Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.03.2019, Az. 8 B 3/19

8. Senat | REWIS RS 2019, 8909

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Gründe

1

Der Kläger wendet si[X.]h gegen die Erhebung von Säumniszus[X.]hlägen und Kosten der Forderungsverwaltung. Ihm wurde 1997 ein Grundstü[X.]k zurü[X.]kübertragen, für das seiner Re[X.]htsvorgängerin eine Hauptents[X.]hädigung na[X.]h dem [X.] bewilligt und 1981 ausgezahlt worden war. Mit Bes[X.]heid vom 12. November 1998 forderte der Beklagte deshalb Ausglei[X.]hsleistungen in Höhe von 7 536,60 DM gemäß § 349 [X.] ([X.]) vom Kläger zurü[X.]k. Dieser Bes[X.]heid wurde Re[X.]htsanwalt [X.] zugestellt, dem der Kläger 1993 eine Vollma[X.]ht erteilt hatte und von dem der Kläger im Restitutionsverfahren vertreten worden war. Re[X.]htsanwalt [X.] erhob im Dezember 1998 "namens und in Vollma[X.]ht des [X.]" Klage gegen den Rü[X.]kforderungsbes[X.]heid. Na[X.]h übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten wurde das Verfahren eingestellt. Als der Kläger trotz Mahnung keine Zahlungen leistete, betrieb der Beklagte - erfolglos - die Zwangsvollstre[X.]kung in das Grundstü[X.]k. Mit Bes[X.]heid vom 17. Dezember 2015 erhob er Säumniszus[X.]hläge in Höhe von insgesamt 7 777 € sowie Kosten der Forderungsverwaltung in Höhe von 315,18 €. Der Kläger hat Klage erhoben und geltend gema[X.]ht, Re[X.]htsanwalt [X.] sei nur für das Restitutionsverfahren und ni[X.]ht zum Empfang des [X.] bevollmä[X.]htigt gewesen. Das Verwaltungsgeri[X.]ht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil ni[X.]ht zugelassen.

2

Die dagegen eingelegte Bes[X.]hwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gema[X.]hte Zulassungsgrund grundsätzli[X.]her Bedeutung der Re[X.]htssa[X.]he im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt ni[X.]ht vor.

3

Grundsätzli[X.]he Bedeutung kommt einer Re[X.]htssa[X.]he nur zu, wenn sie eine bestimmte Re[X.]htsfrage des revisiblen Re[X.]hts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]hen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu re[X.]hnen ist und hiervon eine Fortentwi[X.]klung der Re[X.]htspre[X.]hung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Diese Voraussetzungen sind ni[X.]ht erfüllt.

4

Die vom Kläger aufgeworfene Frage,

ob eine dur[X.]h den Erklärungsempfänger vorformulierte anwaltli[X.]he Vollma[X.]htserklärung - gegebenenfalls analog § 305[X.] Abs. 2 BGB - anhand des Verständnisses und aus Si[X.]ht des Erklärenden auszulegen ist,

bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie si[X.]h, soweit erhebli[X.]h, ohne Weiteres aus dem Gesetz und der eins[X.]hlägigen bisherigen hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung beantworten lässt.

5

Dana[X.]h sind anwaltli[X.]he Vollma[X.]hten entspre[X.]hend §§ 133 und 157 BGB auszulegen, soweit si[X.]h ihr Umfang ni[X.]ht s[X.]hon aus gesetzli[X.]hen Regelungen wie § 81 ZPO ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1988 - 8 C 8.86 - [X.] 340 § 9 [X.] Nr. 12 S. 2 f.; [X.], Bes[X.]hluss vom 8. Juli 2008 - [X.]/07 - [X.], 1656 Rn. 21). Hier ist die gesetzli[X.]he Ums[X.]hreibung des Umfangs der Prozessvollma[X.]ht (§ 81 ZPO i.V.m. § 173 VwGO) ni[X.]ht eins[X.]hlägig. Zum einen wurde die fragli[X.]he Zustellung na[X.]h Abs[X.]hluss des Rü[X.]kübertragungsverfahrens vorgenommen, in dem Re[X.]htsanwalt [X.] als Bevollmä[X.]htigter des [X.] aufgetreten war. Zum anderen ging die Vollma[X.]ht na[X.]h den revisionsre[X.]htli[X.]h bindenden tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) über eine Prozessvollma[X.]ht für das abges[X.]hlossene Rü[X.]kübertragungsverfahren hinaus. Re[X.]htsanwalt [X.] war bevollmä[X.]htigt, den Kläger "in allen seinen Angelegenheiten aus eigenem Re[X.]ht sowie aus Erbre[X.]ht betreffend seiner Eigentumsre[X.]hte an in dem Gebiet der [X.] belegenem Vermögen aller Art vor Geri[X.]hten, Behörden und Banken sowie sonstigen privaten oder juristis[X.]hen Personen zu vertreten" und erstre[X.]kte dies ausdrü[X.]kli[X.]h auf die geri[X.]htli[X.]he Vertretung und auf alle Prozesshandlungen, insbesondere auf die Vornahme und Entgegennahme von Zustellungen.

