Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.06.2011, Az. XI R 15/10

11. Senat | REWIS RS 2011, 5311

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Gegenstand

Keine Differenzbesteuerung bei Veräußerung eines betrieblich genutzten PKW durch einen Kioskbetreiber - Auslegung eines einzelstaatlichen Steuergesetzes, das Unionsrecht umsetzt


Leitsatz

Die Veräußerung eines PKW, den ein Kioskbetreiber als Gebrauchtwagen ohne Vorsteuerabzugsberechtigung erworben und in seinem Unternehmen betrieblich genutzt hat, unterliegt bei richtlinienkonformer Auslegung nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, sondern ist nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu versteuern.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Veräußerung eines PKW im Jahr 2003 (Streitjahr) der Differenzbesteuerung nach § 25a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unterliegt.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb eine Lotto- und Totoannahmestelle, einen Einzelhandel (Kiosk) mit Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren sowie eine Reiseagentur. Er erwarb von dem [X.] in regelmäßigen Abständen (ca. alle zwei Jahre, einmal nach ca. einem Jahr) einen neuen oder gebrauchten PKW, den er jeweils seinem Unternehmen zuordnete und den er im Zusammenhang mit einer Ersatzbeschaffung jeweils in Zahlung gab.

3

Im Juli 2003 gab der Kläger einen von ihm betrieblich genutzten PKW, den er im September 2001 als Gebrauchtwagen von dem [X.] wegen Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG ohne Umsatzsteuer für 33.900 DM erworben hatte, im Rahmen des Erwerbs eines anderen PKW von [X.] für 11.000 € in Zahlung. Auf dieses Veräußerungsgeschäft wandte der Kläger die Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG an. Da der Verkaufspreis unter dem Einkaufspreis lag, erklärte er insoweit keine Umsatzsteuer.

4

Im Rahmen einer beim Kläger im Jahr 2005 durchgeführten Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Differenzbesteuerung auf den Weiterverkauf des PKW nicht anwendbar sei, da der Kläger nicht Wiederverkäufer i.S. des § 25a UStG sei. Nach Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 der [X.] ([X.]) --nunmehr Abschn. 25a.1. Abs. 2 Satz 2 des [X.] gelte als Wiederverkäufer ein Unternehmer, der --anders als der [X.] üblicherweise mit gebrauchten Gegenständen handele.

5

Daraufhin erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) am 31. Mai 2005 einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2003, in dem er nunmehr auch Umsatzsteuer auf die Lieferung des PKW in [X.]öhe von 1.516,80 € berücksichtigte.

6

Das Finanzgericht ([X.]) gab der nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 25. September 2006) erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung aus, nach der Legaldefinition des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG gelte als Wiederverkäufer u.a., wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handele. Darunter falle nach Wortlaut und richtlinienkonformer Auslegung der Vorschrift auch derjenige Unternehmer, der --wie der [X.] gewerbsmäßig mit neuen beweglichen Gegenständen handele. Die Auslegung der Finanzverwaltung in Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 [X.], nach der als Wiederverkäufer nur der Unternehmer gelte, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwerbe und verkaufe, finde keine Grundlage im Gesetz. Die Differenzbesteuerung sei allerdings nur insoweit anwendbar, als die in Art. 26a Teil [X.]. e der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur [X.]armonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) genannten Gebrauchtgegenstände etc. wiederverkauft würden. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt.

7

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2010, 1459 veröffentlicht.

8

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Es macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, der Kläger sei kein Wiederverkäufer i.S. des § 25a UStG.

9

Soweit er eine Lotto- und Totoannahmestelle bzw. eine Reiseagentur betreibe, erbringe er Leistungen, die keine Lieferungen von beweglichen körperlichen Gegenständen i.S. des § 25a UStG seien. Die im Rahmen des Einzelhandels umgesetzten Waren (Tabakwaren, Zeitschriften und Süßigkeiten) seien eindeutig nicht zum Gebrauch, sondern zum Verbrauch bestimmt, so dass der Kläger auch mit dieser Tätigkeit nicht die Tatbestandsmerkmale eines [X.] erfülle. Bei diesen Waren handele es sich zudem nicht um Gebrauchtgegenstände, auf die neben Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 [X.] auch Art. 26a Teil [X.]. e der Richtlinie 77/388/[X.] und nunmehr Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112 [X.] des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- ([X.] 347/1) abstelle.

