Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2017, Az. I R 53/15

1. Senat | REWIS RS 2017, 4701

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Gegenstand

Keine Rückstellung für sog. Nachteilsausgleich bei Altersteilzeit nach § 5 Abs. 7 TV ATZ - Anwendung der aktuellen Pauschalwerttabelle zur Bemessung von Jubiläumsrückstellungen


Leitsatz

1. Arbeitgeber dürfen hinsichtlich laufender Altersteilzeitarbeitsverträge keine Rückstellungen für den sog. Nachteilsausgleich gemäß § 5 Abs. 7 TV ATZ bilden.

2. Ein Arbeitgeber, der Jubiläumsrückstellungen in seiner Bilanz zum 31. Dezember 2005 anhand der Pauschalwerttabelle des BMF-Schreibens vom 12. April 1999 (BStBl I 1999, 434) bemessen hatte, darf später im Rahmen einer noch "offenen" Veranlagung für das Jahr 2005 zur Anwendung der im BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2008 (BStBl I 2008, 1013) veröffentlichten Pauschalwerttabelle übergehen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.], [X.], vom 9. Juni 2015  6 K 1824/13 aufgehoben.

Die Klage wird im Hinblick auf die Festsetzung der Körperschaftsteuer 2004 abgewiesen.

Im Übrigen (Körperschaftsteuer 2005) wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.], [X.], zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

A.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Sparkasse in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Im Hinblick auf die Festsetzung der Körperschaftsteuer für die Jahre 2004 und 2005 (Streitjahre) bestehen zwischen der Klägerin und dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) zwei Streitpunkte, denen folgende Sachverhalte zugrunde liegen:

2

- Rückstellung für Nachteilsausgleich bei der Altersteilzeit:

3

Die Klägerin hat mit verschiedenen Mitarbeitern Verträge über Altersteilzeit abgeschlossen. [X.]rundlage dieser Verträge ist das [X.]esetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (Altersteilzeitgesetz) vom 23. Juli 1996 ([X.] 1996, 1078) und der für die Mitarbeiter der Klägerin einschlägige Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit im Öffentlichen Dienst vom 5. Mai 1998 ([X.]). Nach § 5 Abs. 7 [X.] haben die Mitarbeiter einen tariflichen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung wegen der zu erwartenden Rentenkürzung aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente (sog. Nachteilsausgleich). Die Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

4

"Arbeitnehmer, die nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung wegen einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zu erwarten haben, erhalten für je 0,3 v.[X.] eine Abfindung in Höhe von 5 v.H. der Vergütung ..., die bzw. der dem Arbeitnehmer im letzten Monat vor dem Ende des [X.] zugestanden hätte, wenn er mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit ... beschäftigt gewesen wäre. Die Abfindung wird zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gezahlt."

5

Die künftigen Abfindungszahlungen bei den [X.] hat die Klägerin in ihren Handels- und Steuerbilanzen ab Abschluss des jeweiligen [X.] in voller Höhe, jedoch abgezinst auf den Zeitpunkt der Auszahlung (Zinssatz 5,5 %) gewinnmindernd als Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten passiviert.

6

Das [X.] war der Auffassung, die Rückstellungen für die Abfindungszahlungen dürften gemäß dem Schreiben des [X.] ([X.]) vom 28. März 2007 (BStBl I 2007, 297, Rz 15) nicht bereits bei Abschluss des [X.] in voller (abgezinster) Höhe passiviert werden, sondern müssten --wie die Rückstellungen für die Lohn-Aufstockungszahlungen bei [X.] ratierlich angesammelt werden. Auf dieser [X.]rundlage ermittelte das [X.] für das Streitjahr 2004 eine [X.]ewinnerhöhung um ... € und für das Streitjahr 2005 eine [X.]ewinnminderung um ... €. Es erließ entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide.

