Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. VI ZR 269/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5960

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

14. Mai 2013

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
ZPO § 32; [X.][X.] Art. 40 Abs. 1 Satz 2; [X.] § 823 Abs. 1 [X.], § 1004
a)
Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer [X.]-Suchmaschine mit Such-wortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeits-rechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in [X.], setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüf-pflichten voraus.
b)
Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.
c)
[X.] ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.
[X.], Urteil vom 14. Mai 2013 -
VI [X.] -
O[X.]

LG Köln

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
26. März 2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 10.
Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin zu
1, eine Aktiengesellschaft, die im [X.] über ein "Net-work-Marketing-System" Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, sowie der Kläger zu 2, ihr Gründer und Vorstandsvorsitzender, machen gegen die Beklagte mit Sitz in den USA, die unter der [X.]adresse "[X.]"
eine [X.]-Suchmaschine betreibt, Unterlassungs-
und Geldentschädigungsansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in die Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Treffer-liste auf
von [X.] ins [X.] eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April 2009 hat die Beklagte eine "[X.] in ihre Suchmaschine [X.]
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griert, mit deren Hilfe dem [X.]nutzer während der Eingabe seiner [X.] variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge ("predictions") in Form von Wortkombinationen angezeigt werden. Die im Rah-men dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen [X.] eingegebenen Suchanfragen einbezieht.
Der Kläger zu
2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines [X.] in dem sich im Rahmen der "[X.] öffnenden Fenster als Suchvorschläge die Wortkombinationen "[X.]
(voller Name)
Scien-tology" und "[X.] (voller Name) Betrug" erschienen. Dadurch sehen sich die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt. Sie haben u.a. behauptet, der Kläger stehe weder in irgendeinem Zusammenhang mit [X.] noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen noch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet
worden.
In keinem einzigen Sucher-gebnis
sei
eine Verbindung zwischen dem Kläger und "[X.]" bzw. "Be-trug" ersichtlich.
Die Kläger haben zunächst im [X.] eine einstweilige Verfü-gung vom 12. Mai 2010 erwirkt, durch die
der
Beklagten untersagt wurde, auf der [X.]seite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des [X.] zu
2 als Suchbegriff im Rahmen der "[X.] die ergänzenden Kombinationsbegriffe "[X.]" und "Betrug" vorzuschlagen. Nach der Zu-stellung der Beschlussverfügung an die damalige administrative Ansprechpart-nerin der Beklagten in [X.] am 27. Mai 2010 erschienen
die beanstan-deten Ergänzungsvorschläge nicht mehr. Die Beklagte hat eine Abschlusserklä-rung verweigert. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verlangen die Kläger über das bereits im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemachte 2
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Unterlassungsbegehren hinaus Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskos-ten und der Kläger zu
2 zusätzlich die Zahlung einer Geldentschädigung. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht u.a. in [X.], 486 und ZUM 2012, 987
m. Anm. [X.])
hat sowohl die internationale Zuständigkeit als auch die Anwendbarkeit [X.] Rechts bejaht. Es hat jedoch die Klage nicht als begründet erachtet, weil den automatisierten Suchergänzungsvor-schlägen in der Suchmaschine der Beklagten bei Eingabe des Namens des [X.] zu
2 kein eigener Aussagegehalt beizumessen sei. Die angezeigten Suchergänzungsbegriffe "[X.] [X.]" und "[X.] Betrug" enthielten keine (eigene) Aussage der Beklagten mit dem Inhalt, dass [X.] Mitglied bei [X.] sei oder dieser Sekte zumindest positiv gegenüberstehe oder Täter oder Teilnehmer eines Betruges sei. Es begegne bereits Zweifeln, ob den [X.] überhaupt eine solche Konnotation bzw. ein insofern aus sich heraus verständlicher Sinngehalt beigemessen werden könne. Letztlich könne dies indessen offenbleiben, da es nach dem Erfahrungshorizont der Nutzer der Suchmaschine der [X.], die streitgegenständlichen [X.] als Äußerungen zu verstehen, mit denen inhaltliche Bezüge zwi-schen dem eingegebenen Suchbegriff und den dazu angezeigten Ergänzungs-vorschlägen durch die Beklagte hergestellt würden. Eine hiervon abweichende Würdigung ergebe sich weder aus den von den Klägern vorgebrachten [X.]
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lationsversuchen noch aus [X.] über ähnliche Vorgänge noch aus den Ergebnissen der von den Klägern zur Akte gereichten Verkehrs-befragung. Ein Anlass für die von den Klägern beantragte Einholung eines de-moskopischen Sachverständigengutachtens bestehe nicht, da die Mitglieder des erkennenden [X.]s zu dem angesprochenen Adressatenkreis, nämlich dem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten der streitgegenständlichen [X.], gehörten. Aus Sicht eines sol-chen Durchschnittsrezipienten lasse sich der Anzeige der Ergänzungssuchbe-griffe lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine der Beklagten entneh-men, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten oder dass sich die [X.] in verlinkten [X.] jeweils als solche auffinden ließen. Diese Aussage sei wahr und daher von den Klägern hinzunehmen.

