Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.06.2014, Az. X ZB 8/13

10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4873

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Gegenstand

Kostenfestsetzung im Vergabenachprüfungsverfahren: Anrechnung anwaltlicher Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens bei Stundenhonorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt - Rabattvereinbarungen II


Leitsatz

Rabattvereinbarungen II

Die für die Vertretung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zur Festsetzung begehrte Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens auch dann anzurechnen, wenn der anwaltliche Vertreter des Erstattungsberechtigten für diesen auf der Grundlage einer Stundenhonorarvereinbarung tätig geworden ist.

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] beim [X.] vom 24. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

1

I. Die Divergenzvorlage bezieht sich auf die Kostenfestsetzung in einem Nachprüfungsverfahren, das den Abschluss einer Rabattvereinbarung gemäß § 130a Abs. 8 SGB V zum Gegenstand hatte. Die Antragstellerin nahm ihren Nachprüfungsantrag zurück, nachdem die Vergabekammer des [X.] diesen zurückgewiesen und der [X.] die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Entscheidung der Vergabekammer gerichteten sofortigen Beschwerde nach § 118 Abs. 1 [X.] abgelehnt hatte.

2

Nach dem Beschluss des [X.]s vom 13. Februar 2012 hat die Antragstellerin den Antragsgegnerinnen die zu ihrer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten für die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten zu erstatten und ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

3

Die Antragsgegnerinnen, deren Verfahrensbevollmächtigte für sie auf der Grundlage einer zeitbezogenen Honorarvereinbarung tätig waren, beantragten, soweit hier von Interesse, die Festsetzung einer 1,1-Geschäftsgebühr für das Verfahren vor der Vergabekammer nach §§ 2, 13 [X.], Nr. 2301 [X.] [X.] sowie einer 1,6-Verfahrensgebühr und einer 0,9-Erhöhungsgebühr für das Verfahren vor dem [X.] (§§ 2, 13 [X.], Nr. 3200 und 1008 [X.] [X.]).

4

Der Rechtspfleger beim [X.] hat die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens angerechnet und sie dementsprechend um 744,70 € gekürzt. Dagegen haben die Antragsgegnerinnen fristgerecht Erinnerung eingelegt, mit der sie die Anrechnung der Geschäftsgebühr unter Hinweis auf die getroffene Honorarvereinbarung bekämpfen und geltend machen, im Falle des Abschlusses einer solchen Vereinbarung schulde der Auftraggeber des Rechtsanwalts nicht die gesetzliche Gebühr, sondern die aufgrund der Vereinbarung entstandene Vergütung. Der vorlegende [X.] möchte die Erinnerung zurückweisen, sieht sich daran aber durch die Rechtsprechung des Brandenburgischen [X.]s gehindert und hat die Sache deshalb dem [X.]gerichtshof vorgelegt.

5

II. Die Divergenzvorlage ist zulässig.

6

1. Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist § 124 Abs. 2 [X.] auf Erinnerungen gegen [X.] des [X.] beim [X.] entsprechend anzuwenden, um eine planwidrige Lücke im Anwendungsbereich von § 124 Abs. 2 [X.] zu vermeiden. Der Sinn und Zweck dieser Regelung, eine bundeseinheitliche Rechtsprechung in [X.] zu gewährleisten, gilt auch für Entscheidungen über vergaberechtsbezogene Gebührenfragen ([X.], Beschluss vom 29. September 2009 - [X.], [X.] 2010, 66 Rn. 5 - Gebührenanrechnung im Nachprüfungsverfahren).

7

2. Die Vorlage ist auch im Übrigen zulässig. Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 [X.] sind nach ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn das vorlegende [X.] seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen [X.]s tragenden Rechtssatz nicht vereinbar ist ([X.], [X.] 2010, 66 - Gebührenanrechnung im Nachprüfungsverfahren). So verhält es sich hier; die vom vorlegenden [X.] ins Auge gefasste Entscheidung wäre mit der von ihm angeführten Rechtsprechung des Brandenburgischen [X.]s nicht in Einklang zu bringen.

8

III. In der Sache tritt der [X.] der Auffassung des vorlegenden [X.]s bei. Die Geschäftsgebühr ist entsprechend [X.] [X.] Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens anzurechnen. Die Erinnerung bleibt deshalb ohne Erfolg.

9

1. Der [X.] ist unausgesprochen zutreffend davon ausgegangen, dass die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 2301 [X.] [X.] für die Vertretung im Verfahren vor der Vergabekammer in dem Kostenfestsetzungsverfahren beim [X.], das sich an das sofortige Beschwerdeverfahren (§§ 116 ff. [X.]) anschließt, berücksichtigt werden kann.

