Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2010, Az. XI R 43/08

11. Senat | REWIS RS 2010, 890

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zu den Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung einer Organgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft - Grundsatz der Rechtsformneutralität - Änderung der Rechtsprechung - Wirksamwerden eines Beherrschungsvertrags und Gewinnabführungsvertrags - Keine notwendige Beiladung des Organträgers


Leitsatz

1. Eine finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt sowohl bei einer Kapitalgesellschaft als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft voraus. Deshalb reicht es auch für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht aus, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist (Änderung der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136) .

2. Das Fehlen einer eigenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine GmbH als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen einer anderen GmbH eingegliedert war.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmierte im Streitjahr 1996 unter F-GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war --der im Streitjahr selbst nicht unternehmerisch tätige-- [[X.].], der auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH war.

3

Durch "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" vom 15. Dezember 1995 hatte die F-GmbH die Leitung ihres Unternehmens der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Nach dem Vertrag war die Verwaltungs-GmbH berechtigt, den Geschäftsführern der F-GmbH alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Die F-GmbH war verpflichtet, den gesamten nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn abzüglich eines evtl. [[X.].] aus dem Vorjahr an die Verwaltungs-GmbH abzuführen (§ 4 Abs. 1 des Vertrages). Die Verwaltungs-GmbH hatte einen während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 4 Abs. 4 des Vertrages). Die Vereinbarung sollte bezüglich der Verpflichtung zur Gewinnabführung und Verlustübernahme (§ 4 des Vertrages) rückwirkend ab 1. Januar 1995 gelten und war unkündbar bis zum 31. Dezember 2000.

4

Einen gleichlautenden "Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag" hat die Verwaltungs-GmbH am 15. Dezember 1995 mit der B-GmbH geschlossen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls [[X.].] war.

5

Die F-GmbH hatte mit Notarvertrag vom 15. März 1995 von der [X.] unter Beteiligung der [X.] ([X.]) als gesetzlicher Vertreter nach § 21 Abs. 1 Satz 1 des Investitionsvorranggesetzes einen mit einer stillgelegten Malzfabrik bebauten Grundbesitz für 1 DM erworben und sich u.a. verpflichtet, die auf dem Grundbesitz befindlichen Gebäude (mit Ausnahme der Kultur- und Wohngebäude) vollständig abzubrechen und den anfallenden Abraum bis spätestens zum 30. Juni 1998 fachgerecht zu entsorgen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages).

6

Zur Gewährleistung des Abbruchs einschließlich der fachgerechten Entsorgung des anfallenden [X.] verpflichteten sich sowohl die [X.] als auch die [X.], der F-GmbH für nach Wirksamwerden des Vertrages vorgenommene Abbrucharbeiten einen "Investitionszuschuss" bis zu max. je 1 Mio. DM, insgesamt max. 2 Mio. DM, zu gewähren, und zwar in acht Tranchen im Umfang von bis zu max. 250.000 DM entsprechend dem Fortschritt der Abbrucharbeiten für bereits erbrachte Fremdleistungen oder Eigenleistungen der F-GmbH (§ 10 des Vertrages).

7

Am 15. April 1996 erteilte die F-GmbH der B-GmbH eine Rechnung über die Gestellung von Personal "für Vorbereitungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abriss ..." über 81.300,56 DM "[X.] 15 % MwSt 12.195,08 DM".

8

Am 16. April 1996 stellte die F-GmbH eine Rechnung an die [X.] über den "Abriss ..." in Höhe von 851.707,43 DM "[X.] 15 % MwSt 127.756,11 DM" aus, die sie nebst Anlagen bei der [X.] zur Abforderung des vertraglich vereinbarten Investitionszuschusses einreichte.

9

Aufgrund einer Fahndungsprüfung in den Jahren 2001 bis 2003 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([[[X.].].]) mit Bescheid vom 16. März 2004 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 gegenüber der F-GmbH.

