Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 360/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3723

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 360/12
vom
29. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
-
2 -
Der II.
Zivilsenat des [X.] hat am 29.
Juli 2014 durch [X.]
Dr.
Bergmann,
[X.]
Dr.
Strohn, die Richterin Dr.
Reichart
sowie
die Richter Dr.
Drescher und Born

einstimmig beschlossen:

1.
Die [X.] werden darauf hingewiesen, dass der [X.], die Revision gegen das Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
November 2012 auf ihre Kosten
durch Beschluss gemäß §
552
a ZPO zurückzuweisen.
2.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
2.000

e-setzt.

Gründe:
Zulassungsgründe
liegen nicht vor; die Revision der [X.] hat auch keine
Aussicht auf Erfolg.
I. Die Rechtssache
hat weder grundsätzliche Bedeutung
noch liegen andere Zulassungsgründe vor. Die
Frage, ob §
740 BGB analog anzuwenden ist, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Einnahmen eines Gesellschafters der Gesellschaft zustehen und dies beim Ausscheiden des Gesell-schafters auch für dessen schwebende Geschäfte gelten soll, deretwegen das [X.] die Revision zugelassen hat, ist nicht allgemein klärungsbedürftig. Sie stellt sich in der
Regel nicht, weil die Gesellschafter nach dem gesetzlichen Leitbild einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Erfüllung ihrer Beitragspflicht

706 BGB) 1
2
-
3 -
von vornherein
für die Gesellschaft
tätig werden. Dementsprechend wird die Frage im Schrifttum auch nicht erörtert. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage ist aber auch nicht allgemein klärungsfähig. Ob §
740 BGB in Fallgestaltungen,
in denen nach einer vom gesetzlichen Leitbild abweichenden

gesellschaftsvertraglichen [X.] die Gesellschafter für
eigene Rechnung tätig sind, die von ihnen erzielten Einnahmen aber der Gesellschaft zustehen und dies anteilig auch für die
bei ihrem Ausscheiden noch schwebenden Geschäfte gelten soll,
entsprechend anzuwenden ist, kann nur im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Bestimmungen des
jeweiligen Gesellschaftsvertrags entschieden werden
(vgl. MünchKommHGB/[X.], 3.
Aufl., §
131 Rn.
116 zum unmittelbaren Anwendungsbereich).
Eine ent-sprechende Anwendung des §
740 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn sich dem Gesellschaftsvertrag hinreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass die Gesellschafter in dieser Weise
verfahren wollten.
Abgesehen davon, dass danach die vom Berufungsgericht formulierte Zulas-sungsfrage weder allgemein klärungsbedürftig noch allgemein klärungsfähig ist, ist sie für die vom Berufungsgericht zuerkannten Ansprüche, die Gegenstand der Über-prüfung durch das Revisionsgericht sind, auch nicht entscheidungserheblich (vgl. dazu unten II.3.).
II. Die Revision
hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat die [X.]sansprüche der Klägerin zu
3 darauf gestützt, dass ihr nach §
6 Abs.
2 des Gesellschaftsvertrags die Vergütung für Man-date der [X.] in
Insolvenzverfahren, die am 31.
Dezember 2009 bereits [X.], aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgerechnet waren und für die ihr die Vergütung noch nicht zugeflossen war, anteilig nach dem Verhältnis des vor und nach diesem Stichtag angefallenen Bearbeitungsaufwands zusteht. Gegen diese Auslegung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Die Auslegung einer Individualvereinbarung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein aner-3
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5
6
-
4 -
kannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder [X.] [X.] außer [X.] gelassen wurde (st.Rspr., s. nur [X.], Urteil vom 16.
März 2009

