Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2023, Az. 1 StR 49/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2025

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gewerbsmäßige Steuerhehlerei: Abgrenzung zur Steuerhinterziehung bei Übernahme unversteuerter Zigaretten zum Zwecke des inländischen Weiterverkaufs


Tenor

1. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe des [X.] vom 31. Oktober 2022 wird in Höhe eines Betrages von 25.900 € von einer Einziehung abgesehen.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in fünf Fällen schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.003.075 € angeordnet wird; die weitergehende Einziehung entfällt. Von den notwendigen Auslagen des Angeklagten, die die Einziehung betreffen, hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen; die insoweit angefallene Gerichtsgebühr wird um die Hälfte ermäßigt.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger [X.]ei in vier Fällen und wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 754.250 € sowie bezüglich des Falles II. 5. der Urteilsgründe in Höhe von weiteren 1.308.800 € gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten [X.]angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. [X.] (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, [X.]) hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand; er ist dahin abzuändern, dass sich der Angeklagte auch insoweit der gewerbsmäßigen [X.]ei (§ 374 Abs. 1, Abs. 2 Alternative 1 [X.]) schuldig gemacht hat.

3

a) Nach den Feststellungen des [X.]s hatte der Mitangeklagte [X.]  am Morgen des 10. Oktober 2020 mit einem Sattelzug aus einem anderen Mitgliedstaat der [X.] 40.000 Stangen mit acht Millionen unversteuerter Zigaretten nach [X.] verbracht. Diese Zigaretten, auf denen verkürzte Tabaksteuer in Höhe von 1.308.800 € lastete, übernahm der Angeklagte zu einem Preis von 18 € je Stange als Erstempfänger im Inland zum Zweck ihres gewinnbringenden Weiterverkaufs. Unmittelbar nach dem Abladen veräußerte der Angeklagte aus dieser Lieferung 2.970.000 Zigaretten an verschiedene Abnehmer zu einem Verkaufspreis von 18,50 € pro Stange. Die Polizei stellte die noch nicht weiterveräußerten Zigaretten in der Lagerhalle sicher; diese Zigaretten hat das [X.] nach § 74 Abs. 2 StGB, § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] eingezogen.

4

b) Damit ist hier – entgegen der rechtlichen Bewertung des [X.]s – durch das [X.] der Verfügungsmacht über die Zigaretten der Tatbestand der [X.]ei in der Tatvariante des Sichverschaffens (§ 374 Abs. 1 Alternative 1 [X.]) erfüllt; auch der „Erstempfänger“ begeht eine [X.]ei, macht sich aber nicht (nachfolgend) wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, [X.]) strafbar (st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 [X.], [X.]St 64, 152 Rn. 22-24; Beschluss vom 23. Mai 2019 – 1 [X.], [X.]R [X.] § 374 Konkurrenzen 6 Rn. 9-17).

5

c) § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte hiergegen nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

6

d) Die Änderung des Schuldspruchs lässt die für die Tat verhängte [X.] unberührt: Der Strafrahmen des [X.] des § 374 Abs. 2 [X.] stimmt mit demjenigen des besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 [X.] überein, den das [X.] zugrunde gelegt hat. Die vom [X.] rechtsfehlerfrei genannten maßgeblichen Strafzumessungskriterien (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), namentlich die Höhe des [X.] von über 1,3 Mio. €, sind auch bei der – der Vortat nachfolgenden und den Steuerausfall perpetuierenden – [X.]ei maßgeblich.

7

2. Die Einziehungsentscheidung begegnet hingegen teilweise durchgreifenden Bedenken.

8

a) Die Abänderung des Schuldspruchs von Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, [X.]) zu gewerbsmäßiger [X.]ei (§ 374 Abs. 1, 2 [X.]) hat zur Folge, dass im Fall II. 5. der Urteilsgründe lediglich ein Betrag von 274.725 €, den der Angeklagte aus der Veräußerung von 14.850 Stangen Zigaretten zum Verkaufspreis von 18,50 € erzielte, der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB unterliegt. Denn der [X.] erlangt nicht die Steuerersparnis, sondern, indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – 1 [X.] Rn. 8 und vom 13. Januar 2022 – 1 StR 481/21 Rn. 7; je mwN). Die vom [X.], das rechtsfehlerhaft auf die [X.] abgestellt hat, insoweit angeordnete Einziehung als Gesamtschuldner mit dem Mitangeklagten [X.]  geht mithin ins Leere.

9

b) Hinsichtlich eines Teilbetrages von 25.900 € aus Fall II. 3. der Urteilsgründe hat der Senat nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO mit Zustimmung des [X.] von einer Einziehung abgesehen. Insoweit sind die Feststellungen widersprüchlich: Zum einen sollen – beweiswürdigend unterlegt ([X.]) – 28 Kartons mit unversteuerten Zigaretten durch unbekannte Dritte aus dem Lager entwendet worden sein ([X.]); zum anderen soll der Angeklagte hingegen sämtliche in diesem Fall erlangten Zigaretten veräußert haben ([X.]). Mit der Beschränkung kann offenbleiben, wie sich ein etwaiger Diebstahl auf die Bestimmung des Einziehungsumfangs ausgewirkt hätte (vgl. insbesondere [X.], Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 [X.], [X.]St 64, 152 Rn. 29 einerseits und Beschluss vom 11. Februar 2020 – 1 StR 438/19 Rn. 5, 7 andererseits).

3. [X.] bezüglich der Einziehung beruht, soweit der Senat in der Sache entschieden hat, auf § 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2021 – 1 [X.], [X.]R StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff. und vom 6. Oktober 2021 – 1 [X.] Rn. 9 ff.; bezüglich des nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO beschränkten und ohnehin geringen Teils siehe [X.], Beschluss vom 26. Mai 2021 – 5 StR 458/20 Rn. 4 f.).

Jäger     

  

Bellay     

  

Fischer

  

Bär     

  

Leplow     

  

Meta

1 StR 49/23

05.04.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 31. Oktober 2022, Az: 71 KLs 4/22

§ 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 370 Abs 1 Nr 3 AO, § 374 Abs 1 Alt 1 AO, § 374 Abs 2 Alt 1 AO, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2023, Az. 1 StR 49/23 (REWIS RS 2023, 2025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2025

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 634/18 (Bundesgerichtshof)

Steuerstraftat: Anstiftung zur Steuerhinterziehung als mitbestrafte Vortat bei anschließender Steuerhehlerei


1 StR 502/20 (Bundesgerichtshof)

Gewerbsmäßige Steuerhehlerei: Einziehung bei Weiterverkauf geschmuggelter Zigaretten


1 StR 438/19 (Bundesgerichtshof)

Steuerhehlerei: Einziehung des Wertes von Taterträgen


1 StR 164/23 (Bundesgerichtshof)


1 StR 127/19 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei und Hinterziehung von Tabaksteuer: Reduzierung der steuerlichen Erklärungspflichten durch den Grundsatz …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.