Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2013, Az. XI ZR 331/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7487

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZR 331/11
vom
12. März 2013
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI. Zivilsenat des [X.] hat am 12.
März 2013 durch den [X.] [X.] als Vorsitzenden
und die [X.] [X.], [X.], [X.] und Pamp

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] wird das Urteil des 19.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 15.
Juni 2011
im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als
zum Nachteil der [X.] entschieden worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandwert des Beschwerdeverfahrens der [X.] beträgt 114.482,21

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion in dem Urteil des 19.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
Juni 2011 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die durch ihre Nichtzulassungsbeschwerde ent-standenen
Kosten.
Insoweit beträgt der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens für die Gerichtskosten 24.077,64

Kosten 138.559,85

mit der Maßgabe, dass diese im Verhältnis zur [X.] nur zu 17%
anzusetzen sind
([X.], Beschluss vom 15.
Juli 2004

V
ZR 343/02, NJW 2004, 1048 f.).
-
3
-
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes D.

B.

(im Folgenden: Zedent) auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der

V.

3 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V
3) sowie der

V.

4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V
4) in Anspruch.
Der Zedent zeichnete nach vorheriger Beratung durch den
Mitarbeiter
H.

der [X.] am 24.
April 2003 eine Beteiligung an V
3 im Nennwert von 50.000

2.500

6. Juli 2004
eine Beteiligung an V
4

gio in Höhe
von 3.000

, wobei ein Anteil in Höhe von 45,5% der [X.] an [X.] durch ein endfälliges Darlehen der

bank finanziert wurde.
Nach dem Inhalt der Verkaufsprospekte sollten 8,9% der jeweiligen Zeichnungssumme sowie das jeweilige Agio in Höhe von 5% zur [X.] ([X.]) bzw. Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgarantie und Finan-zierungsvermittlung ([X.]) durch die V.

AG (im [X.]: V.
AG) verwendet werden. Die V.
AG durfte ausweislich der Prospekte ihre Rechte und Pflichten aus der [X.] übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in Höhe
von
über
8% der jeweiligen Zeichnungssumme, ohne dass dies dem
Zedenten im [X.] offen
gelegt wurde.
Die
Klägerin
verlangt mit ihrer
Klage unter Berufung auf mehrere Aufklä-rungs-
und Beratungsfehler die Rückzahlung des
in V
3
eingesetzten
Kapitals in Höhe von 52.500

sowie des Eigenanteils in Höhe von 35.700

eteili-1
2
3
4
-
4
-
gungssumme und Agio von V
4, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozent-punkten
über dem Basiszinssatz, wenigstens in Höhe von 2% seit dem 24.
April
2003 für [X.] bzw. seit dem 16.
Juli 2004 für V
4, dies jeweils
Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung, die Erstattung von 4.942,21

n das Finanzamt gezahlter Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.151

sie
die Feststellung des Annahmeverzuges der [X.] mit der Rücknahme der Beteiligungen, die
Feststellung der Verpflichtung der [X.] zum Ersatz jeden Schadens, der dem Zedenten und der Klägerin im Zusammenhang mit dem
Erwerb der Betei-ligungen
über die Klageforderung
hinaus entstanden ist
oder noch entstehen
wird sowie die Feststellung der Verpflichtung der [X.]
zur Zahlung des Betrages, der der Schuld des Zedenten
aus dem
aufgenommenen Darlehen entspricht.
Das [X.] hat der Klage mit Ausnahme eines
Teils
der Zinsen, der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten
sowie verschiedener Feststellungsbegeh-ren
stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den seit der Zeichnung der Beteiligungen bis zum Verzugseintritt entgangenen [X.] auf 2% p.a. geschätzt, jedoch die weitergehende Zinsforde-rung der Klägerin sowie den
Antrag auf Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzverpflichtung abgewiesen. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hat das Berufungsgericht der Klägerin nur teilweise zuerkannt und deren
Beru-fung im Übrigen
sowie die Berufung der [X.] insgesamt
zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen und seine Ent-scheidung
-
soweit für die Beschwerde der [X.] von Belang
-
im Wesentli-chen damit begründet, dass zwischen dem
Zedenten und der [X.] kon-kludent [X.] zustande gekommen seien, aufgrund derer die [X.] verpflichtet gewesen sei, den
Zedenten darauf hinzuweisen, dass sie von 5
6
-
5
-
der V.
AG aufklärungspflichtige Rückvergütungen in Höhe von
über
8% des jeweiligen [X.] erhalten habe. Diese Verpflichtung habe die [X.] schuldhaft verletzt. Insbesondere habe sich die Beklagte nicht in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden. Für den Anleger streite die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, weshalb die Beklagte als über die Rückvergü-tungen Aufklärungspflichtige habe beweisen müssen, dass der Anleger die [X.] auch bei richtiger Aufklärung erworben, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte.

II.
Die Revision
der [X.] ist nach §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegrif-fene Urteil den Anspruch der
[X.]
auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG
verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.
Mai 2004

