Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2013, Az. XI ZR 420/10

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5461

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
XI
ZR
420/10
Verkündet am:

28.
Mai 2013

Herrwerth,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat
im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 28.
März
2013
eingereicht werden konnten, durch [X.] [X.], [X.] [X.], Maihold
und Pamp
sowie die Richterin Dr. Menges

für Recht erkannt:

Unter Zurückweisung der
als
[X.] statthaften [X.] der Klägerin wird auf die Revision der [X.]n das Urteil des 19.
Zivilsenats des [X.] am Main
vom 3.
November
2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.]n erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin
nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung einer Beteili-gung an der

V.

4 GmbH & Co. KG (im [X.]: V
4) in Anspruch.
Die Klägerin
zeichnete
über die [X.]
am 28.
September
2004 eine Beteiligung an V
4 im Nennwert von 25.000

gio in Höhe von 1
2
-
3
-
1.250

sie
in Höhe von 11.375

.

AG finanzierte.
Nach dem Inhalt des Verkaufsprospekts sollten 8,9% der [X.] und außerdem das [X.] in Höhe von 5% zur Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgarantie und Finanzierungsvermittlung durch die V.

AG (im Folgenden: [X.]) verwendet werden. Die [X.] durfte laut Prospekt ihre Rechte und Pflichten aus der [X.] übertragen. Die [X.] erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in [X.] von 8,45% bis 8,72% der Zeichnungssumme, ohne dass dies der
Klägerin
offengelegt wurde.
Die Klägerin
verlangt mit ihrer
Klage unter Berufung auf mehrere Aufklä-rungs-
und Beratungsfehler, Zug um Zug gegen Abtretung
der Beteiligung, Rückzahlung des eingesetzten Kapitals in Höhe von 14.875

ent-gangenen Gewinns
in Höhe von 8% p.a. ab
Zeichnung der Anlage
und, jeweils nebst Prozesszinsen, die Erstattung von 1.288

Zinsen wegen Aberkennung der zunächst gewährten Steuervorteile sowie Er-satz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.295,51

. Des [X.] verlangt die Klägerin
die Feststellung, dass die [X.] verpflichtet
ist, bis zur Fälligkeit am 30.
November 2014 den Betrag zu zahlen, der zur Ablösung der Schuld aus dem [X.] der B.

AG notwendig ist. Schließlich begehrt sie die Feststellung, dass die [X.] zum Ersatz jedes weiteren Schadens aus der
Beteiligung verpflichtet ist, sowie die Feststellung
des Annahmeverzugs der [X.]n. Das [X.] hat nach Vernehmung des Ehemanns der Klägerin, des Zeugen V.

, und des Mitarbeiters der [X.]n, des [X.]

, die Klage mangels Zu-standekommens eines Beratungsvertrages abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin
hat das Berufungsgericht, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im 3
4
-
4
-
Übrigen, die [X.] im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. [X.] Gewinn hat es jedoch nur in Höhe von 2% p.a. vom 28.
September 2004 bis 21.
Dezember 2007 und anschließend Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe, jedoch maximal 8%, sowie Rechtsanwaltskosten nur in Höhe von 1.307,81

zuerkannt. Der Feststellungsantrag hinsichtlich der weiteren Schäden ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer

vom Berufungsgericht zugelassenen

Revision begehrt die [X.] die Zurückweisung der Berufung.
Die Klägerin verfolgt mit ihrem Rechtsmittel ihr Begehren hinsichtlich des entgangenen Gewinns in Höhe von weiteren 2% p.a. und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie den Feststellungsantrag hinsichtlich der zukünftigen
Schäden
weiter.

Entscheidungsgründe:
A. Revision der [X.]n
Die Revision der [X.]n ist zulässig und begründet. Sie
führt zur Auf-hebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil der [X.]n entschieden worden ist.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Zwischen den [X.]en sei stillschweigend ein Beratungsvertrag [X.] gekommen. Das [X.] habe den Abschluss eines [X.] 5
6
7
8
-
5
-
auf Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme rechtsfehlerhaft mit dem Argument, Gespräche über die Anlage hätten nicht stattgefunden, ver-neint und dabei insbesondere wesentlichen Sachvortrag der [X.]en [X.] gelassen. Auch wenn der Inhalt des Beratungsgesprächs zwischen den [X.]en streitig sei und dabei insbesondere die Frage, ob der Berater über die mit der Anlage verbundenen Risiken aufgeklärt habe, unterschiedlich dar-gestellt werde, so stimme ihr Vortrag im [X.] insoweit überein, dass ein [X.] über die konkrete Kapitalanlage geführt worden sei. Insbesondere der unstreitig gebliebene Vortrag der Klägerin, wonach
ihr Ehemann das Bera-tungsgespräch mit der "Beraterschaft"
der [X.]n geführt habe und sich ihr Steuerberater nicht in die Diskussion eingemischt habe, verdeutliche, dass ein Beratungsgespräch geführt worden sei. Anderes lasse sich auch nicht aus der Beweisaufnahme und insbesondere der Aussage
des Zeugen V.