Einspruch und Klage, mit der die Klägerin insbesondere geltend gemacht hatte, sie schulde die in den Rechnungen der F-GmbH vom 15. und 16. April 1996 ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, weil die F-GmbH zu diesem Zeitpunkt Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen sei, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht ([X.]) führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde den von der F-GmbH in der Rechnung vom 16. April 1996 an die [X.] ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag jedenfalls nach § 14 Abs. 3 Satz 2  2. Alternative des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG); die von der F-GmbH unter dem 15. April 1996 gegenüber der B-GmbH abgerechnete Personalgestellung unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer.

Die F-GmbH sei im Streitjahr 1996 nicht Organgesellschaft der Verwaltungs-GmbH gewesen. Es fehle an der finanziellen Eingliederung, weil die Verwaltungs-GmbH selbst keine Anteile an der F-GmbH besessen habe (Hinweis auf das Urteil des [X.] --[X.]-- vom 18. Dezember 1996 [[X.].]I R 25/94, [X.], 392, [X.] 1997, 441). Der [X.] nehme eine finanzielle Eingliederung bei einer mittelbaren Beteiligung in der Weise, dass die/der Gesellschafter der Organträgergesellschaft die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte in der Organgesellschaft hielten/halte, nur in den Fällen an, in denen Organträgergesellschaft eine Personengesellschaft sei (Hinweis u.a. auf das [X.]-Urteil vom 20. Januar 1999 [[X.].]I R 69/97, [X.]/NV 1999, 1136). Diese Differenzierung sei nicht zu beanstanden.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 879 veröffentlicht.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts (§ 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG).

Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, der Senat habe in dem Urteil in [X.], 392, [X.] 1997, 441, auf das sich das [X.] zur Begründung bezogen habe, entschieden, wenn eine juristische Person (Kapitalgesellschaft) Organträgerin sein solle, setze dies "regelmäßig" deren unmittelbare, jedenfalls nicht unwesentliche Beteiligung an der Organgesellschaft voraus. Hier liege aufgrund des [X.] vom 15. Dezember 1995 ein Ausnahmefall im Sinne dieser Rechtsprechung vor, der dazu führe, dass das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis nach der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse vorliege.

In diesem Zusammenhang habe das [X.] unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O die in § 4 Abs. 4 des [X.] vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt. Aus dieser Regelung ergebe sich aber, dass der F-GmbH das unternehmerische Risiko durch die Verwaltungs-GmbH vollständig abgenommen werde, ein Umstand aus dem sich ihre Unterordnung unter die Verwaltungs-GmbH geradezu aufdränge.

Zudem verstoße die Rechtsauffassung des [X.] gegen die europarechtlichen Grundsätze der Rechtsformunabhängigkeit und der steuerlichen Neutralität. Diese Grundsätze sprächen dafür, die Entscheidung, ob eine Organgesellschaft mittelbar finanziell in einen Organträger eingegliedert sei, nicht davon abhängig zu machen, ob der Organträger eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft sei.

Die übrigen Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) lägen vor.

Die Klägerin rügt ferner, dass das [X.] entgegen § 60 Abs. 3 [X.]O die Verwaltungs-GmbH nicht beigeladen habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des [X.] vom 1. März 2005 die Umsatzsteuer für 1996 unter Änderung des Bescheids vom 16. März 2004 um insgesamt ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem [X.] ([X.]) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen:

"Sind Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der ... Richtlinie 77/388/[X.] ... in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit und dem Neutralitätsprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die eine Anerkennung einer Organschaft und damit nur eines Steuerpflichtigen im Sinne der Richtlinie ablehnt, wenn der alleinige 100%ige Gesellschafter-Geschäftsführer der zum [X.] gehörenden Kapitalgesellschaften alle Anteile zwar im Privatvermögen hält, aber als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaften in die Verwaltung eingreift und durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine Kapitalgesellschaft zur Organträgerin bestimmt, die das unternehmerische Risiko der übrigen Gesellschaften trägt?",

"höchsthilfsweise", die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es tritt dem [X.] entgegen und verweist darauf, dass es im Streitfall außer an einer finanziellen Eingliederung auch an einer wirtschaftlichen Eingliederung der F-GmbH in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH fehle.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht [X.] von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Die von der Klägerin gerügten Verstöße gegen § 60 Abs. 3 und § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O liegen nicht vor.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des [X.] eingegliedert ist (Organschaft).

