Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2013, Az. VI R 36/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 1151

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Gegenstand

Arbeitslohn: Übernahme von Bußgeldern - Kein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers


Leitsatz

1. Übernimmt der eine Spedition betreibende Arbeitgeber die Bußgelder, die gegen bei ihm angestellte Fahrer wegen Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten verhängt worden sind, handelt es sich dabei um Arbeitslohn .

2. Vorteile haben keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Das ist der Fall, wenn sie aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Ein rechtswidriges Tun ist keine beachtliche Grundlage einer solchen betriebsfunktionalen Zielsetzung .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine internationale Spedition. Sie hatte Bußgelder, die gegen ihre Fahrer wegen Überschreitung von [X.] und der Nichteinhaltung von Ruhezeiten festgesetzt worden waren, für ihre Fahrer bezahlt, ohne dafür Lohnsteuer einzubehalten.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ daraufhin im [X.] an eine Lohnsteuer-Außenprüfung einen Nachforderungsbescheid, nachdem die Klägerin beantragt hatte, die insoweit streitigen Beträge nach § 40 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach Durchschnittssätzen zu versteuern.

3

Die gegen den Nachforderungsbescheid erhobene Klage hat das Finanzgericht ([X.]) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 518 veröffentlichten Gründen abgewiesen.

4

Die Klägerin wendet sich dagegen mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

5

Sie beantragt,
das Urteil des [X.] Köln vom 22. September 2011 und die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 25. Februar 2010 insgesamt sowie den Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, [X.] und Kirchensteuer vom 27. Januar 2009 insoweit aufzuheben, als diese einen Betrag von 5.274,41 € übersteigen.

6

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung zurückzuweisen.

8

1. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Zahlung der gegen die Arbeitnehmer der Klägerin verhängten Bußgelder durch die Klägerin bei deren Arbeitnehmern zu Arbeitslohn führt.

9

a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind u.a. solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.

b) Der erkennende Senat bejaht in ständiger Rechtsprechung ein solches ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse, wenn im Rahmen einer im Wesentlichen den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der Zuwendung zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit [X.] eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber --neben dem eigenbetrieblichen Interesse des [X.] ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (vgl. Senatsurteile vom 11. April 2006 VI R 60/02, [X.], 574, [X.], 691, m.w.N.; vom 26. Juli 2007 VI R 64/06, [X.], 370, [X.], 892; vom 17. Januar 2008 VI R 26/06, [X.], 266, [X.] 2008, 378; insgesamt dazu [X.], [X.], 2029).

2. Das hier mit der Revision angefochtene [X.]-Urteil entspricht diesen vorgenannten Rechtsgrundsätzen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; dies gilt insbesondere für die Würdigung der Vorinstanz, dass die Übernahme der [X.] durch die Klägerin als Arbeitgeberin nicht in deren ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse erfolgte. Die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbare Gesamtwürdigung (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, [X.], 211, [X.] 2005, 488; vom 10. November 2005 VI B 75/05, [X.], 530; Senatsurteil vom 12. April 2007 VI R 77/04, [X.], 1643; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 [X.]O Rz 87, m.w.N.) lässt keinen Rechtsfehler erkennen; sie ist nicht nur möglich, sondern naheliegend.

a) Zu solchen notwendigen Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen zählen gegen die Rechtsordnung verstoßende, mit Bußgeldern belegte rechtswidrige Weisungen des Arbeitgebers nicht. Der Senat hält an seiner im Urteil vom 7. Juli 2004 VI R 29/00 ([X.], 104, [X.] 2005, 367) vertretenen Auffassung, dass die Übernahme von [X.] wegen Verletzung des Halteverbots im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen kann, nicht weiter fest. Er berücksichtigt die insoweit dazu geäußerte Kritik (vgl. [X.]/[X.], § 19 EStG Rz 280 "Verwarnungsgelder"; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 19 Rz B 361; [X.] in [X.], EStG, 12. Aufl., § 19 Rz 66; insgesamt dazu [X.], [X.] 2012, 1064).

Für den erkennenden Senat ist danach insbesondere entscheidend, dass ungeachtet der Frage, ob der Arbeitgeber ein solches rechtswidriges Verhalten angewiesen hat und anweisen darf, jedenfalls auf [X.] der Betrieb auch nicht teilweise gründen kann und daher insoweit keine beachtlichen betriebsfunktionalen Gründe vorliegen können.

b) Dementsprechend hat das [X.] das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin zu Recht im Wesentlichen damit verneint, dass es nicht darauf gerichtet sein könne, generell die Fahrer anzuweisen, Lenk- und Ruhezeiten zu überschreiten, so dass dementsprechende Weisungen des Arbeitgebers unbeachtlich seien. Weiter hat es im Rahmen der Gesamtwürdigung zu Recht ebenfalls berücksichtigt, dass es angesichts der gegen einzelne Fahrer verhängten Bußgeldbescheide über rund 2.950 € und 3.640 € nicht nur gelegentliche und geringfügige Verstöße waren.

Meta

VI R 36/12

14.11.2013

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 22. September 2011, Az: 3 K 955/10, Urteil

§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 8 Abs 1 EStG 2002, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2013, Az. VI R 36/12 (REWIS RS 2013, 1151)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1151

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Referenzen
Wird zitiert von

B 5 RS 2/18 R

B 5 RS 3/20 R

B 5 RS 1/20 R

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