Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2023, Az. 6 StR 464/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 7120

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Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2023 mit Ausnahme der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen erpresserischen [X.] in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt und [X.] getroffen. Die auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen haben mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die vom Angeklagten [X.]erhobenen Verfahrensrügen dringen nicht durch. Die [X.] ist zumindest unbegründet, weil die [X.] rechtsfehlerfrei von der Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen ausgegangen ist. Die Aussetzungsrüge ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil bereits die Mitteilung fehlt, warum die Aussetzung begehrt worden ist.

3

2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

a) Nach den Feststellungen verlangte der gesondert verfolgte D.     von dem Geschädigten [X.]        die Zahlung von 15.000 Euro „Strafgeld“, nachdem er ihn zuvor mit Unterstützung des Angeklagten [X.]     in eine Wohnung gebracht und dort unter Einsatz eines Revolvers sowie mit Schlägen gefügig gemacht hatte. D.     stellte anheim, dass der anwesende weitere Geschädigte [X.], von dem er zuvor ebenfalls die Zahlung von „Strafgeld“ verlangt hatte, „zunächst das Strafgeld von [X.]        übernehmen könne“. Danach verließen [X.] und [X.]        die Wohnung. [X.] zahlte in der Folge nur sein „Strafgeld“. Es konnte nicht festgestellt werden, ob auch [X.]        Zahlungen erbrachte.

5

b) Das [X.] hat dieses Geschehen als Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung gewertet. Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten nach dem Abschluss der letzten Ausführungshandlung (vgl. zum Rücktrittshorizont etwa [X.], Beschluss vom 19. Mai 1993 – [X.], [X.]St 39, 221, 227) hat es nicht getroffen. Diese wären aber geboten gewesen, zumal die Angeklagten nicht von einer sofortigen Zahlung des [X.] durch [X.]        ausgingen. Die Urteilsgründe belegen daher nicht, dass die Angeklagten keine Möglichkeit mehr sahen, Geld von [X.]        zu erlangen, als er die Wohnung verließ.

6

c) Einem strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten steht nicht von vornherein entgegen, dass die Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB von jedem zurücktretenden Beteiligten ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, die Verhinderung der Vollendung verlangt. Hiervon werden auch Fälle erfasst, in denen die Tatbeteiligten einvernehmlich zurücktreten. Dabei genügt es, wenn einer von ihnen mit dem Rücktritt des anderen einverstanden ist. Handeln alle Beteiligten einvernehmlich, kann das bloße [X.] für die Erfolgsverhinderung im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB ausreichen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Mai 1996 − 1 StR 51/96, [X.]St 42, 158, 162; Beschlüsse vom 17. März 2022 − 4 StR 223/21; vom 25. Januar 2023 − 6 StR 549/22).

7

3. Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen versuchter räuberischer Erpressung erfasst nicht nur die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil [X.]        s (vgl. [X.], Beschluss vom 21. September 2022 − 6 StR 332/22), sondern auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen erpresserischen [X.] in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil [X.] s.

8

Der [X.] hat hierzu das Folgende ausgeführt:

„Das [X.] hat angenommen, dass die Tathandlungen zu Lasten der Geschädigten [X.]  und [X.]         in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB zueinanderstehen. Es hat dies damit begründet, dass die Erpressungsdelikte nacheinander begangen und die Geschädigten nicht gleichzeitig erpresst worden seien (UA S. 28 f.).

Allerdings wird die konkurrenzrechtliche Bewertung des Tatgeschehens von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Danach beruhten die Angriffe auf die Geschädigten [X.]  und [X.]        auf einem einheitlichen Tatentschluss der Angeklagten und des gesondert Verfolgten D.       ([X.]); sie gingen ohne Zäsur ineinander über und waren durch die anhaltende Zwangslage des Erstgeschädigten [X.]  geprägt ([X.] f.). Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass dem Geschädigten [X.]  im Rahmen der von den Tatbeteiligten geschaffenen [X.] neben der [X.] ein Telefonat mit dem Geschädigten [X.]       abgenötigt wurde (…) und der gesondert Verfolgte D.      beiden Geschädigten anheimstellte, die von ihnen geforderten Strafgeldzahlungen untereinander auszugleichen. Sämtliche Handlungen standen damit in einem derart engen zeitlichen, räumlichen und situativen Zusammenhang, dass sich bei natürlicher Betrachtungsweise das gesamte Tätigwerden der Angeklagten und des gesondert Verfolgten D.      unbeschadet ihrer jeweiligen Beteiligungsform auch aus der Sicht eines [X.] als [X.] darstellt. Es ist deshalb nur eine Tat im Rechtssinne (§ 52 StGB) gegeben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Juli 2020 − 5 [X.], Rn. 8; und vom 8. November 2022 − 5 [X.], Rn. 8).

Gegen diese Sichtweise streitet nicht, dass sich die Tathandlungen zugleich gegen höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen, nämlich gegen die körperliche Unversehrtheit der Geschädigten [X.]  und [X.]        , richteten, die nur ausnahmsweise einer additiven Betrachtungsweise zugänglich sind (vgl. [X.], Beschluss vom 16. April 2019 − 3 StR 48/19, Rn. 7); denn es erschiene willkürlich und gekünstelt, würde man die vorliegend von einem einheitlichen Willen der Tatbeteiligten getragenen, fließend ineinander übergehenden Vorgänge in [X.] aufspalten (vgl. [X.], Beschluss vom 3. November 2020 − 4 StR 341/20, Rn. 2). Ist somit aber von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen, kann auch der die Handlungen gegenüber dem Geschädigten [X.] betreffende Schuldspruch keinen Bestand haben.“

9

Dem schließt sich der Senat an.

4. Während die auf einer sorgfältigen und fehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bestehen bleiben und durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden können, hebt der Senat die Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. September 2022 – 6 StR 285/22).

Sander     

      

Feilcke     

      

Wenske

      

von [X.]     

      

Arnoldi     

      

Meta

6 StR 464/23

18.10.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 10. Mai 2023, Az: 11 KLs 2/23 (1)

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2023, Az. 6 StR 464/23 (REWIS RS 2023, 7120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7120

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