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ([X.]/[X.]). Danach steht es (vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der [X.]/[X.]) jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

2. Eine finanzielle Eingliederung [X.] von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt nach der Rechtsprechung des [X.] voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch [X.] durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (vgl. [X.]-Urteile vom 22. November 2001 [X.]/00, [X.]E 197, 319, [X.], 167, unter [X.]; vom 19. Mai 2005 [X.], [X.]E 210, 167, [X.], 671, unter [X.] dd; vom 30. April 2009 [X.], [X.]E 226, 144, [X.]/NV 2009, 1734, unter [X.]; vom 22. April 2010 [X.], [X.]E 229, 433, [X.]/NV 2010, 1581, unter II.2.).

Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des [X.] in der Weise erreicht werden, dass der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft in direkter Linie über eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung (als Gesellschafter) an einer ([X.] erreicht, die ihrerseits unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft (sog. [X.]) beteiligt ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 210, 167, [X.], 671, unter [X.] ee).

a) Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar an der F-GmbH beteiligt. Die Verwaltungs-GmbH war auch nicht über eine oder mehrere Tochtergesellschaften mittelbar an der F-GmbH beteiligt.

Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. [X.]surteil in [X.]E 182, 392, [X.] 1997, 441).

b) Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 --insbesondere die darin vorgesehene Verpflichtung der Verwaltungs-GmbH zur Übernahme der Verluste der [X.] führt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer finanziellen Eingliederung der F-GmbH in die [X.] aus der Notwendigkeit einer Beteiligung des [X.] an der Organgesellschaft folgt auch, dass eine fehlende Beteiligung nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden kann.

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung [X.] des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG betrifft --wie dargelegt-- die Beteiligungsverhältnisse (vgl. auch Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., [X.]). [X.] haben darauf aber keinen Einfluss. Dasselbe gilt für die in dem [X.] vereinbarte Übernahme etwaiger Verluste der F-GmbH durch die Verwaltungs-GmbH.

Darüber hinaus steht im Streitfall auch nicht fest, ob und wann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 15. Dezember 1995 zwischen der Verwaltungs-GmbH und der F-GmbH wirksam wurde. Ein derartiger Vertrag wird erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister gemäß § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes zivilrechtlich (vgl. Urteil des [X.] vom 24. Oktober 1988 [X.], [X.], 324) und steuerrechtlich (vgl. [X.]-Entscheidungen vom 22. Oktober 2008 [X.], [X.]E 223, 162, [X.] 2009, 972, unter II.2.; vom 3. September 2009 IV R 38/07, [X.]E 226, 283, [X.] 2010, 60, unter II.2., m.w.N.) wirksam. Dazu hat das [X.] keine Feststellungen getroffen.

c) Soweit die Klägerin darauf verweist, der [X.] habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 Rs. [X.]/90 [X.] ([X.]. 1991, [X.], [X.] --[X.]--- 1993, 122, [X.] --[X.]-- 1993, 214, Rz 13) und vom 18. Oktober 2007 Rs. [X.]/06 --van der [X.] ([X.]. 2007, [X.], [X.], 889, [X.], 87, Rz 24) ausgeführt, "dass ein Unterordnungsverhältnis dann nicht besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen", hat der [X.] dies entgegen der Darstellung der Klägerin nicht "für die Organgesellschaft" festgestellt.

Die bezeichnete Aussage in den [X.]-Urteilen betrifft nicht die vorliegend relevanten Voraussetzungen einer Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen [X.] von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.], sondern die --anderweitige--- Frage der Selbständigkeit (Verhältnis der Unterordnung [X.] des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der [X.]/[X.]) eines [X.] Steuereinnehmers ([X.] in [X.]. 1991, [X.], [X.] 1993, 122, [X.] 1993, 214) und eines Arbeitnehmers, der zugleich einziger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war (--van der [X.] in [X.]. 2007, [X.], [X.], 889, [X.], 87).

