Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.09.2013, Az. 3 C 15/12

3. Senat | REWIS RS 2013, 2629

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Gegenstand

Verkaufsverbot nicht apothekenüblicher Ware; objektiver Gesundheitsbezug; Magnetschmuck


Leitsatz

1. Magnetschmuck ist keine apothekenübliche Ware im Sinne von § 1a Abs. 10 ApBetrO 2012 (juris: ApoBetrO 1987) und darf daher nicht in Apotheken angeboten und verkauft werden.

2. Ein Gegenstand ist der Gesundheit von Menschen unmittelbar dienlich oder förderlich (§ 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO), wenn er aus der Sicht eines verständigen Verbrauchers objektiv geeignet ist, zur Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes beizutragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit des Verkaufs von [X.] (mit Magneten versehene Schmuckstücke) in Apotheken.

2

Der Kläger ist selbstständiger Apotheker. Im November 2006 stellte die Beklagte fest, dass er in seiner Apotheke [X.] anbot, und wies ihn auf die Unzulässigkeit des Verkaufs hin. Der Kläger trat dieser Rechtsauffassung entgegen. Daraufhin untersagte ihm die Beklagte nach vorheriger Anhörung mit Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2007 den weiteren Verkauf von [X.] aus seiner Apotheke und drohte ihm für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € an. Zur Begründung führte sie aus, [X.] sei keine apothekenübliche Ware im Sinne des § 25 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO 2004). Es handele sich weder nach § 25 Nr. 2 ApBetrO 2004 um ein Produkt, das der Gesundheit von Menschen mittelbar oder unmittelbar diene oder diese fördere, noch lägen die Voraussetzungen eines Medizinprodukts nach § 25 Nr. 1 ApBetrO 2004 vor. Den Widerspruch des [X.] wies die [X.] mit [X.] vom 4. Juni 2007 zurück.

3

Die dagegen erhobene Anfechtungsklage ist vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. In dem Berufungsurteil heißt es im Wesentlichen: Die angefochtene Ordnungsverfügung finde ihre Rechtsgrundlage in § 69 Abs. 1 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes [X.]) i.V.m. § 2 Abs. 4 und § 25 ApBetrO 2004. Der vom Kläger angebotene [X.] zähle nicht zum zulässigen Warensortiment einer Apotheke. Es handele sich weder um ein Arzneimittel noch um ein Medizinprodukt. [X.] sei auch keine apothekenübliche Ware im Sinne von § 25 Nr. 2 ApBetrO 2004. Die bloße Möglichkeit einer positiven Wirkung auf die Gesundheit genüge nicht. Ebenso wenig reiche es aus, dass der Hersteller oder der Apotheker dem Produkt eine gesundheitsbezogene Zweckbestimmung beilegten. Vielmehr müsse objektiv feststellbar sein, dass das Erzeugnis der Gesundheit diene oder sie fördere. Das setze voraus, dass die gesundheitsdienliche oder -fördernde Wirkung ohne Weiteres erkennbar oder durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sei. Beides sei hier nicht der Fall. Das Verkaufsverbot stehe auch mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang. Der Verordnungsgeber verfolge mit der Beschränkung des [X.] das legitime Ziel, einer Entwicklung der Apotheke zum "[X.]" entgegenzuwirken. Die Ordnungsverfügung sei auch im Übrigen rechtmäßig. Die Zwangsgeldandrohung finde ihre Rechtsgrundlage im Landesvollstreckungsrecht.

