Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. VII ZB 21/17

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15125

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:240118BVIIZB21.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 21/17

vom

24. Januar 2018

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 850k Abs. 4
Werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] Sozialgesetzbuch
für zurückliegende Zeiträume nachgezahlt, sind bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages gemäß §
850k Abs.
4 ZPO die nachgezahlten Beträge den Leistungszeiträumen zuzurechnen, für die sie [X.] werden (Fortführung von [X.], Beschluss vom 25.
Oktober
2012

VII
ZB
31/12, MDR
2013, 57; vgl. Beschluss vom 24.
Januar
2018
-
VII
ZB
27/17).
[X.], Beschluss vom 24. Januar 2018 -
VII ZB 21/17 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
24. Januar 2018
durch den Vorsitzenden
Richter
Dr. [X.], die
Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen [X.] und Borris
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss
der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 16. Januar 2017 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Der Gläubiger
betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer durch Vollstreckungsbescheid titulierten Geldforderung
in Höhe

.
Mit Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts

Vollstreckungsgericht

vom 4. Juli 2014
wurde unter anderem der Anspruch der Schuldnerin auf Auszahlung des Guthabens auf ihrem
als Pfändungs-schutzkonto geführten Konto gegenüber der Drittschuldnerin gepfändet und dem
Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Aufgrund des Bescheids
des R.

-T.

-Kreises vom 17. Oktober 2016 erhielt die Schuldnerin auf diesem Konto eine Nachzahlung von Leistungen nach dem [X.] Sozialgesetzbuch
für die Monate März bis November 2015 in Höhe von

1
2
-
3
-
Auf Antrag der Schuldnerin hat das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht -
die Pfändung durch den Gläubiger gemäß § 850k Abs. 4 ZPO teilweise aufge-hoben und zugunsten der Schuldnerin einen einmaligen das unpfändbare Ein-kommen übersteigende"freigegeben". Die da-gegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdege-richt zurückgewiesen.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Gläubiger weiterhin die Zurückweisung
des von der Schuldnerin gestellten Antrags erreichen.

II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthaf-te und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht be-gründet.
1. [X.] ist der Auffassung, dass die auf dem Konto der Schuldnerin [X.], da die Nachzahlungen dem Monat zuzurechnen seien, für den sie erfolgt seien. Da die Schuldnerin mit ihren zwei minderjährigen [X.] einen [X.] von monatlich 1.70s-freigrenze nach §
850c
ZPO in der jeweils geltenden Fassung aufgrund der November 2015 nicht überschritten.
Zwar sehe § 850k ZPO eine Verteilung von Nachzahlungen für mehrere Monate, für die die Nachzahlung gedacht sei, nicht ausdrücklich vor. Die [X.] der Verteilung ergebe sich jedenfalls in Bezug auf die Nachzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] 3
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6
7
-
4
-
Sozialgesetzbuch
aus dem Sinn und Zweck des § 850k Abs. 4 ZPO. [X.] zur Sicherung des Lebensunterhalts auf Grundlage des [X.] Sozialgesetzbuch, die steuerfinanzierte, bedarfsorientierte und bedürftigkeits-abhängige Fürsorgeleistungen des Staates darstellten, sollten nach der Recht-sprechung des [X.] ein aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgendes Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sichern. Daraus sei zu folgern, dass entsprechende Nach-zahlungen seitens der öffentlichen Hand dem Pfändungsschutz grundsätzlich unterfallen müssten. Es bestehe eine Vermutung dafür, dass es sich bei der Zahlung, auf den jeweiligen Monat betrachtet, um die Deckung des menschen-würdigen Bedarfs in Gestalt des Existenzminimums handele. Nach der Geset-zesbegründung solle sichergestellt werden, dass der mit der Zahlung der Leis-tung verfolgte Zweck auch tatsächlich erreicht werde. Von der Nichtverfügbar-keit der Nachzahlungsbeträge in den entsprechenden Leistungsabschnitten sei nicht darauf zu schließen, dass sie nunmehr zur Deckung des Lebensunterhalts nicht mehr notwendig seien. Eine Existenz sei zwar mit weniger Mitteln als den Leistungen zur Gewährleistung des Existenzminimums möglich, diese wäre allerdings menschenunwürdig. Aus den vorgelegten Bescheiden ergebe sich eindeutig, dass die Nachzahlung aufgrund einer Ermittlung des Bedarfs erfolgt und an die Schuldnerin lediglich der jeweils ungedeckte monatliche Regelbedarf nach § 20 und § 23 SGB II nebst Miet-
und Nebenkostenanteil nachgezahlt worden sei.
2.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
[X.] geht zutreffend davon aus, dass sich die auf [X.] der Schuldnerin erfolgte Anordnung des Amtsgerichts