Da die Veräußerung des PKW, die der Differenzbesteuerung unterworfen werden solle, selbst ein einmaliger Vorgang ohne Wiederholungsabsicht gewesen sei, der für sich betrachtet nicht das Merkmal der Nachhaltigkeit erfülle, fehle es insoweit an der nötigen Gewerbsmäßigkeit des [X.]andelns. Der PKW sei auch nicht [X.]. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL "zum Zwecke des Wiederverkaufs" erworben worden.

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen des [X.] entgegen und macht im Wesentlichen geltend, maßgebend für den Begriff des [X.] sei allein die Legaldefinition in § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, deren Voraussetzungen er erfülle, weil er als Kioskbetreiber gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handele. Die Einschränkung des Begriffs des [X.] durch Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 [X.] und auch die vom [X.] vorgenommene Differenzierung der Nachhaltigkeit bezüglich einzelner Umsatzarten hätten keine gesetzliche oder unionsrechtliche Grundlage. Die Auslegung einer [X.] gegen ihren klaren Wortlaut sei nicht statthaft.

Entscheidungsgründe

[X.] Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).

Die Veräußerung des PKW durch den Kläger im Juli 2003 an das [X.] ist als Lieferung, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt hat, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar. Sie unterliegt nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, weil der Kläger dabei entgegen der Auffassung des [X.] nicht als Wiederverkäufer im Sinne dieser Vorschrift gehandelt hat.

1. Nach § 25a Abs. 1 UStG setzt die Differenzbesteuerung für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen voraus, dass der Unternehmer ein Wiederverkäufer ist (Nr. 1), die Gegenstände an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert wurden und für diese Lieferung Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben oder die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde (Nr. 2) und es sich bei den Gegenständen nicht um Edelsteine oder Edelmetalle handelt (Nr. 3).

Der Umsatz wird dabei gemäß § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt; bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG und in den Fällen des § 10 Abs. 5 UStG tritt an die Stelle des Verkaufspreises der Wert nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG.

Die Regelung bewirkt, dass der Wiederverkäufer durch den Abzug des [X.] im Ergebnis so gestellt wird, als hätte ihm aus dem Erwerb der Ware ein Vorsteuerabzug zugestanden (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 16. April 1997 [X.], [X.], 444, [X.] 1997, 585, unter [X.]). Dadurch sollen insbesondere Wettbewerbsnachteile vermindert werden, die sich für unternehmerisch tätige Wiederverkäufer im Verhältnis zu privaten (nichtunternehmerischen) Verkäufern ohne die Sonderregelung des § 25a UStG ergeben würden (vgl. BFH-Urteile in [X.], 444, [X.] 1997, 585, unter [X.]; vom 23. April 2009 [X.], [X.], 123, [X.] 2009, 860, unter [X.] cc).

2. Als Wiederverkäufer gilt nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

a) § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG ist richtlinienkonform auszulegen (vgl. BFH-Urteile vom 2. März 2006 [X.], [X.], 139, [X.] 2006, 675, unter [X.]2.; vom 18. Dezember 2008 [X.], [X.], 546, [X.] 2009, 612, unter [X.] 2.; in [X.], 123, [X.] 2009, 860, unter [X.] dd).

aa) Die zum 1. Januar 1995 in [X.] getretene Neufassung des § 25a UStG beruht nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 12/7686, [X.]) auf [X.]. 26a der Richtlinie 77/388/[X.] i.d.F. des [X.]. 1 Nr. 3 der [X.] ([X.] 1994 Nr. L 60, S. 16).

bb) Die Auslegung des einzelstaatlichen Steuergesetzes, das --wie hier § 25a [X.] umsetzt, ist richtlinienkonform vorzunehmen. Sie hat sich soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten und muss die dazu ergangenen Erkenntnisse des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 2. April 1998 [X.], [X.], 536, [X.] 1998, 695, unter [X.]3.b bb; vom 17. Juni 2004 [X.]/00, [X.], 457, [X.] 2004, 970, unter [X.]2.; vom 27. April 2006 [X.], [X.], 256, [X.] 2007, 16, unter [X.], jeweils m.w.N.).

