Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2010, Az. StB 5/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 7677

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Gegenstand

Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung: Zusammenschluss von Mitgliedern im Inland


Leitsatz

Haben sich Mitglieder einer ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Inland zu einer organisatorischen Struktur zusammengeschlossen, deren Zwecke oder Tätigkeit der Zielsetzung der ausländischen Vereinigung entsprechen, so können sie sich nur dann tateinheitlich auch wegen Mitgliedschaft in einer inländischen kriminellen Vereinigung strafbar machen, wenn ihre inländische Organisation einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung unabhängigen Gesamtwillen bildet .

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 16. Dezember 2009 aufgehoben und durch den nachfolgenden Haftbefehl ersetzt:

Der Beschuldigte ist in Untersuchungshaft zu nehmen.

Er ist dringend verdächtig, sich jedenfalls in der [X.] zwischen Juli 2008 und Januar 2009 den [X.] "[X.]" ([X.]) angeschlossen und deren auf die Begehung von Mord oder Totschlag gerichtete Tätigkeit durch seine Mitarbeit im Büro des von ihnen eingerichteten "[X.]" ([X.]) in [X.] gefördert zu haben, indem er in deren Angelegenheiten Telefonanrufe entgegengenommen, ihm mitgeteilte Informationen an die zuständigen Personen weitergeleitet und begehrte Auskünfte erteilt hat;

strafbar als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] durch eine in der [X.] ausgeübte Tätigkeit (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB).

2. Dieser Haftbefehl wird aufgehoben werden, wenn das [X.] nicht binnen einer Woche nach Zugang dieses Beschlusses gegenüber dem [X.] - 3. Strafsenat - die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt (§ 130 StPO, § 129 b Abs. 1 Satz 3, § 77 e StGB).

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

4. [X.], die Vollziehung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 16. Dezember 2009 auszusetzen, ist damit gegenstandslos.

Gründe

I.

1

Auf Antrag des [X.] hat der Ermittlungsrichter des [X.] am 16. Dezember 2009 angeordnet, den Beschuldigten in Untersuchungshaft zu nehmen. Er hat den Beschuldigten für dringend verdächtig gehalten, sich jedenfalls ab [X.] 2008 als "Führungskader" des "[X.]" ([X.]) in [X.] mit mindestens sechs weiteren Personen zu dem Zweck zusammengeschlossen zu haben, von [X.] aus den "[X.]" ([X.]) in [X.] Vermögens- und Sachwerte zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Gelder von tamilischen Immigranten in [X.] mit teilweise erpresserischen Mitteln einfordern zu lassen (Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 [X.]).

2

Nach der Festnahme des Beschuldigten am 3. März 2010 hat der Ermittlungsrichter mit [X.]uss vom selben Tage den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Seitdem befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Mit seiner gegen die Entscheidungen des Ermittlungsrichters gerichteten Beschwerde begehrt er die Aufhebung des Haftbefehls. Der Ermittlungsrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen; der [X.] tritt ihr entgegen.

II.

3

Auf die zulässige Beschwerde des Beschuldigten ist der Haftbefehl des Ermittlungsrichters aufzuheben und durch den aus der [X.] ersichtlichen Haftbefehl zu ersetzen.

4

1. Die gegenwärtigen Erkenntnisse ergeben nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte als Mitglied einer inländischen kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 [X.] angeschlossen hat. Der Beschuldigte ist indes dringend verdächtig, sich durch seine Mitarbeit im "[X.]" ([X.]) in [X.] an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] - den [X.] "[X.]" ([X.]) - durch eine in der Bundesrepublik [X.] ausgeübte Tätigkeit als Mitglied beteiligt zu haben (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 [X.]).

5

a) Nach den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich im Sinne eines dringenden Tatverdachts folgender Sachverhalt:

6

aa) Allgemeinkundig entstanden die [X.] im Jahre 1976 durch den Zusammenschluss verschiedener tamilischer Bewegungen in [X.], deren gemeinsames Ziel die Loslösung des mehrheitlich von [X.] besiedelten Nord- und [X.] der Insel vom [X.] geprägten [X.] war. Hierarchisch auf die Person ihres Führers [X.] und dessen Ideologie ausgerichtet, verfolgten sie ihr Ziel eines selbständigen "[X.]" in erster Linie durch bewaffneten Kampf, der sich nicht nur gegen die [X.] Regierungstruppen, sondern auch gegen rivalisierende Gruppierungen richtete. Bis 1986 gelang es ihnen, neben der Halbinsel [X.] weite Teile der Nord- und der Ostprovinzen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen, wo sie nach und nach eigene staatsähnliche Strukturen schufen. Ab 2002 wurden dort ein zentrales "politisches Büro" mit Sitz in [X.] sowie "Ministerien" für Justiz, Polizei, Finanzen und Verteidigung errichtet. Der zudem erhobene Alleinvertretungsanspruch für alle [X.] weltweit führte in der Zuständigkeit eines "Außenministeriums" zur Entwicklung von Organisationsstrukturen auch über [X.] hinaus. Der Finanzierung der [X.] dienten die in den besetzten Gebieten erhobenen "Steuern" und die "Spendengeldsammlungen" unter den Auslandstamilen.