Vollstreckungsgericht

im Hinblick auf die auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin eingegangene Nachzahlung einen erhöh-ten pfändungsfreien Betrag
nach §
850k Abs.
4 Satz
1
ZPO festzusetzen, als 8
9
-
5
-
rechts-
und ermessensfehlerfrei darstellt.
Die "Freigabe"
dieses Betrags durch das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht -
ist als Festsetzung eines
(weiteren) pfändungsfreien Betrags gemäß § 850k Abs. 4 Satz 1 ZPO auszulegen.
a) Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag ei-nen von §
850k Abs. 1, Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen.
Gemäß § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO ist dabei § 54 Abs. 4 SGB I entsprechend anzuwenden, der bestimmt, dass Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können.
§ 54 Abs. 4 SGB I ist anwendbar (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
Oktober 2012

[X.], MDR
2013, 57 Rn.
10), da die hier in Rede stehende [X.] einen Zeitraum vor Inkrafttreten des § 42 Abs. 4 SGB II (in der ab 1.
August 2016 geltenden Fassung)
betrifft, der
in seinem
Anwendungsbereich § 54 Abs. 4 SGB I verdrängt
(vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 24.
Januar 2018
-
VII
ZB
27/17).
aa) Die Nachzahlung an die Schuldnerin für die Monate März bis No-vember 2015 ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, für die Bemessung
des pfandfreien Betrags für Arbeitseinkommen gemäß §
850c
ZPO
jeweils dem monatlichen Leistungszeitraum zuzurechnen, für den sie gezahlt wurde ([X.], Beschluss vom 25.
Oktober
2012 -
[X.], [X.], 57 Rn. 20).
Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des entsprechend an-wendbaren §
850c Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die Pfändungsfreigrenzen je-weils für den Zeitraum gelten, für den Arbeitseinkommen gezahlt wird.
Zu Recht nimmt das Beschwerdegericht an, dass
durch diese Art der Berechnung des gemäß §
850k Abs. 4 Satz 1 ZPO dem Schuldner pfandfrei zu belassenden Betrags auch dem aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Grund-recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums Rech-nung getragen wird.

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11
-
6
-
bb) Der Auffassung der Rechtsbeschwerde, zur Beurteilung
der Frage, ob die Sicherung des Existenzminimums des Schuldners gewährleistet sei, [X.] zurückliegende Zeiträume nicht in die Betrachtung einzubeziehen, ist nicht zu folgen. Der Senat hat mit Beschluss vom heutigen
Tag entschieden, dass der sozialrechtliche [X.] ("in [X.]") im Falle der Gewährung von Leistungen für zurückliegende Zeiträume nicht zu [X.] vermag, den Leistungsempfänger als vermindert schutzwürdig anzusehen und ihm bezüglich der gewährten Leistungen Pfändungsschutz auf dem [X.] vorzuenthalten. Denn der fehlende Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto hätte zur Folge, dass die Leistungen im Ergebnis nicht dem Leistungsempfänger, sondern seinen Gläubigern zugutekämen. Das aber widerspräche dem Zweck der Leistungen. Lebensunterhaltsleistungen nach dem [X.] Sozialgesetzbuch, insbesondere Arbeitslosengeld
II und Sozialgeld, dienen der Sicherung des Existenzminimums und
sollen daher bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben ([X.], Beschluss vom 24.
Januar 2018 -
VII
ZB
27/17).
b) Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach §
850k Abs.
4
ZPO liegen vor. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen [X.] handelt es sich bei der auf dem Pfändungs-um eine Nachzahlung für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] Sozialgesetzbuch
für die Monate März bis November 2015. Da die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO für diese Monate infolge der Nachzahlung nicht überschritten werden, wie das Beschwerdegericht
festge-stellt hat, war zugunsten der Schuldnerin auf ihren Antrag der [X.] gemäß §
850k Abs. 4
Satz 1
ZPO
insgesamt als
pfändungsfreier Betrag festzusetzen.
Diese Feststellung wird von der Rechts-beschwerde nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen.
12
13
-
7
-
Der von der Rechtsbeschwerde vorgebrachte Umstand, der Gläubiger werde in der Wahrnehmung seiner gemeinnützigen Aufgaben beeinträchtigt, wenn ihm die Möglichkeit genommen werde, seine begründete Forderung ge-gen die Schuldnerin im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, greift nicht durch. Denn das nach Art.
14 Abs. 1 GG geschützte Recht des Gläubigers an der Durchsetzung einer titulierten Forderung im Wege der Zwangsvollstre-ckung (vgl. [X.], NJW-RR 2010, 1063, 1064, juris Rn. 12; [X.]E 116, 1,
13,
juris Rn. 34) findet
seine Grenze in dem durch Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art.
20 Abs. 1 GG geschützten Anspruch des Schuldners auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, Art.
14 Abs. 1 Satz 2 GG, der durch die Pfändungsschutzbestimmungen in § 850k Abs. 4
ZPO, § 54 Abs. 4 SGB I, § 850c ZPO verfassungskonform ausgestaltet worden ist.

14
-
8
-
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]
Halfmeier
Jurgeleit

[X.]

Borris
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.12.2016 -
41 [X.]/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.01.2017 -
4 [X.] -

15

Meta

VII ZB 21/17

24.01.2018

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. VII ZB 21/17 (REWIS RS 2018, 15125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15125

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