Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2012, Az. VII ZR 130/11

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5177

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VII ZR 130/11
Verkündet am:

28. Juni 2012

Schick,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 121 Abs. 1; HGB § 87a Abs.
3 Satz 2, § 92 Abs. 2
a)
Im Fall der [X.] notleidender Versicherungsverträge mittels Stornoge-fahrmitteilung an den Versicherungsvertreter genügt das [X.] seiner [X.] nicht, wenn es den [X.] nicht unverzüglich auf die Gefahr einer Stornierung hinweist.
b)
Dem Versicherungsunternehmen ist gestattet, sich in angemessener Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen, ob Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen, und die Entscheidung zu treffen, ob es eigene Nachbearbeitungs-maßnahmen ergreift oder sich darauf beschränkt, dem Versicherungsvertreter die sich abzeichnende Stornogefahr mitzuteilen.
c)
Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen [X.] ist keine ausreichende Maßnahme der [X.].
[X.], Urteil vom 28. Juni 2012 -
VII ZR 130/11 -
OLG [X.]

LG [X.] ([X.])

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28.
Juni
2012 durch [X.]
Dr.
[X.], die Richte-rin [X.], [X.]
Eick, [X.] und den Rich-ter Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird -
unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen
-
das Urteil des 8.
Zivilsenats des Pfälzischen
Oberlandesgerichts [X.] vom 24.
Mai 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.]s [X.] ([X.]) vom 25.
November
2008 in Höhe von 49.325,52

zurückgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Pflicht zur Rückzahlung von [X.]. Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war aufgrund eines [X.] von Februar 1999 bis zu seinem [X.]
-
3
-
scheiden zum 30.
September
2005 für die Klägerin als Versicherungsvertreter tätig.
Die Klägerin verlangt die Rückzahlung von [X.] für ei-ne Reihe von Versicherungsverträgen mit der Begründung, diese [X.] seien nach Beendigung des Versicherungsvertretervertrages mit dem Beklagten storniert worden. Die Klägerin macht zum einen geltend, dass sie bis zum Ausscheiden des Beklagten [X.] rechtzeitig an ihn versandt habe. Zum anderen trägt sie vor, dass eigene [X.]maßnah-men nach Ausscheiden des Beklagten erfolglos geblieben seien.
Nach Verrechnung eines dem Beklagten zustehenden Guthabens in [X.] von 66.301,79

u-züglich Zinsen verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Forderung in zwei [X.] unterteilt und zu diesem Zweck zwei tabellarische Aufstellungen mit einer stichwortartigen Zusammenstellung stornierter Einzelverträge überreicht. Bei der ersten Gruppe (Anlage [X.]) handelt es sich nach der Darstellung der Klä-gerin um diejenigen Verträge, für die bis zum Ausscheiden des Beklagten Stor-nogefahrmitteilungen an ihn versandt worden seien. Insoweit hat die Klägerin eine Restforderung von 44.655,33

Guthabens des Beklagten in Höhe von 66.301,79

Die zweite
Fallgruppe (Anlage K
12) betrifft diejenigen stornierten [X.], bei denen die Klägerin der Auffassung ist, nach Ausscheiden des Beklagten eine ausreichende eigene Nachbearbeitung vorgenommen zu haben; die Klä-gerin hat ihren Anspruch insoweit mit 58.306,39

i-ner weiteren Forderung in Höhe von 1.920

zuletzt 104.781,72

2
3
4
5
-
4
-
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision verfolgt die Klägerin [X.] in Höhe von noch 101.197,58

Entscheidungsgründe:
Die Revision führt teilweise zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Üb-rigen hat sie keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der Beklagte sei nicht zur Rückgewähr der streitgegenständlichen [X.] verpflichtet. Soweit ein Rückzahlungsanspruch in Betracht komme, stehe dem ein weit übersteigendes Guthaben des Beklagten entgegen. In den übrigen Fällen scheide ein Rückzahlungsanspruch aus, denn die Kläge-rin habe die Auflösung der vom Beklagten vermittelten Versicherungsverträge zu vertreten. Sie habe nicht schlüssig vorgetragen, ihrer Nachbearbeitungs-pflicht ausreichend nachgekommen zu sein.

