Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2011, Az. XII ZB 293/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1192

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Familiengerichtliches Verfahren auf Genehmigung einer Erbausschlagung durch ein minderjähriges Kind: Gesonderte Prüfung der Beschwerdeberechtigung hinsichtlich der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft und der Bestellung eines Ergänzungspflegers; Beschwerdeberechtigung des zum Ergänzungspfleger bestellten Jugendamtes gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft


Leitsatz

1. Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft und der Bestellung eines Ergänzungspflegers handelt es sich um verschiedene Verfahrensgegenstände, für die die Beschwerdeberechtigung gesondert zu beurteilen ist.

2. Das im Verfahren über die familiengerichtliche Genehmigung einer Erbausschlagung zum Ergänzungspfleger bestellte Jugendamt ist gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft nicht beschwerdeberechtigt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 4. Mai 2011 wird auf deren Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 15. März 2011 hinsichtlich der Anordnung der [X.] verworfen wird.

Wert: 3.000 €

Gründe

I.

1

Das betroffene minderjährige Kind ist aus der Verbindung nicht miteinander verheirateter Eltern hervorgegangen. Der Vater ist verstorben. Die testamentarisch zur Alleinerbin bestimmte Mutter hat die Erbschaft ausgeschlagen. Für das nunmehr als Erbe berufene Kind hat sie in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin die Erbschaft ebenfalls ausgeschlagen und hierfür die Genehmigung des Familiengerichts beantragt. Das Amtsgericht hat im vorliegenden Verfahren zur Entgegennahme der Zustellung des noch zu erlassenden Genehmigungsbeschlusses im Verfahren vor dem Familiengericht sowie zur Erklärung eines Rechtsmittelverzichts bzw. zur Einlegung eines Rechtsmittels [X.] angeordnet und das beteiligte Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt.

2

Das Jugendamt hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass das Kind auch im Wirkungskreis der [X.] von der sorgeberechtigten Mutter vertreten werden könne. Das [X.] hat die Beschwerde aus [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich das Jugendamt mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

4

1. [X.] ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerdebefugnis für das Rechtsbeschwerdeverfahren ergibt sich daraus, dass die Erstbeschwerde des [X.] zurückgewiesen worden ist (vgl. [X.], 137 = FamRZ 2005, 1738 [LS]; Senatsbeschluss vom 25. August 1999 - [X.] - [X.], 219 mwN).

5

2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

6

a) Im Hinblick auf die Anordnung der [X.] fehlt es dem Jugendamt, das die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt hat, bereits an der Beschwerdeberechtigung, so dass die (Erst-)Beschwerde insoweit unzulässig ist. Das Jugendamt hat mit der Beschwerde nicht seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger beanstandet, sondern sich gegen die - vorgreifliche - Anordnung der [X.] gewendet.

7

aa) Bei der Anordnung der [X.] und der Bestellung des [X.] handelt es sich um selbstständige Verfahrensgegenstände ([X.], 1342, 1343; [X.] FamRZ 2002, 1064 mwN; vgl. auch [X.] 2011, 1513, 1514 zur Vormundschaft nach Entziehung der elterlichen Sorge). Soweit der Senat in [X.] die Anordnung der Betreuung und die Bestellung eines Betreuers als Einheitsentscheidung bezeichnet hat (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 8 ff. und vom 5. Januar 2011 - [X.] 240/10 - FamRZ 2011, 367 Rn. 9), beruht dies auf den Besonderheiten des Betreuungsrechts. Dadurch ist außerdem die rechtliche Selbstständigkeit der Grundentscheidung und der Entscheidung über die Bestellung nicht in Frage gestellt worden (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 10 mwN und vom 5. Januar 2011 - [X.] 240/10 - FamRZ 2011, 367 Rn. 9 [X.]; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - [X.] 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 9). Bei selbstständigen [X.] muss sich die Beschwerdebefugnis auf den jeweiligen konkreten Gegenstand beziehen (vgl. Senatsbeschluss [X.], 157 = FamRZ 1996, 607 f.).

8

Im Hinblick auf die Anordnung der [X.] steht sie dem Jugendamt im vorliegenden Fall nicht zu.

9

bb) Auf eine Sonderregelung für Behörden nach § 59 Abs. 3 FamFG lässt sich die Beschwerdeberechtigung des [X.] nicht stützen.

