Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.01.2015, Az. IX ZR 300/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 17434

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Gegenstand

Insolvenzanfechtung der von einem Dritten geleisteten Kaufpreiszahlungen aus einem Grundstückskaufvertrag:  Berücksichtigung des insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruchs bei der Fälligkeit der wieder aufgelebten Kaufpreisforderung


Leitsatz

Ein Grundstücksverkäufer, dessen Kaufpreisforderung durch Zahlungen eines Dritten erfüllt worden ist, welche der Insolvenzverwalter über des Vermögen des Dritten nach Verfahrenseröffnung angefochten hat, kann dem Grundstückskäufer erst dann eine Frist zur Erfüllung der wieder aufgelebten Kaufpreisforderung setzen und den Rücktritt vom Vertrag androhen, wenn der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch erfüllt ist.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 7. Oktober 2013 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Die Nebenintervenienten tragen ihre Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger nehmen die Beklagte, eine [X.], auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung in Anspruch. Mit notariellem Vertrag vom 8. Juni 2010 verkaufte der Nebenintervenient zu 1 als Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] in [X.]belegene Grundstücke an die Beklagte. Von dem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 685.000 € waren bereits 100.000 € erbracht, der Restbetrag sollte bis zum 8. August 2010 auf ein Anderkonto des Notars gezahlt werden. Zur Sicherung des Eigentumsverschaffungsanspruchs bewilligte der Verkäufer eine Auflassungsvormerkung zugunsten der [X.], die am 28. Juni 2010 in das Grundbuch eingetragen wurde.

2

Nach wiederholten Mahnungen durch den [X.] zu 1 wurden ab dem 19. November 2010 mehrere Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 729.591,49 € auf den Kaufpreis geleistet, von denen 320.000 € von der A.         , einer Tochtergesellschaft der [X.], gezahlt wurden. Über das Vermögen der A.          , der die Beklagte den Besitz an den Grundstücken überlassen hatte, eröffnete das Insolvenzgericht am 1. September 2011 das Insolvenzverfahren und bestellte den [X.] zu 2 zu deren Insolvenzverwalter.

3

Mit notariellem Vertrag vom 28. September 2011 verkaufte der Nebenintervenient zu 1, für den eine vollmachtlose Vertreterin auftrat, die Grundstücke für 700.000 € an die Kläger und bewilligte zur Sicherung ihres Eigentumsverschaffungsanspruchs eine Auflassungsvormerkung. Diese wurde am 2. November 2011 in das Grundbuch eingetragen.

4

Am 4. Oktober 2011 erklärte der Nebenintervenient zu 2 gegenüber dem [X.] zu 1 die Anfechtung der von der [X.] geleisteten Zahlungen, wobei er sich in erster Linie auf eine Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit gemäß § 134 [X.] stützte. Der Nebenintervenient zu 1 schrieb daraufhin am gleichen Tag an die Beklagte, im Hinblick auf die Anfechtung durch den [X.] zu 2 sei keine Erfüllungswirkung eingetreten. Für den Fall, dass die Beklagte nicht bis zum 11. Oktober 2011 den offenen Betrag von 326.034,41 € zahle, trete er von dem Grundstückskaufvertrag zurück. Entsprechend dieser Ankündigung erklärte er mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 den Rücktritt von dem mit der [X.] geschlossenen notariellen Vertrag. Alsdann genehmigte er am 12. Oktober 2011 den mit den Klägern geschlossenen Kaufvertrag. In der Folgezeit überließ der Nebenintervenient zu 2 den Klägern die Grundstücke.

5

Das [X.] hat die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - zur Bewilligung der Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen Vormerkung verurteilt. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Kläger bleibt ohne Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Kläger hätten keinen Anspruch nach § 894 BGB auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung. Zwar seien sie als nachrangige Vormerkungsberechtigte anspruchsbefugt, eine Unrichtigkeit des Grundbuchs liege aber nicht vor. Die zugunsten der [X.] eingetragene Auflassungsvormerkung sei nicht zu löschen, weil der Nebenintervenient zu 1 nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 11. Oktober 2011 sei dessen Kaufpreisanspruch durch Zahlungen der [X.] und [X.] der [X.] sowie einer weiteren Gesellschaft bereits erfüllt gewesen. Die vom [X.] zu 2 erklärte Anfechtung der Zahlungen der [X.] in Höhe von 320.000 € sei ins Leere gegangen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Forderung des [X.] zu 1 gegen die Beklagte nicht werthaltig gewesen sei.