herlei-ten. Soweit dieser bekundet habe, Gespräche hätten nicht stattgefunden, könne diese
Aussage den unstreitigen Vortrag nicht gegenstandslos machen. Deshalb sei nur
vollständigkeitshalber angemerkt, dass der Zeuge H.

bekundet ha-be, ergänzend und korrigierend in die Ausführungen des Steuerberaters [X.] zu haben. Allein dadurch sei unzweideutig eine Beratung vorgenommen worden.
Aufgrund des [X.]
habe die [X.] die Klägerin
darauf hinweisen müssen, dass sie für die Vermittlung der Beteiligung
von der
Fonds-gesellschaft Rückvergütungen in Höhe von mindestens 8,45% erhalte. Hierbei handele es sich um aufklärungspflichtige Rückvergütungen im Sinne der Recht-sprechung des [X.]. Aus den Fondsprospekten werde, unge-achtet der ohnehin nicht rechtzeitigen Aushändigung, nicht hinreichend deutlich, dass die [X.] eine Vergütung erhalte. Jedenfalls werde keine Größenord-nung der Provisionen angegeben, die die [X.] erhalte. Das vermutete [X.] habe die [X.] nicht entkräften können. Im Zeitpunkt der [X.]
-
6
-
tungsgespräche habe es keine Rechtsprechung gegeben, die es der [X.]n erlaubt hätte, die hinter dem Rücken des Anlegers erlangten Rückvergütungen nicht zu offenbaren.
Die Zeichnung der Anlage beruhe auch auf der unterlassenen Aufklärung über die Rückvergütungen. Stehe eine [X.] fest, streite für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Die [X.] deshalb beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte. Die von der [X.]n aufgezeigten,
theoretisch denkbaren Handlungsmöglichkeiten stellten keinen konkreten Bezug zur Kläge-rin her. Im Übrigen spreche eine Lebenserfahrung dafür, dass ein Anleger, der wisse, dass eine Anlageempfehlung auf dem eigenen Provisionsinteresse der beratenden Bank beruhe, diese Empfehlung typischerweise kritischer würdigen werde, als wenn ihm dies
verborgen bleibe.

II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. [X.] hat das Berufungsgericht das Zustandekommen ei-nes Anlageberatungsvertrages zwischen der Klägerin und der [X.]n bejaht.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wird zwar dann, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages bera-ten zu werden bzw. zu beraten, das darin liegende Angebot zum Abschluss ei-nes Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsge-spräches angenommen (st. Rspr. u.a. Senatsurteile vom 6.
Juli 1993

XI
ZR 12/93, [X.], 126, 128
und vom 19.
März 2013

XI
ZR 431/11, [X.], 10
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13
-
7
-
789 Rn.
17, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, jeweils mwN). Jedoch kann nach den Umständen des Einzelfalls das Zustandekommen eines [X.] zu verneinen sein. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Bank keine Beratung anbietet ([X.], Urteil vom 19.
März 2013

XI
ZR 431/11, [X.], 789 Rn.
17
f. zur Direktbank;
allgemein [X.] in [X.]/
Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier-
und Derivategeschäft, 4.
Aufl., Rn.
1037 mwN) oder der Kunde eine Beratung nicht wünscht ([X.], Urteil vom 14.
Mai 1996

XI
ZR 188/95, [X.], 1214, 1216). Davon ist im Regelfall auszugehen, wenn ein Anleger zu einer Bank kommt und gezielte [X.] zum Erwerb eines bestimmten, von ihm zuvor ausgesuchten Produkts erteilt. In einem solchen Fall darf die Bank davon ausgehen, dass eine beson-dere Beratung weder gewünscht wird noch erforderlich ist
([X.], Urteil
vom 19.
Mai 1998

