Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2017, Az. VI ZB 32/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9010

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:270617BVIZB32.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]/16
vom

27. Juni 2017

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Fa
a)
Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen [X.] fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des [X.] zu überprü-fen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist.
b)
Die Kontrolle des [X.] darf sich grundsätzlich nicht darauf be-schränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufge-schriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenom-men werden, aus der die Faxnummer des
Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist.
c)
Der Rechtsanwalt hat seine organisatorischen Anweisungen klar und un-missverständlich zu formulieren.

[X.], Beschluss vom 27. Juni 2017 -
VI [X.]/16 -
O[X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 27. Juni 2017
durch den [X.] [X.], die Richterin von [X.], [X.] und die Richterinnen Dr.
[X.] und Müller
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 26.
Juli 2016 wird auf Kos-ten der Klägerin als unzulässig verworfen.
[X.]: 58.166

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher [X.] auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 3.
März 2016 zugestellt worden. Hiergegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist am 4.
Juli 2016
abgelaufen. Mit [X.] vom 4.
Juli 2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufung begründet. Der an das [X.] adressierte Schriftsatz ist am selben Tag per Telefax beim [X.] und am 6.
Juli 2016 beim [X.] eingegangen. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts hat der Prozessbe-vollmächtigte der Klägerin mit am 13.
Juli 2016 eingegangenem Schriftsatz 1
-

3

-

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Be-gründung
der Berufung
beantragt. Er hat ausgeführt, er habe die [X.] diktiert und dabei die zutreffende Faxnummer
des Oberlandesge-richts angegeben.
Diese Faxnummer
habe die zuständige Kanzleimitarbeiterin in den Entwurf der Berufungsbegründung übernommen. Bei der Übertragung des korrigierten Entwurfs auf den
Briefbogen der Kanzlei habe die Mitarbeiterin -
der allgemein erteilten Anweisung entsprechend
-
überprüfen wollen, ob
die richtige Faxnummer
angegeben
sei,
und habe in der Handakte geblättert. Hier sei sie auf ein [X.] vom 26.
April 2016 gestoßen, in
dem eine andere Faxnummer
-
die des [X.]s
-
enthalten gewesen sei. Sie
habe daraufhin diese Faxnummer
in die Berufungsbegründung übernommen. Es bestehe eine allgemeine Arbeitsanweisung in der Kanzlei, dass bei der Ver-sendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ein Sendebericht zu erstellen sei und eine Überprüfung zu erfolgen habe, dass die richtige Faxnummer
ein-gegeben und der Schriftsatz an das richtige Gericht vollständig übertragen [X.] sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] den Wie-dereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzu-lässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, nach
dem die Versäumung der [X.]sfrist nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten be-ruhe. Die im Rahmen
der [X.] gebotene Überprüfung des [X.] dürfe sich nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer
mit der zuvor aufgeschriebenen zu vergleichen. Vielmehr müsse ein Abgleich anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle
erfolgen, um auch etwaige Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer
aufzudecken. Weder dem Vorbringen der Klägerin noch den [X.] eidesstattlichen Versicherungen sei indes zu entnehmen, dass [X.]
-

4

-

stellt und kontrolliert werde, dass die Sendung an den
richtigen Adressaten un-ter Verwendung der korrekten [X.] erfolge. Die erforderliche Kontrolle anhand einer zuverlässigen Quelle werde durch die vorgetragene all-gemeine Arbeitsanweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gewährleistet. Das in der Handakte enthaltene [X.] vom 26.
April 2016 könne nicht als zuverlässige Quelle angesehen werden. Denn zwischen dem in der Handakte befindlichen Ausdruck und dem bei Gericht ein-gereichten Originalschriftsatz könnten Unterschiede bestehen. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Das zur Akte gelangte [X.] weise eine handschriftliche Korrektur der Faxnummer
aus, die in der Handakte des Prozessbevollmächtigten nicht nachzuvollziehen sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbe-schwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die [X.] wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeu-tung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der an-gefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem Anspruch auf rechtli-ches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewähr-leisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1
GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Er beruht auch nicht
auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art.
3 3
4
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5

-

Abs.
1 GG). Der Klägerin wird insbesondere nicht der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
1.
Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinset-zung in den vorigen Stand zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtig-ten beruht, das ihr nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen ist. Die Klägerin hat we-der dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter durch eine ordnungsgemäße Organisation der [X.] in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass
Rechtsmittelfristen
nicht versäumt werden.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen [X.] fristwahren-der
Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des [X.] zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im [X.] gestrichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des [X.] grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem
ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer
zu vergleichen. Vielmehr muss der [X.] anhand einer zuverlässigen Quelle, etwa anhand eines geeigneten [X.], vorgenommen werden, aus der die Faxnummer
des Gerichts her-vorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Denn diese Art der Ausgangskontrol-le soll nicht nur
Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer
und ihrer Übertragung in den Schriftsatz ausschließen (vgl. Se-natsbeschlüsse
vom 10.
September 2013 -
VI
ZB 61/12, [X.], 1350 Rn.
7; vom 26.
Juli 2016 -
VI
ZB 58/14, [X.], 120 Rn.
8 ff.; [X.], Be-5
6
-