II.

8

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

9

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte ([X.], Urteil vom 1. März 2011 - [X.], [X.]Z 188, 373 Rn. 9; vom 20. Dezember 2012 - [X.], [X.], 333 Rn. 10 mwN) wurde von den Vorinstanzen rechtsfehlerfrei aus Art. 22 Nr. 1 EuGVVO hergeleitet. Danach sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Diese Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des [X.] nicht alle Klagen umfasst, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die darauf gerichtet sind, zum einen den Umfang oder den Bestand einer unbeweglichen Sache oder das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte an ihr zu bestimmen und zum anderen den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern ([X.], Urteil vom 3. April 2014 - [X.]/12, NJW 2014, 1871 Rn. 42), wobei der Unterschied zwischen einem dinglichen Recht und einem persönlichen Anspruch darin besteht, dass das dingliche Recht an einer Sache gegenüber jedermann wirkt, während der persönliche Anspruch nur gegen den Schuldner geltend gemacht werden kann ([X.], Urteil vom 3. April 2014, aaO Rn. 43 mwN).

Von einer entsprechenden dinglichen Wirkung der Vormerkung ist hier auszugehen, weil es nicht um den schuldrechtlichen Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer auf Auflassung des Grundstücks, sondern um die Klage eines [X.], dem gegenüber die Vormerkung dingliche Wirkung entfaltet, geht (vgl. [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rn. 78 f). Soweit die Revisionserwiderung unter Verweis auf [X.]/Mankowski ([X.], 3. Aufl., 2011, Art. 22 EuGVVO Rn. 9), die Auffassung vertritt, der Streit um eine Auflassungsvormerkung falle nicht unter § 22 Nr. 1 EuGVVO, steht dies der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts der belegenen Sache nicht entgegen, denn von den genannten Autoren wird nicht zwischen der Geltendmachung von Ansprüchen des [X.], um die es hier nicht geht, und von [X.] eines durch die Vormerkung beeinträchtigten [X.], dem gegenüber die Vormerkung dingliche Wirkung entfaltet, unterschieden.

2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 894 BGB sind nicht erfüllt. Das Grundbuch ist nicht unrichtig.

a) Nach § 894 BGB kann - wenn der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück oder einer Verfügungsbeschränkung (§ 892 Abs. 1 BGB) mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht - derjenige, dessen Recht durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird ([X.], Urteil vom 7. März 2002 - [X.], [X.]Z 150, 138, 141 f). Die Vormerkung sichert gemäß § 883 BGB einen Anspruch auf Einräumung eines Rechts an einem Grundstück. Zu diesem Anspruch ist sie streng akzessorisch (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 1994 - [X.], NJW 1994, 2947 f). Besteht er nicht, so ist auch die Vormerkung wirkungslos ([X.], Urteil vom 15. Mai 1970 - [X.], [X.]Z 54, 56, 63; vom 7. März 2002, aaO). Mit dem Untergang des gesicherten Anspruchs wird das Grundbuch unrichtig im Sinne des § 894 BGB ([X.], Urteil vom 15. Dezember 1972 - [X.], [X.]Z 60, 46, 50).

Die zugunsten der [X.] eingetragene Auflassungsvormerkung wäre danach wirkungslos und das Grundbuch unrichtig, wenn der Nebenintervenient zu 1 durch seinen am 11. Oktober 2011 erklärten Rücktritt den Erfüllungsanspruch der [X.] zu Fall gebracht hätte. Das Recht der Kläger, die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs zu verlangen, ergäbe sich aus der zu ihren Gunsten am 2. November 2011 in das Grundbuch eingetragenen (nachrangigen) Auflassungsvormerkung, weil ihr Recht, aus dieser Vormerkung ihre Eintragung zu betreiben, durch die Voreintragung der [X.] beeinträchtigt ist. Die vormerkungsberechtigte Beklagte könnte sich auf die relative Unwirksamkeit der zugunsten der Kläger eingetragenen Vormerkung nach § 883 Abs. 2 BGB berufen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2008 - [X.], [X.], 356 Rn. 8).