XI
ZR 216/97, [X.] 139, 36, 38
f.). Gleiches gilt, wenn ein An-leger

beraten durch einen Steuerberater

zur Erzielung eines
bestimmten Steuerspareffekts gezielt ein bestimmtes Steuersparmodell zeichnet ([X.] aaO Rn.
1038). Erst recht gilt das, wenn er zu diesem Zwecke nicht seine Hausbank, sondern eine ihm bis dahin unbekannte Bank aufsucht ([X.] aaO).
b) Ob nach diesen Grundsätzen stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist oder nicht, ist
eine Frage der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls gemäß §
286 Abs.
1 Satz
1 ZPO, die dem Tatrichter obliegt und revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar
ist, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und dem Ergebnis der Beweisaufnah-me umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk-
und Erfah-rungsgesetze verstößt (vgl. Senatsurteil vom 29.
Juni 2010

XI
ZR 104/08, [X.] 186, 96
Rn.
38 mwN).

14
-
8
-
aa) Dieser Prüfung halten die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht stand.
Das [X.] hat unter Würdigung der Aussagen der von ihm ver-nommenen Zeugen V.

und H.

das Zustandekommen eines [X.] nicht festzustellen vermocht. [X.] hat das [X.] weder die durch das [X.] festgestellten Tatsachen auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft (§
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO) noch die vom [X.] erhobenen Beweise gewürdigt
oder selbst Beweis erhoben.
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat das [X.] keinen

unstreitigen

wesentlichen Sachvortrag zum Anlagegespräch [X.] gelassen.
Der erstinstanzliche Vortrag der
[X.]n, auf den das Berufungsgericht verweist, war durch den Vortrag der [X.]n im nachgelassenen Schriftsatz vom 15.
Dezember 2009 -
und damit vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz

überholt. In jenem Schriftsatz hat sich die [X.] das [X.] der Beweisaufnahme ausdrücklich zu eigen gemacht und unter [X.] auf die Aussagen der beiden Zeugen vorgetragen, dass eine Beratung sei-tens der [X.]n nicht vorgelegen habe
und der Entschluss der Klägerin [X.] aufgrund der Darstellung und Empfehlung ihres Steuerberaters erfolgt sei. Von einem unstreitigen [X.]vortrag über eine tatsächlich erfolgte Beratung kann daher, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, keine Rede sein.
Auch in der Berufungsinstanz ist der vom Berufungsgericht als unstreitig bezeichnete [X.]vortrag von der [X.]n nicht mehr gehalten worden. In der Berufungserwiderung vom 9.
Juli 2010 hat die [X.] ihren Vortrag aus dem nachgelassenen Schriftsatz wiederholt und vertieft.
Nach den tatbestandli-chen Feststellungen des Berufungsurteils
hat die [X.]
in der Berufungs-instanz ausdrücklich vorgetragen, dass sie, wie sich aus der in erster Instanz 15
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18
-
9
-
durchgeführten Beweisaufnahme ergeben habe, keine Beratungsleistung er-bracht habe.

cc) Darüber hinaus durfte das Berufungsgericht nicht von der Beweis-würdigung des [X.]s abweichen, ohne die beiden Zeugen erneut zu vernehmen.
Das
Berufungsgericht ist nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO
grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts des ersten [X.] gebunden. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungser-heblichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil, ist in aller Regel eine [X.] Beweisaufnahme geboten (vgl. [X.], NJW 2005, 1487; [X.], NJW 2011, 49
Rn.
14; [X.], Beschlüsse vom 14.
Juli 2009
-
VIII
ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291
Rn.
5, vom 9.
Februar 2010 -
XI
ZR 140/09, [X.], 515, 516
und vom 21.
März 2012
-
XII
ZR 18/11, NJW-RR 2012, 704
Rn.
6). Das [X.] ist in einem solchen Fall nach §
398 ZPO
verpflichtet, in erster In-stanz vernommene Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es deren protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will.
So liegt der Fall hier.
Die Annahme des Berufungsgerichts, dass
die Aussage
des [X.]

in der erstinstanzlichen Vernehmung, er habe er-gänzend und korrigierend in die Ausführungen des Steuerberaters eingegriffen, "unzweideutig"
auf eine Beratung schließen
lasse, weicht von der Würdigung des [X.]s ab, das einen Beratungsauftrag aufgrund dieser Aussage ge-rade nicht zu erkennen mochte. Außerdem durfte das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen V.

nicht abweichend vom [X.] unberück-sichtigt lassen. Zum einen durfte es nicht isoliert nur die Aussage des
Zeugen
H.