II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht die Klage für zulässig erachtet.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte in entsprechender Anwendung des
§
32 ZPO bejaht. Zwar genügt es nach der Rechtsprechung des erkennenden [X.]s zur [X.] [X.] Gerichte im Rahmen des §
32 ZPO nicht, dass der Kläger den Mittelpunkt seiner Interessen im [X.] hat; erforderlich ist vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandeten 5
6
7
-

6

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Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen -
Interesse des [X.] an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines [X.]auftritts andererseits
-
nach den Umständen des konkreten Falles, insbesondere aufgrund des Inhalts der konkreten Mel-dung, im Inland tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann (vgl. [X.] vom 29.
März 2011 -
VI
ZR 111/10, NJW 2011, 2059 und vom 2.
März 2010 -
VI
ZR 23/09, [X.]Z 184, 313). Diese Voraussetzungen sind nach den Fest-stellungen des Berufungsgerichts im Streitfall gegeben, da eine Kenntnisnahme der beanstandeten [X.] im Inland erheblich näher liegt
als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit der
Meldung der Fall wäre
und die von den Klägern geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme der [X.] auch im Inland eintreten würde.
Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit entsprechend §
39 ZPO auch aufgrund rügeloser Einlassung
(vgl. [X.], Urteil vom 13.
Juli 1987 -
II
ZR 280/86, [X.]Z 101, 296, 301).
b) Das Berufungsgericht hat den -
auch die alternative Verwendung der streitgegenständlichen Ergänzungsbegriffe umfassenden
-
Unterlassungsantrag für
hinreichend bestimmt angesehen im Sinne des §
253 Abs.
2 Nr.
2 ZPO. Das nimmt die Revision als ihr günstig hin und begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.
2. Die Begründetheit der Klage kann jedoch
-
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
-
aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.
a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler [X.] Recht [X.]. Nach Art.
40 Abs.
1
Satz 1
[X.][X.] unterliegen Ansprüche aus uner-8
9
10
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7

