Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2010, Az. 4 StR 295/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 2266

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Gegenstand

Adhäsionsverfahren gegen Gesamtschuldner bei Betrug: Ermittlung des Verjährungsbeginns


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Januar 2010, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch aufgehoben.

Insoweit wird von einer Entscheidung über die Entschädigungsanträge der [X.] abgesehen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren, soweit es ihn betrifft, entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen tragen der Beschwerdeführer und die [X.] selbst.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an den [X.] Dr. P. 212.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. August 2009, an den [X.] [X.] 246.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. August 2009 und an den [X.] J. 234.481,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Oktober 2009 zu zahlen.

2

Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat lediglich Erfolg, soweit sie sich gegen den Adhäsionsausspruch richtet. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. [X.] hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Anhand der Urteilsfeststellungen lässt sich nicht überprüfen, ob die vom Angeklagten geltend gemachte Einrede der Verjährung den im Jahre 2009 anhängig gemachten Ansprüchen der [X.] entgegensteht.

4

a) Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt – wovon das [X.] zutreffend ausgegangen ist – die für deliktische Ansprüche geltende dreijährige (§ 195 BGB) Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Zur Kenntnis von der Person des Schuldners gehört auch die Kenntnis von dessen Anschrift, weil erst mit dieser die Erhebung einer Klage erfolgversprechend möglich ist ([X.], Urteil vom 23. September 2008 – [X.], [X.], 587 m.w.N.). Bei [X.] ist der Beginn der Verjährung für jeden Schuldner getrennt zu ermitteln ([X.], Urteil vom 12. Dezember 2000 – [X.], NJW 2001, 964).

5

b) Wann den [X.]n [X.] und Dr. P. die Beteiligung des Angeklagten an den zu ihrem Nachteil begangenen Betrugstaten bekannt geworden ist, teilen die Urteilsgründe jedoch nicht mit. Das [X.] hat lediglich festgestellt, es sei den [X.]n in den auf die letzte Zahlung von „Eigenkapital“ Ende April 2005 folgenden Wochen klar geworden, dass sie Opfer eines Betruges geworden seien. Die Bestimmung des Zeitpunktes, an dem die [X.] Kenntnis von der Beteiligung des Angeklagten erhielten, war auch nicht deshalb entbehrlich, weil er im Juni 2005 ohne eine den Geschädigten bekannte Anschrift nach [X.] verzog. Wenn die [X.] bereits vor dem Wegzug des Angeklagten um dessen Tatbeteiligung gewusst und auch – was die Urteilsgründe ebenfalls nicht mitteilen – eine Anschrift in [X.] gekannt haben sollten, war ab diesem Zeitpunkt Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB gegeben, ohne dass den [X.]n – entgegen der Auffassung des [X.]s – noch ein weiterer, sich über den Juni 2005 hinaus erstreckender Zeitraum der Prüfung, Überlegung und Beratung zuzubilligen wäre. Ebenso wenig wäre dann von Belang, dass die [X.] nicht wussten, dass der Angeklagte nach [X.] verzogen war, und daher „noch keinen Anlass“ hatten, „Nachforschungen anzustellen“ ([X.]). Nach Fristbeginn hemmt der spätere Verlust der Kenntnis von der Anschrift des Schuldners, etwa im Fall eines Umzugs, die Verjährung nicht ([X.] ZIP 2009, 1611).

6

c) Hinsichtlich des [X.]s J. teilt das Urteil zwar mit, dass er erst durch ein auf seine Anfrage übersandtes Fax [X.] am 3. Juli 2005 die „zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zutreffende Anschrift des Angeklagten“ ([X.]) erfuhr und vorher keine Anschrift kannte; es ist aber nicht festgestellt, wann der [X.], der zuletzt Anfang März 2005 gutgläubig Geld an den gesondert Verfolgten M. übergeben hatte, erkannte, dass er u.a. vom Angeklagten betrogen worden war. Deshalb ist die Überprüfung, ob die Unkenntnis der Anschrift bis zum 3. Juli 2005 auf grober Fahrlässigkeit beruht – diese liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen ([X.], Urteil vom 23. September 2008 – [X.], [X.], 587) – dem Senat nicht möglich. So enthalten die Urteilsgründe weder Ausführungen dazu, warum sich der [X.] J. nicht früher an S. gewandt hat, noch dazu, ob eine frühere Anfrage erfolgreich gewesen wäre.

7

2. Eine Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung allein über den Entschädigungsanspruch kommt nicht in Betracht ([X.], Beschluss vom 8. November 2005 – 4 [X.], [X.]R StPO § 403 Anspruch 8 m.w.N.).

8

3. [X.] beruht auf § 472a Abs. 2, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ernemann                                             Solin-Stojanović                                        Cierniak

                              [X.]                                                        Mutzbauer

Meta

4 StR 295/10

19.10.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 15. Januar 2010, Az: 11 KLs 18/09, Beschluss

§ 403 StPO, § 263 StGB, § 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2010, Az. 4 StR 295/10 (REWIS RS 2010, 2266)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2266

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4 StR 295/10

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