Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2003, Az. IX ZR 62/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4395

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/02Verkündet am:13. Februar 2003PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:ja BGB §§ 675, 328a)Wer einen anderen allein auf steuerliche Vorteile einer gesellschaftsrechtlichenBeteiligung hinweist, haftet ihm bei einem Fehler grundsätzlich nur für den [X.] Steuervorteil und nicht für einen ausgebliebenen Unternehmens-erfolg.b)In den Schutzbereich von (vor-)vertraglichen Pflichten zur richtigen Darstellungder Vorteile und Risiken einer Gesellschaftsbeteiligung werden in der [X.] auch Dritte einbezogen, sobald der Hinweisgeber erfährt, daß siein Abstimmung mit dem [X.] möglicherweise an seiner Stelle indas Anlagevorhaben eintreten werden. Solchen [X.] gegenüber kann [X.] auch für Fehler und Versäumnisse aus der Unterrichtung des[X.] haften, die für die Entschlußbildung der [X.] fortwirken.[X.], [X.]eil vom 13. Februar 2003 - [X.]/02 - [X.]LG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 13. Februar 2003 durch die [X.] Kirchhof, [X.], [X.], [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der [X.] (vormalige Beklagte zu 2) wird [X.] des 16. Zivilsenats des [X.] amMain vom 7. Februar 2002 einschließlich des Kostenpunktes in-soweit aufgehoben, als es zum Nachteil dieser [X.] ergan-gen ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Ehemann der Klägerin zu 1, [X.], gründete 1992 zusammen mitder [X.] GmbH die [X.]. GmbH (im [X.]: [X.]. GmbH oder Inhaberin), an welcher sich die Kläger nochim Gründungsjahr mit stillen Einlagen von 700.000 DM und 200.000 [X.]. Beide Gesellschaften kamen nach längeren Verhandlungen zustande,die [X.] mit dem Geschäftsführer der [X.] und der Geschäftsführungder [X.] geführt hatte. Die Beklagte, eine [X.] 3 -schaft, besorgte vor und während dieser Verhandlungen auch die Buchhaltungder [X.]GmbH.Die Kläger erreichten mit ihren stillen Beteiligungen die für 1992 ange-strebten steuerlichen Verluste durch Anlaufkosten der [X.]. GmbH [X.] einem geringen Teil. Die kaufmännischen Ziele der Unternehmung erfülltensich gleichfalls nicht. Die Konkurseröffnung über das Vermögen der[X.]. GmbH wurde 1995 mangels Masse abgelehnt.Das [X.] hat die Beklagte wegen unrichtiger Darstellung [X.] verurteilt, den Klägern ihre verlorenen stillen Einlagen zuersetzen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der - zu-gelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision ist begründet. Die Verurteilung der [X.] kann mit denbisherigen Feststellungen des Berufungsurteils nicht bestehen bleiben.[X.] Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Ehemann der [X.], [X.] , nach den von der [X.] durch ihren Geschäftsführer im Zu-ge der Gründungsverhandlungen abgegebenen Erklärungen davon habe [X.] dürfen, eine stille Beteiligung an der [X.]. GmbH werde noch [X.] zu steuerlichen Verlusten in Höhe der erörterten Einlage von- 4 -900.000 DM führen. Ohne die Aussicht auf diese Steuervorteile wäre es zu [X.] mit der [X.]. GmbH nicht gekommen.Nach Annahme des Berufungsgerichts haftet die Beklagte deshalb [X.] aus einem mit [X.] eingegangenen Auskunftsvertrag auch wegendes Verlusts der stillen Einlagen. Die Kläger seien als Dritte in den Schutzbe-reich dieses Vertrages einbezogen worden. Die Beklagte habe seit [X.] gewußt, daß sich anstelle von [X.] womöglich die Kläger in gleicherForm und Höhe an der [X.]