7

- Rückstellungen für Zuwendungen anlässlich [X.]:

8

Die Klägerin gewährte ihren Mitarbeitern Zuwendungen anlässlich [X.] sowohl nach den jeweils geltenden Tarifverträgen als auch nach übertariflichen Sonderzahlungen und bildete dafür Rückstellungen (sog. [X.]). Zum 31. Dezember 2005 bildete sie die [X.] in der Handels- und Steuerbilanz, soweit die maßgebenden Dienstverhältnisse mindestens zehn Jahre bestanden und die Zuwendung das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren vorausgesetzt hatte. Den steuerlichen Ansatz der [X.] zum 31. Dezember 2005 hat die Klägerin nach dem sog. Pauschalwertverfahren nach Maßgabe des [X.]-Schreibens vom 12. April 1999 ([X.], 434) und den darin vorgegebenen Pauschalwerten mit insgesamt ... € bemessen. Dem Pauschalwertverfahren nach dem [X.]-Schreiben in [X.], 434 lagen die "[X.] 1998" von Dr. [X.] ([X.]) zugrunde.

9

Das [X.] berücksichtigte die [X.] bei Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Streitjahr 2005 erklärungsgemäß. Die Klägerin beantragte im Einspruchsverfahren, die [X.] mit ... € anzusetzen. Dieser Betrag ergebe sich unter Zugrundelegung der von der Finanzverwaltung auf der [X.]rundlage der "[X.] 2005 [X.]" von [X.] im [X.]-Schreiben vom 8. Dezember 2008 ([X.], 1013) verlautbarten neuen Pauschalwerttabelle. Das [X.] lehnte die Änderung ab, weil seiner Auffassung nach der ursprüngliche Ansatz nicht fehlerhaft gewesen sei.

Die Klage hatte in beiden Punkten Erfolg (Finanzgericht --F[X.]-- München, [X.], Urteil vom 9. Juni 2015  6 K 1824/13, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 1560).

[X.]egen das F[X.]-Urteil richtet sich die --vom F[X.] zugelassene-- Revision des [X.].

Während des Revisionsverfahrens --am 20. November 2015-- hat das [X.] [X.] für beide Streitjahre erlassen. Auswirkungen auf die Streitgegenstände ergaben sich dadurch nicht.

Das [X.] beantragt, das F[X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die [X.] vom 20. November 2015 dahin abzuändern, dass die rückgestellten Verbindlichkeiten wegen Nachteilsausgleichs gemäß § 5 Abs. 7 [X.] in voller (abgezinster) Höhe passiviert werden und dass --insoweit nur den Bescheid für 2005 betreffend-- die Höhe der [X.] zum 31. Dezember 2005 auf der [X.]rundlage der Pauschalwerttabelle gemäß dem [X.]-Schreiben in [X.], 1013 bemessen wird.

Entscheidungsgründe

B.

I. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen [X.]ründen aufzuheben, weil die nach Ergehen des [X.] erlassenen Änderungsbescheide vom 20. November 2015 an die Stelle der ursprünglich angefochtenen Bescheide getreten sind. Dem [X.] liegen infolgedessen nicht mehr existierende Bescheide zugrunde und das angefochtene Urteil kann deswegen keinen Bestand mehr haben. Da die vom [X.] festgestellten tatsächlichen [X.]rundlagen des Streitstoffs durch die Änderung der angefochtenen Bescheide unberührt geblieben sind, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O-- (z.B. Senatsurteil vom 26. Februar 2014 I R 56/12, [X.], 143, [X.], 703). Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom [X.] insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die [X.]rundlage für die Entscheidung des Senats.

II. Die Klage hat nur im Hinblick auf das Streitjahr 2005 --dem [X.]runde nach-- Erfolg; die Sache ist insoweit zur Nachholung weiterer tatsächlicher Feststellungen an das [X.] zurückzuverweisen. Im Hinblick auf das Streitjahr 2004 ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