cc) Zwar hat der Gesetzgeber die Differenzbesteuerung durch § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG im Gegensatz zu [X.]. 26a Teil [X.] 1 der Richtlinie 77/388/[X.] nicht auf die Lieferung von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen und Antiquitäten beschränkt, sondern auf sämtliche bewegliche Gegenstände erstreckt. Ausweislich der Gesetzesbegründung geschah dies zur Vermeidung von [X.]; stattdessen wurde allgemein auf die in § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG bezeichnete Voraussetzung abgestellt, dass für den Erwerb der Gegenstände kein Vorsteuerabzugsrecht bestand (vgl. BTDrucks 12/7686, [X.]).

Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, den Begriff des Wiederverkäufers in § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG im Übrigen --also abgesehen von den von der Vorschrift erfassten [X.] richtlinienkonform auszulegen.

b) Nach [X.]. 26a Teil [X.]. e der Richtlinie 77/388/[X.] ist "steuerpflichtiger Wiederverkäufer" jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft oder zur Deckung seines unternehmerischen Bedarfs verwendet oder zum Zwecke des [X.] einführt, gleich, ob er auf eigene Rechnung oder aufgrund eines Einkaufs- oder Verkaufskommissionsvertrags auf fremde Rechnung handelt.

aa) Wie der [X.] dazu klargestellt hat, bezieht sich die Wendung "zum Zwecke des [X.]" nicht nur auf das ihr unmittelbar nachfolgende Verb "einführt", sondern auch auf [X.] und auf Umsätze zur Deckung des unternehmerischen Bedarfs. Auch dabei muss der Wiederverkäufer also "zum Zwecke des [X.]" handeln (vgl. [X.]-Urteil vom 8. Dezember 2005 Rs. [X.]/04 --Jyske [X.], [X.]. 2005, [X.], BFH/NV Beilage 2006, 131, Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2006, 58, [X.] 30 bis 32).

Dementsprechend wird der "steuerpflichtige Wiederverkäufer" seit dem 1. Januar 2007 in [X.]. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL definiert als "jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des [X.] Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft, seinem Unternehmen zuordnet oder einführt ...".

Eine inhaltliche Änderung des zuvor geltenden Rechts bedeutet diese Klarstellung nicht (vgl. Nr. 3 der Vorbemerkungen zur MwStSystRL).

bb) Allerdings kann als "steuerpflichtiger Wiederverkäufer" i.S. von [X.]. 26a Teil [X.]. e der Richtlinie 77/388/[X.] (auch) ein Unternehmen angesehen werden, das "im Rahmen seiner normalen Tätigkeit" Fahrzeuge wieder verkauft, die es für seine Leasingtätigkeit als Gebrauchtwagen erworben hatte, und für das der Wiederverkauf im Augenblick der Anschaffung des [X.] nicht das Hauptziel, sondern nur sein zweitrangiges und dem der Vermietung untergeordnetes Ziel darstellt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]. 2005, [X.], BFH/NV Beilage 2006, 131, [X.] 2006, 58, [X.] 44).

c) Danach ist § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG dahin zu verstehen, dass der Unternehmer bei der konkreten Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die der Differenzbesteuerung unterworfen werden soll, als Wiederverkäufer gehandelt haben muss (vgl. auch BFH-Urteil in [X.], 139, [X.] 2006, 675, unter [X.]2.; [X.] Köln, Urteil vom 15. April 2004  11 K 2507/03, E[X.] 2004, 1333; [X.] in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 25a [X.] 17; [X.] in [X.]/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 25a [X.] 39; wohl a.[X.], E[X.] 2010, 1460).

Dies ist nur der Fall, wenn der gelieferte Gegenstand --zumindest nachrangig-- zum Zweck des [X.] erworben wurde und der Wiederverkauf zur normalen Tätigkeit des Unternehmers gehört.

aa) Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der dem Begriff des Wiederverkäufers in § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG solche gewerbsmäßigen Händler zuordnen wollte, "die im Rahmen ihres Unternehmens oder eines abgrenzbaren Teilbereichs üblicherweise Gegenstände zum Zwecke des [X.] einkaufen und sie anschließend, ggf. nach Instandsetzung, wieder verkaufen" (vgl. BTDrucks 12/7686, [X.]).

bb) Nur diese Auslegung des Wortlauts des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG wird dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer gerecht. Dieser verlangt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.]. 2005, [X.], BFH/NV Beilage 2006, 131, [X.] 2006, 58, [X.] 39).