7

Militärisch verfügten die [X.] über [X.] ("[X.]") sowie über eine Anzahl zu Kampfzwecken umgerüsteter Schnellboote ("Sea [X.]") und Flugzeuge ("Air [X.]"). Daneben unterhielten sie eine Spezialeinheit ("[X.]ack [X.]"), deren Aufgabe neben militärischen Kommandoaktionen auch Anschläge auf zivile Ziele waren. Ihren auf insgesamt mehr als 200 geschätzten Selbstmordattentaten fielen unter anderem am 21. Mai 1991 bei [X.] der [X.] Premierminister [X.] und am 1. Mai 1993 in [X.] der srilankische Staatspräsident [X.] zum Opfer.

8

Im Guerillakampf mit ihrem abtrünnigen Kommandeur [X.] ("Karuna") verloren die [X.] ab 2004 zunächst die Ostprovinzen. Verstärkte Offensiven der [X.] ab 2007 drängten sie weiter zurück, bis es im Frühjahr 2009 zu ihrer militärischen Zerschlagung kam. Ihr Führer [X.] wurde am 18. Mai 2009 von [X.] Regierungstruppen getötet.

9

bb) Die Strukturen des [X.] erhellen sich in erster Linie aus den Angaben ihm unterstellter [X.] in mehreren Gesprächen mit dem [X.] zwischen März 2006 und Januar 2007. Danach galt das [X.] als die "[X.] in [X.]" und dessen Leiter Sr. alias [X.] als der "Chef der [X.] für [X.]". Zuständig war das [X.] insbesondere für die politische Öffentlichkeitsarbeit und für die Geldsammlungen unter den in der Bundesrepublik [X.] lebenden [X.]. Seine Vorgaben und Befehle erhielt es unmittelbar aus der Zentrale der [X.] in [X.]. Bei seiner Arbeit stützte sich das [X.] auf ein bundesweites, hierarchisch aufgebautes Netz aus Gebiets-, Stadt- und [X.]. Diese waren - wie die mindestens sechs weiteren im Büro des [X.] in [X.] tätigen Personen - an die Weisungen des [X.] gebunden und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig. Gleichermaßen hat der im [X.] er Büro für Pressearbeit und [X.] das [X.] in einer Zeugenaussage beim [X.] am 8. Mai 2007 als "politische Abteilung der [X.] für [X.]" bezeichnet.

Bestätigt werden diese Angaben durch Erkenntnisse des [X.] aus der Überwachung des Post- und Telefonverkehrs des [X.] im Rahmen von [X.] - Maßnahmen. Ein Telefongespräch belegt, dass die Funktionäre der [X.] in [X.] Immigranten in [X.] bei Fragen an das [X.] verweisen ([X.] [X.] Erkenntnisse [X.]). [X.] in [X.], die sich schriftlich an das [X.] wandten, bezeichneten dieses regelmäßig als "[X.] [X.]" und dessen Leiter [X.] als "Verwalter" oder "Verantwortlichen" der "[X.] [X.]" ([X.] 177, 183, 191, 198, 205, 209, 217, 235, 262). Andere Telefongespräche bestätigen die umfassenden Direktionsbefugnisse [X.] s innerhalb des [X.] ([X.] 124, 126, 214 ff., 217).

cc) Der Beschuldigte hat sich, wie seine eigenen Äußerungen gegenüber Dritten belegen, gegenüber den [X.] zur Mitarbeit bereiterklärt, um die Freilassung seiner in [X.] zwangsrekrutierten Schwester zu erreichen. Er wurde von den [X.] deshalb - ohne nennenswerte Bezahlung - dem Büro der [X.] in [X.] zugewiesen, um dort zu "lernen"; danach sollte er nach [X.] zurückkehren und sich dort anstelle der Schwester einer kämpfenden Einheit anschließen ([X.] [X.] Erkenntnisse BfV [X.] 113 - 116). Unter der [X.] M. diente er als telefonischer Ansprechpartner nach außen, nahm Informationen für das Büro entgegen und erteilte Auskünfte allgemeiner Art, etwa zu Besprechungsterminen oder zum Undiyal-Banking, dem vom [X.] organisierten privaten Geldtransfer hier wohnhafter [X.] in die Heimat ([X.] 97, 132, 140, 147, 148).