1. Die Klage ist zulässig. Es steht der Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 [X.]O) in Bezug auf den das Streitjahr 2005 betreffenden Bescheid nicht entgegen, dass sich in dem Fall, dass die Klägerin in beiden Streitpunkten obsiegen würde, für dieses Streitjahr per Saldo eine höhere Körperschaftsteuer ergeben würde, als sie in dem angefochtenen Bescheid festgesetzt worden ist. Denn die Klägerin ist dadurch beschwert, dass das [X.] in dem Körperschaftsteuerbescheid 2005 die Rückstellungen für die [X.] niedriger bemessen hat, als von ihr beantragt, wodurch sich aus Sicht der Klägerin ein zu hoher [X.]ewinn ergeben hat. Diese Beschwer entfällt nicht dadurch, dass sich aufgrund der Rechtsauffassung der Klägerin zu dem anderen Streitpunkt (Rückstellungen für den Nachteilsausgleich) für 2005 eine gegenläufige [X.]ewinnminderung ergeben würde. Anders wäre es nur, wenn beide Streitpunkte inhaltlich in einer Weise miteinander verknüpft wären, dass ein Obsiegen in dem ersten Streitpunkt zwangsläufig auch zu einem Obsiegen im zweiten Streitpunkt führen müsste. So liegt der Fall hier aber nicht. Denn beide Streitpunkte sind inhaltlich nicht miteinander verbunden.

2. Im Hinblick auf das Streitjahr 2004 ist die Klage als unbegründet abzuweisen. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Sie durfte in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2004 keine Rückstellungen für die Verpflichtungen zur Zahlung des Nachteilsausgleichs gemäß § 5 Abs. 7 TV [X.] passivieren.

a) [X.]emäß § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs in der in den Streitjahren geltenden Fassung (H[X.]B) sind in der Handelsbilanz u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den [X.]rundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 25. Mai 2016 I R 17/15, [X.], 228, [X.], 930) und ist von der als Sparkasse buchführungspflichtigen Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (ESt[X.]) i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung auch für die Steuerbilanzen zu beachten (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2012 I R 66/11, [X.], 315, [X.], 676).

b) Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem [X.]runde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Bei den Ansprüchen der Arbeitnehmer auf Nachteilsausgleich gemäß § 5 Abs. 7 TV [X.] handelt es sich um in den Zeitpunkten des Abschlusses der jeweiligen [X.] sowohl dem [X.]runde als auch der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten. Denn der Zahlungsanspruch setzt u.a. voraus, dass dem Arbeitnehmer nach dem Ende des [X.] tatsächlich nur ein "gekürzter" gesetzlicher Rentenanspruch zusteht (vgl. Urteil des [X.] vom 30. Mai 2016  1 Sa 1/16, Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes --ZTR-- 2016, 707; Urteil des [X.] vom 19. Mai 2015  1 Sa 370 b/14, juris; Urteil des [X.] vom 6. August 2008  2 Sa 1738/07, juris). Damit fehlte es für die Entstehung der Zahlungsforderungen zu den Zeitpunkten des Abschlusses der [X.] noch an mindestens einem Tatbestandselement.

c) Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag --wie hier-- dem [X.]runde nach noch nicht rechtlich entstanden, ist eine Rückstellung nur zu bilden, wenn sie erstens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entsteht und der Steuerpflichtige daraus in Anspruch genommen wird und wenn sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 2001 I R 45/97, [X.], 216, [X.] 2003, 121; vom 6. Juni 2012 I R 99/10, [X.], 335, [X.], 196; vom 6. Februar 2013 I R 8/12, [X.], 252, [X.], 686, jeweils m.w.N.). Im Streitfall liegt nur die erstgenannte Voraussetzung vor, nicht aber auch die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeiten in den bis zu den Bilanzstichtagen abgelaufenen Wirtschaftsjahren.

aa) Die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Entstehung ist zu bejahen, wenn zum betreffenden Bilanzstichtag mehr [X.]ründe für als gegen das Entstehen der in Rede stehenden Verbindlichkeit und die künftige Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen sprechen (z.B. Senatsurteil vom 8. November 2000 I R 10/98, [X.], 406, [X.] 2001, 349). Im Streitfall war aus den abgeschlossenen Altersteilzeitvereinbarungen eine Inanspruchnahme der Klägerin hinreichend wahrscheinlich. Denn es war davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer den zugesagten Nachteilsausgleich nach dem Ende der Altersteilzeit auch in Anspruch nehmen würden.

bb) An der Verursachung der [X.] im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder in den Vorjahren fehlte es hier indessen.