3. Das Erfordernis der Stimmenmehrheit einer GmbH als Organträger an einer Organgesellschaft verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Denn auch eine Personengesellschaft kann nur dann Organträger sein, wenn sie (selbst) an einer Organgesellschaft mit Stimmenmehrheit beteiligt ist. An seiner anderslautenden Rechtsprechung in dem Urteil in [X.]/NV 1999, 1136 hält der [X.] nicht mehr fest.

a) Der [X.] hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger --anders als bei einer Kapitalgesellschaft als [X.] für eine finanzielle Eingliederung [X.] des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Beteiligung der Personengesellschaft an der Organgesellschaft nicht vorausgesetzt; ausreichend war, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der [X.] gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (grundlegend [X.]-Urteil in [X.]/NV 1999, 1136, unter II.2., m.w.N.; vgl. auch [X.]-Urteile in [X.]E 197, 319, [X.], 167; in [X.]E 210, 167, [X.], 671, unter [X.] ee; vom 14. Februar 2008 [X.], 13/06, [X.]/NV 2008, 1365, unter II.2.e).

b) Dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 21 Abs. 4 der [X.] 2008) und die herrschende Meinung in der Literatur zugestimmt (vgl. [X.], [X.], § 44 Rz 261; [X.] in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 112; [X.] in Plückebaum/[X.]/Widman, [X.], Kommentar, § 2 Abs. 2 Rz 280/1, 282/1; Heidner in [X.]/Geist, UStG, 9. Aufl., § 2 Rz 118; [X.] in [X.]/Söhn/[X.], § 2 UStG Rz 74; zustimmend nur für den Fall der sog. Betriebsaufspaltung: [X.], [X.], § 2 Rz 689; kritisch [X.] in [X.]/[X.]/[X.]r, UStG § 2 Rz 111, und [X.] in [X.]/Metzenmacher, [X.], § 2 Rz 393 f.).

c) Nunmehr hat der V. [X.] des [X.] aber eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil in [X.]E 229, 433, [X.]/NV 2010, 1581).

d) Der erkennende [X.] gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil in [X.]/NV 1999, 1136 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des [X.] ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

aa) Der Grundsatz der Steuerneutralität (vgl. zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [X.]/[X.]: [X.]-Urteil vom 22. Mai 2008 Rs. [X.]/07 --Ampliscientifica und [X.], [X.]. 2008, [X.], [X.]/NV Beilage 2008, 217, [X.], 878, [X.] 2008, 534, Rz 25, m.w.N.) verlangt in seiner Ausprägung der Rechtsformneutralität (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 10. September 2002 Rs. [X.]/00 --Kügler--, [X.]. 2002, [X.], [X.]/NV Beilage 2003, 30, [X.] 2002, 1146, [X.] 2002, 513, Rz 30, m.w.N.; [X.]-Urteil vom 14. Mai 2008 [X.], [X.]E 221, 517, [X.] 2008, 912, unter [X.] aa, m.w.N.), dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich unerheblich ist (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 26. September 2007 [X.], [X.]E 219, 241, [X.] 2008, 262, unter [X.], m.w.N.; [X.], [X.] 2008, 2, 5, m.w.N.) und gebietet eine weitgehende Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften (vgl. [X.]-Urteil vom 6. September 2007 [X.], [X.]/NV 2008, 1710, unter II.3.).

bb) Der [X.] hat seinerzeit zur Begründung dafür, dass eine Verflechtung aufgrund der Beteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend sein kann, darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der [X.] als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. [X.]-Beschluss vom 28. Februar 1996 [X.], [X.] 1996, 334, [X.] 1996, 950, unter III.).

Dieses Argument vermag aber eine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Organträger nicht zu rechtfertigen (zutreffend [X.] in [X.]/[X.]/[X.]r, a.a.[X.], § 2 Rz 111). Denn die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen.

Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) nicht aus.