. GmbH beteiligen würden, so daß sich [X.] gegenüber [X.] auf die Anlageentscheidung der [X.] auswirken können. Die Unrichtigkeit der [X.] ergebe sich ausder abweichenden Beurteilung des Finanzamtes, welche auch die [X.]icht mehr angreife. Darauf, daß die vermeintlichen Steuervorteile der Klägernicht Ursache für den Verlust ihres stillen Beteiligungskapitals gewesen seien,komme es rechtlich nicht an.[X.] rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgerichtdie Begrenzung der Rechtsberaterhaftung nach dem Schutzzweck der verletz-ten Pflicht nicht hinreichend beachtet habe. Dabei kann offen bleiben, ob [X.] zwischen [X.] und der [X.] durch schlüssiges Verhalten [X.] zustande gekommen ist (vgl. dazu allgemein [X.], 1601, 1606 m.w.N.). Die Beklagte hat durch ihren Geschäftsführer,der für sie handelte und [X.] persönlich bekannt war, im besonderen MaßeVertrauen für sich in Anspruch genommen und dabei die Eingehung der [X.] zwischen den Klägern und der Inhaberin erheblich beeinflußt, sodaß zumindest ein vorvertragliches Schuldverhältnis zu den Klägern bestanden- 5 -hat (vgl. jetzt § 311 Abs. 3 BGB). Denn sie hat mit ihren Erklärungen den Be-weggrund für die Anlageentscheidung in der Vorstellung der Kläger geschaffen.1. Grundsätzlich haftet derjenige, der für ein schädigendes Ereignis ver-antwortlich ist, dem Geschädigten für alle dadurch ausgelösten Schadensfol-gen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist auch für das Vertragsrecht undfür den Bereich vorvertraglicher Schuldverhältnisse anerkannt, daß eine Pflicht-verletzung nur zum Ersatz der Schäden führen kann, deren Vermeidung dieverletzte Pflicht bezweckt. Bei Kapitalanlagen folgt daraus, daß jemand, dernicht Partner des [X.] ist und dem [X.] nur hin-sichtlich eines bestimmten für das Vorhaben bedeutsamen Einzelpunktes Auf-klärung schuldet, im Falle eines Fehlers lediglich für die Risiken [X.], für deren Einschätzung die geschuldete Aufklärung maßgeblich war(vgl. [X.]Z 116, 209, 213; [X.], [X.]. v. 20. November 1997 - [X.] 1998, 982, 983; v. 19. Dezember 2000 - [X.], [X.], 297,298; v. 6. Juni 2002 - [X.], [X.], 1440, 1441). Zur Verletzung [X.] und Auskunftspflichten durch die Beklagte über die [X.] hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig -nichts festgestellt. Der Ersatz des verlorenen Anlagekapitals kann dann von [X.] auf der Grundlage der revisionsrechtlichen Beurteilung (§ 559 ZPO)nicht verlangt werden.Wenn das Berufungsgericht es für die Verpflichtung der [X.] [X.] der verlorenen stillen Beteiligungen hat genügen lassen, daß die Klägervon der Darstellung des [X.] durch die Beklagte bewogen [X.] sind, die [X.] mit der [X.]. GmbH einzugehen, sosteht dies, ebenso wie die Auffassung der Revisionserwiderung, in [X.] der eingangs angeführten Rechtsprechung des [X.] über die- 6 -Haftung bei inhaltlich beschränkter Anlageberatung. Im Falle eines [X.] oder einer vorvertraglichen Hinweispflicht gilt nichts anderes. Denn eskommt in der durch Beschränkung des Pflichtenkreises gekennzeichneten Fall-gruppe nicht darauf an, daß erwartete Steuervorteile durch [X.] das allgemeine Beteiligungswagnis in der Anlageentscheidung [X.] sind. Vielmehr ist entscheidend, daß der Steuervorteil und der wirt-schaftliche Anlageerfolg unabhängig voneinander erreicht oder verfehlt wurden.Jeder Schaden muß daher hier der [X.] zugerechnet werden.Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet der Streitfall keinen Anlaß.Eine andere Betrachtung vermöchte vorliegend um so weniger einzuleuchten,als gerade infolge des Zusammenbruchs der [X.]. GmbH das [X.] Ergebnis des Jahres 1992, auf welches die Kläger nach der Darstellung der[X.] vertrauen durften, sich im Wege von [X.] aus den [X.] 1993/94 (§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F.) unter Umständen doch noch errei-chen lassen könnte.2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus einem anderen Grundeals richtig dar (§ 561 ZPO). Ein Steuerberater ist allerdings ebenso wie [X.] verpflichtet, trotz eingeschränkten Mandates auch vor anderweiti-gen Gefahren, die ihm bekannt oder offenkundig sind, zu warnen, wenn [X.] der Annahme besteht, daß sich der Mandant der ihm drohenden Nachteilenicht bewußt ist (vgl. [X.], [X.]. v. 9. Juli 1998 - [X.], [X.], 2246,2247, zur Anwaltshaftung; ähnlich [X.], [X.]. v. 9. Januar 2003 - [X.]/99,z.[X.]., zur [X.]). Diese erweiterte Warnpflicht kann auch auf die (vor-)vertragliche Haftung für steuerliche Hinweise eines Rechtsberaters zu Anlage-vorhaben übertragen werden.- 7 -Die Kläger haben in den Vorinstanzen die Beklagte auch mit der Be-hauptung in Anspruch genommen, ihr Geschäftsführer habe in Kenntnis [X.] Erwartungen über die Entwicklung der [X.]. GmbH gehandelt.Im [X.] geht es darum, daß der Geschäftsführer der [X.] und damit [X.] selbst nicht nur falsche Erwartungen über die Marktchancen der[X.]. GmbH geteilt, sondern einen wesentlichen Wissensvorsprung vor[X.] und den Klägern über die mangelnde [X.] S. GmbH besessen haben soll.Solche Gelegenheitserkenntnisse hätte die Beklagte auch als bloße steuerlicheHinweisgeberin [X.] und den Klägern nicht vorenthalten dürfen, wenn ihrsich Rückwirkungen davon auf das Beteiligungsinteresse an der [X.]. GmbH aufdrängen mußten.Das Berufungsgericht hat diesen streitigen Sachvortrag der Kläger, [X.] als das [X.], bisher nur unter dem Gesichtspunkt einer etwaigenHaftung des Geschäftsführers der [X.] aus vorsätzlich unerlaubter Hand-lung gewürdigt und diese verneint. Seine knappen Ausführungen dazu genügenfür die Annahme einer Vertragsverletzung nicht.[X.] ist im gegenwärtigen Stand entgegen der Ansicht der [X.] nicht zugunsten der [X.] spruchreif.1. Die Verletzung einer vertraglichen Warnpflicht (II. 2.) durch die [X.] kann derzeit nicht verneint werden, weil die Feststellungen des [X.] 8 -richts in diesem Zusammenhang gleichfalls nicht ausreichen. [X.] nicht entgegen. Soll die erweiterterte Warnpflicht durch den Steuerbe-rater über nichtsteuerliche Risiken einer Anlage gerade dazu dienen, einen un-wissenden Interessenten vor einem drohenden kaufmännischen Mißerfolg zuschützen, kommt eine Haftungsbegrenzung des Steuerberaters auf die [X.] Steuervorteile der Anlage nicht mehr in Betracht.2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Aufklä-rungspflichten der [X.] aus ihrem Rechtsverhältnis mit [X.] Schutz-wirkung zugunsten der Kläger entfalteten. Diese Drittbezogenheit [X.] bei Übernahme einer wirtschaftlichen Beratung oder einer erweitertenWarnpflicht der [X.] im Rahmen der Darstellung des [X.]auch nicht auf die erteilten steuerlichen Hinweise. Für die Klägerin zu 1 ist [X.] infolge der Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann eindeutig (vgl.