aaa) Diese Passivierungsvoraussetzung erfordert, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale zu den maßgeblichen Bilanzstichtagen erfüllt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgebend ist hiernach die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalls im Lichte der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile in [X.], 252, [X.], 686; vom 15. März 2017 I R 11/15, [X.], 8, [X.] 2017, 1043). Der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung muss in der Vergangenheit liegen, so dass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt (Urteil des [X.] --BFH-- vom 17. Oktober 2013 IV R 7/11, [X.], 256, [X.], 302, m.w.N.). Unerheblich ist im Zusammenhang mit der Beurteilung der wirtschaftlichen Wesentlichkeit hingegen der [X.]rad der Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des betreffenden Tatbestandsmerkmals (vgl. Senatsurteil in [X.], 8, [X.] 2017, 1043).

bbb) Wie unter [X.] ausgeführt, ist § 5 Abs. 7 Satz 1 TV [X.] dahin auszulegen, dass der Abfindungsanspruch nur entsteht, wenn es beim Eintritt des jeweiligen Arbeitnehmers in den Ruhestand tatsächlich zu einer Rentenkürzung kommt. Bei dem Tatbestandselement des Eintritts einer Rentenkürzung, welches in Bezug auf die Arbeitnehmer, für die die Klägerin die in Rede stehenden Rückstellungen gebildet hat, zu den Bilanzstichtagen der Streitjahre noch nicht verwirklicht war, handelt es sich um ein im vorstehend beschriebenen Sinne wirtschaftlich wesentliches Tatbestandsmerkmal. Denn Sinn und Zweck der Abfindung nach § 5 Abs. 7 TV [X.] besteht gerade darin, jenen Arbeitnehmern, die aufgrund ihrer Bereitschaft zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags später eine Rentenkürzung hinnehmen müssen, einen Nachteilsausgleich zu gewähren (s.a. Urteil des [X.] in [X.], 707; Urteil des [X.] vom 19. Mai 2015  1 Sa 370 b/14, juris; Urteil des [X.] vom 6. August 2008  2 Sa 1738/07, juris). Es handelt sich bei der Rentenkürzung somit um den eigentlichen wirtschaftlichen Beweggrund für die Leistung der Abfindung. Der tatsächliche Eintritt der bei Vertragsschluss erwarteten Rentenkürzung ist daher nicht nur in rechtlich-formaler, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für die Entstehung des Abfindungsanspruchs nach § 5 Abs. 7 TV [X.].

d) Sonach hätte die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2004 keine Rückstellungen für die Verpflichtungen nach § 5 Abs. 7 TV [X.] aus laufenden Altersteilzeitarbeitsverträgen bilden dürfen. Soweit das [X.] die gebildeten Rückstellungen gleichwohl zu einem Teil anerkannt hat, darf der Senat den verfahrensgegenständlichen Bescheid aufgrund des im finanzgerichtlichen Verfahren bestehenden sog. Verböserungsverbots (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94, [X.], 74, [X.] 1997, 727) nicht zu Lasten der Klägerin ändern.

3. Hinsichtlich des [X.] ist der Rechtstreit nicht entscheidungsreif, so dass die Sache insoweit gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen ist.

a) Die [X.] zum 31. Dezember 2005 sind entsprechend dem Begehren der Klägerin auf der [X.]rundlage der im [X.]-Schreiben in [X.], 1013 verlautbarten, anhand der "[X.] 2005 [X.]" von [X.] errechneten [X.] zu bemessen. Dass die Klägerin in ihrer Steuererklärung noch die [X.] aus dem [X.]-Schreiben in [X.], 434 zugrunde gelegt hatte, steht dem nicht entgegen.

aa) [X.] dürfen gemäß § 5 Abs. 4 ESt[X.] nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der [X.] seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt. Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] sind diese Voraussetzungen im Hinblick auf die von der Klägerin zum 31. Dezember 2005 gebildeten [X.] erfüllt. Die Revision hat insoweit keine Einwendungen erhoben.

