Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2001, Az. 1 StR 519/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3555

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[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 519/00[X.]in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.] [X.] am [X.],Dr. Wahl,[X.],[X.],[X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. August 2000 aufgehoben, soweit [X.] Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.Die weitergehende Revision wird verworfen.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, andas [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten am 15. November 1999 wegenVergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ver-urteilt. Auf seine Revision hin hat der Senat jenes Urteil im [X.] und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung [X.] andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen. Diese hat gegenden Angeklagten nunmehr eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn [X.] verhängt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das [X.] dem [X.] die Aussetzung der Strafe zur Bewährung versagt hat; im übrigen istes [X.] - I.1. Nach den insoweit rechtskräftigen Feststellungen des ersten tatrich-terlichen Urteils ist der nicht vorbestrafte, zur Tatzeit 64jährige [X.], der unter einer beginnenden organischen Persönlichkeitsstörungleidet, mit dem Tatopfer seit 1987 in zweiter Ehe verheiratet. Zwischen [X.] war es immer wieder zu Streitigkeiten und massiven Auseinander-setzungen gekommen. Anlaß hierfür war der sehr häufige Wunsch des Ange-klagten gewesen, mit seiner Ehefrau geschlechtlich zu verkehren. Dafür [X.] ihm nach seiner Einstellung jederzeit zur Verfügung zu stehen. [X.] hatte sich seine Frau bereits wiederholt zu einer Nachbarin geflüchtetund vorübergehend auch in einem Frauenhaus Unterkunft gefunden.Die Situation verschärfte sich schließlich aufgrund einer Blasenerkran-kung der Ehefrau, die die Ausübung des ehelichen Verkehrs erschwerte undschließlich schmerzhaft machte. Sie litt zudem zur Tatzeit an einer Scheiden-entzündung, nachdem ihr kurz zuvor ein Blasenkatheter entfernt worden war.Am Tattag bedrängte der Angeklagte seine Frau, die sich schließlich mit sei-nem Vorschlag einverstanden erklärte, sich unbekleidet auf das Bett zu [X.] sich vom Angeklagten streicheln zu lassen. Dieser wollte sich dabei selbstbefriedigen. Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs wollte seine Frau - wieder Angeklagte wußte - auf keinen Fall. Während des weiteren Verlaufs faßteder sexuell erregte Angeklagte indessen den Entschluß, entgegen der [X.] nun doch den Verkehr auszuüben. Er ignorierte die Aufforde-rung seiner Frau, dies zu unterlassen. Die Geschädigte begann sich zur Wehrzu setzen, indem sie versuchte, den Angeklagten wegzudrücken und ihm mitder rechten Hand gegen die Brust schlug. Es gelang ihr jedoch nicht, den aufihr liegenden, körperlich überlegenen Angeklagten abzuwehren. Um ihren Wi-- 5 -derstand zu überwinden, hielt dieser sie an den Oberarmen fest und führte [X.] bis 30 Minuten den Geschlechtsverkehr durch. Dies war für das [X.] erheblichen Schmerzen verbunden.2. Die nunmehr zuständige [X.] hat ergänzend u.a. festgestellt,daß der Angeklagte sich in dieser Sache etwa neun Monate in [X.] befand und ihn seine Ehefrau nach der Haftentlassung wieder in die [X.] Wohnung aufgenommen hat. Die Eheleute haben auch wieder Intimkon-takte. Der Angeklagte wünscht nach wie vor täglichen Geschlechtsverkehr mitder Geschädigten, obwohl er weiß, daß dies