Die Identität des M. mit dem Beschuldigten ergibt sich aus zwei Telefongesprächen, die vom Festnetzanschluss der [X.] aus geführt wurden. Am 30. Juli 2008 rief ein [X.] seinen Vater an; der Angerufene führt den Namen S. ([X.] 108). Am 20. August 2008 sprach M. mit einer Verwandten, die ihn [X.] nannte; sie gab das Gespräch an eine andere Person weiter, die ihn als [X.] begrüßte ([X.] 115).

b) Danach ist das dem Beschuldigten vorgeworfene Tatgeschehen rechtlich wie folgt zu bewerten:

aa) Die [X.] waren - jedenfalls bis zu ihrer mutmaßlichen Zerschlagung durch die [X.] Regierungstruppen im Frühjahr 2009 - eine Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit (auch) darauf gerichtet waren, Mord oder Totschlag zu begehen (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Sie bestand im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] (§ 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]), denn der Schwerpunkt ihrer organisatorischen Strukturen und ihr eigentliches Aktionsfeld befanden sich in [X.]. Allein der Umstand, dass die Strukturen und Aktivitäten einer Vereinigung teilweise in die Bundesrepublik [X.] hereinreichen - hier: Einrichtung eines "Büros" als Kontaktstelle für Unterstützer und zur Vermittlung der Ziele in der Öffentlichkeit; Aufbau eines Netzes zur Erschließung von Finanzierungsquellen - macht sie noch nicht zu einer Vereinigung (auch) im Inland.

bb) Das [X.] war keine selbständige Teilorganisation der [X.] in [X.]; entgegen der Auffassung des Ermittlungsrichters und des [X.] bildeten dessen Mitglieder deshalb keine - neben die [X.] tretende - Vereinigung gemäß § 129 [X.].

(1) Eine Vereinigung im Sinne der Vorschriften der §§ 129 ff. [X.] ist ein auf eine gewisse Dauer angelegter freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; zuletzt [X.]St 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 116 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des [X.] nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegt. Denn die bisherigen Erkenntnisse ergeben nicht, dass sich innerhalb der [X.] eine eigenständige, von der ausländischen Vereinigung abgrenzbare Willensbildung vollzog.

Die Beziehungen der im [X.] tätigen Personen untereinander erschöpften sich vielmehr in der gemeinsamen Mitgliedschaft in der [X.]. Das [X.] war nicht nur eingegliedert in deren Hierarchie, sondern nach den Angaben des Beschuldigten oblag es allein der Entscheidung der [X.], ob Personen in einer Einrichtung wie dem [X.] oder in einer kämpfenden Einheit eingesetzt wurden. Auch nach außen hin trat das [X.] auf als Repräsentanz der [X.] in [X.]. Sein Leiter [X.] war zwar weisungsberechtigt gegenüber den anderen Mitarbeitern im [X.] sowie den nachgeordneten Gebiets-, Stadt- und [X.], unterstand aber selbst unmittelbar dem politischen Büro in [X.] und war abhängig von dessen Weisungen. Gerade im Hinblick auf die Spendensammlungen verfügte das [X.] nicht über Freiräume, aus denen sich die Gesamtorganisation zurückgezogen hätte. Die [X.] hatte die Beitreibung von Spenden in [X.] nicht etwa aus ihrem Organisationsbereich ausgegliedert. Vielmehr gab es in [X.] Zuständige für die "[X.]" ([X.] [X.] Erkenntnisse BfV [X.] 22). Die eigene Nähe der [X.] zu den "Spendensammlungen" wird aber vor allem dadurch belegt, dass sie angebliche Zahlungspflichten in [X.] lebender [X.] ausschließlich mittels Verschleppung oder Zwangsrekrutierung von Familienangehörigen in [X.] durchzusetzen trachtete ([X.] 11, 25, 93). Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kam dem [X.] damit lediglich die Funktion zu, die Entscheidungsprozesse der ausländischen Kernorganisation bei gleichzeitiger Unterordnung unter deren Willensbildung im Inland umzusetzen und zu vollstrecken. Angesichts dieser Umstände sind dringende Anhaltspunkte für einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung unabhängigen Willensbildungsprozess der [X.] nicht ersichtlich.

