Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.2016, Az. 8 C 11/15

8. Senat | REWIS RS 2016, 2638

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Gegenstand

Begrenzung der EEG-Umlage; Zertifizierung vor Antragstellung


Leitsatz

1. Die Gewährung der EEG-Umlage für das Begrenzungsjahr 2013 setzt nach der Übergangsbestimmung des § 66 Abs. 13 Nr. 2 EEG 2012 (juris: EEG F: 2011-07-28) voraus, dass gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 4 EEG 2009 eine Zertifizierung im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr erfolgt ist.

2. Eine Behörde darf sich nur dann ausnahmsweise nicht auf den Ablauf einer die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen, wenn erstens die Versäumung der Frist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Handlung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt wird.

3. § 25 Abs. 1 VwVfG verpflichtet die Behörde nicht zu einer generellen Vorprüfung von Antragsunterlagen, die vor Ablauf der Antragsfrist eingegangen sind. Stellt sie jedoch schon bei kursorischer Durchsicht der Antragsunterlagen fest, dass der Antrag offensichtlich fehlerhaft ist, hat sie den Antragsteller regelmäßig auf ein solches Defizit und die Beseitigung des Fehlers hinzuweisen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Unternehmen zur Herstellung von Flachglas, begehrt für das [X.] eine Begrenzung der [X.]-Umlage nach der Besonderen Ausgleichsregelung des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien ([X.] - [X.] 2012).

2

Sie beantragte unter dem 29. Mai 2012 beim [X.] ([X.]) eine Begrenzung der [X.]-Umlage für das [X.] für ihre Abnahmestelle in dem von ihr in [X.], Ortsteil [X.], betriebenen Floatglaswerk. An dieser Abnahmestelle verbrauchte die Klägerin in ihrem Geschäftsjahr 2011 (1. Januar bis 31. Dezember 2011) für ihre Produktion 38,8367 GWh Strom. Mit ihrem Antrag reichte sie eine Bescheinigung der [X.] ... GmbH ([X.]) ein, in der diese bestätigte, dass die Klägerin am Standort [X.] ein Energiemanagementsystem gemäß [X.] EN 16001:2009 anwende. Die Bescheinigung enthielt den Vermerk: "Ursprünglich zertifiziert: 23/12/2010 - Letzte Ausgabe: 23/12/2010 - Ablaufdatum: 21/12/2013". Im Verwaltungsvorgang befindet sich ein an die Klägerin adressiertes, aber nicht [X.] Schreiben des [X.] vom 19. Juni 2012. Es enthielt unter anderem die Bitte, zusätzlich ein Überprüfungsauditzertifikat oder einen Auditbericht vorzulegen, das bzw. der nicht älter als das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr sein dürfe und spätestens bis zur Ausschlussfrist ausgestellt worden sein müsse. Mit Bescheid vom 22. Februar 2013 lehnte das [X.] den Antrag der Klägerin ab. Die erforderlichen Antragsunterlagen seien nicht vollständig fristgerecht eingereicht worden. Zum Fristablauf am 2. Juli 2012 habe eine gültige Bescheinigung einer Zertifizierungsstelle gefehlt. Die am 29. Mai 2012 eingereichte Bescheinigung der [X.] genüge nicht, da sie am 23. Dezember 2010 und damit vor dem Beginn des maßgeblichen letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres 2011 ausgestellt worden sei.

3

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin im Juli 2013 Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 19. März 2014 erstmals eine Bescheinigung vom 28. Februar 2013 vorgelegt, in der die [X.] die Zertifizierung nach [X.] EN 16001:2009 für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 für die streitgegenständliche Abnahmestelle der Klägerin bestätigt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. März 2014 abgewiesen.