b) Ein wirksamer Rücktritt des [X.] zu 1 von dem am 8. Juni 2010 beurkundeten Kaufvertrag mit der [X.], der zur Folge hätte, dass diese aus dem Vertrag keine Erfüllungspflichten mehr herleiten könnte (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2002 - [X.], [X.]Z 150, 187, 197) und damit auch der durch die Auflassungsvormerkung gesicherte Anspruch entfallen wäre, ist nicht erfolgt.

aa) Gemäß § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten, wenn bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat ([X.], Urteil 14. Juni 2012 - [X.], [X.]Z 193, 315 Rn. 16). Vor der Fälligkeit der Leistung kann eine Frist zur Leistung oder zur Nacherfüllung nicht wirksam gesetzt werden; eine solche Nachfristsetzung ist unbeachtlich ([X.], Urteil vom 14. Juni 2012, aaO mwN; vom 20. Januar 2006 - [X.], [X.], 1198 Rn. 13).

(1) Im Streitfall hat der Nebenintervenient zu 1 der [X.] die Frist zur Erfüllung der Kaufpreisforderung am 4. Oktober 2011 gesetzt, nachdem der Nebenintervenient zu 2 ihm gegenüber die Teilerfüllung der Kaufpreisforderung durch die [X.] als unentgeltliche Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 1 [X.] angefochten hatte. Die Kaufpreisforderung des [X.] zu 1 war zu diesem Zeitpunkt erfüllt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Zahlungen der [X.] und die [X.] der [X.] und einer weiteren Gesellschaft die Forderung zum Erlöschen gebracht (§ 267 Abs. 1, § 362 Abs. 1 BGB).

(2) Eine die Fristsetzung des [X.] zu 1 rechtfertigende neuerliche Fälligkeit des [X.], aufgrund deren die Voraussetzungen für einen Rücktritt des [X.] zu 1 nach § 323 Abs. 1 BGB gegeben sein könnten, ist durch die Anfechtung der von der [X.] auf die Kaufpreisforderung geleisteten [X.] nicht eingetreten. Gemäß § 144 Abs. 1 [X.] lebt die Forderung des Empfängers einer anfechtbaren Leistung wieder auf, wenn dieser das Erlangte an den [X.] Insolvenzverwalter zurückgewährt. Diese Vorschrift gilt unabhängig von dem geltend gemachten Anfechtungsgrund (vgl. MünchKomm-[X.]/Kirchhof, 3. Aufl., § 144 Rn. 5). Voraussetzung für das Wiederaufleben der Forderung ist die tatsächliche Rückgewähr des [X.]. Dass der Insolvenzverwalter den [X.] geltend macht, genügt nicht ([X.] in [X.],[X.], 2011, § 144 Rn. 7). Anzuwenden ist die Vorschrift auch im anfechtungsrechtlichen [X.] ([X.], Urteil vom 22. November 2012 - [X.], Z[X.] 2013, 73 Rn. 12 mwN). Entgegen der Auffassung des Revisionsklägers enthält § 12 [X.] keine andere Rechtsfolge. Auch dort lebt die Forderung zu Gunsten des [X.] erst mit der Rückgewähr der anfechtbar empfangenen Leistung wieder auf ([X.], 99, 102; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 12 Rn. 8).

Nach diesen Grundsätzen ist eine neuerliche Fälligkeit der Kaufpreisforderung des [X.] zu 1 gegen die Beklagte nicht eingetreten. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Erfüllung des [X.]s des [X.] zu 2 durch den [X.] zu 1 getroffen. Im Rechtsstreit ist eine tatsächliche Erfüllung dieses Anspruchs nicht einmal behauptet worden. Damit fehlen die Voraussetzungen für das (teilweise) Wiederaufleben der Kaufpreisforderung des [X.] zu 1. Auf die Frage, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Anfechtung von [X.] nach § 134 Abs. 1 [X.] zutreffend beurteilt hat, kommt es nicht an.

bb) Die Nachfristsetzung des [X.] zu 1 war demzufolge für die Beklagte wirkungslos, ein Rücktritt kam trotz des erfolglosen Ablaufs der Frist am 11. Oktober 2011 mangels fälliger Forderung nicht in Betracht.

Kayser                      Vill                         Lohmann

                Pape                     Möhring

Meta

IX ZR 300/13

08.01.2015

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 7. Oktober 2013, Az: 12 U 84/13

§ 323 Abs 1 BGB, § 144 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.01.2015, Az. IX ZR 300/13 (REWIS RS 2015, 17434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17434

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