würdigen, sondern musste dabei auch die Aussage des Zeugen V.

in die Würdigung mit einbeziehen. Zum anderen hat das Berufungsgericht ver-19
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-
kannt, dass sich eine [X.]

unabhängig davon, dass sich die [X.] die Bekundungen des Zeugen ausdrücklich zu eigen gemacht hatte

nach der Rechtsprechung des [X.] die bei einer Beweisaufnahme zu [X.] tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise
zu eigen macht (vgl. dazu auch [X.], Urteil vom 8.
Januar 1991 -
VI [X.], NJW
1991, 1541, 1542 und Beschluss vom 10.
November 2009 -
VI
ZR 325/08, NJW-RR 2010, 495 Rn.
5).
c) Entgegen der Auffassung
der
Revisionserwiderung
war die [X.] nicht aufgrund eines vorherigen Geständnisses gehindert,
ein Beratungsge-spräch zu bestreiten.
Ob die Prozesshandlung einer [X.] die vom Gesetz aufgestellten Vo-raussetzungen für ein Geständnis erfüllt, kann vom Senat
zwar selbst und auch erstmalig geprüft werden ([X.], Urteil vom 7.
Dezember 1998 -
II
ZR 266/97, NJW
1999, 579, 580 mwN).
Das ist dem Senat hier aber nicht möglich, da die Revisionserwiderung offen
lässt, durch welche in der mündlichen Verhandlung -
gegebenenfalls durch Bezugnahme auf Schriftsätze
-
abgegebene Erklärung die [X.] welche konkrete Tatsachenbehauptung der Klägerin zugestanden haben soll (zu den Voraussetzungen eines Geständnisses vgl. [X.] in [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
288 Rn.
5
ff.).
2. Da eine Bank nur dann verpflichtet ist, einen Anleger über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären, wenn zwischen beiden

konkludent

ein Anlagebera-tungsvertrag geschlossen worden ist (vgl. nur Senatsurteile vom 19.
Dezember 2006

XI
ZR 56/05, [X.] 170, 226 Rn.
22
f. und vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
17 sowie Senatsbeschluss vom 9.
März 2011

XI
ZR 191/10, [X.], 925 Rn.
20
ff.), scheidet eine Aufklärungspflichtver-22
23
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-
11
-
letzung der [X.]n nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsge-richts aus.

III.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen zum Zu-standekommen eines
Beratungsvertrages nachzuholen haben und insofern ge-gebenenfalls die Zeugen V.

und H.

zu vernehmen haben. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung wiederum das Zustandekommen eines Beratungsvertrages bejahen, weist der Senat für das weitere Verfahren
vorsorglich auf seine Ausführungen im
Urteil vom 8.
Mai 2012 (XI
ZR 262/10, [X.] 193, 159 Rn.
16
ff.) hin.

B. Revision der Klägerin
Das Rechtsmittel der
Klägerin hat keinen Erfolg.

I.
Die Revision der Klägerin ist unzulässig, jedoch als [X.] fortzuführen.
25
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28
-
12
-
Das Berufungsgericht hat die Revision nur zugunsten der [X.]n, nicht jedoch zugunsten der Klägerin zugelassen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor des Berufungsurteils, jedoch durch Auslegung der Urteilsgründe, wie der Senat bereits mehrfach für identische Formulierungen des Berufungs-gerichts entschieden hat (vgl. Senatsbeschluss
vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 261/10, WM
2012, 1211 Rn.
6
f. mwN). Die unzulässige Revision kann indes-sen in eine [X.] umgedeutet werden (vgl. Senatsbeschluss aaO
Rn.
9). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der [X.] liegen vor, insbesondere wurde das Rechtsmittel bereits vor Beginn der Monatsfrist des §
554 Abs.
2 Satz
2, Abs.
3 Satz
1 ZPO begründet.