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laubter Handlung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatz-pflichtige gehandelt hat. Der Verletzte kann jedoch nach Art.
40 Abs.
1 Satz 2 und 3 [X.][X.] im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens verlangen, dass anstelle dieses Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Von dieser Möglichkeit haben die Kläger im Streitfall Gebrauch gemacht. Der nach Art.
40 Abs.
1 Satz 2 [X.][X.] maßgebliche Erfolgsort liegt in [X.]. Hier wird die Achtung des in [X.] wohnhaften [X.]
zu 2
bzw. der Klägerin zu 1 mit Sitz in [X.]
gestört bzw. gefährdet (vgl. [X.] vom 8. Mai 2012 -
VI
ZR 217/08, VersR
2012, 994
Rn.
31
-
auch zur [X.] der [X.] II-Verordnung (Rn.
22) und zu §
3 [X.] als sachlich-rechtliches Beschränkungsverbot (Rn.
30)).
b) Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger entsprechend
§§
823 Abs.
1, 1004 [X.]. [X.]. 1, 2 [X.] gegen die Beklagte als Betreiberin der [X.]-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beinhalten die Suchwortergänzungsvorschläge "[X.]" und "Betrug" bei Eingabe des Vor-
und Zunamens des [X.] zu 2 in die [X.]-Suchmaschine der Beklag-ten eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger, da ihnen ein verletzender Aussagegehalt innewohnt.
[X.] Der mit dem Begriff "[X.]" in Verbindung mit dem Namen [X.] existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Sinngehalt lässt sich -
wie schon das Berufungsgericht in Betracht gezogen hat
-
hinreichend
dahin spezifizieren, dass zwischen dieser Sekte, zu der im Verkehr nicht zuletzt durch eine vorangegangene Medienberichterstattung konkrete Vorstellungen existie-ren, und der namentlich erwähnten Person eine Verbindung besteht. Diese 11
12
13
-

8

-

Verbindung ist geeignet, eine aus sich heraus aussagekräftige Vorstellung her-vorzurufen.
(2) Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es dem [X.] eine inhaltliche Aussagekraft mit der Begründung absprechen will, dass
mit diesem Begriff ein vielfältiges, unspezifisches Bedeutungsspekt-rum verbunden sei. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermitt-lung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verstän-digen Publikums (vgl. [X.] 93, 266, 295). Zwar mag es zutreffen, dass von einem durchschnittlichen [X.]nutzer unter "Betrug" nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes verstanden werden muss. Jedoch verbindet
der Durchschnittsleser mit der Verwendung dieses Begriffes
zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleiht ihm damit einen hinreichend konkreten Aussagegehalt (vgl. [X.],
NJW 2012, 1643 Rn.
42).
(3) Das Berufungsgericht hat den von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen lediglich die Aussage entnommen, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur [X.] eingegeben haben oder dass sich die [X.] in ver-linkten [X.]
auffinden lassen (vgl. auch [X.], 633; [X.] 18/2012 Anm.
1; [X.] 20/2012 Anm.
2; a.A. Weltig MMR 2011 Nr.
12 V f.; [X.] ZUM 2012, 994, 995 f.; s. auch [X.] K
&
R 2013, 221, 225 f.
[X.] auch zur Rechtsprechung ausländischer Gerich-te). Dem vermag der [X.] nicht beizutreten.
Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen [X.] [X.]nutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbe-griffs angezeigten ergänzenden [X.] durchaus einen inhaltlichen 14
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Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält ihn jedenfalls für möglich. Aus dem "Ozean von Daten" werden dem suchenden [X.]nutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig "Treffer" liefern. Die Suchmaschine ist, um für Inter-netnutzer möglichst attraktiv
zu sein -
und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen -
auf inhaltlich weiterfüh-rende ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte [X.] bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem [X.]nutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht in der -
in der Praxis oft bestätigten
-
Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwandten Wortkombinationen -
je häufiger desto eher
-
dem aktuell suchenden [X.]nutzer hilfreich sein können, weil die zum Suchbegriff er-gänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegeln. Diese Erwartung hat das Berufungsgericht bei der Bestimmung des [X.] der von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten [X.] nicht berücksichtigt. Sie führt im Streitfall dazu, dass den bei Eingabe von Vor-
und Zuname des [X.] zu 2 "automatisch" angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen "[X.]" und "[X.] betrug" die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem Kläger zu
2 und den
-
negativ konnotierten
-
Begriffen "[X.]" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammen-hang.
bb) Diese
Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger ist der Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von
ihr geschaffenen Computerprogramm das Nutzerverhalten
ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet. Die Verknüpfungen der Begriffe werden von der Suchmaschine der Beklagten und nicht von einem 17
-

