur dann können die aus dem dinglichen Recht folgenden Ansprüche trotz Erlöschens des Rechts ausnahmsweise fortbestehen. Dies gilt auch für die hier in Rede stehenden Ansprüche. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall zur ordnungsmäßigen Wirtschaft i.S.d. § 1036 Abs. 2 [X.] auch die Beseitigung eines Überbaus gehört und daher die Verpflichtung aus § 1055 Abs. 1 [X.] die Rückgabe eines nicht überbauten [X.] umfasst.

Ob die Durchsetzung der gegen die Kläger titulierten [X.] und [X.] des [X.] zur Erfüllung der Rückgabepflicht aus § 1055 Abs. 1 [X.] erforderlich ist, die Ansprüche deshalb trotz Beendigung des Nießbrauchs ausnahmsweise weiter bestehen und damit auf die Beklagten zu 2 und 3 als seine Erben übergegangen sind, hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, sich mit den neuen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen und dazu ergänzend vorzutragen.

2. Auch mit Blick auf die [X.] (§ 767 ZPO) ist die Revision begründet.

Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht beanstandet geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Kläger mit dem Einwand der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Beseitigung des Überbaus ausgeschlossen sind. Ob dagegen der von den Klägern erhobene Einwand des Erlöschens der titulierten Forderungen begründet oder unbegründet ist, hängt - wie dargelegt - davon ab, ob es sich im konkreten Fall um einen jener Ausnahmefälle handelt, bei der die Ansprüche des [X.] aus § 1065 [X.] [X.]. §§ 985, 1004 [X.] trotz Beendigung des Nießbrauchs weiterbestehen.

III.

Nach allem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

Stresemann                     Schmidt-Räntsch                             Weinland

                      Göbel                                    Haberkamp

Meta

V ZR 269/14

18.12.2015

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 19. November 2014, Az: 1 U 15/14, Urteil

§ 985 BGB, § 1004 BGB, § 1055 BGB, § 1061 S 1 BGB, § 1065 BGB, § 767 ZPO, § 768 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.12.2015, Az. V ZR 269/14 (REWIS RS 2015, 298)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1953 WM 2016, 1408 REWIS RS 2015, 298

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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