(2) Eine eigene Willensbildung ist jedoch für eine Strafbarkeit nach § 129 [X.] auch dann nicht entbehrlich, wenn sich im Inland organisatorische Strukturen zur Unterstützung der Ziele einer ausländischen Vereinigung gebildet haben. Zwar ist der [X.] in früheren Entscheidungen von einer Anwendbarkeit der §§ 129, 129 a [X.] ausgegangen, wenn die ausländische Vereinigung zumindest in Form einer Teilorganisation auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik [X.] existierte und diese ihrerseits die Voraussetzungen der §§ 129, 129 a [X.] erfüllte, wobei in diesen Fallkonstellationen nicht verlangt wurde, dass sich die organisierte Willensbildung innerhalb der inländischen Teilorganisation vollzog. Es genügte vielmehr, dass deren Mitglieder in die Willensbildung der ausländischen oder internationalen Organisation integriert waren und sich den auf [X.] getroffenen Entschlüssen gegebenenfalls unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwarfen (vgl. [X.], 310, 312; [X.], [X.]. vom 12. Oktober 2001 - AK 14/01; [X.] in [X.]. § 129 Rdn. 36; [X.] NStZ-RR 2002, 161).

An dieser Auffassung kann aber mit [X.]ick auf die Einführung des § 129 b [X.] durch das 34. [X.] vom 22. August 2002 nicht mehr festgehalten werden. Die hierdurch veränderte Rechtslage lässt vielmehr die Verfolgung eines Mitglieds oder Unterstützers einer ausländischen Vereinigung (auch) unter dem Gesichtspunkt der Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer inländischen Teilorganisation nach §§ 129, 129 a [X.] nur noch dann zu, wenn die inländische Teilorganisation unabhängig von der ausländischen Gesamtorganisation auch einen eigenen Willensbildungsprozess vollzieht, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

§ 129 b [X.] erfasst - soweit hier von Belang - nunmehr jede Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit. Auf das Vorhandensein von Organisationsstrukturen der Vereinigung im Inland kommt es dabei nicht an. Es ist gerade die für § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] typische Fallgestaltung, dass das Handeln des [X.] im Inland bestimmt wird durch seine Einbindung in die ausländische Organisation und seine Unterwerfung unter die auf deren Ebene getroffenen Entscheidungen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es bei isoliertem Handeln eines Einzelnen verbleibt oder ob die Vorgaben der Gesamtorganisation ein Zusammenwirken des [X.] mit anderen Beteiligten im Inland bedingen, denn allein aus einer gemeinschaftlichen Beteiligungshandlung im Inland lässt sich das Bestehen einer gesonderten Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129 a [X.] nicht ableiten.

Bilden die im Inland handelnden Mitglieder einer ausländischen Vereinigung keinen eigenständigen Gesamtwillen, so weist die Tat auch keinen Unrechtsgehalt auf, der über den bereits von § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] erfassten hinausginge. [X.] der §§ 129 ff. [X.] ist die erhöhte kriminelle Intensität, die in der Gründung oder Fortführung einer festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet, die [X.] der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit für wichtige Rechtsgüter der [X.] mit sich bringt ([X.]St 31, 202, 207). Diese für größere Personenzusammenschlüsse typische Eigendynamik hat ihre spezifische Gefährlichkeit darin, dass sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen ([X.] NJW 1992, 1518). Ohne eine organisierte und auf Dauer angelegte Bildung eines Gesamtwillens, dem sich die einzelnen Mitglieder unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwerfen, kann sich eine solche Eigendynamik indes nicht entfalten (vgl. [X.]/[X.] in MünchKomm-[X.] § 129 Rdn. 4). Mangelt es der inländischen Gruppierung also an einer eigenständigen organisierten Willensbildung, so kann sie die bereits von der Gesamtorganisation ausgehende (abstrakte) Gefährdung der Allgemeinheit nicht noch weiter intensivieren.

Des weiteren knüpft § 129 b Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] die Verfolgung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] auch dann an eine Ermächtigung des [X.] und damit an eine besondere Prozessvoraussetzung ([X.] aaO Rdn. 31), wenn die Tat durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit begangen wird. Das Ermächtigungserfordernis dient der Wahrung der außenpolitischen Belange der Bundesrepublik [X.]; so können gegen eine "undifferenzierte" Strafverfolgung dann durchgreifende Bedenken bestehen, wenn ein Prozess der Verständigung zwischen den Beteiligten an einem bewaffneten Konflikt im Ausland eingeleitet wurde (BTDrucks. 14/8893 S. 8). Es entspricht damit einer gesetzgeberischen Grundentscheidung, die Verfolgung einer Tat im Sinne des § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] von der Prüfung abhängig zu machen, ob solche Belange im Einzelfall berührt sein können. Diese würde umgangen, nähme man unter Verzicht auf das Merkmal der eigenständigen Willensbildung gleichzeitig eine inländische Vereinigung an.

cc) Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich den [X.] als Mitglied angeschlossen zu haben.

