Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.12.2017, Az. 1 B 142/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 1048

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Feststellung des Nichtbestehens eines Freizügigkeitsrechts


Gründe

1

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg, da sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.

2

Für die Darlegung einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache bedarf es der Formulierung einer abstrakten, in dem zu entscheidenden Fall erheblichen Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Hieran fehlt es, wenn sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110).

3

1. Die [X.]eschwerde hält zunächst für klärungsbedürftig,

"ob ein [X.]escheid, mit dem die [X.]ehörde gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] den Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt hat, durch nachfolgende Entwicklungen während des Rechtsstreits bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des [X.] rechtlich geheilt werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Verlustfeststellung wegen des tatsächlichen [X.]estehens eines Freizügigkeitsrechts nicht hätte ergehen dürfen".

4

Insoweit fehlt es schon an einer näheren Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Denn das [X.]erufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger ab dem 1. Juni 2014 und damit bereits vor Erlass des streitgegenständlichen [X.]escheids vom 6. Juni 2014 - auch über die Fiktionswirkung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]/[X.] (vorübergehende Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall) - nicht mehr erwerbstätig war ([X.] Rn. 53). Soweit die [X.]eschwerde geltend macht, die dieser Annahme zugrunde liegenden tatrichterlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts seien unzutreffend, da sich aus den Angaben zum Versicherungsverlauf in dem im Klageverfahren vorgelegten [X.] vom 17. November 2015 ergebe, dass über den 1. Juni 2014 hinaus "Verletztengeld" geleistet worden sei, wendet sie sich gegen die tatrichterliche Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung, ohne in diesem Zusammenhang einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden ([X.] substantiiert darzulegen. Als nicht Erwerbstätiger ist ein Unionsbürger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 [X.]/[X.] nur unter den Voraussetzungen des § 4 [X.]/[X.] freizügigkeitsberechtigt. Auch hierzu verhält sich die [X.]eschwerde nicht.

5

Dessen ungeachtet ist in der Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass für die rechtliche [X.]eurteilung der Feststellung des Nichtbestehens eines Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 [X.]/[X.] grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des [X.] maßgeblich ist ([X.]VerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - [X.] 402.261 § 4a [X.]/[X.] Nr. 4 Rn. 11). Dies gilt nur dann nicht, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist. In Anwendung dieser Grundsätze ist das [X.]erufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es für den Ablauf der in § 5 Abs. 4 [X.]/[X.] genannten [X.], nach deren Ablauf ein Unionsbürger ein Daueraufenthaltsrecht erwirbt und die Möglichkeit einer Feststellungsentscheidung nach § 5 Abs. 4 [X.]/[X.] erlischt, ausnahmsweise auf den Erlasszeitpunkt ankommt. Denn § 4a Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.] ist zu entnehmen, dass ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrechts durch einen späteren Wegfall der Voraussetzungen nicht mehr berührt wird ([X.]VerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - [X.] 402.261 § 4a [X.]/[X.] Nr. 4 Rn. 16).

6

2. Die [X.]eschwerde hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Sinne des Unionsrechts auch Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 2 [X.]/[X.] ist".

7

Auch insoweit fehlt es an einer ordnungsgemäßen Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Die Frage, ob es für das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 2 [X.]/[X.] auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ankommt, stellt sich im Fall des [X.] allenfalls mit [X.]lick auf § 4a Abs. 2 Nr. 2b [X.]/[X.]. Danach haben Unionsbürger abweichend von § 4 Abs. 1 [X.]/[X.] nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 vor Ablauf von fünf Jahren das Daueraufenthaltsrecht, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgeben, nachdem sie sich zuvor mindestens zwei Jahre ständig im [X.] aufgehalten haben. In [X.]ezug auf diese [X.]estimmung hat das [X.]erufungsgericht ein Daueraufenthaltsrecht aber nicht allein mit der fehlenden Rechtmäßigkeit des [X.], sondern primär mit der fehlenden Kausalität zwischen der Aufgabe der Erwerbstätigkeit und dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung verneint. [X.]ei einer auf mehrere Gründe gestützten [X.]erufungsentscheidung kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die Revision aber nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder die Entscheidung selbständig tragenden [X.]egründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 9. März 1982 - 7 [X.] - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 209 und vom 25. Mai 2007 - 1 [X.] 203.06 - juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.

8

Das [X.]erufungsgericht ist - ungeachtet der Formulierung in Randnummer 45 - davon ausgegangen, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er seine Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben hat ([X.] Rn. 49). Letztere ist nach Auffassung des [X.]erufungsgerichts erst durch die Feststellung im [X.]escheid vom 17. Oktober 2014 eingetreten, das [X.]eschäftigungsverhältnis habe aber bereits zum 30. August 2013 geendet ([X.] Rn. 50). Auch eine Fiktionswirkung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]/[X.] sei vom Kläger nur bis zum 31. Mai bzw. 1. Juni 2014 nachgewiesen worden ([X.] Rn. 52). Soweit der Kläger dem entgegenhält, für die Kausalität zwischen der Aufgabe der Erwerbstätigkeit und dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung komme es nicht allein auf einen ununterbrochenen Übergang der sozialversicherungsrechtlich anerkannten Zeiten mit Gewährung von Kranken- bzw. Verletztengeld zur Feststellung der dauernden Erwerbsminderung an, vielmehr sei hier aufgrund des sehr kurzen dazwischenliegenden Zeitraums offensichtlich, dass eine Fortsetzung der Erwerbstätigkeit infolge der Erwerbsunfähigkeit ausgeschlossen gewesen sei, wendet er sich gegen die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des [X.]erufungsgerichts, ohne in diesem Zusammenhang einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Zulassungsgrund substantiiert darzulegen. Insbesondere zeigt er in [X.]ezug auf diesen [X.]egründungsteil weder eine dem Revisionsrecht unterliegende (Rechts-)Frage von grundsätzlicher [X.]edeutung noch einen Verfahrensfehler auf. Hat die [X.]eschwerde folglich hinsichtlich dieses - die Entscheidung selbständig tragenden - [X.]egründungsteils keinen Erfolg, kommt es auf die weitere - vom [X.]erufungsgericht ergänzend herangezogene - [X.]egründung, dass selbst dann, wenn der Kläger - über die Fiktion des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]/[X.] - seine Erwerbstätigkeit infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben hätte, es an einem mindestens zweijährigen rechtmäßigen Aufenthalt im [X.] fehle ([X.] Rn. 54), und den von der [X.]eschwerde hierzu geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung nicht an.

9

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

1 B 142/17

07.12.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 18. Juli 2017, Az: 10 B 17.339, Urteil

§ 5 Abs 4 FreizügG/EU

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.12.2017, Az. 1 B 142/17 (REWIS RS 2017, 1048)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1048

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 B 17.339 (VGH München)

Recht auf Freizügigkeit für Arbeitnehmer bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall


1 C 48/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU aus Art. 10 EUV 492/2011


M 4 K 21.2606 (VG München)

Prozesskostenhilfe, FreizügG/EU


8 L 469/22 (Verwaltungsgericht Aachen)


1 C 9/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Aufenthaltsrecht des Ehegatten eines Unionsbürgers trotz Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft


Referenzen
Wird zitiert von

10 ZB 19.2131

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.