XI
ZB 39/03, [X.]Z 159, 135, 139
f. und vom 18.
Januar 2005 -
XI
ZR 340/03, [X.]Report 2005, 939
f.). Aus demselben Grunde ist das angefochtene Urteil gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit
zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht [X.] ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen dem
Zedenten und der [X.] stillschweigend ein Beratungsvertrag [X.] gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet war, den
Zedenten über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des
Zedenten über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt ist (vgl. Se-natsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
[X.], [X.]Z 193, 159
Rn.
15
ff. [X.]). 7
8
-
6
-
Auch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbe-schwerde unangegriffen insoweit ein Verschulden der [X.] bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
[X.], [X.]Z 193, 159
Rn.
24
f. [X.]).
2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegan-gen, dass die Beklagte die Darlegungs-
und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der
Zedent hätte die Beteiligungen auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen erworben.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweis-pflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich [X.] verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs-
und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offen
gelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines An-scheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegli-che Vermutung (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
[X.], [X.]Z 193, 159
Rn. 27
ff. [X.]; [X.], ZIP
2012, 164 Rn.
20).
3. Das angegriffene Urteil verletzt jedoch den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG.
a) Art.
103 Abs.
1 GG
verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen ([X.]E 60, 247, 249; 65, 293, 295
f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35; [X.], NJW-RR 2001, 1006, 1007). Die Vorschrift gebietet außerdem die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge, gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materi-9
10
11
12
-
7
-
ellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt ([X.], [X.], 492, 493 [X.]). Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG
setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus, das heißt, im Einzelfall müssen beson-dere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das
Vorbringen der [X.] entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entschei-dung ersichtlich nicht erwogen worden ist ([X.]E 86, 133, 146; 96, 205, 216
f.; [X.], [X.], 131; Senatsbeschluss vom 20.
Januar 2009

XI
ZR 510/07, [X.], 405 Rn.
8).
b) Nach diesen Maßgaben ist Art.
103 Abs.
1 GG hier verletzt.
aa) Die Beklagte hat mit ihren Schriftsätzen vom
19.
Februar
2010, vom
9.
September 2010, vom 6.
Oktober 2010
und vom 10.
Januar 2011 vorgetra-gen, dass für den
Zedenten bei seinem Anlageentschluss allein die [X.] und allenfalls noch Renditechancen sowie das Sicherungskonzept der Schuldübernahme relevant
gewesen seien. Diese für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände habe der
Zedent dem Mitarbeiter der [X.] im [X.] mitgeteilt. Vor der Zeichnung der streitgegenständlichen [X.] habe sich der Zedent bereits an dem geschlossenen Medienfonds
A.

beteiligt gehabt. Durch den ihm dort rechtzeitig ausgehändigten und von ihm auch zur Kenntnis genommenen Emissionsprospekt sei der Zedent darüber aufgeklärt worden, dass die Beklagte für den dortigen Vertrieb eine Provision in Höhe von 8,5% der Zeichnungssumme erhalten habe, was den Zedenten nicht von der Zeichnung dieses Fonds abgehalten habe. Auch habe der Zedent aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer Wertpapierhan-delsbank gewusst, dass im Bereich von Kapitalanlagen die Zahlung von Ver-triebsprovisionen üblich sei, weshalb er davon ausgegangen sei, dass auch die Beklagte
eine solche erhalte.
Zum Nachweis dieser Behauptungen hat sich die 13
14
-
8
-
Beklagte auf das Zeugnis des
Zedenten sowie das ihres
Mitarbeiters
H.

berufen.
bb) Dieser unter Beweis gestellte Vortrag der [X.] zum Motiv des
Zedenten, sich an V
3 bzw. V
4 zu beteiligen, ist erheblich (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI [X.], [X.], 1337 Rn.
52
ff.). Das Berufungsge-richt hat sich damit nicht befasst, sondern im Hinblick auf das Urteil des III. [X.] des [X.] vom 22.
April 2010
(III
ZR 318/08, [X.], 1017
ff.) lediglich die Frage erörtert, ob
diese Entscheidung einschlägig ist, wenn es -
wie hier
-
nicht um die Rentabilität einer Kapitalanlage,
sondern um einen Interessenkonflikt der beratenden Bank geht. Dass das Berufungsge-richt demgegenüber den Vortrag der [X.] zum Nichteingreifen der Vermu-tung aufklärungsrichtigen Verhaltens völlig übergangen hat, lässt sich nach den Umständen des Falles nur damit erklären, dass es dieses Vorbringen der [X.]n bei seiner Entscheidung überhaupt nicht erwogen hat.
4. Die unterlassene Vernehmung des
Zedenten sowie des Anlagebera-ters
als Zeugen für diese Behauptungen verletzt den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, denn das Berufungs-urteil
beruht auf dieser Verletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Be-rücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte
([X.]E
7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392
f.). Die Gehörsver-letzung führt nach §
543 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 Fall
2 ZPO zur Zulassung der Re-vision
der [X.], weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert ([X.], Beschluss vom 27.
März 2003

V
ZR 291/02, [X.]Z 154, 288, 296
f.), und rechtfertigt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO insoweit die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache.
15
16
-
9
-
5. Das Berufungsgericht wird die oben genannten Beweise zu erheben und zusammen mit den vorgetragenen Indizien (Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
[X.], [X.]Z 193, 159
Rn.
42
ff.) zu würdigen haben. Gegebenenfalls wird es sich auch mit den von der
Klägerin
behaupteten weiteren Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen durch unrichtige Angaben der Anlageberater der [X.] über durch Kapitalgarantien verschiedener Ban-ken sichergestellte 100%ige Geldrückflüsse auseinanderzusetzen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19.
Juli 2011 -
XI
ZR 191/10, [X.], 1506 Rn.
13
ff.; [X.], [X.], 153 ff.).

III.
Hinsichtlich der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert weder zur Fortbil-dung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine

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10
-

Entscheidung des [X.] (§ 543 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Insoweit wird von einer näheren Begründung gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halbs.
2 ZPO ab-gesehen.

Joeres
Ellenberger
[X.]

Matthias
Pamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.10.2010 -
2-21 O 186/08 -

O[X.], Entscheidung vom 15.06.2011 -
19 [X.] -

Meta

XI ZR 331/11

12.03.2013

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2013, Az. XI ZR 331/11 (REWIS RS 2013, 7487)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7487

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