II.
Das Berufungsgericht hat

soweit für die [X.] von Interes-se

im Wesentlichen ausgeführt:
Die
Zinsforderung der Klägerin sei, abgesehen vom Verzugszins, nur in Höhe von 2%
begründet. Ein solcher Zinsschaden sei hinreichend dargelegt. Das eingesetzte Eigenkapital bleibe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt, sondern werde zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt. Mit Rücksicht darauf, dass es der Klägerin
bei der Kapitalanlage auf Steuerersparnis und Sicherheit angekommen sei, könne ein über 2% hinausgehender Anlagezins aber nicht festgestellt werden.
Keinen Erfolg habe die Klage, soweit sie sich auf die Feststellung jegli-chen weiteren Schadens richte.
Insoweit sei die Klage mangels Feststellungsin-teresses unzulässig. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb "mit Weiterung auf der steuerlichen Seite zu rechnen sei"
oder aus der mittelbaren Gesellschafter-29
30
31
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13
-
stellung weitere Aufwendungen für Beratung und Vertretung erforderlich sein könnten.
Die Klägerin habe jedoch Anspruch auf Ersatz der von ihr aufgewandten vorgerichtlichen Anwaltskosten. Allerdings sei die in der Kostennote in Ansatz gebrachte 2,3fache Gebühr auf 1,3 zu reduzieren. Vor dem Hintergrund, dass es sich vorliegend um eine Tätigkeit im Rahmen einer Vielzahl von Parallelver-fahren handele, sei die vom Bevollmächtigten gerade für die Klägerin entfaltete Tätigkeit nicht als umfangreich und schwierig zu bewerten.

III.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
1. Ohne Erfolg begehrt die [X.] entgangene Anlagezinsen in Höhe von 4% p.a. ab Zeichnung der Anlage bis zum Eintritt des Verzugs.
a) Das Berufungsgericht hat den entgangenen Zinsgewinn rechtsfehler-frei nach §
287 ZPO auf 2% p.a. geschätzt.
aa) Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages umfasst nach §
252 Satz
1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Der Anleger kann sich hierbei gemäß §
252 Satz
2 BGB auf die allge-meine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (Senatsurteile vom 24.
April 2012 -
XI
ZR 360/11, WM
2012, 1188 Rn.
11 und vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
64, jeweils mwN). Zur Feststellung der Höhe des allgemein übli-chen Zinssatzes kann der Tatrichter von der Möglichkeit einer Schätzung nach 33
34
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36
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14
-
§
287 Abs.
1 ZPO Gebrauch machen (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
64 mwN). Diese Schadensschätzung, die der Tatrichter

anhand des gesamten Streitstoffs

nach freiem Ermessen vorzu-nehmen hat, unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das [X.]sgericht dahingehend, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der [X.]en unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der [X.] ver-kannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer [X.] gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
65 mwN).
Solche Rechtsfehler hat die [X.] nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Be-rufungsgericht die Anlageziele der Klägerin
bei der Schätzung der erzielbaren Rendite berücksichtigt hat (Senatsurteile vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
65 mwN und vom 24.
April 2012 -
XI
ZR 360/11, WM
2012, 1188 Rn.
14). Der Geschädigte hat auch keinen Anspruch auf einen (gesetzli-chen) Mindestschaden unabhängig vom [X.]vortrag (Senatsurteil vom 24.
April 2012 -
XI
ZR 360/11, WM
2012, 1188 Rn.
18).
b) Der Geschädigte kann den Schaden zwar auch konkret berechnen. Hierzu muss er allerdings darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche [X.] Anlage er erworben und welchen Gewinn er daraus erzielt hätte. Insoweit gelten keine Darlegungs-
und Beweiserleichterungen (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
67). Auf derartigen Vortrag vermag die [X.] nicht zu verweisen. Die von der [X.]
erho-bene Verfahrensrüge
hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§
564 Satz
1 ZPO).
38
39
-
15
-
2. Des Weiteren hat das Berufungsgericht den Feststellungsantrag zu-treffend als unzulässig abgewiesen.
a) Die Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt die Möglichkeit des Schadeneintritts voraus. Bei reinen Vermögensschäden hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus sogar von der hinreichenden Wahr-scheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückgehenden Schadenein-tritts ab (Senatsurteil vom 24.
Januar 2006

