Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.07.2016, Az. IV E 2/16

4. Senat | REWIS RS 2016, 7970

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Gegenstand

Vorfälligkeitsgebühr für Feststellungs- und Messbescheide nach Mindeststreitwert zu berechnen


Leitsatz

NV: Der Wert, aufgrund dessen die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG fällig gewordene Gerichtsgebühr zu berechnen ist, ergibt sich aus den Regelungen des § 52 Abs. 5 GKG. Ist Streitgegenstand ein Gewinnfeststellungsbescheid oder ein Gewerbesteuermessbescheid, ist der Mindestwert nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG anzusetzen.

Tenor

Auf die Erinnerung gegen die Kostenrechnung des [X.] --Geschäftsstelle des [X.] vom 14. Januar 2016 IV R 51/15 ([X.] 34/16) wird die Verfahrensgebühr mit 187.780 € angesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Revisionsklägerin, Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren Vermögen aus einer Immobilie bestand. [X.] hatte die damals einzige Kommanditistin (eine GmbH) ihre Anteile an der Klägerin veräußert. Über die Höhe des Veräußerungsgewinns besteht zwischen der Klägerin und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt) Streit. [X.] veräußerte die Klägerin die Immobilie. Auch über die Höhe des dabei entstandenen Gewinns besteht Streit. Die gegen die [X.] sowie die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 2005 und 2007 erhobene Klage hat das Finanzgericht ([X.]) abgewiesen. Gegen das Urteil hat die Klägerin die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt; sie ist unter dem [X.]. IV R 51/15 beim [X.] ([X.]) anhängig.

2

Mit Kostenrechnung vom 14. Januar 2016 IV R 51/15 ([X.] 34/16) forderte die Geschäftsstelle des [X.] des [X.] gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gerichtskostengesetzes (GKG) eine Verfahrensgebühr in Höhe von 357.880 € an. Diese wurde auf der Grundlage eines vorläufigen Streitwerts von 19.386.693 € nach Nr. 6120 des [X.] zu § 3 Abs. 2 GKG ermittelt.

3

Hiergegen hat die Klägerin mit am 19. Januar 2016 eingegangenem Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, im [X.] sei streitig, ob der Veräußerungsgewinn der Kommanditistin um ... € herabzusetzen sei. Die Kommanditistin sei zwischenzeitlich auf eine andere GmbH verschmolzen worden, welche ihrerseits liquidiert und im Juli 2008 im Handelsregister gelöscht worden sei. Es stehe damit fest, dass Körperschaftsteuer auf den Gewinn nicht festzusetzen sei. Ein geldwertes Interesse bestehe insoweit nur bezüglich der Gewerbesteuer. Allenfalls sei für die [X.] unter Berücksichtigung des [X.]-Beschlusses vom 26. September 2011 VIII E 2/11 ein Streitwert von 1 % des streitigen Gewinns anzusetzen. Der Streitwert in Bezug auf den streitigen [X.] 2005 betrage ... €. Hilfsweise werde für das [X.] die Berücksichtigung von Ergänzungsbilanzverlusten in Höhe von ... € geltend gemacht. Der Streitwert für diesen Hilfsantrag sei in Bezug auf die [X.] mit 25 % der Verluste zu bemessen. [X.] sei insoweit nach § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000 € anzusetzen.

4

Bereits mit Schreiben vom 29. Dezember 2015 hatte die Klägerin Erinnerung gegen eine Kostenrechnung des [X.] erhoben. Das [X.] war zunächst von einem Streitwert in Höhe von 19.386.693 € ausgegangen. Die Erinnerung hatte insoweit Erfolg, als das [X.] nun folgende Streitwertberechnung für zutreffend hielt:

5

[X.] 2005

... € 

[X.] 2007

... € 

[X.] 2005

... € 

[X.] 2007

... € 

Streitwert

9.901.716,37 € 

6

Die Klägerin beantragt deshalb nunmehr auch im hiesigen Verfahren, der Kostenrechnung einen Streitwert von 9.901.716,37 € zugrunde zu legen.

7

Der Kostenbeamte des [X.] hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Nach der Rechtsprechung des [X.] sei der Streitwert eines Verfahrens wegen [X.] auch dann typisiert mit einem Satz von 25 % des streitigen Gewinns anzusetzen, wenn die tatsächlich festgesetzte Einkommensteuer des Gesellschafters nachweislich Null € betrage. Ausnahmen davon seien nur gemacht worden, wenn aus dem [X.]sverfahren selbst erkennbar sei, dass sich einkommensteuerliche Auswirkungen nicht ergeben (z.B. [X.]-Urteil vom 12. März 1970 IV 4/64, [X.]E 99, 11, [X.] 1970, 547). Hier gehe es aber um einen außerhalb des Feststellungsverfahrens liegenden Umstand. Das [X.] habe den Streitwert deshalb ursprünglich richtig ermittelt, so dass dieser Wert auch für die vorläufige Verfahrensgebühr hätte zugrunde gelegt werden dürfen.

