Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2014, Az. 8 AZR 144/13

8. Senat | REWIS RS 2014, 7891

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gesellschaftsrechtliche Nachhaftung - Auflösung der Gesellschaft - Betriebsübergang


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. September 2012 - 7 [X.]/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die [X.]arteien streiten um die Frage, ob der [X.] für offene Vergütungsansprüche des [X.] aus dem Jahre 2011 haftet.

2

Der Kläger war ab 1. Oktober 2010 in der Gaststätte „[X.]“ in K als [X.] beschäftigt. Inhaber und Betreiber der Gaststätte war damals [X.] kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. November 2010, weil das Gasthaus „mit Ablauf des 30.11.2010 unter neuer gewerblicher Verantwortung weitergeführt“ werde.

3

Die Gaststätte „[X.]“ wurde ab dem 1. Dezember 2010 von der „[X.]“ weitergeführt, die aus dem [X.]n und [X.] bestand und nicht im Handelsregister eingetragen war. Für diese setzte der Kläger seine Arbeit als [X.] fort gegen ein auf rd. 2/3 seines bisherigen Verdienstes reduziertes Gehalt. Die [X.] erteilte für Dezember 2010 eine Lohnabrechnung für den Kläger.

4

Die beiden Gesellschafter der GbR, also der [X.] und [X.], fassten auf einer Gesellschafterversammlung vom 5. Januar 2011 folgenden Beschluss:

        

„1.     

Mit heutiger Sitzung wird offiziell beschlossen, dass die gegründete GbR laut Vereinbarung vom 01.12.2010, zum 31.12.2010 einvernehmlich aufgelöst wird.

        

2.    

Alle Rechten und [X.]flichten aus der GbR gelten als erledigt.

        

3.    

Es gilt als vereinbart, dass [X.] aus der GbR seinen eingebrachten Anteil mit einem [X.]auschalbetrag von 1.500 Euro (eintausendfünfhundert) erhält. Dieser Betrag ist von [X.] nach Unterzeichnung dieses Beschlusses [X.]ug um [X.]ug zu zahlen.

        

4.    

Für eventuelle Umschreibungen bestehender Verträge auf [X.], hat dieser alleinig Sorge zu tragen und einen entsprechenden Nachweis unaufgefordert vorzulegen.

        

5.    

[X.] wurden getroffen.“

5

[X.] führte ab 1. Januar 2011 die Gaststätte in [X.] alleine weiter. Dem Kläger, der für ihn seine Tätigkeit als [X.] fortsetzte, stellte dieser die Lohnabrechnungen ab Januar 2011 aus. [X.] kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter dem 15. Mai 2011, worauf dieser vor dem [X.] Kündigungsschutzklage erhob (- 5 Ca 1274/11 [X.] -). Am 10. Juni 2011 verglichen sich der Kläger und [X.] auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige, ordentliche, betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf des 9. Juni 2011; [X.] verpflichtete sich zur [X.]ahlung rückständiger Vergütung iHv. insgesamt 3.417,94 Euro.

6

Eine [X.]ahlung durch [X.] auf die nach dem rechtskräftigen Vergleich geschuldeten Beträge erfolgte nicht; infolge der [X.]ahlungsunfähigkeit von [X.] blieb auch die vom Kläger betriebene [X.]wangsvollstreckung erfolglos. Von der [X.] erhielt der Kläger 1.730,35 Euro netto Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. [X.] III.

7

[X.]ur Begründung der vorliegenden Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, der [X.] hafte als ehemaliger Gesellschafter der [X.] im Wege der sogenannten Nachhaftung für die bei [X.] uneinbringlich gebliebenen Vergütungsansprüche vom 1. April 2011 bis zum 9. Juni 2011. Ein Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers habe nie stattgefunden, der [X.] sei lediglich aus der fortbestehenden Gesellschaft ausgeschieden.

8

Soweit für die Revision von Interesse hat der Kläger zuletzt beantragt,

        

den [X.]n als Gesamtschuldner neben [X.] zu verurteilen, an ihn 3.417,94 Euro brutto abzüglich erhaltenen [X.] iHv. 1.730,35 Euro netto zu zahlen.