Soweit eine vorprozessual zur Anspruchsabwehr angefallene Geschäftsgebühr nach der Rechtsprechung des [X.]gerichtshofs prinzipiell nicht zu den Kosten des Rechtsstreits gehört und deshalb im Allgemeinen nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung gemäß §§ 103 ff. ZPO ist (vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 2006 – [X.], [X.], 2560; Beschluss vom 22. Januar 2008 – [X.], [X.], 1323), erleidet dieser Grundsatz im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren aufgrund der hier bestehenden Besonderheiten eine Durchbrechung. Bei dem Verfahren vor der Vergabekammer handelt es sich einerseits zwar um ein in die Exekutive eingebettetes Verwaltungsverfahren, das kostenrechtlich, wie sich aus der Regelung in § 128 Abs. 4 Satz 4 [X.] ergibt, dem verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren gleichgesetzt ist ([X.], [X.] 2010, 66 Rn. 18 mwN - Gebührenanrechnung im Nachprüfungsverfahren). Deshalb entstehen für die Vertretung in diesem Verfahren keine Gebühren nach [X.] [X.] Teil 3, sondern Geschäftsgebühren nach Teil 2 Abschnitt 3 ([X.] [X.] Nr. 2300, 2301). Dieses Verfahren ist andererseits aber gerichtsähnlich als kontradiktorisches Streitverfahren zwischen [X.] und [X.] ausgestaltet. Es hat naturgemäß stets die Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs der Unternehmen auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren durch den Auftraggeber zum Gegenstand (§ 97 Abs. 7 [X.]), und die mit der Geschäftsgebühr abgegoltene Tätigkeit des Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren weist typischerweise gewisse Bezüge zur Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren auf. Deshalb begegnet die Praxis der [X.]e (vgl. zu den Unterschieden [X.] in: [X.]/[X.], [X.]. zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 128 [X.] Rn. 45 f.), in der das Beschwerdeverfahren betreffenden Kostenfestsetzung auch die Geschäftsgebühr für die Vertretung von der Vergabekammer zu berücksichtigen, keinen rechtlichen Bedenken. Das gilt auch, nachdem § 128 Abs. 4 [X.] in der durch das [X.] ([X.] I S. 790) erhaltenen Fassung bestimmt, dass ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren vor der Vergabekammer nicht mehr stattfindet. Denn bei dieser Regelung ging es nicht darum, die Titulierung von im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren entstandenen Kosten durch [X.] generell zu untersagen, sondern nur darum, der Gefahr von Ungleichbehandlungen der Unternehmen auf der einen und der öffentlichen Auftraggeber auf der anderen Seite vorzubeugen (vgl. [X.] in: Münch[X.]BeihVgR, Band 3, § 128 [X.] Rn. 18).

2. Das [X.] hat die Geschäftsgebühr zu Recht auch ungeachtet dessen in der Kostenfestsetzung berücksichtigt, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen für diese auf der Grundlage einer wirksamen, privaten Vergütungsvereinbarung tätig geworden sind. Soweit der [X.]gerichtshof entschieden hat, dass der vorgerichtlich auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung für den Auftraggeber tätig gewordene Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Geschäftsgebühr beanspruchen kann, sondern sein Vergütungsanspruch auf dieser vertraglichen Vereinbarung beruht ([X.], Beschluss vom 18. August 2009 – [X.], [X.], 3364 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 9. September 2009 – [X.], NJW-RR 2010, 359 Rn. 7), betraf dies jeweils Pauschalhonorarvereinbarungen. Es ist schon fraglich, ob Gleiches für Stundenhonorarvereinbarungen zu gelten hat, weil das Honorar hier, anders als bei einer pauschalen Vergütung, zweifelsfrei dem jeweiligen Auftrag zugeordnet werden kann. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Beurteilung, weil die Festsetzung der Geschäftsgebühr bei der angezeigten wertenden Betrachtung sachgerecht und geboten erscheint. Müsste der [X.] seinen aus einer Vergütungsvereinbarung hergeleiteten Erstattungsanspruch klageweise geltend machen, weil das Nachprüfungsverfahren nicht in die Beschwerdeinstanz gelangt ist, und entstünde Streit über die Angemessenheit der Höhe des erstattungsfähigen Honorars, würde die gerichtliche Entscheidung darüber sich an dem § 632 Abs. 2 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken orientieren und die Bestimmung des angemessenen [X.] wiederum an der Höhe der Geschäftsgebühr ausrichten, die im jeweiligen Fall zu erstatten wäre, wenn der erstattungsberechtigte Verfahrensbeteiligte keine private Vergütungsvereinbarung mit seinem Rechtsanwalt getroffen hätte. Im Hinblick darauf wäre es sinnwidrig, dem [X.]n, der von vornherein die Geschäftsgebühr als maßgeblichen Parameter für seine Forderung wählt, den Weg der Festsetzung dieser Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren zu verwehren, zumal dies aus prozessökonomischen Gründen ohnehin dem Klageweg vorzuziehen ist.

3. Das [X.] hat die Geschäftsgebühr zu Recht entsprechend [X.] [X.] Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 im dort vorgesehenen Umfang auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens angerechnet. Wie der [X.]gerichtshof bereits entschieden hat, ist die das erstinstanzliche Nachprüfungsverfahren betreffende Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens anzurechnen ([X.], [X.] 2010, 66 - Gebührenanrechnung im Nachprüfungsverfahren). Nach dem vorstehend ([X.] und 2) Ausgeführten ist eine Ausnahme von der gesetzlich vorgesehenen Anrechnung allein aufgrund des Umstands, dass eine Honorarvereinbarung geschlossen wurde, nicht veranlasst.

Meier-Beck                     Gröning                            Schuster

                   Deichfuß                     Kober-Dehm

Meta

X ZB 8/13

17.06.2014

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Düsseldorf, 7. Mai 2013, Az: VII-Verg 103/11

§ 128 Abs 4 GWB, § 103 ZPO, §§ 103ff ZPO, Nr 2300 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.06.2014, Az. X ZB 8/13 (REWIS RS 2014, 4873)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4873

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

X ZB 8/13

Kart 10/15 (V)

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