II
ZR
68/08, [X.], 880 Rn.
12 mwN). Dies ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Prozessstoff, insbesondere auch mit dem
Vorbringen der [X.], in den Entscheidungsgründen ausführlich befasst.
Es ist dabei ohne Rechtsfehler zu dem möglichen und deshalb revisionsrechtlich hinzu-nehmenden Ergebnis gekommen, dass die Klägerin zu 3 auch an der Vergütung für die beim Ausscheiden der [X.] noch nicht abgeschlossenen Mandate in [X.] anteilig beteiligt sein sollte, wobei sich ihr Anteil nach dem Verhältnis des vor und nach dem Ausscheiden der [X.] entstandenen Aufwands für die Bearbeitung der Mandate bemessen sollte.
b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht ge-gen wesentliche Auslegungsgrundsätze verstoßen, indem
es unter Einnahmen im Sinn von §
6 Abs.
2 des Gesellschaftsvertrages nicht nur solche verstanden hat, die der Klägerin zu
3 oder den
einzelnen
Gesellschaftern
bereits zugeflossen sind.
Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin zu
3 nach §
6 Abs.
2 des [X.] materiell-rechtlich alles zustehen sollte, was durch die Tätigkeit der Gesellschafter während ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft erwirtschaftet wird, ist mit dem Wortlaut des §
6 Abs.
2 des Gesellschaftsvertrags vereinbar. Die
zivil-rechtliche Bedeutung des Begriffs der Einnahmen im Gesellschaftsvertrag wird durch das in der Buchführung übliche Verständnis von Einnahmen und Ausgaben nicht zwingend vorgegeben.
c) Ohne Erfolg bleibt die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht ha-be gegen wesentliche Auslegungsgrundsätze verstoßen, weil es nicht das Verhalten der Gesellschafter vor und nach dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags in der ab 1.
Januar 2008 geltenden Fassung und den entsprechenden Vortrag der [X.] zur Kenntnis genommen und berücksichtigt habe. Das Berufungsgericht hat sich mit dem als übergangen gerügten Vortrag der [X.] befasst und hat diesen rechts-7
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-
5 -
fehlerfrei im Rahmen des ihm zustehenden tatrichterlichen [X.] gewürdigt.
d) Anders als die Revision meint, verstößt das Auslegungsergebnis des [X.]s weder gegen §
707 BGB noch gegen §
723 Abs.
3 BGB. Stehen der Klägerin
zu 3 -
wie das Berufungsgericht angenommen hat
-
nach
§
6 Abs.
2 des Gesellschaftsvertrages die Erträge aus den beim Ausscheiden der [X.] noch schwebenden Insolvenzmandaten anteilig zu, ist §
707 BGB, der lediglich eine Ver-pflichtung zu einer im Gesellschaftsvertrag nicht vereinbarten, nachträglichen Erhö-hung der Beiträge ausschließt, nicht berührt. Ebenso wenig führt eine im [X.] geregelte Beteiligung der Klägerin zu
3 an den beim Ausscheiden der [X.] noch nicht abgeschlossenen oder nicht abgerechneten Insolvenzmanda-ten