bb) Für die Bemessung des [X.] von [X.] bedarf es zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens von Mitarbeitern wegen Todes oder Invalidität versicherungsmathematischer Berechnungen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1987 IV R 81/84, [X.], 55, [X.] 1987, 845; [X.]-Schreiben vom 29. Oktober 1993, [X.], 898). Zu diesem Zweck greift die Praxis --auch die Finanzverwaltung (z.B. [X.]-Schreiben in [X.], 1013; in [X.], 898, sowie in [X.], [X.] in der Regel auf die [X.] von [X.] zurück, wogegen von Rechts wegen nichts zu erinnern ist (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 II R 122/91, [X.], 384, [X.] 1995, 14, zur bewertungsrechtlichen Teilwertberechnung von Pensionsverpflichtungen; s. z.B. auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 5 ESt[X.] Rz 2031; [X.]/ [X.], § 5 ESt[X.] Rz 848).

cc) Im Streitfall hat die Klägerin von der seitens der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen angebotenen Möglichkeit der sog. Pauschalbewertung für [X.] [X.]ebrauch gemacht. Bei dieser Bewertungsmethode muss der Steuerpflichtige nicht, wie beim sog. Teilwertverfahren, die einzelnen relevanten Bezugsgrößen und versicherungsmathematischen Werte für jeden Arbeitnehmer zusammenstellen und den sich daraus ergebenden Barwert der Verpflichtung ermitteln. Vielmehr setzt die Finanzverwaltung auf der [X.]rundlage der [X.] [X.] fest und veröffentlicht diese in Form einer Tabelle, aus der der Steuerpflichtige die Höhe der anzusetzenden [X.] anhand der vom betreffenden Arbeitnehmer bereits abgeleisteten Dienstjahre und des Leistungszeitpunkts der jeweiligen Jubiläumszuwendung ablesen kann (vgl. die Anlagen zu den [X.]-Schreiben in [X.], 898; in [X.], 434, und in [X.], 1013). Von der gewählten Bewertungsmethode --Teilwert- oder [X.] kann der Steuerpflichtige nach den Vorgaben des [X.] nur einheitlich [X.]ebrauch machen; zudem ist an der getroffenen Wahl grundsätzlich für fünf Wirtschaftsjahre festzuhalten ([X.]-Schreiben in [X.], 898, und in [X.], 1013, Rz 11).

[X.]egen ein derartiges Angebot einer vereinfachten Wertermittlung aufgrund einer verwaltungsseitigen Pauschalierungsmethode bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, weil das Verfahren allgemein anerkannt ist, eine praktikable und hinreichend sichere Schätzung der höchstmöglichen zukünftigen Belastungen ermöglicht (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 5 ESt[X.] Rz 2031; [X.]/[X.], § 5 ESt[X.] Rz 848; [X.] in [X.]., 10. Aufl., § 249 H[X.]B Rz 100 "Jubiläumszuwendung"; Tormöhlen in Korn, § 5 ESt[X.] Rz 597) und es dem Steuerpflichtigen unbenommen bleibt, stattdessen die exakten versicherungsmathematischen Barwerte aufgrund der Teilwertmethode zu ermitteln und anzusetzen.

dd) Die Anerkennung der Pauschalwertmethode setzt allerdings voraus, dass die Verwaltung die von ihr errechneten und vorgegebenen [X.] auf der [X.]rundlage der jeweils aktuellen Version der verwendeten versicherungsmathematischen [X.] bemisst und bei Erscheinen einer neuen Version dieser [X.] eine Neuberechnung der [X.] vornimmt sowie eine neue Pauschalwerttabelle zur Verfügung stellt. Im Falle der im Juli 2005 veröffentlichten neuen "[X.] 2005 [X.]" von [X.] ist das [X.] dem in der Weise nachgekommen, dass es eine neue Pauschalwerttabelle als Anlage zum [X.]-Schreiben in [X.], 1013 veröffentlicht hat. Dieses Schreiben soll gemäß dessen Rz 17 "grundsätzlich in allen noch offenen Fällen anzuwenden" sein. Zur zeitlichen Anwendung der neuen Pauschalwerttabelle heißt es in Rz 21 dieses [X.]-Schreibens:

"Die Anlage dieses Schreibens kann frühestens der pauschalen Bewertung von Rückstellungen für Zuwendungen anlässlich eines Dienstjubiläums am Ende des Wirtschaftsjahres zugrunde gelegt werden, das nach dem 6. Juli 2005 ([X.] der '[X.] 2005 [X.]' von Prof. Klaus [X.]) endet, wenn auch bei der Bewertung eventuell vorhandener Pensionsverpflichtungen und sonstiger versicherungsmathematischer Bilanzposten des Unternehmens der Übergang auf die '[X.] 2005 [X.]' erfolgt ist ..."

ee) Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben des [X.]-Schreibens in [X.], 1013 war das [X.] im Streitfall gehalten, entsprechend dem im Einspruchsverfahren gestellten Antrag der Klägerin die neue Pauschalwerttabelle anzuwenden. Denn das streitgegenständliche Festsetzungsverfahren war aufgrund des Einspruchs noch "offen"; außerdem endete das der Veranlagung zugrundeliegende Wirtschaftsjahr nach dem 6. Juli 2005, nämlich am 31. Dezember 2005. Dass in der Steuerbilanz der Klägerin zum 31. Dezember 2005 noch Pensionsverpflichtungen oder sonstige versicherungsmathematische Bilanzposten enthalten waren, die nicht auf der [X.]rundlage der "[X.] 2005 [X.]" von [X.] ermittelt worden sind, hat das [X.] nicht festgestellt, das [X.] nicht vorgetragen und die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung --unwidersprochen-- verneint.

Das [X.] hat den Änderungsantrag ausschließlich mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2005 für die Bemessung der Höhe der [X.] noch die "alten" [X.] aus dem [X.]-Schreiben im [X.], 434 zugrunde gelegt. Dieser Ablehnungsgrund lässt sich indessen aus den Vorgaben des [X.]-Schreibens in [X.], 1013 nicht ableiten. Die Argumentation des [X.] steht vielmehr in Widerspruch zu der grundsätzlichen Vorgabe in Rz 17 des Schreibens, der zufolge das Schreiben für alle noch "offenen" Fälle Anwendung finden solle. Denn jenen Steuerpflichtigen, die sich auf das vom [X.] angebotene Pauschalwertverfahren festgelegt hatten, blieb auch nach der [X.] der "[X.] 2005 [X.]" im Juli 2005 bis zur [X.] der neuen Pauschalwerttabelle durch das [X.] im Dezember 2008 keine andere Möglichkeit, als für die Bemessung ihrer [X.] noch auf die alte Pauschalwerttabelle aus dem [X.]-Schreiben in [X.], 434 zurückzugreifen. Die Sichtweise des [X.] würde somit im Ergebnis dazu führen, dass die neue Pauschalwerttabelle erstmals für jene Wirtschaftsjahre hätte Anwendung finden können, für die zum Zeitpunkt der [X.] der neuen Pauschalwerttabelle im Dezember 2008 eine Steuerbilanz noch nicht beim [X.] eingereicht war. Eine Anwendung der neuen Tabelle auf die in den [X.] 2005 bis 2007 endenden Wirtschaftsjahre wäre damit --entgegen der Vorgabe des [X.]-Schreibens in [X.], 1013-- faktisch ausgeschlossen.

Keiner Entscheidung bedarf in diesem Zusammenhang, ob --wie die Revision meint-- nach den Vorgaben des [X.]-Schreibens in [X.], 1013 den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte, die [X.] noch nach der alten oder schon nach der neuen Pauschalwerttabelle zu bewerten oder ob die Anwendung der neuen Pauschalwerttabelle bei Vorliegen der im [X.]-Schreiben genannten Anwendungsvoraussetzungen verpflichtend sein sollte. Denn die Klägerin hätte von einem ihr durch das [X.]-Schreiben eingeräumten Wahlrecht dadurch [X.]ebrauch gemacht, dass sie die Anwendung der neuen Tabelle im Rahmen ihres [X.] zur Steuerfestsetzung verlangt hat.