6
7
8
9
-
5
-
In der ganz überwiegenden, vom Berufungsgericht im Einzelnen näher bezeichneten Zahl der Fälle der ersten Gruppe, habe die Klägerin Stornoge-fahrmitteilungen -
von ihr als "Bearbeitungsaufträge" bezeichnet
-
an den [X.] erst Wochen nach dem ersten Anzeichen für ein Notleidendwerden des jeweiligen [X.] versandt. Dies könne nicht als rechtzeitig [X.] werden. Mit Rücksicht auf das Provisionsinteresse des Beklagten sei die Klägerin gehalten gewesen, unverzüglich nach dem ersten Anzeichen für eine Stornogefahr tätig zu werden. Im Hinblick auf den bestmöglichen Chan-cenerhalt für den Versicherungsvertreter müsse dem Versicherer abverlangt werden, unverzüglich nach dem ersten Anzeichen für eine Stornogefahr zu [X.], ob er selbst (in der gebotenen Weise) tätig werde oder ob er dem Versicherungsvertreter den Versuch einer Vertragsrettung überlasse; sodann müsse der Versicherer unverzüglich handeln. Als nicht zulässig müsse es [X.] werden, zunächst selbst standardisierte Schreiben zu versenden und -
bei ausbleibendem Erfolg
-
erst Wochen nach dem ersten "[X.]" dem Versicherungsvertreter eine Gefahrmitteilung zukommen zu lassen.
In den übrigen Fällen der ersten Fallgruppe ergebe eine Addition
der nicht verdienten [X.] einen Gesamtbetrag von 17.768,95

weit hinter dem Guthaben des Beklagten [X.].
Im Hinblick auf die zweite Fallgruppe könne dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden, dass sie (unverzüglich) versucht habe, mit ihren Kunden persönlich Kontakt aufzunehmen. Zwar seien Bemühungen der Kläge-rin in bestimmten Fällen (Insolvenz des Versicherungsnehmers, Prämienherab-setzung, Umzug ohne Ummeldung, Einrichtung einer Vormundschaft) von vornherein nicht erforderlich gewesen, weil sie nicht zur Rettung des Vertrags geführt hätten. Die Summe der insoweit in Rede stehenden Provision 10
11
12
-
6
-
(4.982,23

t-haben des Beklagten zurück.
Auf eine tatsächliche Vermutung dafür, dass über die genannten Fälle hinaus ein Teil der streitgegenständlichen Versicherungsverträge selbst bei ordnungsgemäßer Nachbearbeitung nicht zu retten gewesen sei, habe die Klä-gerin sich nicht berufen. Dementsprechend trage sie weder Anhaltspunkte vor, die eine solche Vermutung begründen könnten, noch solche, die die Einschät-zung eines Prozentsatzes zuließen.

II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten Stand.
Gemäß §
87a Abs.
3 Satz
2 in Verbindung mit §
92 Abs.
2 HGB entfällt der Anspruch des Handels-
bzw. [X.] auf Provision im Falle der Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, wenn und soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu [X.] sind. Die Nichtausführung (Stornierung) des Vertrags ist schon dann von dem Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten, wenn es notleidende Ver-träge in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Art und Umfang der dem [X.] obliegenden Nachbearbeitung notleidender [X.] bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versi-cherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur [X.] ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich
darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornoge-fahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst 13
14
15
-
7
-
nachzubearbeiten ([X.], Urteile vom 1.
Dezember
2010 -
VIII
ZR
310/09, NJW 2011, 1590 Rn.
15; vom 25.
Mai
2005 -
VIII
ZR
279/04, NJW-RR 2005, 1196, unter II 4;
und VIII ZR 237/04, juris Rn. 14; vom 12.
November
1987 -
I
ZR
3/86, NJW-RR 1988, 546; vom 19.
November
1982 -
I
ZR
125/80, [X.], 371; jeweils m.w.[X.]).
Den Versicherer trifft die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass er eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden [X.] vorgenommen hat ([X.], Urteile vom 1.
Dezember
2010 -
VIII
ZR
310/09, aaO Rn.
23; vom 25.
Mai
2005 -
VIII
ZR
279/04, aaO;
und VIII
ZR
237/04, aaO Rn.
14;
vom 12.
November
1987 -
I
ZR
3/86, aaO unter [X.]; vom 19.
No-vember
1982