723 Abs.
3 BGB nicht zu vereinbarende Erschwerung des Kündigungsrechts liegt in der Beteili-gung der Klägerin zu
3 an den schwebenden Geschäften der ausgeschiedenen [X.], nimmt man §
740 BGB und die aus der Anwendung dieser Vorschrift entste-henden Folgen in den Blick, entgegen der Meinung der Revision nicht.
e) Der Senat hat die von der Revision erhobenen (weiteren) Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§
564 Satz
1 ZPO).
2. Die Revision meint, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft den [X.] der Klägerin zu
3 für begründet erachtet, weil es den unstreitigen Vortrag der [X.], dass in den schwebenden Insolvenzverfahren eine Aufteilung der von den [X.] vor und nach ihrem Ausscheiden entfalteten Tätigkeiten [X.] Erfassung des entstandenen Aufwands und einer zuverlässigen Schätzmethode nicht möglich sei, unbeachtet gelassen habe; die
Unmöglichkeit der Aufteilung
habe zur Folge, dass die Kläger kein schutzwürdiges Interesse an der [X.] hätten. Auch darin kann der Revision nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass der Vor-trag, die Aufteilung der in den Insolvenzverfahren entfalteten Tätigkeiten der [X.] auf die Zeit bis zu ihrem Ausscheiden und nach diesem Zeitpunkt sei unmöglich, keineswegs unstreitig war, stehen der Klägerin zu
3 die ihr zuerkannten Ansprüche 9
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-
6 -
auf [X.]serteilung unabhängig davon zu, ob sich für die einzelnen Mandate eine Bewertung des vor und nach dem Ausscheiden der [X.] geleisteten Aufwands als möglich herausstellt. Dass eine Aufteilung im Wege einer an Tatsachen anknüp-fenden und deshalb nicht willkürlichen Schätzung
von vornherein ausgeschlossen ist, liegt entgegen der Darstellung der Revision auch nicht auf der Hand.
3. Auch die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsfeh-lerhaft §
740 BGB für entsprechend anwendbar erachtet, führt nicht zum Erfolg. Auf diese Frage kommt es nicht an. Hat die Klägerin zu
3 -
wie das Berufungsgericht §
6 Abs.
2 GV
rechtsfehlerfrei entnommen hat
-
Anteil an den Vergütungen, die den
[X.] in den bei ihrem Ausscheiden noch schwebenden Insolvenzmandaten nach diesem Zeitpunkt zufließen, stehen
ihr die vom Berufungsgericht zuerkannten [X.] unabhängig davon zu, ob die Gesellschafter
die Anwendung des §
740 BGB auf die schwebenden Geschäfte der [X.] vereinbart haben.
Ist §
740 BGB analog anwendbar, benötigt die Klägerin zu
3 die
begehrten Auskünfte, um die ihr zustehenden Ansprüche nach Auszahlung der Vergütungen an die [X.] geltend machen zu können. Dies gilt gleichermaßen, wenn §
740 BGB keine Anwendung findet. In diesem Fall
kann die Klägerin zu
3 ihre Ansprüche auf anteilige Vergütung hinsichtlich der noch schwebenden Insolvenzmandate nach dem [X.] der [X.] zwar wegen der [X.] nicht mehr isoliert gel-tend machen. Die Ansprüche sind jedoch in jedem Fall als Posten in der Abfindungs-rechnung zu berücksichtigen und vermindern
einen sich ergebenden Abfindungsan-spruch der [X.] bzw. erhöhen
einen Verlustausgleichsanspruch der Klägerin zu
3. Es ist deshalb für die der Klägerin zu
3 zuerkannten [X.]sansprüche ent-gegen der Meinung der Revision ohne
Belang, ob die Parteien die Anwendung des [X.] oder der Ertragswertmethode
vereinbart haben oder künftig vereinbaren. Ebenso ist es für das Bestehen der [X.]sansprüche unerheblich, ob die Abfindung -
wie es nach der Rechtsprechung des Senats mangels einer [X.] Regelung bei einer Freiberuflersozietät regelmäßig der Fall ist (vgl. [X.], Beschluss vom 31.
Mai 2010

II
ZR
29/09, [X.], 1594 Rn.
2)
-
in der Weise zu leisten ist, dass die Sachwerte geteilt werden und allen Gesellschaftern die 12
-
7 -
rechtlich unbeschränkte Möglichkeit eingeräumt ist, um die Mandanten zu werben,
oder ob angesichts der hier gegebenen Besonderheit, dass es sich bei den insol-venzrechtlichen Mandaten nicht um solche der Klägerin zu
3 handelt und ein Werben
um solche Mandate rechtlich nicht möglich ist, die Mandate zu bewerten und auf ei-nen etwaigen Abfindungsanspruch anzurechnen sind (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 6.
März 1995

II
ZR
97/94, [X.], 833 Rn.
8).
III. Soweit sich die Revision der [X.] gegen die Kläger zu
1 und 2 richtet, ist sie mangels Beschwer bereits unzulässig, weil schon das Berufungsgericht
die Klagen der Kläger zu
1 und 2 rechtskräftig als unzulässig abgewiesen hat.

Bergmann
Strohn
Reichart

Drescher
Born
Die Revision des [X.] wurde am 12. September 2014 zurückgenommen.
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.06.2011 -
10 O 1610/09 -

O[X.], Entscheidung vom 29.11.2012 -
13 [X.] -

13

Meta

II ZR 360/12

29.07.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 360/12 (REWIS RS 2014, 3723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3723

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 360/12

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