9

Der [X.] hat sich zur Begründung seines Antrages auf Klageabweisung darauf berufen, dass er nur im Dezember 2010 als Gesellschafter der [X.] Arbeitgeber des [X.] gewesen sei. Diese sei zum 31. Dezember 2010 aufgelöst worden, sodass er für später entstandene Vergütungsansprüche nicht haftbar gemacht werden könne. Insbesondere scheide eine gesellschaftsrechtliche Nachhaftung aus.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Vergütungsanspruches stattgegeben. Die Berufung des [X.]n hatte vor dem [X.]; das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen [X.]ahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Als [X.]er der ehemaligen, zum 31. Dezember 2010 aufgelösten „[X.]“ haftet der Beklagte für 2011 entstandene [X.] des [X.] nicht nach.

A. Das [X.] hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte hafte nicht für die nach Auflösung der GbR entstandenen Zahlungsansprüche. Ein Fall der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung nach § 736 Abs. 2 BGB iVm. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB sei nicht gegeben. Die Regelung des § 736 BGB gelte für den Fall, dass der [X.]er einer [X.] bürgerlichen Rechts aus den dort aufgeführten Gründen aus der [X.] ausscheide, während die [X.] selbst als solche aber fortbestehe. Für eine derartige Fallkonstellation verweise § 736 Abs. 2 BGB auf die für die [X.]ersonenhandelsgesellschaften geltenden Regelungen über die Begrenzung der Nachhaftung, insbesondere auf § 160 HGB. Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB hafte ein aus der [X.] ausscheidender [X.]er für deren bis dahin begründete Verbindlichkeiten.

Zwar komme es bei Dauerschuldverhältnissen für die Begründung einer Verbindlichkeit auf den Zeitpunkt der Begründung des Dauerschuldverhältnisses an, nicht darauf, wann die einzelne Forderung entstanden und fällig geworden sei. Bei Arbeitsverhältnissen komme es also auf den Abschluss des Arbeitsvertrages an. Vorliegend liege jedoch weder ein Fall eines [X.]erwechsels vor, noch ein in § 736 Abs. 1 BGB vorausgesetzter Fall des Ausscheidens eines [X.]ers bei gleichzeitigem Fortbestand der [X.]. Die „[X.]“ sei nämlich selbst als solche ersatzlos aufgelöst worden. Dies ergebe sich aus dem [X.]erbeschluss vom 5. Januar 2011. Daher habe die GbR, die bis zum 31. Dezember 2010 Arbeitgeberin des [X.] war, mit diesem Datum zu existieren aufgehört. Der Beklagte hafte nicht nach § 160 HGB nach.

Zudem habe die Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers gewechselt, wie es für einen Betriebsübergang kennzeichnend sei. Nach Auflösung der [X.] habe der verbleibende ehemalige zweite [X.]er den Gaststättenbetrieb in Eigenregie als Einzelunternehmer fortgeführt. Damit liege ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB vor und nach § 613a Abs. 2 BGB hafte die „[X.]“ als bisherige Arbeitgeberin nur für solche Arbeitgeberverpflichtungen, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden seien. Dagegen hafte sie nicht für Vergütungsansprüche des [X.], die erst 2011 entstanden seien und mithin auch nicht der Beklagte, der als ehemaliger [X.]er der [X.] der früheren [X.] nicht weiter hafte als die [X.] selbst. § 736 Abs. 2 BGB erfasse den Fall der Auflösung einer [X.] nicht.

B. Die im Hinblick auf die Rüge des [X.] zu § 613a BGB noch zulässige Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des [X.]s hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Der Kläger kann den Beklagten nicht für die Vergütung nach seinem Arbeitsvertrag iVm. § 611 Abs. 1 BGB, § 128 Satz 1 HGB analog in Anspruch nehmen. Der Kläger macht Vergütungsforderungen geltend, die den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 9. Juni 2011 betreffen und die spätestens mit dem Zeitpunkt des [X.] am 10. Juni 2011 entstanden sind und fällig wurden. Am 1. April 2011 war die GbR, mit der der Kläger im Dezember 2010 ein Arbeitsverhältnis hatte, bereits seit geraumer Zeit aufgelöst. Das [X.] hat festgestellt, dass im Dezember 2010 allein die „[X.]“ Arbeitgeberin des [X.] war und nicht etwa der Beklagte selbst oder sein damaliger Mitgesellschafter [X.] Ab 1. Januar 2011 war nur noch [X.] alleiniger Arbeitgeber. An diese Feststellungen ist der Senat mangels einer erhobenen Verfahrensrüge gebunden (§ 559 Abs. 2 Z[X.]O).

II. Eine Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung kommt nicht in Betracht. Auch daraus ergibt sich kein Anspruch des [X.] gegen den Beklagten.