4

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin am 30. Juli 2015 ein weiteres Zertifikat der [X.] vom 7. Juni 2012 vorgelegt, in dem bestätigt wird, dass die Klägerin ein Energiemanagementsystem gemäß [X.] 50001:2011 an ihrem Standort in [X.] anwende. Zugleich legte sie einen undatierten Auditbericht über einen Prüferbesuch vom 10. bis 12. November 2011 vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 30. Juli 2015 zurückgewiesen. Der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Begrenzung der [X.]-Umlage für das [X.] sei § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 zugrunde zu legen. Der Wortlaut der in § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 enthaltenen Übergangsbestimmung sei eindeutig. Eine wortgetreue Anwendung dieser Übergangsvorschrift habe zur Folge, dass Unternehmen wie die Klägerin, die auch in der Vergangenheit Anträge gestellt hätten und stets einen Stromverbrauch von mehr als 10 GWh hätten nachweisen können, im [X.] 2012 [X.] die Zertifizierung "im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr" hätten nachweisen müssen. Eine teleologische Reduktion des § 66 Abs. 13 [X.] 2012 - wie von der Klägerin gefordert - dergestalt, die Nr. 2 der Vorschrift zu streichen, sei unzulässig. Es gebe nicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 im Fall der Klägerin einen Sachverhalt erfasse, den sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht habe erfassen sollen.

5

Auf der Grundlage des danach anwendbaren § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 müsse die den Zertifizierungsprozess abschließende Bescheinigung tatsächlich im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr erstellt und ausgestellt worden sein, um den gesetzlichen Erfordernissen zu genügen. Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Das von ihr innerhalb der Antragsfrist eingereichte Zertifikat erfülle die Anforderungen des § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 an die Zertifizierung nicht, da es nicht im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr, dem [X.], sondern am 23. Dezember 2010 erstellt und ausgestellt worden sei. Es reiche nicht aus, dass sich das Zertifikat selbst eine Gültigkeitsdauer bis zum 21. Dezember 2013 beimesse. Die im gerichtlichen Verfahren von der Klägerin vorgelegten weiteren Unterlagen seien unbeachtlich, da sie jedenfalls nicht innerhalb der Ausschlussfrist beim [X.] eingegangen seien. Es verstoße auch nicht gegen [X.] und Glauben, wenn sich das [X.] auf dieses Fristversäumnis berufe.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Übergangsbestimmung des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 sei auf ihren Antrag nicht anwendbar. Die Antragstellung habe durch sie erleichtert werden sollen. Die Norm sei ausschließlich als Übergangsvorschrift zugunsten von erstmals antragsberechtigten und zertifizierungspflichtigen Unternehmen zu verstehen. Für die übrigen Gruppen von möglichen Antragstellern habe es keiner Übergangsregelung bedurft. Unternehmen, die einen jährlichen Gesamtstromverbrauch von weniger als 10 GWh/Jahr aufwiesen, unterfielen dem Zertifizierungserfordernis auch nach der Neuregelung generell nicht. Unternehmen, die - wie die Klägerin - dem Zertifizierungserfordernis wegen eines Stromverbrauchs von mehr als 10 GWh an einer Abnahmestelle schon in der Vergangenheit unterlegen hätten, hätten nicht an die [X.] herangeführt werden müssen. Sie hätten daher ausschließlich davon profitieren können und sollen, dass der Gesetzgeber mit dem [X.] 2012 den zeitlichen Bezug der Zertifizierung habe abschaffen wollen. Selbst wenn § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 tatbestandlich anwendbar sein sollte, hätte sie eine ausreichende Zertifizierungsbescheinigung vorgelegt. Auf ein bestimmtes Erstell- oder Ausstellungsdatum der Bescheinigung komme es wegen des in § 41 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2012 fehlenden Zeitbezugs nicht an.

7

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des [X.] vom 30. Juli 2015 und des [X.] vom 28. März 2014 zu ändern und das [X.] unter Aufhebung seines Bescheids vom 22. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2013 zu verpflichten, die [X.]-Umlage für die Abnahmestelle G.straße ... in ... [X.] gemäß ihrem Antrag vom 29. Mai 2012 zu begrenzen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht; es erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO).