4

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt, die dem Berufungsurteil zugrunde liegende restriktive Auslegung des Begriffs der apothekenüblichen Ware verletze ihn in seinem Grundrecht auf freie Berufsausübung. § 25 Nr. 2 ApBetrO 2004 verlange eine spezifisch gesundheitsbezogene Zweckbestimmung, die bei [X.] gegeben sei. Wie verschiedene Studien und Veröffentlichungen bestätigten, werde dem Produkt eine positive Grundwirkung auf den menschlichen Organismus zugeschrieben. Für Magnetpflaster, die über dieselben Eigenschaften verfügten wie [X.], werde eine gesundheitsfördernde Wirkung nicht in Frage gestellt. Ein wissenschaftlicher Nachweis dürfe nicht verlangt werden; denn das führe zu dem widersinnigen Ergebnis, dass an das Merkmal der [X.] strengere Anforderungen gestellt würden als an die Zulassung von homöopathischen Arzneimitteln. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Wirksamkeit der Magnettherapie und die gesundheitsfördernde Wirkung von [X.] zwar bislang nicht wissenschaftlich nachgewiesen seien, andererseits aber auch nicht der Beweis des Gegenteils erbracht sei. Bei dieser Sachlage dürfe allein die gesundheitsbezogene Zweckbestimmung für die Einstufung als apothekenübliche Ware maßgeblich sein. [X.] ergäben sich daraus nicht. Ob einem Erzeugnis eine solche Zweckbestimmung zukomme, lasse sich unschwer anhand der Verkehrsauffassung ermitteln. Kunden, die bei ihm nach [X.] fragten, interessierten sich dafür wegen der erhofften gesundheitsfördernden Wirkung und erwarteten eine kompetente Information und Beratung. Es könne auch keine Rede davon sein, dass der Verkauf den ordnungsgemäßen Betrieb seiner Apotheke oder den Vorrang des [X.] beeinträchtige; er wolle das Produkt lediglich in geringem Umfang anbieten. Die Neufassung von § 25 Nr. 2 in § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO 2012 führe zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Das Verkaufsverbot wäre im Übrigen auch rechtswidrig, wenn [X.] nicht als apothekenübliche Ware anzusehen sein sollte. Mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG müsse in Apotheken in gewissem Umfang die Abgabe sonstiger Waren erlaubt sein, wenn dadurch das Kerngeschäft nicht gefährdet sei.

5

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und verweist darauf, dass der Apothekenverkauf von [X.] nach § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO 2012 weiterhin verboten sei.

6

Der Vertreter des [X.] hält das Berufungsurteil in Einklang mit dem [X.] für zutreffend. Das [X.] sowie das [X.] hätten übereinstimmend mitgeteilt, dass derzeit keine wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt seien, die eine gesundheitsfördernde Wirkung von [X.] belegen könnten.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

8

Rechtsgrundlage für die angefochtene Untersagungsverfügung ist § 69 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die Ermächtigung erstreckt sich auch auf die Überwachung des ordnungsgemäßen Betriebs von [X.] und ordnungsrechtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen das [X.] (stRspr, zuletzt Urteil vom 18. Oktober 2012 - BVerwG 3 C 25.11 - BVerwGE 144, 355 Rn. 8 m.w.N.). Der Verkauf von [X.] in [X.] ist nach den Vorschriften der [X.]betriebsordnung verboten (1.). Das Verkaufsverbot verletzt den Kläger nicht in seiner Berufsausübungsfreiheit (2.).

9

1. Anzuwenden ist die [X.]betriebsordnung i.d.F. der [X.] vom 5. Juni 2012 ([X.]), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Februar 2013 ([X.]). Bei der Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung haben die Tatsachengerichte auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung abzustellen, wenn das materielle Recht - wie hier - nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt. Entsprechend ist auch im Revisionsverfahren die aktuelle Fassung der [X.]betriebsordnung maßgeblich (vgl. Urteile vom 22. Januar 1998 - BVerwG 3 C 6.97 - BVerwGE 106, 141 <143 f.>, vom 14. April 2005 - BVerwG 3 C 9.04 - [X.] 418.21 [X.] Nr. 16 S. 2 und vom 18. Oktober 2012 a.a.[X.] Rn. 10).

Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 ApBetrO dürfen neben Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten die in § 1a Absatz 10 genannten Waren nur in einem Umfang angeboten oder feilgehalten werden, der den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke und den Vorrang des [X.] nicht beeinträchtigt. [X.]übliche Waren sind nach § 1a Abs. 10 ApBetrO Medizinprodukte, die nicht der [X.]pflicht unterliegen (Nr. 1), Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren unmittelbar dienen oder diese fördern (Nr. 2), Mittel zur Körperpflege (Nr. 3), des Weiteren Prüfmittel, Chemikalien, Reagenzien, Laborbedarf, Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel sowie Mittel zur Aufzucht von Tieren (Nr. 4 bis Nr. 9).

[X.] erfüllt - wovon auch der Kläger ausgeht - weder die Anforderungen eines Arzneimittels gemäß § 2 [X.] noch diejenigen eines verkehrsfähigen Medizinprodukts nach § 3 i.V.m. § 6 Medizinproduktegesetz ([X.]). Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen einer apothekenüblichen Ware nach § 1a Abs. 10 ApBetrO vor. Der Tatbestand der allein in Betracht kommenden Nummer 2 ist nicht erfüllt. [X.] ist kein Gegenstand, der der Gesundheit von Menschen unmittelbar dient oder diese fördert.

a) § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO verlangt, dass der Gegenstand tatsächlich geeignet ist, die menschliche Gesundheit positiv zu beeinflussen. Das ist der Fall, wenn er objektiv zur Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes beiträgt. Eine bloß subjektive Zuschreibung einer solchen Wirkung genügt nicht.

Die Vorgängerregelung in § 25 ApBetrO i.d.F. vom 9. Februar 1987 ([X.], 555) zählte zum apothekenüblichen Sortiment Verbandmittel (Nr. 1), Mittel und Gegenstände zur Kranken- und Säuglingspflege (Nr. 2), diätetische Lebensmittel (Nr. 5) sowie enumerativ benannte weitere Lebensmittel (Nr. 6, z.B. Frucht- und Gemüsesäfte, Honig, Hustenbonbons, Nahrungsergänzungsmittel). Die Aufnahme in den Katalog der [X.] beruhte darauf, dass sie als "Mittel und Gegenstände der Gesundheitsvorsorge" angesehen wurden. Hierbei hat der Verordnungsgeber auf eine positive Beeinflussung der Körperfunktionen abgestellt, die über die normalen physiologischen Vorgänge - wie sie etwa mit jeder Nahrungsaufnahme verbunden sind - hinausgeht. Das zeigt die abschließende Aufzählung in § 25 Nr. 6 ApBetrO 1987, mit der bezweckt war, eine Ausuferung des [X.] in [X.] zu verhindern. Nur Lebensmittel, denen eine krankheitsvorbeugende oder -lindernde Wirkung beigemessen wurde, sollten dort in den Verkehr gebracht werden dürfen (vgl. amtliche Begründung, [X.] 498/86 S. 34, [X.] f.; [X.] 498/1/86 S. 26). § 25 Nr. 2 ApBetrO i.d.F. des Art. 21 Nr. 7 [X.] vom 14. November 2003 ([X.], 2252) fasste die verschiedenen Warengruppen zusammen und definierte als apothekenüblich "Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern" (BTDrucks 15/1525 S. 164). Es besteht kein Anhaltspunkt, dass der Neufassung ein von der bisherigen Regelung abweichendes Verständnis der erforderlichen gesundheitsbezogenen Wirkung zugrunde liegt. Vielmehr belegen die mit der Änderungsverordnung vom 5. Juni 2012 (a.a.[X.]) vorgenommene Streichung des Zusatzes "mittelbar" und die Beschränkung auf Produkte mit einem "unmittelbaren" [X.], dass der Verordnungsgeber daran festhält, einer Ausuferung des Warensortiments entgegenzuwirken. Die Kernaufgaben der Apotheke sollen stärker herausgestellt werden; das Bild der Apotheke als Ort der [X.], der Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung soll erhalten bleiben ([X.] 61/1/12 S. 2).