6

-

schlüsse vom 24.
Oktober 2013 -
V
ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn.
8, 12; vom 1.
Juni 2016 -
XII
ZB 382/15, NJW-RR 2016, 1199 Rn.
19 f.).
Dem Erfordernis, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer
erfasst werden, kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer
mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn
sicherge-stellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen
Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer
vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen
(vgl. Se-natsbeschluss vom 10.
September 2013 -
VI
ZB 61/12, [X.], 1350 Rn.
7; [X.], Beschluss vom 24.
Oktober 2013 -
V
ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn.
8). Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässi-gen [X.] verglichen werden. Infolge des vorangegangenen [X.]s der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen [X.] ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen
([X.], Beschluss vom 24.
Oktober 2013 -
V
ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn.
8).
b) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht erfüllt. Die von der Klägerin vorge-tragene und durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Prozessbevollmächtig-ten glaubhaft gemachte Anweisung, die richtige Eingabe der Faxnummer
und die vollständige Übertragung des Schriftsatzes an das richtige Gericht nach der Versendung anhand des [X.] zu überprüfen,
genügt nicht, da in die-ser Anweisung kein Abgleich der im Sendebericht angegebenen Faxnummer
anhand einer zuverlässigen Quelle verlangt wird (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Mai 2016 -
IV
ZB 38/15, juris Rn.
9). Einer derartigen Konkretisierung hätte 7
8
-

7

-

es aber bedurft. Der Rechtsanwalt hat seine
organisatorischen
Anweisungen
klar und unmissverständlich zu formulieren, weil nur so die Wichtigkeit der ein-zuhaltenden Schritte in der gebotenen Deutlichkeit hervorgehoben wird (vgl. Senatsbeschluss vom 26.
Juli 2016 -
VI
ZB 58/14, [X.], 120 Rn.
9; [X.], Beschluss vom 24.
Oktober 2013 -
V
ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn.
15).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Anweisung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin
nicht "selbstverständlich so zu verstehen, dass die Überprüfung, ob die Nummer des
richtigen Gerichts eingegeben [X.], anhand einer zuverlässigen Quelle zu erfolgen" habe. Die Anweisung lässt vielmehr offen, wie die Eingabe der "richtigen [X.]" und die voll-ständige
Übermittlung an das "richtige Gericht" zu überprüfen ist. Ausweislich des Vorbringens der Klägerin und der von ihr vorgelegten eidesstattlichen Ver-sicherung der zuständigen Kanzleimitarbeiterin hat diese die erteilte Anweisung dementsprechend auch dahingehend verstanden, dass sie die richtige Ermitt-lung der Faxnummer
durch einen Vergleich mit "der aus der Handakte ersichtli-chen [X.]" zu überprüfen habe. Eine derartige Kontrolle ist aber unzureichend. Den gebotenen [X.] genügt ein Abgleich der im Sendebericht angegebenen bzw. der in einen Schriftsatz übertragenen Faxnummer
mit Angaben aus einem beliebigen Schreiben der Handakte nicht. Denn eine solche Handhabung führt dazu, dass durch nur geringen Mehrauf-wand vermeidbare Übertragungsfehler unentdeckt bleiben und damit die Gefahr entsteht, dass eine in der Praxis häufig auftretende Fehlerquelle nicht be-herrscht wird ([X.], Beschluss vom 24.
Oktober 2013 -
V
ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn.
12).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Pro-zessbevollmächtigte der Klägerin selbst die richtige Faxnummer
des Oberlan-9
10
-

8

-

desgerichts diktiert hatte
und diese erst von der zuständigen Kanzleimitarbeite-rin abgeändert wurde. Denn er hatte durch seine unzureichende allgemeine Anweisungen
die Gefahr geschaffen, dass die von ihm angegebene Faxnum-mer
nicht durch einen Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, sondern anhand eines beliebigen Schreibens aus der Handakte kontrolliert und ggf. kor-rigiert wird. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Kanzlei-angestellte die
Faxnummer
selbst nicht noch einmal habe prüfen müssen. Denn damit hätte diese gegen die in der Kanzlei bestehenden allgemeinen Anwei-sungen verstoßen. Nach dem
Vortrag der Klägerin im Wiedereinsetzungsantrag entsprach es einer allgemeinen Anweisung in der Kanzlei ihres Prozessbevoll-mächtigten, "gerade bei Fristabläufen am gleichen Tag" zu überprüfen, ob "die richtige Faxnummer
genannt ist".

c) Bei dieser Sachlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Or-ganisationsverschulden des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin zumindest mitursächlich für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist geworden ist
(vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Mai 2016 -
IV
ZB 38/15, juris Rn.
10 f.).
11
-

9

-

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Galke
von [X.]
[X.]

[X.]
Müller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.02.2016 -
1 O 416/14 -

O[X.], Entscheidung vom 26.07.2016 -
5 U 306/16 -

12

Meta

VI ZB 32/16

27.06.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2017, Az. VI ZB 32/16 (REWIS RS 2017, 9010)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9010

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 32/16

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