XI
ZR 384/03, [X.] 166, 84 Rn.
27 mwN).
b) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach es an der Mög-lichkeit eines zukünftigen Schadens fehlt, ist nichts zu erinnern. Jedenfalls ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens nicht substantiiert dargelegt.
Die
Klägerin
hat vorgetragen, dass die gewährten Steuervorteile bereits durch geänderte Steuerfestsetzungen aberkannt worden sind. Es sind daher weder weitere Steuernachforderungen, die ohnehin nicht ersatzpflichtig wären, noch Zinsen hierauf gemäß §
233a [X.] ersichtlich (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
75). Soweit die [X.] Beratungs-
und Vertretungsbedarf hinsichtlich der Ab-
bzw.
Anerkennung der Verlustzuweisungen geltend macht, ist das -
nicht ersatzfähige
-
positive (Steu-erspar-)Interesse der Klägerin
an der Beteiligung
betroffen (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]
193, 159 Rn.
76). Dass die Klägerin
für die Dauer
der Beteiligung an der
Fondsgesellschaft Depotgebühren zahlen müsse, ist, entgegen der Auffassung der [X.], nicht "offenkundig", der Vortrag daher unsubstantiiert. Ohne Erfolg verweist die [X.] schließlich auf die Einkommensteuerbarkeit der Schadenersatzleistung. Diese Nachteile sind abschließend bei
Bemessung der Ersatzleistung aufgrund pau-40
41
42
43
-
16
-
schalisierender Betrachtungsweise der steuerlichen Vor-
und Nachteile im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteile
vom 1.
März 2011 -
XI
ZR 96/09, WM
2011, 740 Rn.
8
f. und vom 23.
April 2012 -
II
ZR 75/10, WM
2012, 1293 Rn.
40).
3. Ohne Erfolg wendet sich die [X.] schließlich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz vor-gerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer Geschäftsgebühr von nur 1,3 (Nr.
2300 VV RVG).
Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach §
14 Abs.
1 Satz
1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr

wie hier

von einem Dritten zu [X.], ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß §
14 Abs.
1 Satz
4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist ([X.], Urteil vom 22.
März 2011 -
VI
ZR 63/10, NJW
2011, 2509, 2511). Im Falle der Unbilligkeit wird die Gebühr nach §
315 Abs.
3 Satz
2 BGB vom Gericht durch Urteil bestimmt
(Onderka in [X.] RVG, 6.
Aufl., §
14 Rn.
78; [X.] in
[X.]/[X.]/Schons, Praxiskommentar RVG, 2.
Aufl., §
14 Rn.
92). Eine
solche Überprüfung und Bestimmung der Gebühr ist in erster Linie Sache des Tatrichters und deshalb revisionsrechtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, die ge-setzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat ([X.], Urteil vom 22.
März 2011 -
VI
ZR 63/10, NJW
2011, 2509, 2511
f.; vgl. auch [X.], Urteil vom 31.
Oktober 2006 -
VI
ZR 261/05 NJWRR
2007, 420 Rn.
5; zu §
315 BGB vgl. [X.], Urteile vom 24.
November 1995 -
V
ZR 174/94, WM
1996, 445
f.
und vom 10.
Oktober 1991 -
III
ZR 100/90, 44
45
-
17
-
[X.]
115, 311, 321). Solche Rechtsfehler zeigt die [X.] nicht auf.
Die Gebühr ist durch eine Gesamtabwägung aller nach §
14 Abs.
1 Satz
1 RVG maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (Hartmann, [X.], 42.
Aufl., §
14 Rn.
18). Soweit das Berufungsgericht hierbei berücksichtigt, dass der Klägervertreter neben der Klägerin eine
Vielzahl von Anlegern in Parallelverfahren vertreten hat, begegnet das keinen revisionsrecht-lichen Bedenken. Die [X.] hat unbestritten vorgetragen, dass der Kläger-vertreter vorgerichtlich in den zahlreichen Parallelverfahren sämtlich (und aus-schließlich) dasselbe standardisierte Anschreiben an die [X.] versandt hat. Die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringe-rung des zeitlichen Aufwands für das konkrete Mandat kann im Rahmen der Gesamtwürdigung maßgeblich berücksichtigt werden (vgl. [X.], OLGR
2006, 81, 83). Besondere Umstände, etwa rechtliche oder tatsächliche Schwie-rigkeiten, die dennoch eine höhere Gebühr rechtfertigen könnten, hat die Kläge-rin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Aus diesem Grund kommt bereits nach Nr.
2300 VV RVG eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nicht in Betracht, denn eine solche kann ausweislich der amtlichen Anmerkung
46
-
18
-
nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin "überdurchschnittlich" war, wofür die Klägerin die Darlegungs-
und Beweislast trägt ([X.], Urteil vom 11. Juli 2012 -
VIII ZR 323/11, NJW
2012, 2813 Rn.
8).

[X.]

[X.]

Maihold

Pamp

Menges

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.02.2010 -
2-5 O 222/08 -

O[X.], Entscheidung vom 03.11.2010 -
19 U 84/10 -

Meta

XI ZR 420/10

28.05.2013

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2013, Az. XI ZR 420/10 (REWIS RS 2013, 5461)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5461

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VIII ZR 323/11

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