I
ZR
125/80, aaO unter [X.]; [X.] in: [X.]/[X.], Hand-buch des gesamten Vertriebsrechts, Bd.
1, 4.
Aufl., 2012, [X.].
V Rn.
532). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zwar zutreffend ausgegangen, hat sie aber nicht frei von [X.] angewandt.
1. Dem Berufungsgericht kann nach den bisherigen Feststellungen nicht darin gefolgt werden, das Provisionsrückzahlungsbegehren der Klägerin schei-tere im Hinblick auf die stornierten Verträge der ersten Fallgruppe überwiegend bereits daran, dass sie dem Beklagten bis zu seinem Ausscheiden keine recht-zeitigen [X.] habe zukommen lassen.
a) Entschließt sich der Versicherer, der bei einem Versicherungsvertrag bestehenden Stornogefahr durch die Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter entgegenzuwirken, und sendet er zu diesem Zweck eine Mitteilung, die diesen von ihrem Inhalt her in die Lage versetzt, sei-nerseits Abwehrmaßnahmen gegen die Stornogefahr zu ergreifen, so rechtzei-tig an den Versicherungsvertreter, dass bei normalem Verlauf mit deren recht-zeitigem Eingang zu rechnen ist, so ist der Versicherer seiner Pflicht zur Stor-16
17
18
-
8
-
nogefahrabwehr in ausreichendem Maße nachgekommen ([X.], Urteil vom 1.
Dezember
2010 -
VIII
ZR
310/09, aaO, Rn.
24). Der Versicherer muss die Mitteilung so rechtzeitig versenden, dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrags bemühen kann ([X.], Urteil vom 19.
November
1982 -
I
ZR
125/80, aaO unter I
2
b
cc; [X.] in:
[X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 92 Rn. 21). Das hat das [X.] im Ausgangspunkt nicht verkannt.
b) Im Ansatz zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Versicherer, sofern er den Vertrag nicht selbst nachbearbeiten will, sondern den Weg wählt, den Versicherungsvertreter von der Vertragsgefähr-dung in Kenntnis zu setzen, diesen unverzüglich auf die Gefahr der Stornierung des betroffenen [X.] hinzuweisen hat (so auch [X.], [X.], 2.
Aufl., §
92 HGB Rn.
18, unter Hinweis auf [X.], [X.], 1157, 1161).
Dies folgt aus der dem Versicherungsvertreter gegenüber bestehenden Treuepflicht (zur gegenseitigen Treuepflicht im Recht der [X.] siehe [X.], Urteil vom 18.
Juni
1964 -
VII
ZR
254/62, [X.]Z 42, 59, 61
f.; [X.], aaO, [X.].
IV Rn.
75
ff.). Wenn der Versicherungsvertreter eine realistische Chance haben soll, den [X.], müssen ihm [X.] so bald wie möglich zugesandt werden.
c) Unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§
121 Abs.
1 BGB), er-folgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs-
und Überlegungszeit vorgenommen wird ([X.], Urteil vom 24.
Januar
2008 -
VII
ZR
17/07, [X.], 985 Rn.
18; [X.], Beschluss vom 15.
März
2005 -
VI
ZB
74/04, NJW 2005, 1869 unter [X.]a, jeweils
m.w.[X.]). Der Versicherer, der den Weg der Stornogefahrmitteilung wählt, muss sich daher so bald, wie es ihm nach den Umständen möglich und zumutbar ist, gegenüber dem Versicherungsvertreter erklären. Die Revisions-19
20
-
9
-
erwiderung weist zu Recht darauf hin, dass die Aussichten auf "Rettung"
des Vertrags nach der Lebenserfahrung sinken, je mehr Zeit verstreicht. Die [X.] an den Versicherer dürfen dabei nicht überspannt werden, sondern müssen sich unter tatrichterlicher Würdigung der konkreten Umstände des [X.] und angemessener Abwägung der Interessen beider Parteien im Rah-men des objektiv Zumutbaren halten. Der Revision ist darin zuzustimmen, dass der Versicherer in der Regel nicht bereits nach dem ersten Scheitern des [X.] von Versicherungsbeiträgen eine Stornogefahrmitteilung versenden muss. Dies lässt nicht ohne Weiteres schon eine Vertragsgefährdung besorgen. Es ist dem Versicherer gestattet, sich in angemessener Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen, ob Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen, und die Entscheidung zu treffen, ob er eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreift oder sich darauf beschränkt, dem Versicherungsvertreter die sich abzeichnende Stornogefahr mitzuteilen, wobei der Versicherungsvertreter die für die [X.] notwendigen Informationen erhalten muss. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn der Versicherer in einem standardisierten Schreiben um Überprüfung der Bankverbindung bittet, wenn die Lastschrift nicht eingelöst wird. Ergibt sich nach diesem Klärungsversuch eine Stornogefahr -
was regel-mäßig anzunehmen sein dürfte, wenn eine Reaktion auf die standardisierte An-frage in angemessener Frist nicht erfolgt
-
darf der Versicherer mit der [X.] Mitteilung an den Vertreter in der Regel nicht mehr als zwei Wochen abwarten.
d) Das Berufungsgericht hat diese Anforderungen an die Rechtzeitigkeit einer Stornogefahrmitteilung nicht beachtet. Das angefochtene Urteil ist daher insoweit aufzuheben, und zwar im Umfang von 44.343,29