1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin auf Begrenzung der [X.]-Umlage für ihre Abnahmestelle in [X.] die Rechtslage maßgeblich ist, die zum Ablauf der Antragsfrist bestand (stRspr, vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 22. Juli 2015 - 8 [X.] 7.14 - juris Rn. 14, insoweit nicht abgedruckt in [X.]E 152, 313). Der am 29. Mai 2012 für das [X.] geltend gemachte Anspruch bestimmt sich nach der besonderen Ausgleichsregelung der §§ 40 ff. des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien ([X.] - [X.]) vom 25. Oktober 2008 ([X.]) i.d.[X.] für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vom 28. Juli 2011 ([X.]), das in dieser Fassung vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Juli 2014 in [X.] war (im Folgenden: [X.] 2012). Hinsichtlich des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen nach § 41 [X.] 2012 ist auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Antragsfrist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2012 i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] abzustellen. Das war der 2. Juli 2012.

2. Ebenso zutreffend ist die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Übergangsvorschrift des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 auf den Antrag der Klägerin Anwendung findet. Der Auffassung der Klägerin, wonach diese Vorschrift nur als Übergangsbestimmung zugunsten von Unternehmen zu verstehen sei, die erstmals antragsberechtigt und zertifizierungspflichtig seien, ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht gefolgt. Ein derart eingeschränktes Verständnis der Bestimmung ist nicht geboten. Für die von der Klägerin angeregte teleologische Reduktion besteht kein Anlass. Die Gerichte sind nur ausnahmsweise befugt, den Wortlaut einer Vorschrift zu korrigieren, wenn die gesetzliche Regelung nach ihrem Wortsinn Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen ([X.], Urteile vom 9. Februar 2012 - 5 [X.] 10.11 - [X.]E 142, 10 Rn. 15 und vom 1. März 2012 - 5 [X.] 11.11 - [X.]E 142, 107 Rn. 30). Es ist aber nicht ersichtlich, dass die grammatikalische Fassung des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll.

a) Nach § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 findet § 41 für die Antragstellung im Jahr 2012 mit der Maßgabe Anwendung, dass für Unternehmen mit einem Stromverbrauch von mindestens 10 GWh anstelle des § 41 Abs. 1 Nr. 2 § 41 Abs. 1 Nr. 4 in der am 31. Dezember 2011 geltenden Fassung gilt. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien ([X.] - [X.]) vom 25. Oktober 2008 ([X.], im Folgenden: [X.] 2009), das vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 in [X.] war, erfolgt bei einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes die Begrenzung nur, soweit es nachweist, dass und inwieweit im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr eine Zertifizierung erfolgt ist, mit der der Energieverbrauch und die Potentiale zur Verminderung des Energieverbrauchs erhoben und bewertet worden sind. Im Gegensatz dazu verlangt § 41 Abs. 1 Nr. 2 [X.] 2012 keinen zeitlichen Zusammenhang mehr zwischen der Zertifizierung und dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr des Unternehmens. Hintergrund dieser zeitlichen Entkoppelung waren zahlreiche gescheiterte Anträge, weil Unternehmen in dem Zeitpunkt, in dem sie feststellten, dass sie die Antragsvoraussetzungen im Übrigen erfüllten, die Zertifizierung wegen des Ablaufs des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres nicht mehr nachholen konnten. Deshalb sollte es ausreichen, wenn die Zertifizierung im Zeitpunkt der Antragstellung gültig ist (vgl. [X.]. 341/11 S. 165, ebenso schon der 1. Referentenentwurf vom 17. Mai 2011).

Die Übergangsvorschrift des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 fand erstmals im 2. Referentenentwurf vom 30. Mai 2011 Eingang in den Gesetzestext. Sie enthielt einen Verweis auf § 41 Abs. 1a des Gesetzentwurfs, der in Abkehr von den Zertifizierungsanforderungen des [X.] 2009 die Einführung eines zertifizierten Energiemanagementsystems vorsah. Dieses wurde in § 41 Abs. 1a näher definiert und sollte sicherstellen, dass die begünstigten Unternehmen ihre Einsparpotentiale auch umsetzen. Der Regierungsentwurf und der textidentische Entwurf der damaligen Regierungsfraktionen [X.]DU/[X.]SU und [X.] vom 6. Juni 2011 behielten die zeitliche Entkoppelung der Zertifizierung vom letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr bei, verzichteten aber auf die Einführung des Erfordernisses eines Energiemanagementsystems nach § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1a (vgl. [X.]. 341/11 S. 53, 56, 184 f. sowie [X.]. 17/6071 [X.], 93, 96). Gleichwohl enthielt die Übergangsregelung des § 66 Abs. 13 weiterhin den Verweis auf - die inzwischen gestrichene - Bestimmung des § 41 Abs. 1a (vgl. [X.]. 17/6071 S. 29). Erst die Beschlussempfehlung des federführenden [X.] vom 29. Juni 2011 hat die Streichung des Verweises in § 66 Abs. 13 Nr. 2 auf § 41 Abs. 1a vorgenommen. Von dieser redaktionellen Änderung abgesehen hielt der Ausschuss aber an der Übergangsbestimmung des § 66 Abs. 13 Nr. 2 zu § 41 Abs. 1 fest (vgl. [X.]. 17/6363 S. 11).