[X.], [X.]. v. 5. Juni 1985 - [X.], NJW 1986, 1050 f).Unerheblich ist, ob eine Schutzwirkung des Rechtsverhältnisses zwi-schen der [X.] und [X.] zugunsten der Kläger von Anfang an [X.]. Auch das Berufungsgericht hat eine solche Erstreckung erst vom [X.] 1992 an bejaht, als die Kläger, wie die Beklagte wußte, als Übernehmereiner stillen Beteiligung an der [X.]. GmbH anstelle des [X.] inBetracht kamen. Ein vollständiger Vertragsbeitritt der Kläger, den die [X.] möchte, war nicht erforderlich, um sie nachträglich in die vertraglicheHaftung bei Verletzung anlegerschützender Aufklärungspflichten durch die [X.] einzubeziehen (vgl. Zugehör, aaO 1603).Der Revision ist zwar zuzugeben, daß eine solche nachträgliche Schutz-erstreckung dann hätte problematisch sein können, wenn dadurch das Haf-- 9 -tungsrisiko der [X.] vervielfältigt worden wäre. Das ist hier jedoch nichtder Fall. Das Haftungsrisiko der [X.] hat sich durch den Eintritt der Klägerin das Anlagevorhaben anstelle von [X.] nach Art und Höhe nicht verän-dert. Anders als die Revision meint, haftet die Beklagte den Klägern gegenüberauch nicht nur für solche Fehler und Versäumnisse, die ihr erst für die Zeit nachder Schutzerstreckung vorzuwerfen sind. Das mag grundsätzlich so sein, liegthier aber anders. Denn die Beklagte war auch verpflichtet, in der [X.] von ihr bereits gegenüber [X.] pflichtwidrig hervorge-rufene oder aufrecht erhaltene Fehlvorstellungen, die fortwirkten, nach Erstrek-kung zum Schutz der Kläger jederzeit durch weitere Aufklärung auszuräumen.[X.] Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen(§ 562 Abs. 1, § 563 ZPO). Bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte vertrag-liche Warnpflichten verletzt hat, wird sich das Berufungsgericht mit den Fest-stellungen des [X.]s (vgl. [X.] 10 f) auseinandersetzen müssen. [X.] Feststellungen zutreffen, so können der [X.] die [X.] der Kläger auch aus anderem Grund haftungsrechtlich nicht angelastet wer-den. Denn die Beklagte hätte dann keine erweiterte Warnpflicht zu der tech-nisch-wirtschaftlichen Leistungskraft des Dienstvertragspartners [X.] GmbH verletzt, weil [X.] im Rahmen der Vorgespräche in alle maßgeben-den Umstände eingeweiht worden sein soll. Dem ist jedoch die Berufung derKläger (Berufungsbegründung S. 25 ff = [X.] ff) in erheblicher Weise ent-gegengetreten. Es ist danach nicht ausgeschlossen, daß die Beklagte hinsicht-lich der nach dem [X.] noch nicht ausgereiften technischen Fähig-keiten der [X.], die für die geplante Chipkartenproduktion der [X.]. - 10 - GmbH eingesetzt werden sollten, über einen entscheidenden Wis-sensvorsprung verfügte. Zu klären ist demnach, ob ein solcher technischerEntwicklungsrückstand bei der [X.] tatsächlich vorlag, ob nur [X.] davon wußte, [X.] und die Kläger aber nicht, ob die Kläger inKenntnis des erhöhten [X.] von den stillen Beteiligungen an der [X.]. GmbH abgesehen hätten, die erwarteten Steuervorteile insoweit alsonicht der ausschließliche Beweggrund geblieben wären, und ob die [X.]ach den Umständen ihren etwaigen Wissensvorsprung zumindest fahrlässigverschwiegen hat.Kirchhof Ganter [X.] [X.]

Meta

IX ZR 62/02

13.02.2003

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2003, Az. IX ZR 62/02 (REWIS RS 2003, 4395)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4395

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