nicht deren Wunsch entspricht. [X.] jedoch unverändert der Auffassung, daß seine Ehefrau ihm täglich dazu be-reitzustehen habe. Diese äußert zwar ihre Unlust hierüber, widersetzt sich [X.] dem Angeklagten nicht, sondern läßt den Geschlechtsverkehr über sichergehen. Der Angeklagte hat sich deshalb bislang nicht wieder zur [X.] Gewalt gezwungen gesehen, um den von ihm gewünschten Geschlechts-verkehr durchzusetzen.Der Angeklagte leidet an beginnender Altersdemenz; infolgedessenvermag er nur ein geringes Maß an Selbstkontrolle aufzubringen, wenn er eineDiskrepanz zwischen seinen eigenen und den entgegenstehenden Wünschenanderer Personen aufkommen sieht. Das hat eine erhebliche Verminderungseiner Steuerungsfähigkeit zur Folge.3. Bei der Strafzumessung ist das [X.] trotz Vorliegens des Re-gelbeispiels für den besonders schweren Fall nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGBwegen zahlreicher Milderungsgründe vom Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1StGB ausgegangen, den es wegen der erheblich verminderten Schuldfähigkeitdes Angeklagten zur Tatzeit nochmals nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemil-dert hat. Die verhängte Freiheitsstrafe hat es nicht zur Bewährung ausgesetzt,- 6 -weil die Prognose für den Angeklagte nicht günstig sei. Dieser zeige auch jetztkeinerlei Verständnis für seine Frau, verlange vielmehr von ihr täglichen [X.], obwohl er genau wisse, daß dies nicht deren Wünschen ent-spreche, wenngleich sie sich hiergegen nicht zur Wehr setze. Deshalb sei [X.] überzeugt, daß es zu einer neuerlichen Vergewaltigung käme, würdedie Geschädigte sich dem Angeklagten verweigern; denn dieser verharre in deralthergebrachten Anschauung, daß die Ehefrau dem Manne nach dessenWunsch zum Geschlechtsverkehr zur Verfügung zu stehen habe. Aufgrund derschlüssigen Ausführungen des Sachverständigen stehe fest, daß die beim [X.] vorliegende Altersdemenz weder medikamentös noch "psychoanaly-tisch" behandelt werden könne. Bei einem solchen Krankheitsbild kämen [X.] noch "[X.]" in Betracht. Mit seinem [X.] habe [X.] aber gerade gezeigt, daß ein solcher Lernprozeß bei ihm trotzneunmonatiger Untersuchungshaft nicht stattgefunden habe. II.Der allein noch zur Nachprüfung stehende Rechtsfolgenausspruch [X.] hinsichtlich der verhängten Freiheitsstrafe keinen rechtlichen Beden-ken. Die Versagung der Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur [X.] kann hingegen von Rechts wegen nicht bestehen bleiben.1. Die Revision meint, die Begründung des [X.]s lasse eine Ge-samtwürdigung zu der Frage vermissen, ob anstelle des Normalstrafrahmens(§ 177 Abs. 1 StGB) nicht ausnahmsweise sogar der Strafrahmen für den min-der schweren Fall der sexuellen Nötigung zugrundezulegen sei (§ 177 Abs. 5StGB). Damit zeigt sie einen Rechtsfehler nicht [X.] 7 -Die Anwendung des Strafrahmens für den minder schweren Fall trotzVorliegens eines Regelbeispiels für den besonders schweren Fall der [X.] kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn schuldminderndeUmstände von ganz außergewöhnlichem Ausmaß gegeben sind (vgl. [X.] 1999, 615; [X.], 306, 307; [X.]/[X.] 50. Aufl. § 177Rdn. 40). Dies hat das [X.] nicht übersehen (vgl. [X.]), allerdingsunter Hinweis auf eine vorgenommene Gesamtabwägung "aller genannten"Umstände hier verneint. Das genügte.2. Die Begründung des [X.]s zur Nichtaussetzung der Freiheits-strafe zur Bewährung leidet indessen an einem rechtlich erheblichen Erörte-rungsmangel. Zwar kommt dem Tatrichter für die Entscheidung über die Straf-aussetzung ein weiter Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das [X.] jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat(vgl. [X.]