Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2018, Az. IV ZR 216/17

4. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 556

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Gegenstand

Freistellung von Gebührenforderung in Rechtsschutzversicherung nach Zusage von Abwehrdeckung


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Kläger gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 14. Juli 2017 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Die Kläger schlossen bei der Beklagten Rechtsschutzversicherungen ab, denen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ([X.]) zugrunde liegen. Darin heißt es unter anderem:

"§ 17 Prüfung der Erfolgsaussichten

(1) Ist der Versicherer der Auffassung, daß die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, kann er seine Leistungspflicht verneinen. ...

(2) Hat der Versicherer seine Leistungspflicht gemäß Absatz 1 verneint und stimmt der Versicherungsnehmer der Auffassung des Versicherers nicht zu, kann der Versicherungsnehmer den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen, diesem gegenüber eine begründete Stellungnahme darüber abzugeben, daß die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Entscheidung des Rechtsanwaltes ist für beide Teile bindend, es sei denn, daß sie offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht.ʺ

2

Die Kläger beteiligten sich in den Jahren 1991 bis 1999 an verschiedenen Gesellschaften der sogenannten [X.]                 . Wegen erlittener Vermögenseinbußen beauftragten sie eine Anwaltskanzlei (im Folgenden: Prozessbevollmächtigte) mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die für die [X.]             tätig waren.

3

Nachdem die Prozessbevollmächtigten im Auftrag der Kläger zu 1 bis 3 bei der Beklagten Deckungsschutz für eine außergerichtliche Interessenwahrnehmung erbeten hatten, stellten sie für die Kläger Ende 2011 Anträge auf außergerichtliche Streitschlichtung bei einer staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle. Das Güteverfahren scheiterte. Hiervon setzten die Prozessbevollmächtigten die Beklagte im November 2012 in Kenntnis und baten um Zusage von [X.] für ein erstinstanzliches gerichtliches Verfahren sowie für das durchgeführte Güteverfahren.

4

Die Beklagte lehnte Versicherungsschutz für das beabsichtigte gerichtliche Verfahren ab und wies insoweit auf die Möglichkeit eines [X.] gemäß § 17 Abs. 2 [X.] hin. Die Kläger beauftragten die Prozessbevollmächtigten, [X.] zu erstellen. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bestehe und sich die Kläger nicht mutwillig verhielten. Das akzeptierte die Beklagte nicht, sondern vertrat die Auffassung, dass die [X.] offensichtlich erheblich von der wirklichen Sach- und Rechtslage abwichen und daher nicht bindend seien.

5

Für die Erstellung der [X.] rechneten die Prozessbevollmächtigten jeweils eine Geschäftsgebühr von 1,6 ab und forderten die Beklagte zu deren Ausgleich auf. Für die Kläger zu 2 bis 4 zahlte die Beklagte lediglich eine Geschäftsgebühr von 0,5 und erteilte hinsichtlich der Abwehr des Differenzbetrages [X.]. Unter dem 25. April 2014 stellten die Prozessbevollmächtigten den Klägern zu 1 bis 3 Kosten für das Güteverfahren in Rechnung und forderten die Beklagte zum Ausgleich auf, woraufhin die Beklagte den genannten Klägern nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 2. Mai 2014 Abwehrschutz zusagte.

6

Das [X.] hat antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Klägern [X.] für das erstinstanzliche Gerichtsverfahren zu gewähren. Die Anträge der Kläger zu 2 bis 4, die Beklagte zu verurteilen, sie von den restlichen [X.] für die Erstellung der [X.] freizustellen, hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Feststellungsklage abgewiesen und die Anschlussberufung der Kläger zu 2 bis 4 zurückgewiesen. In dem Berufungsverfahren haben die Kläger zu 1 bis 3 klageerweiternd beantragt, die Beklagte zu verurteilen, sie von den [X.] für das Güteverfahren freizustellen. Auch insoweit ist die Klage abgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht im Hinblick auf die geltend gemachten Freistellungsansprüche zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Leistungsbegehren weiter.

7

II. Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, hat das Berufungsgericht ([X.] [X.], 92) ausgeführt, den Klägern zu 2 bis 4 stehe bereits deswegen kein Anspruch auf Freistellung von den restlichen [X.] für die Erstellung der [X.] zu, weil der Versicherungsnehmer nicht selbst Gebührenschuldner des Rechtsanwalts werde, der den Stichentscheid erstelle. Sehe man dies anders, sei der Freistellungsanspruch durch die erteilte [X.] erfüllt. Aus diesem Grund sei auch die im Berufungsverfahren erweiterte Klage der Kläger zu 1 bis 3 unbegründet. Im Hinblick auf die mit ihr verfolgten Ansprüche auf Freistellung von den [X.] für das Güteverfahren habe die Beklagte ebenfalls [X.] erteilt. Der Erfüllung der Leistungspflicht der Beklagten durch die Gewährung von [X.] stünden weder § 158n [X.] a.F. noch europarechtliche Vorgaben entgegen.

8

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht gegeben.