6

Na[X.]h §§ 133, 157 BGB sind anwaltli[X.]he Vollma[X.]hten vorbehaltli[X.]h abwei[X.]hender gesetzli[X.]her Bestimmung ihres Umfangs (vgl. § 81 ZPO) ebenso wie sonstige empfangsbedürftige Willenserklärungen na[X.]h dem objektiven [X.] auszulegen. Dana[X.]h ist maßgebli[X.]h, wie der Empfänger den in der Erklärung zum Ausdru[X.]k gekommenen Willen des Erklärenden unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1988 - 8 C 8.86 - [X.] 340 § 9 [X.] Nr. 12 S. 2 f.; [X.], Bes[X.]hluss vom 8. Juli 2008 - [X.]/07 - [X.], 1656 Rn. 21). Für eine analoge Anwendung des § 305[X.] Abs. 2 BGB dahingehend, dass vorformulierte anwaltli[X.]he Vollma[X.]hten na[X.]h dem Verständnis und aus der Si[X.]ht des Erklärenden auszulegen wären, bleibt kein Raum. S[X.]hon die Voraussetzungen einer Analogie liegen ni[X.]ht vor. Außerdem ist § 305[X.] Abs. 2 BGB kein sol[X.]her Auslegungsgrundsatz zu entnehmen.

7

[X.], ni[X.]ht s[X.]hon dur[X.]h §§ 133 und 157 BGB ges[X.]hlossene Regelungslü[X.]ke auf, die eine Analogie erforderte. Entgegen der Darstellung des [X.] führt die Auslegung na[X.]h dem objektiven [X.] bei anwaltli[X.]h vorformulierten Vollma[X.]hten ni[X.]ht dazu, dass der Bevollmä[X.]htigte kraft überlegenen Wissens den Umfang seiner Befugnisse selbst bestimmen könnte oder gar nur sein überlegenes Verständnis der Erklärung maßgebli[X.]h wäre. Zu den für ihn erkennbaren und für die Auslegung maßgebli[X.]hen Umständen der Erklärung gehören nämli[X.]h au[X.]h die Interessenlage und gegebenenfalls die Grenzen der Re[X.]hts- und Sa[X.]hkenntnisse seines Mandanten. Diese Umstände sind bei der Auslegung anwaltli[X.]h vorformulierter Vollma[X.]hten ebenso wie bei der Auslegung sonstiger vorformulierter Erklärungen zu berü[X.]ksi[X.]htigen (zu Letzteren vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 1997 - [X.] - NJW 1997, 3087 <3087 f.>).