Hieraus ist abzuleiten, dass eine gesundheitsbezogene Zweckbestimmung durch den Hersteller, Apotheker oder Verbraucher allein nicht genügt, um einen Gegenstand nach § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO als gesundheitsdienlich oder -fördernd einzustufen. Die ihm zugeschriebene positive Wirkung auf die Gesundheit muss auch nach objektiven Maßstäben gegeben sein. Das unterstreicht der Vergleich mit der Definition des ([X.] in § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und des Medizinprodukts in § 3 Abs. 1 [X.]. Beide Begriffsbestimmungen stellen auf eine Zweckbestimmung durch den Hersteller ab. Eine vergleichbare Formulierung weist § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO nicht auf. Es liegt fern, dass der Verordnungsgeber bei der Neufassung des § 25 Nr. 2 ApBetrO 2004 den Arzneimittel- und Medizinproduktebegriff nicht vor Augen gehabt hat. Es spricht daher alles für eine bewusst abweichende Formulierung in der Absicht, das Merkmal der [X.] an einen objektiv vorhandenen [X.] zu knüpfen. Gegenteiliges lässt sich auch nicht daraus schließen, dass im Tatbestand die Begriffe "dienen" und "fördern" alternativ angeführt werden. Nach dem Wortsinn meint beides einen hilfreichen oder begünstigenden, also unterstützenden Effekt für die Gesundheit. Die Dopplung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass mit dem einen Begriff der Bereich der Gesundheitsvorsorge erfasst werden soll, während der andere auf den Aspekt der Linderung von körperlichen Beschwerden zielt (vgl. bereits § 12 Nr. 6 ApBetrO i.d.F. vom 7. August 1968 : "zur Vorbeugung und zur Heilung von Krankheiten"). Für eine darüber hinausgehende Abgrenzung der Begriffe ist nichts ersichtlich ([X.][X.], [X.]betriebsordnung, Stand September 2012, § 1a Rn. 152).

b) Ob ein Gegenstand einen solchen objektiven [X.] aufweist, ist nach der Verkehrsauffassung aus der Sicht eines verständigen [X.] zu beurteilen.

Anders als die Vorschriften über die [X.] (§ 2 [X.]) und über die Zulassungsvoraussetzungen von Arzneimitteln (§§ 21 ff. [X.]) entscheidet § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO nicht über die Verkehrsfähigkeit eines Produkts, sondern regelt lediglich die Frage der Verkaufsbefugnis für [X.]. Es ist daher nicht sachgerecht, die Feststellung der Gesundheitsdienlichkeit ähnlich strengen Anforderungen zu unterwerfen, wie sie im Arzneimittelrecht für den Nachweis der [X.] (vgl. Urteile vom 25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 22.06 - [X.] 2008, 80 Rn. 24 ff. und vom 26. Mai 2009 - BVerwG 3 C 5.09 - [X.] 418.710 LFGB Nr. 6 Rn. 13 ff.) und den Nachweis der Zulassungsvoraussetzungen (vgl. § 22 Abs. 2 ff., § 24 [X.]) gelten. Die Regelung über die [X.] ist erkennbar darauf ausgerichtet, dass sich das zulässige Warensortiment einfach bestimmen lässt. Ein Prüf- oder Nachweisverfahren sieht § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO nicht vor. Gegen das Erfordernis eines wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweises spricht außerdem der Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung der apothekenüblichen Dienstleistungen in § 1a Abs. 11 ApBetr[X.] Die [X.] von Dienstleistungen bestimmt sich gleichfalls danach, ob sie der Gesundheit dienen oder diese fördern. Angesichts der - bis auf das Merkmal der Unmittelbarkeit - gleichlautenden Definition liegt es nahe, die Frage der Gesundheitsdienlichkeit nach einem einheitlichen Maßstab zu prüfen. Für § 1a Abs. 11 ApBetrO ist das Abstellen auf einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis jedoch augenscheinlich ungeeignet. Vielmehr gebietet es der Normzweck, den erforderlichen [X.] anhand der allgemeinen Verkehrsanschauung zu beurteilen, mit anderen Worten: entscheidend ist, ob der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher der feilgebotenen Ware die für deren [X.] notwendige gesundheitsdienliche oder gesundheitsfördernde Wirkung beimisst. Erscheint aus dessen Warte der dem Gegenstand zugeschriebene positive Einfluss auf die Körperfunktionen plausibel, weil es dafür einen nachvollziehbaren und damit tragfähigen Anknüpfungspunkt gibt, sind die Voraussetzungen des § 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO zu bejahen. Dieser Maßstab gewährleistet einerseits eine hinreichende Objektivierung bei der Bestimmung der Gesundheitsdienlichkeit, um eine Ausweitung des [X.] auf nur vorgeblich gesundheitsbezogene Produkte zu verhindern und so das Bild der Apotheke als Ort der [X.], Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu erhalten. Andererseits ist damit aber auch sichergestellt, dass den (Kunden-)Bedürfnissen und Entwicklungen im [X.] angemessen Rechnung getragen werden kann. Erwartet der verständige Kunde, ein Produkt wegen eines plausiblen [X.]s in der Apotheke erwerben zu können, besteht kein Grund, die Einstufung als apothekenübliche Ware zu versagen (auf die Verkehrsauffassung abstellend auch [X.] 498/86 S. 34 und [X.] ).