10

-

[X.] hergestellt. Sie werden von der Beklagten im Netz zum Abruf [X.] und stammen deshalb unmittelbar von ihr.
c) Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede Persön-lichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet.
aa) Zwar ist die Beklagte nicht bereits nach §
10 [X.] (künftig: [X.]) von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr
betriebenen Website befreit.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte zutreffend als Diensteanbieter (§
2 Satz 1 Nr.
1 [X.]) qualifiziert, der eigene Informationen zur Nutzung bereit hält und deshalb gemäß §
7 Abs.
1 [X.] nach den allgemeinen Gesetzen -
mithin auch nach §§
823 Abs.
1, 1004 [X.]
-
verantwortlich ist (vgl. [X.] vom 23. Juni 2009 -
VI
ZR 196/08, [X.]Z 181, 328 Rn.
13
f.
s. auch [X.], aaO; a.[X.], aaO). Die Kläger nehmen die Beklagte nicht wegen der Durchleitung, Zwischenspeicherung oder Speicherung fremder Informatio-nen, sondern wegen einer eigenen Information in Anspruch, konkret wegen der als Ergebnisse ihres [X.] dem Nutzer ihrer [X.]-Suchmaschine angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge. Es geht mithin um einen von der Suchmaschine der Beklagten angebotenen "eigenen"
Inhalt und nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von [X.], für die der Diensteanbieter gemäß
§§
8 bis
10 [X.] nur eingeschränkt verantwort-lich ist.
bb) Es bedarf
aber
wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als ei-nes Rahmenrechts einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich ge-schützten Belange, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der [X.] interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Se-18
19
20
21
-

11

-

natsurteile vom 9. Dezember 2003 -
VI
ZR 373/02, [X.], 522, 523; vom 11. März 2008 -
VI
ZR 189/06, [X.], 695 Rn.
13 und -
VI
ZR 7/07, [X.], 793 Rn.
12; vom 3. Februar 2009 -
VI
ZR 36/07, [X.], 555 Rn.
17; vom 22. September 2009 -
VI
ZR 19/08, [X.], 1545 Rn.
16; vom 20.
April 2010 -
VI
ZR 245/08, [X.], 2728 Rn.
12;
[X.] 114, 339, 348 [X.]; 120, 180, 200 f.; [X.], NJW
2009, 3357
Rn.
17; [X.], 480 Rn.
61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. [X.]surteile vom 21. Juni 2005 -
VI
ZR 122/04, [X.], 1403, 1404; vom 17. November 2009 -
VI
ZR 226/08, [X.], 220 Rn.
20
ff. [X.]; vom 15. Dezember 2009 -
VI
ZR 227/08, [X.]Z 183, 353 Rn.
11 -
Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 -
VI
ZR 243/08, [X.], 673 Rn.
14 -
Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 -
VI
ZR 245/08, aaO).
cc) Danach sind das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlich-keitsrechte einerseits und die durch [X.].
2, 5 Abs.
1 und 14 [X.] geschützten Interessen
der Beklagten auf Meinungs-
und wirtschaftliche Handlungsfreiheit andererseits abzuwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Suchmaschinenfunktion zwar in ihrem eigenen geschäftlichen Interesse in der beschriebenen Weise betreibt, um Nutzer wegen der Effektivität der Suche an sich zu
binden. Doch ziehen die Nutzer
ihrerseits daraus den Vorteil einer be-griffsorientierten Suche nach Daten und Informationen. Auch die Kläger wenden sich nicht dagegen, dass mittels der Suchmaschine persönliche Daten, wie der Name des [X.] zu 2 und sein Bezug zur Klägerin zu 1, aufgefunden werden können. Auf Seiten der Kläger ist für die Abwägung entscheidend, dass die [X.] Begriffe einen unwahren Aussagegehalt haben, weil der Kläger zu 2 -
wovon nach dem Vortrag der Kläger revisionsrechtlich auszugehen ist
-
weder in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden kann noch
[X.] ange-hört oder auch nur nahe steht. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssen 22
-