8

Selbst wenn eine Lü[X.]ke vorläge und dur[X.]h analoge Anwendung des § 305[X.] Abs. 2 BGB zu s[X.]hließen wäre, hätte dies jedenfalls ni[X.]ht zur Folge, dass die Vollma[X.]ht na[X.]h dem Verständnis und der Si[X.]ht des Erklärenden auszulegen wäre. § 305[X.] Abs. 2 BGB bestimmt, dass Zweifel zulasten des Verwenders der vorformulierten Vertragsbedingungen gehen. Damit ist nur gesagt, dass eine bei mehrdeutigen Klauseln verbleibende Unsi[X.]herheit über deren Bedeutung im Sinne der für den Verwender na[X.]hteiligsten Deutungsalternative aufzulösen ist ([X.], Urteil vom 21. April 2009 - [X.]/08 - [X.]Z 180, 257 Rn. 11). Dies setzt voraus, dass na[X.]h Anwendung der eins[X.]hlägigen Auslegungsregeln mehrere Deutungsalternativen verbleiben. Dagegen regelt § 305[X.] Abs. 2 BGB ni[X.]ht, dass nur das Verständnis, die Si[X.]htweise und der subjektive Erklärungswille eines Vertragspartners für die Auslegung maßgebli[X.]h sind. Vielmehr müssen au[X.]h vorformulierte Ges[X.]häftsbedingungen na[X.]h ständiger Re[X.]htspre[X.]hung ni[X.]ht na[X.]h den Vorstellungen eines Beteiligten, sondern na[X.]h ihrem objektiven Inhalt und typis[X.]hen Sinn so ausgelegt werden, wie sie von verständigen und redli[X.]hen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]hen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (vgl. [X.], Urteile vom 17. Januar 1989 - [X.] - [X.]Z 106, 259 <264 f.>, vom 15. November 2006 - [X.], 1142 Rn. 19 und vom 21. April 2009 - [X.]/08 - [X.]Z 180, 257 Rn. 11 m.w.N.). Eine über eine Analogie zu § 305[X.] Abs. 2 BGB hinausgehende Verabsolutierung des subjektiven Erklärungswillens wäre mit der Funktion der s[X.]hriftli[X.]hen Anwaltsvollma[X.]ht ni[X.]ht vereinbar. Da diese dazu geeignet und bestimmt ist, die Tatsa[X.]he und den Umfang der Bevollmä[X.]htigung na[X.]hzuweisen, kann ihr Umfang s[X.]hon aus Gründen der Re[X.]htssi[X.]herheit ni[X.]ht einseitig na[X.]h der subjektiven Kenntnis und Vorstellung des Erklärenden und unabhängig vom objektiven [X.] bestimmt werden. Eine Auslegung vorformulierter anwaltli[X.]her Vollma[X.]hten allein na[X.]h dem Verständnis und der Si[X.]htweise des Vollma[X.]htgebers s[X.]heidet damit aus.

9

Die vom Kläger darüber hinaus für re[X.]htsgrundsätzli[X.]h gehaltene Frage,

ob an dem Grundsatz der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung anhand des objektiven [X.]s au[X.]h dann festzuhalten ist, wenn die Vollma[X.]htserklärung ni[X.]ht eindeutig formuliert wurde,

würde si[X.]h im angestrebten Revisionsverfahren ni[X.]ht stellen, weil sie von einem anderen Sa[X.]hverhalt ausgeht als die angegriffene Ents[X.]heidung. Das Verwaltungsgeri[X.]ht hat gerade ni[X.]ht festgestellt, die anwaltli[X.]he Vollma[X.]ht sei ni[X.]ht eindeutig formuliert. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass eine eindeutig - nämli[X.]h eindeutig umfassend - formulierte Vollma[X.]ht erteilt wurde, die sämtli[X.]he Angelegenheiten betreffend das im Beitrittsgebiet belegene, eigene und ererbte Vermögen des [X.] eins[X.]hloss. Zu den das zurü[X.]kverlangte Vermögen betreffenden Angelegenheiten gehörte unzweideutig au[X.]h die mit der Restitution verknüpfte Rü[X.]kabwi[X.]klung von zuvor für den [X.] gewährten Ausglei[X.]hsleistungen. Dabei kam es ni[X.]ht darauf an, ob der Rü[X.]kzahlungsanspru[X.]h bereits im Restitutionsverfahren selbst dur[X.]h Verre[X.]hnung mit einer vermögensre[X.]htli[X.]hen Ents[X.]hädigung zu berü[X.]ksi[X.]htigen war (so etwa ges[X.]hehen im Verfahren betreffend das ebenfalls vom Kläger zurü[X.]kverlangte Grundstü[X.]k E.straße ... in [X.], in dem der [X.] vom 11. März 1998 ebenfalls an Re[X.]htsanwalt [X.] zugestellt wurde, vgl. [X.] 76 ff. der vom Verwaltungsgeri[X.]ht beigezogenen Akte des [X.]), oder ob der Rü[X.]kzahlungsanspru[X.]h wegen der Naturalrestitution des Grundstü[X.]ks (hier des Grundstü[X.]ks [X.] in [X.]) im [X.] an die Rü[X.]kübertragung dur[X.]h Rü[X.]kforderungsbes[X.]heid geltend gema[X.]ht werden musste (vgl. § 349 Abs. 1 Satz 4, § 349 Abs. 3a bis [X.] und § 349 Abs. 5 [X.], § 32 Abs. 1 Satz 4 Vermögensgesetz - VermG).

Die Kostenents[X.]heidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt si[X.]h aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Meta

8 B 3/19

26.03.2019

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Berlin, 27. November 2017, Az: 9 K 42.16, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.03.2019, Az. 8 B 3/19 (REWIS RS 2019, 8909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8909

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