Die Beibehaltung der Übergangsvorschrift des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 trotz Streichung des § 41 Abs. 1a deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber zwar einen redaktionellen Gleichklang zwischen beiden Vorschriften herstellen, an der Übergangsvorschrift aber bewusst festhalten wollte. Jedenfalls zeigt die ausdrückliche Befassung des Gesetzgebers im Umweltausschuss mit der Vorschrift, dass von einem Redaktionsversehen nicht ausgegangen werden kann. Die Vorschrift verfügt auch über einen sinnvollen Anwendungsbereich. Ihre vorübergehende Beibehaltung für das [X.] ist zudem sachlich begründet. Sie dient der Herstellung von [X.]. Unternehmen, die - wie die Klägerin - vor Inkrafttreten des [X.] 2012 das Zertifizierungsverfahren bereits eingeleitet hatten, sollten nicht benachteiligt werden gegenüber erstmaligen Antragstellern, die nach den Bestimmungen des [X.] 2012 die Zertifizierung im ersten Halbjahr des auf die Antragstellung folgenden Jahres durchführen lassen und diese dann für zwei Antragsjahre verwenden konnten.

b) Auf der Grundlage des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 musste auch im Fall der Klägerin die Zertifizierung im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr erfolgt sein. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 dahin ausgelegt, dass die den Zertifizierungsprozess abschließende Bescheinigung tatsächlich im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr erstellt und ausgestellt worden sein muss. Diese Auslegung steht mit Bundesrecht nicht im Einklang. Wie der [X.] bereits entschieden hat, meint der in § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 verwendete Begriff der Zertifizierung das Verfahren der Erhebung und Bewertung energiewirtschaftlich relevanter Daten und Potentiale, während die Ausstellung einer Zertifizierungsbescheinigung erst in § 41 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2009 (hier: § 41 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2012) gefordert wird. Dieser Nachweis ist nicht schon notwendiger Bestandteil der Zertifizierung und muss daher auch nicht im letzten abgelaufenen Geschäftsjahr ausgestellt sein. Vielmehr genügt es, dass die Bescheinigung bis zum Ablauf der Antragsfrist ausgestellt und eingereicht wird ([X.], Urteil vom 24. Februar 2016 - 8 [X.] 3.15 - [X.] 451.178 [X.] Nr. 5 Rn. 14). Das gilt auch dann, wenn § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 - wie hier - erst über den Verweis des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 zur Anwendung gelangt.

3. Das angefochtene Urteil beruht auf der fehlerhaften Auslegung des § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009, stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte [X.] nicht zusteht. Sie hat nicht gemäß § 41 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2012 nachgewiesen, dass die nach § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012, § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 erforderliche Zertifizierung im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor der Antragstellung erfolgt ist.

a) Das rechtzeitig vor Ablauf der Antragsfrist eingereichte Zertifikat der [X.], das der Klägerin unter dem 23. Dezember 2010 bescheinigt, an ihrem Standort [X.] ein Energiemanagementsystem gemäß [X.] EN 16001:2009 anzuwenden, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine Bescheinigung, die bereits vor Beginn des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres 2011 ausgestellt worden ist, ist von vornherein nicht geeignet, eine in diesem Jahr erfolgte Zertifizierung nachzuweisen. Die weiteren im Rahmen des Verwaltungsgerichtsprozesses vorgelegten Bescheinigungen vom 28. Februar 2013 und vom 7. Juni 2012 sowie der undatierte Auditbericht genügen den gesetzlichen Anforderungen ebenfalls nicht, weil sie erst nach Ablauf der Antragsfrist und damit verspätet eingereicht wurden.