8

Die Vertreterin der Staatskasse hält die Übernahme des ursprünglich vom [X.] ermittelten Streitwerts ebenfalls weiter für zutreffend. Nach dem [X.]-Beschluss vom 29. November 2012 IV E 7/12 sei der Streitwert eines [X.]sverfahrens auch bei Kenntnis fehlender Auswirkung auf die Einkommensteuer nach einem pauschalen Prozentsatz des streitigen Gewinns zu ermitteln. Die geänderte Streitwertberechnung des [X.] sei für den [X.] nicht bindend, weil nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GKG Kosten für jede Instanz gesondert angesetzt würden.

9

Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens hat der Einzelrichter das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 4. Juli 2016 gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG auf den Senat übertragen.

Entscheidungsgründe

II. [X.] ist begründet. Die Kostenrechnung für die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG fällige Verfahrensgebühr ist auf der Grundlage eines Streitwerts von 9.901.716,37 € zu erteilen.

1. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG wird in Prozessverfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Verfahrensgebühr mit Einreichung der Klage-, Antrags- oder Rechtsmittelschrift fällig. Der maßgebende Wert für die Ermittlung der Gebühr ergibt sich im [X.] nach Aufhebung des früheren § 63 Abs. 1 Satz 4 GKG a.F. durch Art. 7 Nr. 8 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 8. Juli 2014 ([X.], 890) nicht mehr einheitlich aus dem [X.] nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG und im Hinblick auf § 63 Abs. 1 Satz 3 GKG auch nicht aus einem vorläufig festgesetzten Wert gemäß § 63 Abs. 1 GKG, sondern aus dem von § 52 Abs. 5 GKG bestimmten Wert. Nach dieser Vorschrift ist, da im Zeitpunkt der Erhebung der Gebühr nach § 6 GKG keine Wertfestsetzung vorliegt, entweder bei Streitfällen über bestimmte Geldleistungen oder auf bestimmte Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte der nach § 52 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 1 GKG maßgebende Wert, soweit er sich unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, oder in allen anderen Fällen der Mindestwert nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG anzusetzen. Damit verbleibt es im Ergebnis für Streitfälle, die nicht unter § 52 Abs. 3 GKG zu subsumieren sind, bei der schon vor Aufhebung des § 63 Abs. 1 Satz 4 GKG a.F. geltenden Rechtslage, wonach sich die Gebühr aus dem [X.] ergibt. Eine Bindung an den vom [X.] zugrunde gelegten Streitwert besteht nicht.

2. Bei [X.] wegen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung bemisst der [X.] in ständiger Rechtsprechung den Streitwert des Verfahrens nach § 52 Abs. 1 GKG und nicht nach § 52 Abs. 3 GKG (z.B. [X.]-Urteil vom 22. April 2015 IV R 13/12, [X.]E 250, 295, [X.], 989; [X.]-Beschlüsse vom 29. November 2012 IV E 7/12, und vom 29. Februar 2012 IV E 1/12). Denn der [X.] bezieht sich nicht unmittelbar auf eine bezifferte Geldleistung, sondern ist nur Grundlage für solche Bescheide ([X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vorbemerkungen zu §§ 135 bis 149 [X.]O Rz 118; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., vor § 135 Rz 135; anderer Ansicht [X.] des [X.], Beschluss vom 15. September 2015  3 KO 962/15, unter [X.] ([X.])). Gleiches gilt für einen Gewerbesteuermessbescheid. Ist der nach § 52 Abs. 1 GKG zu bestimmende Streitwert noch nicht festgesetzt, kommt als Wert für die vorläufige Verfahrensgebühr nach § 52 Abs. 5 GKG nur der Mindestwert von 1.500 € gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG in Betracht (gleicher Ansicht wohl [X.], [X.], 2481, 2482).

3. Im Streitfall, in dem nur über [X.]e und [X.] gestritten wird, wäre danach für jeden selbständigen Streitgegenstand der Mindestwert anzusetzen. Da die Klägerin mit ihrem Antrag weit über diesem Wert geblieben ist, ist dem mit der Erinnerung gestellten Antrag in vollem Umfang stattzugeben.

Auf der Grundlage des danach maßgebenden Streitwerts von 9.901.716 € beträgt eine Gebühr nach Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG 37.556 €. Nach Nr. 6120 des [X.] zu § 3 Abs. 2 GKG sind durch das Verfahren im Allgemeinen 5,0 Gebühren entstanden, so dass Kosten von 187.780 € fällig geworden sind.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

Meta

IV E 2/16

19.07.2016

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 5 GKG, § 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 3 GKG, § 52 Abs 4 Nr 1 GKG, § 52 Abs 5 GKG, § 63 Abs 1 S 3 GKG, § 66 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.07.2016, Az. IV E 2/16 (REWIS RS 2016, 7970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7970

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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