Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2010, Az. VI ZR 316/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6240

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 316/09 Verkündet am: 1. Juni 2010 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 249 Abs. 2 Satz 1 Gb, 254 Abs. 2 Satz 1 Dc a) Der Geschädigte leistet dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. b) Um seiner sich aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen, kann der Geschädigte im Einzel-fall jedoch gehalten sein, von einer danach grundsätzlich zulässigen Verwer-tung des [X.] Abstand zu nehmen und im Rahmen des [X.] andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen. [X.], Urteil vom 1. Juni 2010 - [X.] ZR 316/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 28. Oktober 2009 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand:Der Kläger nimmt den Beklagten, das [X.]", auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem sein PKW beschädigt wurde. Die volle Haftung des Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch darum, in welcher Höhe sich der Kläger bei der Ermittlung des [X.] den Restwert seines unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges anrechnen lassen muss. Der vom Kläger mit der Schadensermittlung beauftragte Sachverständige ermittelte für das Fahrzeug Reparaturkosten in Höhe von 4.924,97 • brutto, ei-nen Wiederbeschaffungswert von 4.200 • brutto und einen Restwert von 800 •. Mit Schreiben vom 9. April 2008 unterbreitete der Beklagte dem Kläger neun 1 - 3 - [X.], an die die Bieter bis 29. April 2008 gebunden waren und die die kostenlose Abholung des [X.] gegen Barzahlung ("auf Wunsch des Geschädigten") vorsahen. Das höchste Gebot belief sich auf 1.730 •. Der Kläger veräußerte sein Fahrzeug am 10. Mai 2008 für 800 • an einen von ihm ausgewählten Käufer. Der Beklagte legte der Schadensregulierung einen Restwert in Höhe von 1.730 • zugrunde. Mit der Klage begehrt der Kläger, soweit in der [X.] noch von Interesse, den Differenzbetrag in Höhe von 930 • zu dem von ihm erzielten Verkaufserlös. 2 Beide Vorinstanzen haben die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe kein weiterge-hender Schadensersatzanspruch zu. Der Kläger habe durch die Nichtannahme des [X.] in Höhe von 1.730 • und den Verkauf seines Fahrzeugs für 800 • gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, weshalb im Rahmen der Schadensberechnung von einem Restwert in Höhe von 1.730 • auszugehen sei. Entgegen der Rechtsprechung des [X.], wonach sich der Geschädigte grundsätzlich nicht auf Angebote aus dem Sondermarkt für Restwertaufkäufer verweisen lassen müsse und das Fahrzeug zu dem Wert verkaufen könne, den der Sachverständige als Restwert festgesetzt habe, habe sich der Kläger hier auf das Restwertangebot aus dem 4 - 4 - [X.] verweisen lassen müssen. Aus dem [X.] folge, dass der Kläger sein Fahrzeug so verkaufen müsse, wie er es für sich selber verkauft hätte. Dabei stehe außer Zweifel, dass sich der Kläger in diesem Fall für das höhere Angebot in Höhe von 1.730 • entschieden hätte. Es sei für den Kläger auch nicht unzumutbar, sich auf ein höheres Restwertangebot verweisen zu lassen. Für ihn hätte keinerlei Risiko bestanden, da er nur den Bieter hätte anrufen müssen und dieser dann das Fahrzeug gegen Barzahlung abgeholt hätte. Der Vortrag des [X.], dass [X.] aus dem [X.] unse-riös seien, sei unsubstantiiert. Dass der Geschädigte sich auf ein Restwertan-gebot verweisen lassen müsse, stelle auch weder eine Verletzung des Grund-satzes, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens sei, noch eine Verletzung seiner Dispositionsfreiheit dar. I[X.] Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Er-gebnis stand. Das Berufungsgericht hat der Schadensberechnung zu Recht einen Restwert des [X.] von 1.730 • brutto zugrunde gelegt. 5 1. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass der Geschädigte, wenn er von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, nur Ersatz des [X.] abzüglich des [X.] verlangen kann (vgl. Senatsurteile [X.] 115, 364, 372; 143, 189, 193; 163, 362, 365; vom 21. Januar 1992 - [X.] ZR 142/91 - [X.], 457; vom 6. April 1993 - [X.] ZR 181/92 - [X.], 769; vom 7. Dezember 2004 - [X.] ZR 119/04 - [X.], 381 und vom 7. Juni 2005 - [X.] ZR 192/04 - [X.], 1257, 6 - 5 - 1258 f.). Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Er-satzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirt-schaftlichkeit steht. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei der [X.] gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat (vgl. Senatsurteile [X.] 132, 373, 376 f.; 143, 189, 193; vom 21. Januar 1992 - [X.] ZR 142/91 - aaO; vom 6. April 1993 - [X.] ZR 181/92 - aaO, S. 769 f. und vom 7. Dezember 2004 - [X.] ZR 119/04 - aaO, S. 381 f.). Das Wirt-schaftlichkeitspostulat gilt auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des [X.] bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss (Senatsurteile [X.] 143, 189, 193; 163, 362, 365; vom 21. Januar 1992 - [X.] ZR 142/91 - aaO und vom 6. April 1993 - [X.] ZR 181/92 - aaO [X.]). Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeuges muss sich der [X.] im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts leistet der [X.] dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit indessen im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten [X.] zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter [X.] in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. Senats-urteile [X.] 143, 189, 193; 163, 362, 366; 171, 287, 290 f.; vom 21. Januar 1992 - [X.] ZR 142/91 - aaO, S. 458; vom 6. April 1993 - [X.] ZR 181/92 - aaO; vom 7. Dezember 2004 - [X.] ZR 119/04 - aaO; vom 12. Juli 2005 - [X.] ZR 132/04 - [X.], 1448, 1449; vom 10. Juli 2007 - [X.] ZR 217/06 - [X.], 1243 f. und vom 13. Oktober 2009 - [X.] ZR 318/08 - [X.], 130, 131). Anders als das Berufungsgericht meint, ist der Geschädigte insbesondere grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im 7 - 6 - [X.] in Anspruch zu nehmen. [X.] der Geschädigte das Fahrzeug der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem Gebrauchtwagenhändler bei dem Er-werb eines Ersatzwagens in Zahlung geben, so kann der Schädiger gegenüber deren [X.] grundsätzlich nicht auf ein höheres Angebot verweisen, das vom Geschädigten nur auf einem Sondermarkt, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer über das [X.], zu erzielen wäre. [X.] würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen und dem Geschädigten die vom Schädiger ge-wünschte [X.] aufgezwungen (vgl. Senatsurteile [X.] 163, 362, 367; vom 21. Januar 1992 - [X.] ZR 142/91 - aaO, S. 457; vom 6. April 1993 - [X.] ZR 181/92 - aaO [X.]; vom 7. Dezember 2004 - [X.] ZR 119/04 - aaO und vom 13. Januar 2009 - [X.] ZR 205/08 - [X.], 413, 414). 3. Auf die unter Ziffer 2 dargestellten Fragen kommt es im Streitfall indes nicht an. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Kläger durch den Verkauf des [X.] für 800 • seine Pflicht zur [X.] des Schadens gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verletzt hat. 8 a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats kön-nen besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seiner sich aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu ge-nügen. Unter diesem Blickpunkt kann er gehalten sein, von einer grundsätzlich zulässigen Verwertung des [X.] Abstand zu nehmen und im Rah-men des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen (vgl. Senatsurteile [X.] 143, 189, 194; 163, 362, 367 und vom 6. März 2007 - [X.] ZR 120/06 - [X.], 1145, 1146). Derartige Ausnahmen stehen nach allgemeinen Grundsätzen zur Beweislast des Schädigers (vgl. Se-natsurteile [X.] 143, 189, 194 und vom 22. November 1977 - [X.] ZR 114/76 - 9 - 7 - VersR 1978, 182, 183). Auch müssen sie in engen Grenzen gehalten werden und dürfen insbesondere nicht dazu führen, dass dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von dem Schädiger bzw. dessen Versicherer ge-wünschten [X.]en aufgezwungen werden (vgl. Senatsurteile [X.] 143, 189, 194 f.; 163, 362, 367 und vom 6. März 2007 - [X.] ZR 120/06 - aaO). b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Beurteilung des [X.], der Kläger habe durch den Verkauf des [X.] zu dem vom Sachverständigen geschätzten Wert gegen die ihm obliegende Scha-densminderungspflicht verstoßen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungs-gerichts hatte der Beklagte dem Kläger vor der Veräußerung des Fahrzeugs eine erheblich günstigere Verwertungsmöglichkeit unterbreitet, die dieser ohne weiteres hätte wahrnehmen können und deren Wahrnehmung ihm zumutbar war. Danach hatte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 9. April 2008 ein bis 29. April 2008 bindendes Restwertangebot unterbreitet, das eine Abho-lung des [X.] gegen Barzahlung von 1.730 • garantierte und das der Kläger lediglich telefonisch hätte annehmen müssen. Die Revision zeigt keinen übergangenen Sachvortrag auf, der ein anerkennenswertes Interesse des [X.] daran begründen könnte, das Unfallfahrzeug nicht an den von der 10 - 8 - Beklagten benannten Interessenten, sondern zu einem wesentlich geringeren Preis an den von ihm ausgewählten Käufer zu veräußern. 4. [X.] beruht auf § 97 ZPO. 11 [X.]Zoll [X.] Pauge von [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.05.2009 - 3 C 154/09 - [X.], Entscheidung vom 28.10.2009 - 13 S 1761/09 -

Meta

VI ZR 316/09

01.06.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2010, Az. VI ZR 316/09 (REWIS RS 2010, 6240)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6240

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