/[X.] 50. Aufl. § 56 Rdn. 9 i mit [X.]). Hier aber ist die Würdigung des [X.]s unvollständig und des-halb ermessensfehlerhaft; sie bezieht wesentliche, im Gesetz ausdrücklich ab-strakt aufgeführte Gesichtspunkte nicht ein (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB). Das giltnamentlich für die Frage, welche Wirkung für den Angeklagten von einer [X.] Strafaussetzung ausginge; aber auch die Umstände der Tat und das[X.] gegenüber der Ehefrau werden nicht umfassend in die [X.] einbezogen.Die [X.] stellt darauf ab, daß der Angeklagte nach ihrer Über-zeugung im Falle einer Gegenwehr der Ehefrau aufgrund seiner Einstellungund seiner verminderten Selbstbeherrschung wieder Gewalt zur [X.] anwenden würde. Damit greift sie indessen zu kurz.Festgestellt ist, daß der Angeklagte jedenfalls nach seiner Entlassung aus der- 8 -Untersuchungshaft keine Gewalt mehr angewendet hat. Ob dies allein auf dieduldende Haltung der Ehefrau zurückgeht oder möglicherweise die Hemm-schwelle des Angeklagten vor dem Einsatz von Gewalt gegenüber seiner Fraudurch das Erleben des Verfahrens und der Untersuchungshaft angehoben ist,hätte der Erörterung bedurft. Entscheidend ist insoweit nicht, daß der Ange-klagte in seiner "althergebrachten Anschauung" verharrt, sondern ob er sichinsoweit gleichwohl zu beherrschen und von gewaltsamer Durchsetzung seinersexuellen Wünsche abzusehen vermag. Daß das nicht der Fall sein würde,versteht sich nicht von selbst.In diesem Zusammenhang wäre auch die Wirkung zu erwägen gewesen,die von einer Strafaussetzung auf den Angeklagten ausgeht, insbesondere ober sich gerade durch den Druck eines gegebenenfalls zu gewärtigenden Wider-rufs der Strafaussetzung in seinem Verhalten beeinflussen läßt. Dies ist im Zu-sammenhang mit den Umständen der begangenen Tat zu bewerten, bei der [X.] durch den Angeklagten erst nach einem zunächst einver-nehmlichen sexuellen Kontakt und bei entsprechender Erregung des Ange-klagten erfolgte. Diese Gesichtspunkte sind mit in Betracht zu ziehen bei [X.], welches Verhalten des Angeklagten zu erwarten wäre, wenn seineEhefrau tatsächlich von vornherein den Geschlechtsverkehr ablehnen und sichentsprechend verhalten würde. Daß diese sich aus Furcht vor Gewalt auf [X.] einläßt, obgleich er nicht ihrem Wunsch entspricht, ist fürdie Bewertung ersichtlich wenig aussagekräftig. Es kommt darauf an, ob [X.] Ablehnung des sexuellen Kontakts durch die Ehefrau schon von [X.] der Angeklagte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Grenze zur straf-baren Nötigung nicht überschreiten [X.] wird deshalb über die Frage der Strafaussetzung zur Be-währung erneut zu befinden haben und dabei namentlich auch die Wirkungeneiner etwaigen Strafaussetzung auf das Verhalten des Angeklagten sowie [X.] mitzuerwägen haben, daß die abgeurteilte Tat des Angeklagten [X.] - zunächst einvernehmlich [X.] - sexueller Erregung begangenwurde. Die insoweit zugrundeliegenden Feststellungen konnten bestehen blei-ben, weil lediglich ein Wertungsfehler in Rede steht; ergänzende Feststellun-gen sind statthaft.Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einanderes [X.] zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).Schäfer [X.]Wahl [X.] [X.]

Meta

1 StR 519/00

13.02.2001

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2001, Az. 1 StR 519/00 (REWIS RS 2001, 3555)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3555

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