§ 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2012 enthält eine materielle Ausschlussfrist. Sie bezieht sich neben dem Antrag ausdrücklich auch auf die vollständigen Antragsunterlagen. Dazu zählen alle gesetzlich geforderten Unterlagen, zu denen gemäß § 41 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2012 auch die Bescheinigung der Zertifizierungsstelle gehört. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die nachgereichten Dokumente daher nicht als bloße Erläuterungen zu den Antragsunterlagen zu bewerten, für die die Ausschlussfrist ohne Relevanz wäre.

Die materielle Ausschlussfrist des § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2012 steht mit höherrangigem Recht im Einklang. Die materielle Präklusion verspäteter Nachweise bezweckt, dass alle Anträge auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet und zum gleichen Zeitpunkt beschieden werden können. Damit sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle stromintensiven Unternehmen hergestellt werden. Die behördliche Prüfung der Voraussetzungen für eine Begrenzung der [X.]-Umlage kann bereits ab 30. Juni des laufenden Jahres auf einer abschließenden und verlässlichen Tatsachengrundlage erfolgen, ohne dass eigene behördliche Ermittlungen erforderlich sind. Damit ist zugleich regelmäßig gesichert, dass alle Anträge rechtzeitig vor Beginn des [X.] am 1. Januar des Folgejahres beschieden werden können ([X.], Urteil vom 22. Juli 2015 - 8 [X.] 7.14 - [X.]E 152, 313 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch zu früheren Gesetzesfassungen [X.], Urteile vom 31. Mai 2011 - 8 [X.] 52.09 - [X.] 451.178 [X.] Nr. 1 Rn. 24 ff. und vom 10. Dezember 2013 - 8 [X.] 25.12 -[X.] 451.178 [X.] Nr. 2 Rn. 22 ff.).

b) Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich das [X.] ohne Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben auf die Fristversäumnis berufen durfte. Der Klägerin, die innerhalb der Ausschlussfrist keine den gesetzlichen Anforderungen genügende Zertifizierungsbescheinigung eingereicht hat, ist keine Nachsicht in Form der Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist zu gewähren. Zwar dürfte der von der Klägerin in der Berufungsverhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 30. Juli 2015 vorgelegte Auditbericht über ein im Auftrag der [X.] vom 10. bis 12. November 2011 durchgeführtes Überwachungsaudit durch zwei Prüfer den Anforderungen des § 41 Abs. 1 Nr. 4 [X.] 2009 an einen entsprechenden Nachweis genügen (zu den Mindestanforderungen für die Zertifizierung vgl. [X.], Urteil vom 24. Februar 2016 - 8 [X.] 3.15 - [X.] 451.178 [X.] Nr. 5 Rn. 20). Die Voraussetzungen für eine [X.] liegen jedoch nicht vor.

In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur im Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen. Eine solche Ausnahme kommt in Betracht, wenn erstens die Versäumung der Frist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Handlung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde (vgl. [X.], Urteile vom 28. März 1996 - [X.] 7 [X.] 28.95 - [X.]E 101, 39 <45>, vom 10. Dezember 2013 - 8 [X.] 25.12 - [X.] 451.178 [X.] Nr. 2 Rn. 29 und vom 19. November 2015 - 2 [X.] 48.13 - [X.] 239.1 § 57 BeamtVG Nr. 15 Rn. 15). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Soweit die Klägerin geltend macht, das [X.] hätte sie anlässlich ihrer Anfrage per Email vom 12. Juni 2012, ob das hochgeladene Zertifikat der [X.] beim [X.] lesbar sei, auf die Ungültigkeit des Zertifikats hinweisen müssen, ist ein behördliches Fehlverhalten nicht erkennbar. Das [X.] hat auf die Anfrage der Klägerin telefonisch geantwortet und die technischen Umstände, die die Anfrage der Klägerin veranlasst hatten, erläutert. Gegenstand dieser Kommunikation war allein die formale Frage, ob das Dokument auf Seiten des [X.]s lesbar oder ob zusätzlich eine postalische Übersendung erforderlich war. Das betraf nur die Übermittlung der eingereichten Unterlagen, nicht aber deren inhaltliche Bewertung.