c) Gemessen daran ist [X.] keine apothekenübliche Ware. Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ist dieses Produkt objektiv nicht geeignet, einen positiven Effekt für die Gesundheit zu erzielen. Die ihm von Hersteller- und Anbieterseite zugeschriebene und vom Kläger geltend gemachte gesundheitsdienliche Wirkung ist aus Sicht des verständigen [X.] nicht plausibel. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass bereits die Wirksamkeit der nicht-invasiven Magnet(feld)therapie in der medizinischen Wissenschaft umstritten und keinesfalls erwiesen sei. Es hat des Weiteren darauf abgestellt, dass [X.] sich von anderen Anwendungsformen der Magnettherapie - etwa Magnetpflastern oder magnetischen Kniemanschetten - unterscheide, weil er in der Regel nicht unmittelbar an der schmerzenden Stelle appliziert werde. Schließlich ist das Berufungsgericht unter Auswertung verschiedener Studien davon ausgegangen, dass eine positive Wirkung von [X.] (Magnetarmbändern) auf Gelenkschmerzen oder -steifigkeit wissenschaftlich nicht belegt werden könne. Eine Studie habe eingeräumt, dass unsicher sei, ob die von Probanden berichtete Schmerzminderung auf eine therapeutische Wirkung des [X.]s oder einen Placebo-Effekt zurückgehe; einer anderen Studie zufolge sei der berichtete therapeutische Nutzen höchstwahrscheinlich unspezifischen [X.] zuzuschreiben. Bei dieser Tatsachenlage - die der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat - fehlt es an einem Anknüpfungspunkt, der aus Sicht des verständigen [X.] einen tragfähigen Rückschluss auf den behaupteten gesundheitlichen Nutzen beim Tragen von [X.] erlauben würde.

d) Ist [X.] demzufolge keine apothekenübliche Ware darf er in [X.] nicht verkauft werden. § 2 Abs. 4 ApBetrO erklärt neben Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten lediglich die in § 1a Abs. 10 ApBetrO abschließend genannten [X.] zum zulässigen Sortiment einer Apotheke. Sonstige - "apothekenunübliche" - Erzeugnisse dürfen demnach in [X.] nicht angeboten oder feilgehalten werden ([X.][X.], a.a.[X.] § 1a Rn. 128, § 2 Rn. 70 f.). Für dieses Normverständnis spricht auch die Entstehungsgeschichte. § 12 ApBetrO 1968 lautete: "In der Apotheke dürfen neben Arzneimitteln nur vorrätig gehalten, feilgehalten oder abgegeben werden", sodann folgte die Auflistung der zugelassenen Waren. Inhaltlich identisch war die Formulierung in § 25 ApBetrO 1987. Wie schon § 2 Abs. 4 i.V.m. § 25 ApBetrO 2004 knüpft auch § 2 Abs. 4 i.V.m. § 1a Abs. 10 ApBetrO hieran an.

