Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 495/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11091

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR495.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]/13
vom
11. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

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2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und des Beschwerdeführers
am 11. Mai
2017
gemäß
§
406a Abs.
2 Satz
2 StPO beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22.
März 2013 wird verworfen, auch soweit sie sich gegen die Adhäsionsentscheidung richtet.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben-
und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten durch Urteil vom 22.
März 2013
wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Ver-gewaltigung und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nö-tigung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000
Euro nebst Zinsen zu zahlen. [X.] hat es festgestellt, dass der Angeklagte dazu verpflichtet ist, ihr allen künf-tigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit nicht Ansprü-che auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Der [X.] hat die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten durch Urteil vom 25.
Februar 2015 (NJW 2015, 2055 f.) verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Zugleich
hat er die Entscheidung über die [X.]
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sion gegen die im vorgenannten Urteil des [X.]s getroffene Adhäsions-entscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014

2
StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen [X.] für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zurück-gestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Ent-scheidung der Vereinigten Großen [X.]e des [X.] vom 16.
September 2016

VGS
1/16 ([X.], 179
ff.), denen
der [X.] mit Be-schluss vom 14.
April 2016

2
StR 137/14 und 2 StR 337/14

die Frage vorge-legt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld

253 Abs.
2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschä-digten berücksichtigt werden dürfen,
und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.

I.
Die Vereinigten Großen [X.]e haben entschieden, dass bei der [X.] einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs.
2 BGB (§
847 BGB aF) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein aus-geschlossen werden können ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]).
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll 2
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aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.]Z 18, 149, 154 ff.; [X.], Urteile vom 13.
Oktober 1992

VI
ZR 201/91, [X.]Z 120, 1, 4
f.; vom 29.
November 1994

[X.], [X.]Z 128, 117,
120 f.).
Dabei steht der Entschädigungs-
oder Ausgleichsgedanke im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen [X.]. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immate-rielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den [X.] hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Ge-schädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Beschluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.]Z 18, 149, 157; Urteil vom 16.
Januar 1996

VI
ZR 109/95, NJW
1996, 1591).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung im Vordergrund. Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem [X.] Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen [X.] des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinigte Große [X.]e, aaO, Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung einer "armen" Partei durch einen vermögenden Schädiger etwa bei 4
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einem außergewöhnlichen "wirtschaftlichen Gefälle" sein ([X.], aaO,
Rn.
57). Indem der Tatrichter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewich-tet, dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (Vereinigte Große [X.]e, aaO, Rn.
56, 70).
Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägen-den einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Le-bensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem
einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzuset-zen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.] [X.]e, aaO,
Rn.
72).
Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Ange-klagtem
und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Fall ein "besonderes Gepräge" geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftli-7
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chen Verhältnisse dem Fall kein besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen [X.] im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil
des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation
des Tatopfers zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

II.
An diesen Maßstäben gemessen begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das [X.] hat sich für die Bemessung
des Schmerzensgeldes an dem Ausmaß des begangenen Tatun-rechts und den Folgen für das Opfer orientiert; die wirtschaftlichen Verhältnisse 10
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des
Angeklagten,
der e-wertet, dass diese keinen Einfluss auf die Bemessung des Schmerzensgeldes haben.
Dies ist nicht zu beanstanden.
[X.][X.]Eschelbach

Zeng

Grube

12

Meta

2 StR 495/13

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 495/13 (REWIS RS 2017, 11091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11091

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2 StR 495/13

2 StR 337/14

2 StR 137/14

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