Ein behördliches Fehlverhalten liegt indes darin, dass das [X.] auf die Absendung des an die Klägerin gerichteten Schreibens vom 19. Juni 2012 verzichtet hat. Damit hat das [X.] die ihm nach § 25 Abs. 1 [X.] auferlegte Beratungspflicht verletzt. Es ist zwar nicht verpflichtet, die Antragsunterlagen bereits bei ihrem Eingang vor Ablauf der Antragsfrist anlasslos daraufhin zu überprüfen, ob sie den gesetzlichen Anforderungen genügen. Eine derartige "Vorprüfung" gebietet § 25 Abs. 1 [X.] nicht (vgl. Kallerhoff, in: [X.]/Bonk/Sachs, [X.], 7. Aufl. 2008, § 25 Rn. 32). Stellt das [X.] jedoch schon bei kursorischer Sichtung der Antragsunterlagen fest, dass der Antrag offensichtlich fehlerhaft ist, hat es den Antragsteller regelmäßig auf ein solches Defizit seines Antrags und die Beseitigung des Fehlers hinzuweisen. So liegt es hier. Dem nicht abgesandten Schreiben des [X.]s vom 19. Juni 2012 ist zu entnehmen, dass bereits bei kursorischer Durchsicht der Unterlagen aufgefallen war, dass das von der Klägerin mit ihrem Antrag eingereichte Zertifikat vom 23. Dezember 2010 den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprach. Das Schreiben enthält daher die Anregung, zusätzlich zu dem Zertifikat ein Überprüfungsauditzertifikat oder einen Auditbericht vorzulegen. Allerdings hätte die Klägerin auch ohne das Hinweisschreiben des [X.]s vom 19. Juni 2012 ihre Rechte wahren können. Das ihr bekannte Untermerkblatt zur Zertifizierung [X.] des [X.]s (Stand: 15. Dezember 2011) enthält unter Ziffer [X.] 1.2. den Hinweis auf das Erfordernis, bei einer Zertifizierung nach [X.] 50001 oder [X.] EN 16001 zusätzlich zu einem nicht im aktuellen oder im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr ausgestellten Zertifikat ein Überprüfungsauditzertifikat oder einen Auditbericht vorzulegen. Das entspricht dem Inhalt des nicht abgesandten Hinweisschreibens vom 19. Juni 2012.

Schließlich führt auch der im vorgenannten Untermerkblatt des [X.]s unter Ziffer [X.] enthaltene Hinweis, dass die Übergangsregelung des § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 unbeachtlich sei, nicht zur [X.]. Dieser Hinweis ist nach den vorstehenden Ausführungen zwar unzutreffend. Die Klägerin hätte aber auch hier ihre Rechte unabhängig von diesem unzutreffenden Hinweis wahren können. Hätte sie dem Hinweis unter Ziffer [X.] 1.2. des Untermerkblatts für das von ihr angewandte Zertifizierungsverfahren Folge geleistet und ein Überprüfungsauditzertifikat oder einen Auditbericht fristgerecht vorgelegt, hätte das den gesetzlichen Anforderungen genügt. Hätte die Klägerin diesen Hinweis im Verhältnis zur Aussage, § 66 Abs. 13 Nr. 2 [X.] 2012 sei unbeachtlich, hingegen als widersprüchlich betrachtet, wäre sie gehalten gewesen, diesen Widerspruch durch Nachfrage beim [X.] zu klären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

8 C 11/15

10.11.2016

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 30. Juli 2015, Az: 6 A 870/14, Urteil

§ 41 Abs 1 Nr 2 EEG vom 28.07.2011, § 43 Abs 1 S 1 EEG vom 28.07.2011, § 66 Abs 13 Nr 2 EEG vom 28.07.2011, § 41 Abs 1 Nr 4 EEG 2009, § 25 Abs 1 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.2016, Az. 8 C 11/15 (REWIS RS 2016, 2638)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2638

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