ä-gerin im Revisionsverfahren die Einzelforderung mit der Nummer 106 in Höhe von 312,04

mehr weiterverfolgt (44.655,33

e-nat ist eine eigene Entscheidung nicht möglich. Das Berufungsgericht hat [X.]
-
10
-
lich die pauschale Feststellung getroffen, dass die Klägerin Stornogefahrmittei-lungen "erst Wochen nach dem ersten Anzeichen für ein Notleidendwerden des jeweiligen [X.]"
versandt hat. Diese Begründung des Beru-fungsurteils enthält nicht genügend tatsächliche Substanz und ermöglicht es dem Senat
nicht, eine hinreichende Beurteilung vorzunehmen. Das Berufungs-gericht hat in keinem Einzelfall differenzierte Feststellungen getroffen, worin es Anzeichen für die Besorgnis einer Vertragsgefährdung gesehen hat, welche Informationen die Klägerin darüber gewonnen hat und wann sie diese dem [X.] mitgeteilt hat.
2. Im Hinblick auf die der zweiten Fallgruppe zugeordneten Verträge bleibt die Revision überwiegend ohne Erfolg.
a) Zu Unrecht meint die Revision, dass es für eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge durch den Versicherer genüge, wenn dieser dem Nachfolger des ausgeschiedenen [X.]s Stornierungsgefahrmitteilungen übermittelt. Mit diesem bereits erstin-stanzlichen gehaltenen Vortrag der Klägerin hat das Berufungsgericht sich zwar nicht auseinandergesetzt. Dies ist jedoch im Ergebnis unschädlich.
Sieht der Versicherer von einer Stornogefahrmitteilung an den bisherigen Versicherungsvertreter ab und nimmt er sein Recht wahr, andere Maßnahmen zu ergreifen, müssen diese nach Art und Umfang ausreichend sein. Insoweit kann der Versicherer zwar auch den Nachfolger des ausgeschiedenen Versi-cherungsvertreters mit der Nachbearbeitung beauftragen. Dies ist auch
in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht beanstandet worden (siehe [X.], BeckRS 2010, 06907; [X.], BeckRS 2009, 15961; [X.], [X.], 267; [X.], [X.], 469). Allerdings weist die Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass die bloße Versendung 22
23
24
-
11
-
einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger keine ausreichende Maßnahme ist. Ein auch darauf gerichtetes Wahlrecht des Versicherers gibt es -
anders als die Revision meint
-
nicht und ist in der Rechtsprechung auch nicht gebilligt worden. Denn der Bestandsnachfolger wird den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, [X.] abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen (vgl. [X.], aaO). Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen [X.] oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten. [X.] hat die Klägerin es fehlen lassen. Die Revision vermag keinen vom [X.] etwa in diesem Zusammenhang übergangenen Sachvortrag auf-zuzeigen.
b) Das Berufungsurteil unterliegt allerdings auch im Hinblick auf die von ihm der zweiten Fallgruppe zugeordneten Versicherungsverträge der Aufhe-bung, soweit das Berufungsgericht das Rechtsmittel in Höhe von 4.982,23