Es würde aber zu einer sachlich nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung gleichartiger Umsätze führen, wenn die Veräußerung von unternehmerisch genutzten Gegenständen, die ohne Vorsteuerabzug erworben wurden, umsatzsteuerrechtlich allein deshalb unterschiedlich behandelt würde, weil der eine Unternehmer ein Händler ist und der andere Dienstleistungen erbringt.

Die Anwendung der Differenzbesteuerung kann in beiden Fällen nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Wiederverkauf des Gegenstandes bei seinem Erwerb zumindest nachrangig beabsichtigt war und dieser Wiederverkauf aufgrund seiner Häufigkeit zur normalen Tätigkeit des Unternehmers gehört. Nur in einem solchen Fall würde die Versagung der Differenzbesteuerung zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil für Gebrauchtwarenhändler führen, die in den Genuss der Regelung über die Differenzbesteuerung kommen (vgl. dazu [X.]-Urteil in [X.]. 2005, [X.], BFH/NV Beilage 2006, 131, [X.] 2006, 58, [X.] 40).

cc) Entgegen der Auffassung des [X.] überschreitet der erkennende Senat mit dieser Gesetzesauslegung die ihm zustehenden Befugnisse nicht.

Am Wortlaut einer Norm braucht der [X.] nicht haltzumachen. Seine Bindung an das Gesetz ([X.]. 20 Abs. 3, [X.]. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zu wörtlicher Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Interpretation ist Methode und Weg, auf dem der [X.] den Inhalt einer Gesetzesbestimmung unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in die gesamte Rechtsordnung erforscht, ohne durch den formalen Wortlaut des Gesetzes begrenzt zu sein (vgl. Beschluss des [X.] vom 19. Juni 1973  1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72, [X.] 35, 263, unter C.I[X.], m.w.N.).

Eine einschränkende Auslegung des Wortlauts einer Norm im Wege einer teleologischen Reduktion gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. März 1993  1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, [X.] 88, 145, unter C.[X.]2., m.w.N.).

So kann auch eine richtlinienkonforme Auslegung dazu führen, dass eine nach ihrem Wortlaut weit gefasste Vorschrift einschränkend auszulegen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. September 2010 [X.], [X.], 343, [X.], 538, unter [X.]4.c).

3. Im Streitfall hat der Kläger als Betreiber einer Lotto- und Totoannahmestelle, eines Einzelhandels (Kiosk) mit Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren sowie einer Reiseagentur den PKW nicht "im Rahmen seiner normalen Tätigkeit" veräußert. Der An- und Verkauf von PKW gehört nicht zum "normalen Tätigkeitsfeld" (vgl. [X.]-Urteil in [X.]. 2005, [X.], BFH/NV Beilage 2006, 131, [X.] 2006, 58, [X.] 42) des [X.], ebenso wenig wie dies bei einer Steuerberatungsgesellschaft der Fall ist (vgl. dazu BFH-Urteil in [X.], 139, [X.] 2006, 675, unter [X.]2.b).

Dass der Kläger in regelmäßigen Abständen (ca. alle zwei Jahre, einmal nach ca. einem Jahr) einen neuen oder gebrauchten PKW kaufte, den er jeweils seinem Unternehmen zuordnete und den er im Zusammenhang mit einer Ersatzbeschaffung jeweils in Zahlung gab, reicht nicht aus, um dies als seine normale Tätigkeit anzusehen.

Der Kläger ist mithin --was er und das [X.] übersehen-- nicht schon deshalb Wiederverkäufer i.S. des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, weil er im Rahmen seines Einzelhandels (Kiosk) gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen wie Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren handelt.

Meta

XI R 15/10

29.06.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 18. Mai 2010, Az: 15 K 4411/06 U, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 S 1 UStG 1999, § 25a UStG 1999, Art 26a EWGRL 388/77, Art 311 Abs 1 Nr 5 EGRL 112/2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.06.2011, Az. XI R 15/10 (REWIS RS 2011, 5311)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5311

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