Aus § 21 Abs. 2 Nr. 8 [X.]gesetz ([X.]) ergibt sich nichts Abweichendes. Die Vorschrift ermächtigt den Verordnungsgeber, in der [X.]betriebsordnung Regelungen über die [X.], die [X.], die Dienstbereitschaft und das Warenlager der [X.] sowie die [X.] innerhalb und außerhalb der [X.]betriebsräume zu treffen. § 21 Abs. 2 Nr. 8 [X.] grenzt das [X.] (Abgabe apothekenüblicher Waren und von Arzneimitteln) vom Nebengeschäft ab. Das schließt es aus, unter den Begriff des [X.] die Abgabe "apothekenunüblicher" Waren zu subsumieren ([X.][X.], a.a.[X.] § 1a Rn. 124 ff.). Diese Auffassung steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des [X.] vom 21. September 2000 - [X.] - (NJW 2001, 3411). In jener Entscheidung ging es um die Zulässigkeit des Vertriebs von Kompressionsstrümpfen, die der [X.] unter Verweis auf § 25 Nr. 2 ApBetrO 1987 (Mittel zur Krankenpflege) bejaht hat. Er hat ausgeführt, dass dem Apotheker außer der Abgabe auch ein Anmessen und Anpassen der Kompressionsstrümpfe erlaubt wäre, weil darin entweder eine unselbständige Nebenleistung zum [X.] oder ein nicht verbotenes Nebengeschäft zu sehen sei ([X.], Urteil vom 21. September 2000 a.a.[X.] S. 3412 f.). Der [X.] hat den Begriff des [X.] lediglich im Hinblick auf die in Rede stehenden Dienstleistungen (Anmessen und Anpassen der Strümpfe) herangezogen und nicht etwa angenommen, er erstrecke sich auch auf die Abgabe anderer als der [X.].

2. Die Untersagungsanordnung verletzt den Kläger nicht in seiner Berufsausübungsfreiheit. Das Verkaufsverbot für andere Waren als Arzneimittel, apothekenpflichtige Medizinprodukte und die in § 1a Abs. 10 ApBetrO genannten Erzeugnisse steht mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang. Die Beschränkung des Warensortiments entspricht vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls und wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. bereits Beschluss vom 14. August 1987 - BVerwG 3 [X.] - [X.] 418.21 [X.] Nr. 9 S. 2 m.w.N. ). Mit Rücksicht auf die Kernaufgabe der Apotheke, eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen (§ 1 Abs. 1 [X.], § 2 Abs. 4 ApBetrO), ist es ein legitimes Ziel, eine Entwicklung der [X.] zum "[X.]" zu verhindern und das Bild der Apotheke als Ort der [X.], der Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu bewahren (vgl. amtliche Begründung zu § 12 ApBetrO: [X.] 325/68 S. 8; zu § 25 ApBetrO 1987: [X.] 498/86 [X.]; zu § 1a Abs. 10 ApBetrO: [X.] 61/1/12 S. 2). Damit wird nicht nur der Gefahr begegnet, dass sich die Geschäftstätigkeit zu Lasten des [X.] auf [X.] Waren richtet. Es wird auch das Vertrauen der Kunden geschützt, in der Apotheke nur Erzeugnisse angeboten zu bekommen, denen ein nachvollziehbarer gesundheitlicher Nutzen zugeschrieben wird. Dem kaufmännischen Interesse des Apothekers an einer gewissen Ausweitung des Warensortiments über das Kerngeschäft hinaus trägt der Katalog des § 1a Abs. 10 ApBetrO angemessen Rechnung.

Meta

3 C 15/12

19.09.2013

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 15. März 2012, Az: 13 A 2774/08, Urteil

Art 12 Abs 1 GG, § 69 Abs 1 S 1 AMG 1976, § 1a Abs 10 Nr 2 ApoBetrO 1987, § 2 Abs 4 S 1 ApoBetrO 1987

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.09.2013, Az. 3 C 15/12 (REWIS RS 2013, 2629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2629

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