ff) Die Klägerin kann sich gegenüber dem [X.] auf die angesprochenen Übergangsregelungen des [X.]-Schreibens in [X.], 1013 berufen. Bietet die Finanzverwaltung für die bilanzielle Bewertung eines bestimmten Wirtschaftsguts im Rahmen von Verwaltungsanweisungen ein allgemeingültiges vereinfachtes Bewertungsverfahren an, welches auf verwaltungsseitig ermittelten und veröffentlichten [X.]n beruht, dann ist sie aufgrund des [X.]leichbehandlungsgebots gemäß Art. 3 Abs. 1 des [X.]rundgesetzes gehalten, die dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen bei allen Steuerpflichtigen gleichmäßig anzuwenden (sog. Selbstbindung der Verwaltung durch typisierende oder pauschalierende Verwaltungsanweisungen, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. Februar 1970 VI R 325/67, [X.], 353, [X.] 1970, 380; [X.]/[X.]ersch, [X.], 13. Aufl., § 4 Rz 9).

b) Welche Auswirkungen die Berücksichtigung der höheren [X.] auf die Höhe der für das [X.] festzusetzenden Körperschaftsteuer hat, lässt sich für den Senat anhand der Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht abschließend beurteilen. Zu berücksichtigen ist hierbei nämlich, dass das [X.] auch im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2005 zugunsten der Klägerin einen Teil der gebildeten Rückstellungen für den Nachteilsausgleich gemäß § 5 Abs. 7 TV [X.] anerkannt hat und dass dies auf der [X.]rundlage der obigen Ausführungen zu [X.] zu Unrecht geschehen ist. Der sich daraus für die Klägerin ergebende Vorteil muss mit dem sich aus den vom [X.] zu niedrig angesetzten [X.] ergebenden Nachteil saldiert werden. Das prozessuale Verböserungsverbot hindert das [X.]ericht nicht, innerhalb des vom [X.] festgesetzten Steuerbetrags einzelne Besteuerungsgrundlagen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für den Steuerpflichtigen ungünstiger zu beurteilen, als dies in dem angefochtenen Steuerbescheid geschehen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 19. November 2013 XI B 9/13, [X.], 373, m.w.N.).

Im Streitfall ist daher für eine Änderung der Steuerfestsetzung für 2005 aufgrund der zu niedrig angesetzten [X.] nur Raum, wenn und soweit bei Saldierung mit den für die Klägerin positiven Folgen der teilweisen Anerkennung der Rückstellungen für den Nachteilsausgleich ein für die Klägerin negativer Saldo verbleibt. Ob und inwieweit dies der Fall ist, lässt sich anhand der tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht beurteilen. Denn das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, mit welchen konkreten Beträgen das [X.] die Rückstellungen für den Nachteilsausgleich für das Streitjahr 2005 anerkannt hat. Die erforderlichen Feststellungen sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

III. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O. Auch bei einer nur teilweisen Zurückverweisung der Sache ist dem [X.] im Hinblick auf den [X.]rundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung die Entscheidung über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 21. Januar 2016 I R 22/14, [X.], 82, [X.] 2017, 336, m.w.N.).

Meta

I R 53/15

27.09.2017

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 9. Juni 2015, Az: 6 K 1824/13, Urteil

§ 5 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 5 Abs 4 EStG 2002, § 249 Abs 1 S 1 HGB, § 5 Abs 7 AltTZTV, EStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2017, Az. I R 53/15 (REWIS RS 2017, 4701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4701


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I R 53/15

Bundesfinanzhof, I R 53/15, 27.09.2017.


Az. 6 K 1824/13

FG München, 6 K 1824/13, 09.06.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I R 69/11 (Bundesfinanzhof)

Passivierung "angeschaffter" Pensionsrückstellungen - Verlustrücktrag bei Organschaft - Umdeutung einer unzulässigen Hauptrevision in eine zulässige …


XI R 34/16 (Bundesfinanzhof)

Zum Ausweis der Pensionsrückstellung im Jahr der Zusage unter Berücksichtigung neuer "Heubeck-Richttafeln" - Die Entscheidung …


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