1. Eine begrenzte Nachhaftung des Beklagten nach § 736 Abs. 2 BGB iVm. § 160 HGB ist nicht gegeben, da den Feststellungen des [X.]s, dem unstreitigen Akteninhalt und auch dem Vorbringen des [X.] Tatsachen nicht zu entnehmen sind, nach denen der [X.]svertrag der „[X.]“ überhaupt eine Fortsetzungsklausel iSd. § 736 Abs. 1 BGB enthielt. Es wurde weder vorgetragen, dass einer der gesetzlichen Beispielsfälle des § 736 Abs. 1 BGB oder eine andere Konstellation des „Ausscheidens“ aus der [X.] vertraglich zwischen den [X.]ern, also zwischen dem Beklagten und [X.] geregelt worden ist. Daher ist auch nicht zu entscheiden, ob es in einem solchen Fall überhaupt eine „Ein-Mann-GbR“ geben kann.

2. Auch eine entsprechende Anwendung des § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB kommt nicht in Betracht. Der Sonderfall, dass bei einer zweigliedrigen [X.] einer der beiden [X.]er das [X.]svermögen - sämtliche Aktiva und [X.]assiva - im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernimmt, liegt nicht vor (vgl. [X.] 27. September 1999 - II [X.] - [X.]Z 142, 324; [X.] 14. Januar 2009 - 3 [X.]/08 -; [X.] 22. November 1998 - 13 U 5553/98 -). Die Feststellung des Berufungsgerichts, vorliegend hätten sich die [X.]er nicht über einen Fortbestand der [X.], sondern mit Beschluss vom 5. Januar 2011 über die ersatzlose Auflösung der [X.] geeinigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bereits in Ziff. 1 des [X.]erbeschlusses vom 5. Januar 2011 wird das Einvernehmen der [X.]er festgehalten, dass die [X.] „zum 31.12.2010 … aufgelöst“ wird. Die sich aus der GbR ergebenden Rechte und [X.]flichten sollen nach Ziff. 2 „als erledigt“ gelten, die [X.] soll also gerade nicht fortgeführt werden. Nach Ziff. 4 sollten die Geschäfte der aufgelösten [X.] von [X.] abgewickelt werden, wobei er bestehende Geschäftsverbindungen auf seine [X.]erson umschreiben durfte, aber auch musste. Der Beklagte erhielt „seinen eingebrachten Anteil“ in Form eines [X.]auschalbetrages von 1.500,00 Euro. Die Ziffern 3 und 4 des [X.] enthalten somit eine Regelung, wie die einen Monat am Markt werbend aufgetretene [X.] ab Januar 2011 zu liquidieren ist. Dem Willen der [X.]er ist gerade nicht zu entnehmen, dass [X.] die [X.]santeile des Beklagten „übernehmen“ und die [X.] im Wege der Gesamtrechtsnachfolge weiterführen sollte. Es gibt im Übrigen keine Feststellungen und auch keinen Vortrag des [X.], dass die aufgelöste GbR überhaupt nennenswerte Vermögensgegenstände oder Aktiva gehabt hatte. Eine Nachhaftung des Beklagten auch für nur „begründete“ Ansprüche nach § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB analog kommt daher nicht in Betracht.

3. Die [X.] des [X.] für Dezember 2010, für die der Beklagte nach § 611 Abs. 1 BGB, § 128 HGB haftete, sind befriedigt und nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Für danach entstandene [X.] des [X.] haftete der Beklagte selbst im Falle eines Betriebsübergangs von der GbR auf [X.] nicht nach § 613a Abs. 2 BGB, da solche Verpflichtungen nicht vor dem Zeitpunkt des Übergangs, also vor dem 1. Januar 2011 entstanden sind.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 Z[X.]O.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Oschmann    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 144/13

13.02.2014

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bonn, 7. Dezember 2011, Az: 2 Ca 2330/11 EU, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 736 Abs 1 BGB, § 736 Abs 2 BGB, § 128 S 1 HGB, § 160 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2014, Az. 8 AZR 144/13 (REWIS RS 2014, 7891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7891

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

7 Sa 77/12 (Landesarbeitsgericht Köln)


V ZR 250/19 (Bundesgerichtshof)

Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Wohnungseigentümerin: Umfang der Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters


IX R 42/14 (Bundesfinanzhof)

Zinszahlungen des ehemaligen Gesellschafters wegen der Nachhaftung für die Darlehensverbindlichkeit einer vermögensverwaltenden Grundstücksgesellschaft als nachträgliche …


II ZR 197/10 (Bundesgerichtshof)

BGB-Gesellschaft: Bereicherungshaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für spätere Doppelzahlungen


9 Sa 188/99 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.