(1) Der Beteiligung an einer ausländischen Vereinigung als Mitglied steht - anders als der [X.] nunmehr in der Erwiderung auf die Beschwerde meint - nicht entgegen, dass sich der Täter ausschließlich im Inland und damit außerhalb des unmittelbaren [X.] der Kernorganisation aufgehalten hat; in einem solchen Falle bedürfen nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft besonderer Prüfung ([X.]St 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 128). Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus, dass der Täter sich, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet ([X.] aaO Rdn. 123). Nach den oben dargelegten Erkenntnissen sind diese Voraussetzungen gegeben, denn der Beschuldigte hat sich willentlich in die nach [X.] hineinreichende Hierarchie der [X.] eingegliedert und dort die ihm von der Organisation zugedachten Funktionen übernommen.

(2) Zwar hat sich der Beschuldigte zur Mitarbeit bei den [X.] nur deshalb bereiterklärt, weil er die Entlassung seiner in [X.] zwangsrekrutierten Schwester erreichen wollte. Es spricht aber nichts für eine solche Zwangslage des Beschuldigten, dass er sich ohne willentliche Übereinstimmung mit der Organisation lediglich dem autoritären Verlangen ihrer Verantwortlichen unterworfen hätte. Der Mitgliedschaft steht auch nicht entgegen, dass die Tätigkeit des Beschuldigten von untergeordneter Art blieb, denn er hat dennoch den Zusammenhalt der Organisation gestärkt und zur Verwirklichung ihrer Ziele beigetragen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass beide Umstände die Tat in milderem Licht erscheinen lassen und die Straferwartung deutlich einschränken.

2. Es besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO. Nach den Umständen ist zu besorgen, dass ohne die Festnahme des Beschuldigten die Verfolgung der Tat gefährdet wäre. Trotz der eingeschränkten Straferwartung bleibt eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte, auf freien Fuß gesetzt, dem weiteren Strafverfahren durch Ausreise entziehen wird. Er ist srilankischer Staatsangehöriger, hat in [X.] familiäre Bindungen und ist nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum in der Bundesrepublik [X.] eingereist. Weniger einschneidende Maßnahmen können den Zweck der Untersuchungshaft nicht erreichen (§ 116 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte ist nach den vorliegenden Erkenntnissen eingebunden in die nach [X.] hereinreichenden Strukturen der [X.] und verfügt so über ein Netzwerk von Unterstützern, das ihm auch entgegen möglichen Auflagen und Weisungen ein Untertauchen wesentlich erleichtert.

3. Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist noch verhältnismäßig. Erteilt das [X.] die erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung (nachfolgend 4.), wird das Verfahren indes, auch wegen der eingeschränkten Straferwartung, alsbald zum Abschluss zu bringen sein. Weitere Ermittlungsansätze, die zur Vertiefung des [X.] gegen den Beschuldigten führen könnten, sind gegenwärtig nicht ersichtlich. Der [X.] geht deshalb davon aus, dass die Anklage noch vor der Haftprüfung nach § 121 Abs. 1 StPO erhoben werden kann.

4. Der Anordnung der Untersuchungshaft steht nicht entgegen, dass das [X.] am 28. Oktober 2009 erklärt hat, die nach § 129 b Abs. 1 Satz 3 [X.] erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen. Ein endgültiges Verfahrenshindernis ist damit nicht eingetreten, denn nach dem Wortlaut der Erklärung hat das [X.] auf eine Ermächtigung nicht verzichtet. Es ist lediglich davon ausgegangen, eine Strafverfolgung werde auch ohne Ermächtigung möglich sein.

Indes ist dem [X.] nunmehr gemäß § 130 StPO eine Erklärungsfrist zu setzen, denn der Haftbefehl lässt sich nach den bisherigen Ermittlungen ausschließlich auf den dringenden Verdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung stützen. Insbesondere haben sich über das [X.] hinaus keine Hinweise auf konkrete dem Beschuldigten zuzurechnende Ausführungstaten ergeben.

[X.]                               [X.]

Meta

StB 5/10

14.04.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 16. Dezember 2009, Az: 5 BGs 7/09

§ 129 Abs 1 StGB, § 129a Abs 1 StGB, § 129b Abs 1 S 1 StGB, § 129b Abs 1 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2010, Az. StB 5/10 (REWIS RS 2010, 7677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7677

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