Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2017, Az. 5 StR 198/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6838

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:080817U5STR198.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 198/17

vom
8. August 2017
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8. Au-gust
2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender
[X.] [X.],

[X.],
[X.],
[X.] [X.],
[X.] Dr. Mosbacher

als beisitzende Richter,

Staatsanwältin
als Gruppenleiterin

als Vertreterin
der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2016 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hier-durch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staats-kasse zur Last.

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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, de-ren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] nicht vertreten wird.
I.
1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof-fen:
Der aus [X.] stammende Angeklagte bewohnte im [X.] 2016 zusammen mit sieben weiteren Flüchtlingen in einer Flüchtlingsunterkunft ein 1
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Mehrbettzimmer, das ihnen als gemeinsamer
Schlaf-
und Aufenthaltsraum [X.]. Zum Ende des Fastenmonats Ramadan wollten die muslimischen Bewohner der Unterkunft ein festliches Essen ausrichten. Wegen der dafür zu treffenden Vorbereitungen kam es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten, der an ei-nem Tisch saß und Gemüse schnitt, und seinem Mitbewohner A.

. Sie be-leidigten sich und gerieten in hochgradige Wut.
In seiner Erregung ergriff A.

ein Nudelholz und ging damit auf den Angeklagten los, um ihm dessen Beleidigungen mit einem körperlichen Angriff heimzuzahlen. Daran wurde er durch den dazwischentretenden Mitbewohner M.

gehindert. Der Angeklagte beschloss nunmehr aus Empörung über den Versuch eines gewalttätigen Übergriffs durch A.

spontan, ihn seiner-seits körperlich anzugreifen. Er stand auf und bewegte sich an dem ihm den Rücken zuwendenden und weiterhin seinen Kontrahenten A.

festhaltenden Mitbewohner M.

seitlich vorbei. Mit dem zuvor von ihm benutzten 23 cm langen Küchenmesser machte der Angeklagte eine bogenförmige Stichbewe-gung gegen den Rücken des Geschädigten A.

, um diesen zu verletzen. Der Messerstich traf den Geschädigten neben der unteren Brustwirbelsäule und führte zu einem bis in das Lebergewebe reichenden Stichkanal von 7,5 cm Länge.
Als der Angeklagte bemerkte, dass er A.

verletzt hatte, ließ er

er-schüttert und entsetzt über sein Verhalten und dessen Folgen

augenblicklich von dem Geschädigten ab und blieb nachfolgend passiv. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes einigten sich alle
Beteiligten darauf, die Tat des Angeklagten geheim zu halten. Dementsprechend gab auch A.

bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus und bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung einen Unfall als Ursache seiner Verletzung an.
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Die Verletzung war potentiell lebensgefährlich, führte aber zu keinen schwerwiegenden Blutungen. Sie bedurfte keiner operativen Versorgung und heilte weitgehend folgenlos aus.
2. Das [X.] hat seiner Strafzumessung den Strafrahmen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 2.
Halbsatz StGB zugrunde gelegt. Für diese Annahme hat es als überwiegen-de strafmildernde Umstände insbesondere berücksichtigt, dass der nicht vorbe-strafte Angeklagte, der schon im Ermittlungsverfahren teilgeständig gewesen sei, die Tat aus einer hochgradigen Erregung heraus begangen habe. Der [X.] hierzu sei durch den vorausgegangenen Versuch des Geschädigten aus-gelöst worden, tätlich auf ihn loszugehen. Damit habe das weitgehend fehlende Sühnebedürfnis des Geschädigten korrespondiert, der die Tat im [X.] zunächst geleugnet habe, um dem Angeklagten eine Strafverfolgung zu ersparen. Außerdem habe die Tathandlung trotz ihrer abstrakten Lebensge-
e-schädigten geführt, die keine konkrete Lebensgefahr mit sich gebracht und [X.] erforderlich gemacht habe und bis auf verbliebene Narben-schmerzen folgenlos ausgeheilt sei.
II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen
Erfolg.
1. Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Auf-gabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhand-lung von der Tat und der
Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die [X.] entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander 6
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abzuwägen. Welchen Umständen es
dabei ein bestimmendes Gewicht bei-misst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 9. Juni 2015

1 [X.], und vom 24. März 2015

5 StR 6/15 jeweils mwN).
Wie die Strafzumessung ist auch die Bewährungsentscheidung grund-sätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung, dass die Strafaussetzung trotz des Unrechts-
und [X.] der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den [X.] vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderläuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteili-ge Würdigung möglich gewesen wäre (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 12. Janu-ar 2016

1 StR 414/15 mwN).
Das Revisionsgericht darf daher weder die Entscheidung des Tatgerichts über das Vorliegen eines minder schweren Falls oder die Strafaussetzung zur Bewährung noch die diesen zugrunde liegenden Wertungen selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatgericht ein Rechtsfehler [X.] ist ([X.], Urteil vom 9.
Juni 2015

1 [X.] mwN).
2. Ausgehend hiervon weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf, wie der [X.] schon in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat. Ergänzend hierzu ist lediglich zu bemerken:
Zwar ist die Formulierung des [X.]s im Rahmen der Strafzumes-
[X.] unmittelbar anschließend auf die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Verletzungshandlung und die bis auf Narbenbildung folgenlos ausgeheilten 10
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Verletzungen verweist ([X.]). Diese Erwägung ist aber offensichtlich dahin zu verstehen, dass durch den Messerstich trotz der gravierenden Verletzungen vor allem der Leber keine schweren dauerhaften Folgen beim Opfer verblieben sind. An diesem sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatgerichts und nicht an dessen Formulierungen hat sich die revisionsrichterliche Überprüfung der Strafzumessung zu orientieren ([X.], Urteile vom 14. Dezember 1999

1 [X.], und vom 24. August 2016

2 [X.] mwN).
Unbedenklich ist

wie § 46 Abs. 1 StGB, der ausdrücklich auf einen Ausgleich mit dem Verletzten verweist, und auch § 46a StGB belegen

ferner, dass die [X.] dem fehlenden Sühnebedürfnis des Opfers strafmildern-de Bedeutung beigemessen hat.

[X.] Dölp König

[X.] Mosbacher

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Meta

5 StR 198/17

08.08.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2017, Az. 5 StR 198/17 (REWIS RS 2017, 6838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6838

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1 StR 606/14

5 StR 6/15

1 StR 414/15

2 StR 504/15

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