zurückgewiesen hat. Das betrifft die Verträge mit den Nummern 46, 142, 147, 161, 183, 186, 189, 205, 206, 215 und 220. Das Berufungsgericht geht insoweit davon aus, dass [X.] in den vorbezeichneten Fällen nicht zum Erfolg geführt hätten. Es hat jedoch angenommen, dass die Summe der insoweit in Rede stehenden zurückgeforderten Provision hinter dem Gutha-ben des Beklagten [X.]. Dies steht jedoch derzeit nicht mit genügender Sicherheit fest. Ob das Guthaben des Beklagten etwaige Rückzahlungsansprü-che der Klägerin übersteigt, hängt davon ab, ob und in welchem Umfang sich [X.] aus den stornierten Verträgen der ersten Fallgruppe herleiten lassen.
c) Die Revision bleibt ohne Erfolg, soweit sie geltend macht, dass die Klägerin darüber hinaus bei zahlreichen weiteren Verträgen der zweiten Fall-25
26
-
12
-
gruppe nicht zur Nachbearbeitung verpflichtet gewesen sei. Dies hat die Kläge-rin in den Tatsacheninstanzen [X.] nicht geltend gemacht. Insoweit handelt es sich, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, um
neuen Sachvortrag, der gemäß §
559 Abs.
1 Satz
1 ZPO in der Revisionsinstanz [X.] ist. In den Tatsacheninstanzen etwa übergangenen Sachvortrag der Klägerin zeigt die Revision nicht auf. Nachdem die Klägerin in der Berufung ih-ren Sachvortrag nur auf die Fälle bezogen hat, in denen eine Stornomitteilung an den Beklagten rechtzeitig erfolgt und eine Nachbearbeitung durch die Kläge-rin vorgenommen worden sein soll, war das Berufungsgericht nicht gehalten, von sich aus die von der Klägerin überreichten [X.] unter diesem von der Klägerin [X.] nicht geltend gemachten Gesichtspunkt der ent-behrlichen Nachbearbeitung zu prüfen.
Die von der Klägerin ausdrücklich er-wähnten Fälle der entbehrlichen Nachbearbeitung hat das Berufungsgericht berücksichtigt.
3. Das Berufungsgericht hat eine tatsächliche Vermutung zugunsten der Klägerin, dass für eine bestimmte Anzahl von Stornofällen
eine Nachbearbei-tung erfolglos geblieben wäre, entgegen der Ansicht der Revision im Ergebnis zutreffend verneint. Zwar wäre ein etwaiger Erfahrungssatz bzw. eine tatsächli-che Vermutung zu berücksichtigen, auch ohne dass die Klägerin sich ausdrück-lich darauf beruft (vgl. [X.], 3.
Aufl., §
284 Rn.
44;
HK-ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
284 Rn.
14; Laumen
in: [X.], ZPO, 4.
Aufl., §
284 Rn.
19). Für eine derartige Vermutung fehlen im Streitfall jedoch jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte. Die Revision kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf das Urteil
des [X.] vom 19.
November
1982 (I
ZR
125/80, aaO) stützen. In der vorgenannten Fallgestaltung lagen -
anders als im hier gegebenen Fall
-
aufgrund bestimmter Umstände konkrete
Anhalts-punkte für die
Annahme einer im Rahmen des §
287 ZPO zu berücksichtigen-den tatsächlichen Vermutung vor. Auf diese Besonderheit hat der Bundesge-27
-
13
-
richtshof bereits hingewiesen (Urteil vom 11.
Dezember
1986 -
I
ZR
3/86, aaO unter II
4). Ein Anspruch der Klägerin ist auch in Form eines [X.] nicht gegeben, weil nicht einmal eine Mindestschätzung als solche möglich [X.], nachdem in den Tatsacheninstanzen keinerlei brauchbare Anhalts-punkte hierfür dargetan worden sind.

III.
Der Senat kann
in der Sache nicht insgesamt selbst entscheiden. Das Berufungsurteil war gemäß §§
562, 563 Abs.
1 Satz
1, Abs.
3 ZPO im Umfang von 49.325,52

4.982,23

) aufzuheben und die Sache in-soweit zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen
an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen.
Die Zurückweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, darauf hin-zuwirken, dass die Klägerin ihren bisher nur stichpunktartigen Sachvortrag zur Besorgnis von Vertragsgefährdungen und den von ihr daraufhin veranlassten Maßnahmen vertieft. Zudem wird das Berufungsgericht in der neuen Verhand-lung Gelegenheit haben, auch den weiteren Sachvortrag der Klägerin zu würdi-gen, dass sie auch bei einigen Verträgen der ersten Fallgruppe, nämlich den-

28
29
-
14
-
jenigen mit den Nummern 16, 23, 29, 37, 43, 52, 54, 55, 59, 63, 73, 117, 140, 150, 157 und 158, aus von ihr näher vorgetragenen Gründen nicht zur [X.] verpflichtet gewesen sei.
[X.]
[X.]
Eick

[X.]

Kosziol
Vorinstanzen:
LG [X.]
([X.]), Entscheidung vom 25.11.2008 -
7 [X.]/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 24.05.2011 -
8 [X.] -

Meta

VII ZR 130/11

28.06.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2012, Az. VII ZR 130/11 (REWIS RS 2012, 5177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5177

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII ZR 130/11 (Bundesgerichtshof)

Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters: Pflichten des Versicherungsunternehmens bei Gefahr der Stornierung notleidender Versicherungsverträge


I-16 U 133/13 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


VIII ZR 310/09 (Bundesgerichtshof)

Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters bei Stornierung des Versicherungsvertrages: Eigene Maßnahmen des Versicherungsunternehmens zur Stornogefahrabwehr; Stornogefahrmitteilung an …


VIII ZR 310/09 (Bundesgerichtshof)


7 U 618/18 (OLG München)

Keine Einschränkung der Pflicht des Versicherers zur Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge durch § 8 VVG


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VII ZR 130/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.