9

1. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen der - von ihm verneinten - Frage zugelassen, ob § 158n [X.] in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung bei der Zusage von [X.] durch den Rechtsschutzversicherer Anwendung findet. Das hat der Senat mit nach Erlass des Berufungsurteils ergangenem Urteil vom 11. April 2018 ([X.], [X.], 673) im Sinne des angefochtenen Urteils geklärt. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das vorgenannte Senatsurteil hat das [X.] nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 25. September 2018 - 1 BvR 1522/18).

2. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Berufungsgericht die Abweisung der Klage auf Freistellung von [X.] für die Erstellung der [X.] unter anderem damit begründet hat, die Kläger seien nicht Gebührenschuldner. Insoweit wollte das Berufungsgericht die Revision ausdrücklich nicht zulassen. Ob es die Zulassung damit wirksam beschränkt hat, kann dahinstehen, weil die genannte Begründung nicht entscheidungserheblich ist. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung insoweit auch auf die Zusage von [X.] gestützt. Diese Begründung, hinsichtlich derer kein Zulassungsgrund vorliegt, trägt seine Entscheidung.

IV. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat den Klägern zu Recht keinen Freistellungsanspruch zugesprochen, nachdem die Beklagte ihnen [X.] zugesagt hat. Das ergibt sich aus den [X.] vom 11. April 2018 ([X.], [X.], 673) und vom 21. Oktober 2015 ([X.], [X.], 1501), deren Erwägungen sich - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auf den Streitfall übertragen lassen.

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es dem Versicherer auch im Hinblick auf den Anspruch des Versicherungsnehmers aus § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] grundsätzlich freisteht, auf welche Weise er diesen von der Gebührenforderung des Rechtsanwalts befreit. Auch insoweit kann sich der Versicherer für die Gewährung von [X.] entscheiden. Weder der Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] noch der Sinn und Zweck des Stichentscheidverfahrens, dem Versicherungsnehmer ein schnelles, einfaches und für ihn nicht mit Kosten verbundenes Verfahren an die Hand zu geben, um die Notwendigkeit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (vgl. § 1 Abs. 1 [X.]) verbindlich klären zu lassen (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2003 - [X.], [X.], 638 unter 2 a bb [juris Rn. 15]), rechtfertigen eine gegenüber dem Anspruch aus § 2 Abs. 1 Buchst. a) [X.] abweichende Beurteilung. Dass der Anspruch aus § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] unabhängig von dem Ergebnis des [X.] besteht, unterscheidet ihn - entgegen der Auffassung der Revision - nicht entscheidend von dem des § 2 Abs. 1 Buchst. a) [X.]. Auch dieser hängt nicht davon ab, ob die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen letztlich Erfolg hat.

2. Die Klage auf Freistellung von [X.] ist nach Zusage von [X.] durch die Beklagte derzeit unbegründet (vgl. Senatsurteile vom 11. April 2018 - [X.], [X.], 673 Rn. 24; vom 21. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1501 Rn. 19). Das kann der Senat in den Beschlussgründen klarstellen (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2012 - [X.], [X.], 1963 Rn. 34; [X.]/Schütze/[X.], ZPO 4. Aufl. § 522 Rn. 90; [X.], [X.], 610, 613).

Hinsichtlich der Gebühren für die [X.] gilt nicht wegen einer etwa fehlenden Passivlegitimation der Kläger etwas anderes. Schuldner dieser Gebühren sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Kläger. § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] enthält keine Erklärung des Versicherers, die Gebührenschuld für die Erstellung eines [X.] mit befreiender Wirkung für den Versicherungsnehmer zu übernehmen. Ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer, auf dessen [X.] es bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen nach ständiger Senatsrechtsprechung maßgeblich ankommt, wird der Klausel eine solche Erklärung nicht entnehmen. Er erkennt vielmehr, dass der Anspruch aus der Rechtsschutzversicherung auf die Befreiung von den bei der Wahrung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten gerichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1501 Rn. 30 m.w.N.). Hiervon ausgehend wird er nicht annehmen, dass im Fall der Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Erstellung eines [X.] etwas anderes gelten soll. Insbesondere wird er aus dem Wortlaut der Klausel, nach dem er den Rechtsanwalt "auf Kosten des Versicherers veranlassen" kann, einen Stichentscheid zu erstellen, nicht schließen, dass der Versicherer eine befreiende Schuldübernahme erklären möchte. Ein solcher Wille kommt in der Formulierung nicht zum Ausdruck. Auch das Interesse des Versicherungsnehmers, nicht mit den Kosten des [X.] belastet zu werden, gebietet kein anderes Ergebnis. Es ist durch die Zuerkennung eines Befreiungsanspruchs gegen den Versicherer ausreichend gewahrt.

[X.]     

        

[X.]     

        

Prof. [X.]

        

[X.]     

        

Dr. Götz     

        

Meta

IV ZR 216/17

12.12.2018

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 14. Juli 2017, Az: I-4 U 40/16, Urteil

§ 128 VVG, § 158n VVG, § 2 Abs 1 Buchst a ARB 1975, § 17 Abs 2 S 1 ARB 1975

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2018, Az. IV ZR 216/17 (REWIS RS 2018, 556)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 556

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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