Vielmehr muss die Personengesellschaft selbst --ggf. auch mittelbar über eine weitere ([X.]-- über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]r, a.a.[X.], § 2 Rz 111), wie dies auch bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger erforderlich ist (s. oben unter II.2.).

e) Der [X.] hat beim V. [X.] des [X.] angefragt, ob dieser in der vorliegenden Entscheidung eine Abweichung von seiner Rechtsprechung sieht und ob er [X.] dieser Abweichung zustimmt.

Der V. [X.] hat mitgeteilt, dass er in der Annahme einer fehlenden mittelbaren finanziellen Eingliederung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zwischen einer Personen- und einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall, dass nur ein Gesellschafter über Mehrheitsbeteiligungen an beiden Gesellschaften verfügt, keine Abweichung von seinem Urteil in [X.]E 229, 433, [X.]/NV 2010, 1581 sieht.

4. Weitere materielle Rechtsfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

5. Die von ihr gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

a) Das [X.] hat entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O verstoßen, dass es die in § 4 Abs. 4 des [X.] vom 15. Dezember 1995 vereinbarte Verlustübernahmepflicht der Verwaltungs-GmbH nicht gewürdigt hat.

Denn darauf kam es nach der für die Prüfung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des [X.] (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 20. Dezember 2000 [X.]/98, [X.]/NV 2001, 1028, unter [X.]) nicht an. Das [X.] hat für die Frage der finanziellen Eingliederung [X.] von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG --zutreffend-- auf die Beteiligungsverhältnisse abgestellt (Urteil, S. 9).

b) Die weitere Rüge der Klägerin, das [X.] habe es unterlassen, die Verwaltungs-GmbH zum Verfahren beizuladen und dadurch gegen § 60 Abs. 3 [X.]O verstoßen, hat ebenfalls keinen Erfolg.

Das [X.] musste die Verwaltungs-GmbH nicht gemäß § 60 Abs. 3 [X.]O beiladen. Denn sie ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Bei einem Streit darüber, ob eine Gesellschaft in das Unternehmen eines [X.] eingegliedert ist, ist zwar eine Beiladung des [X.] nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO möglich (vgl. [X.]-Beschluss vom 27. August 1990 [X.]/97, [X.]/NV 1998, 148), aber nicht [X.] von § 60 Abs. 3 [X.]O notwendig (vgl. [X.]-Beschluss vom 4. August 2006 [X.]/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 60 Rz 107; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 [X.]O Rz 74).

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Rechtsprechung im Beschluss des [X.] vom 4. August 2006 [X.]/04 (n.v., juris) nicht nur für die Beiladung eines Insolvenzverwalters, sondern generell für die Beiladung eines möglichen [X.]. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des Beschlusses auf den --eine Einschränkung nicht enthaltenden-- Beschluss in [X.]/NV 1998, 148.

6. Für die von der Klägerin hilfsweise beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] sieht der [X.] keinen Anlass.

Meta

XI R 43/08

01.12.2010

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 12. März 2008, Az: 8 K 560/05, Urteil

§ 2 Abs 2 Nr 2 S 1 UStG 1993, Art 4 Abs 4 UAbs 2 EWGRL 388/77, § 60 Abs 3 FGO, § 294 Abs 2 AktG, § 174 Abs 5 S 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2010, Az. XI R 43/08 (REWIS RS 2010, 890)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 890

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 40/12 (Bundesfinanzhof)

Organschaft: Zeitpunkt der gewerblichen Betätigung des Organträgers - Besitz-Personengesellschaft als Organträger - Rückwirkende steuerliche Anerkennung …


V R 36/17 (Bundesfinanzhof)

Billigkeitsregelung zur Organschaft


XI R 30/14 (Bundesfinanzhof)

Umsatzsteuerrechtliche Organschaft: Zur organisatorischen Eingliederung und eigenständigen Unternehmenstätigkeit des Organträgers


V R 9/09 (Bundesfinanzhof)

Betriebsaufspaltung: Keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft, wenn mehreren Gesellschaftern nur gemeinsam die Anteilsmehrheit an Besitz- und Betriebsgesellschaft …


I R 40/20 (Bundesfinanzhof)

("Finanzielle Eingliederung" bei unterjährigem qualifizierten Anteilstausch - teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 11.07.2023 I R …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.