12

-

nicht hingenommen werden (vgl. [X.]surteile vom 8. Mai 2012 -
VI
ZR 217/08, [X.], 994 Rn.
37; vom 30. Oktober 2012 -
VI
ZR 4/12, [X.], 63, Rn.
12, jeweils [X.]; [X.], [X.], 480 Rn.
62 [X.]; NJW 2012, 1500 Rn.
39).
d) Ist mithin nach den vorstehenden Grundsätzen davon auszugehen, dass die beanstandeten Suchwortergänzungsvorschläge das Persönlichkeits-recht
der Kläger verletzen, kann eine Haftung der Beklagten als Störerin nicht von vornherein verneint werden.
aa) Als Störer im Sinne von §
1004 [X.] ist -
ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft
-
jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der [X.] an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (vgl. [X.], Urteile vom 3. Februar 1976 -
VI
ZR 23/72,
NJW
1976, 799, 800; vom 27. Mai 1986 -
VI
ZR 169/85,
VersR 1986, 1075, 1076; vom 9. Dezember 2003 -
VI
ZR 373/02,
[X.], 522, 524). Als (Mit-)Störer kann auch jeder haften, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern der in Anspruch [X.] die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht entgegen, dass dem in Anspruch [X.] die Kenntnis der die Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt. Ebenso ist Verschulden nicht erforderlich (vgl. [X.]surteile
vom 30. Juni 2009 -
VI
ZR 210/08, [X.], 1417 Rn.
13,
vom 9. Dezember 2003 -
VI
ZR 373/02,
aaO [X.]; [X.], Urteil 23
24
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13

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vom 17.
Dezember 2010 -
V
ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn.
9
ff.; [X.], [X.], 2009 S.
507, 523).
bb) Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte deshalb uneinge-schränkt und unabhängig von Zumutbarkeitsgesichtspunkten haftet.
Denn nach den besonderen Umständen des [X.] liegt der Schwerpunkt der Vorwerf-barkeit in einem Unterlassen.
[X.] Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge erarbei-tenden Software ist der Beklagten nicht vorzuwerfen; hierbei handelt es sich vielmehr um eine durch [X.].
2, 14 [X.] geschützte wirtschaftliche Tätigkeit. Das [X.] der Beklagten zielt auch nicht von vornherein auf eine Rechtsverletzung durch eine gegen eine bestimmte Person gerichtete unwahre Tatsachenbehauptung ab. Nur durch das Hinzutreten eines bestimmten [X.] können ehrverletzende Begriffsverbindungen entstehen. Die Tä-tigkeit der Beklagten ist andererseits aber
nicht nur rein technischer,
automati-scher und passiver Art (anders liegen die Fälle: [X.]/[X.] EuGH, Urteil vom 23. März 2010 -
C-236/08 bis [X.]/08, [X.], 2029 Rn.
114 und [X.], Urteil vom 29. April 2010 -
I
ZR 69/08, [X.]Z 185, 291 Rn.
39 -
Vorschaubilder
-
jeweils zum [X.] nach Art.
14 Abs.
1 der Richtlinie 2000/31/[X.]). Sie ist nicht ausschließlich beschränkt auf die Bereit-stellung von Informationen für den Zugriff durch Dritte. Die Beklagte verarbeitet vielmehr die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen Programm, das [X.] bildet. Für deren Angebot in Form eigener Suchvorschläge ist die Beklagte grundsätzlich aufgrund der ihr zuzurechnenden Erarbeitung verantwortlich.
Der Beklagten kann deshalb
grundsätzlich nur vorgeworfen wer-den, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge
Rechte Dritter verletzen.
25
26
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14