Gemäß § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG steht dem Jugendamt die Beschwerde zu, wenn es vom Gericht im Verfahren nach § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG anzuhören war. Eine Anhörungspflicht besteht aber nur in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen. Zwar ist mit dem Begriff des auf die Person des Kindes bezogenen Verfahrens keine Beschränkung auf Verfahren über die Personensorge verbunden. Um ein die Person des Kindes betreffendes Verfahren handelt es sich auch, wenn dieses - etwa bei Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB - sowohl Angelegenheiten der Personen- als auch der Vermögenssorge betrifft. Das Verfahren betrifft hingegen dann nicht mehr die Person des Kindes, wenn es ausschließlich vermögensrechtliche Angelegenheiten zum Gegenstand hat (zum entsprechenden Begriff in § 158 FamFG s. Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - [X.] 12/11 - FamRZ 2011, 1788, 1791 mwN; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 162 FamFG Rn. 3; [X.]/[X.] FamFG 17. Aufl. § 162 Rn. 3; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 162 Rn. 8; zu §§ 50, 50 c, 52, 59 [X.] vgl. [X.]/[X.] Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 50 Rn. 19). Das ist bei einem Verfahren über die Genehmigung der Ausschlagung der Fall ([X.] FamRZ 2010, 1171, 1172).

cc) Das Jugendamt kann sich auch nicht aus eigenem Recht nach § 59 Abs. 1 FamFG gegen die Anordnung der [X.] wenden.

Durch die Anordnung der [X.] wird das Jugendamt ebenso wie durch deren Ablehnung (vgl. [X.], 2095) nicht in eigenen Rechten betroffen (aA [X.] FamRZ 2010, 1171). Für das Jugendamt ergeben sich aus der Anordnung der [X.] für sich genommen noch keine Rechtswirkungen. Das Jugendamt wird in seiner eigenen Rechtsstellung erst durch seine Bestellung zum Ergänzungspfleger betroffen. Da diese aber von der Anordnung als Grundentscheidung gegenständlich zu trennen ist, ist es dem Jugendamt verwehrt, über die Anfechtung der Bestellung zugleich auch die Grundentscheidung in Frage zu stellen. Vielmehr ist nicht anders zu entscheiden, als wenn das Familiengericht über die Anordnung der [X.] (vergleichbar der Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB) und die Bestellung in getrennten Beschlüssen entschieden hätte. Dass dem Jugendamt vom Gesetz eine Beschwerdebefugnis schließlich auch nicht aufgrund seiner [X.] zugedacht ist, ergibt sich daraus, dass ihm eine Beschwerdebefugnis insoweit - wie oben ausgeführt - nur in Verfahren eingeräumt wird, die sich auf die Person des Kindes beziehen.

b) Das Jugendamt hat seine Rechtsmittel nur damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine [X.] nicht vorlägen. Ob sich daraus eine Beschränkung der Rechtsmittel auf die Anordnung der [X.] ergibt, kann dahinstehen. Denn das Jugendamt hat bereits nicht dargetan, dass seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger, die es aus eigenem Recht allein anfechten kann, rechtsfehlerhaft sei. Für eine Fehlerhaftigkeit der vom Amtsgericht getroffenen Auswahlentscheidung bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.

3. Die Rechtsbeschwerde ist demnach zurückzuweisen. Die Zurückweisung erfolgt mit der Klarstellung, dass die Beschwerde im Hinblick auf die Anordnung der [X.] - als unzulässig - verworfen wird (vgl. [X.], 137 = FamRZ 2005, 1738 [LS]).

Hahne                                            Weber-Monecke                                                        Klinkhammer

                      Schilling                                                             [X.]

Meta

XII ZB 293/11

23.11.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 4. Mai 2011, Az: 10 UF 78/11, Beschluss

§ 1643 BGB, § 1822 BGB, § 1909 BGB, § 41 FamFG, § 59 FamFG, § 162 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.11.2011, Az. XII ZB 293/11 (REWIS RS 2011, 1192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1192

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 293/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 406/13 (Bundesgerichtshof)

Verfahren über die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft: Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft


2 UF 37/24 e (OLG Bamberg)

(keine) Beteiligtenstellung des Ergänzungspflegers in Verfahren der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB


XII ZB 406/13 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 489/11 (Bundesgerichtshof)

Kindschaftsverfahren: Vertretung des minderjährigen Kindes


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.