-

(2)
Bei Beeinträchtigungen, die eine pflichtwidrige Unterlassung als (Mit-) Ursache haben, ist zur Vermeidung einer zu weitgehenden Haftung eine fall-weise wertende Betrachtung erforderlich.
Die Verantwortlichkeit des [X.] wird durch die Kriterien der Möglichkeit und Zumutbarkeit der [X.] begrenzt.
Dabei kann sich die Möglichkeit der Beseitigung einer Beeinträchtigung daraus ergeben, dass der Betroffene die Quelle der Störung beherrscht oder Einfluss auf jemanden nehmen kann, der zur Beendigung der Beeinträchtigung in der Lage ist ([X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
1004 Rn.
120). Ist dies der Fall, kann für die Zumutbarkeit der Beseitigung der Beeinträchtigung eine dem Betroffenen obliegende Überwachungspflicht von Bedeutung sein (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Dezember 1960 -
GSZ 1/60, [X.]Z 34, 99, 108
f.).
Voraussetzung einer Haftung
des Betreibers
einer Suchmaschine mit entsprechender Hilfsfunktion
ist daher
ebenso wie bei der Haftung eines [X.] wegen der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines [X.] (vgl. hierzu [X.]surteil vom 25. Oktober 2011 -
VI
ZR
93/10, [X.]Z 191, 219)
eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anforderungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte Teilnahme am ge-schäftlichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Entsprechend den zur [X.] entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch [X.] nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. [X.], Urteile
vom 12. Juli 2007 -
I
ZR 18/04, [X.]Z 173, 188
Rn.
38; vom 10. Oktober 1996 -
I
ZR 129/94, NJW
1997, 2180, 2181
f. = [X.], 325 -
Architektenwettbewerb; Urteil vom 17.
Mai 2001 -
I
ZR 251/99, [X.]Z 148, 13,
17 f. -
ambiente.de; Urteil vom 11.
März 2004 -
I
ZR 304/01, 27
28
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15

-

[X.]Z 158, 236, 251
-
[X.]versteigerung I, vom 17.
Dezember 2010 -
V
ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn.
9
ff., jeweils [X.]).
Der Betreiber einer Suchmaschine ist danach grundsätzlich nicht ver-pflichtet, die durch eine Software generierten [X.] gene-rell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde den [X.] einer Suchmaschine mit einer der schnellen Recherche der Nutzer die-nenden Suchergänzungsfunktion wenn nicht gar unmöglich machen, so doch unzumutbar erschweren. Eine entsprechende präventive Filterfunktion kann zwar für bestimmte Bereiche, wie etwa Kinderpornographie, erforderlich und realisierbar sein, sie vermag jedoch nicht allen denkbaren Fällen einer Persön-lichkeitsrechtsverletzung vorzubeugen. Den Betreiber einer [X.]-Suchmaschine trifft deshalb grundsätzlich erst dann eine Prüfungspflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. [X.] ein Betroffener den Betrei-ber einer [X.]-Suchmaschine auf eine rechtswidrige Verletzung seines [X.] hin, ist der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. [X.]surteil vom 27. März 2012 -
VI
ZR 144/11, VersR
2012, 992
Rn.
19).
3. Das Berufungsgericht hat -
aus seiner Sicht folgerichtig
-
eine rechtli-che Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Prüfungspflich-ten
ebenso wenig vorgenommen wie
unter dem Gesichtspunkt des -
nur in en-gen Grenzen zu gewährenden (vgl. [X.]surteil vom 20. März 2012 -
VI
ZR 123/11, [X.], 630 Rn.
15 [X.])
-
Anspruchs
auf Geldentschädigung und

30
31
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16

-

des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dies wird es nachzuholen haben.
Galke
[X.]
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.10.2011 -
28 O 116/11 -

O[X.], Entscheidung vom 10.05.2012 -
15 [X.]/11 -

Meta

VI ZR 269/12

14.05.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. VI ZR 269/12 (REWIS RS 2013, 5960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5960

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