Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. XII ZB 691/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3608

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 691/12

vom

7. August 2013

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG §§ 37 Abs. 2, 62, 319 Abs. 1, 321 Abs. 1 Satz 1
a)
Der Gutachter muss schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachver-ständigen bestellt worden sein (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 15.
September 2010 -
XII
[X.] 383/10
-
FamRZ 2010, 1726).
b)
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß §
37 Abs.
2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten [X.] zur Stellungnahme eingeräumt hat (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 6.
Juli 2011

XII
[X.] 616/10

FamRZ 2011, 1574).
c)
Die Feststellung, dass der Betroffene durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist, kann grundsätzlich auch auf einer Verletzung des Ver-fahrensrechts beruhen (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 15.
Februar 2012

XII
[X.] 389/11

FamRZ 2012, 619).
BGH, Beschluss vom 7. August 2013 -
XII [X.] 691/12 -
LG [X.]

AG
[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 7.
August 2013
durch den
Vorsitzenden Richter Dose,
die Richterin [X.] und die
Richter Schil-ling, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 31.
Oktober 2012 aufgehoben, soweit darin die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 14.
Juni 2012 über die Genehmigung der Unterbrin-gung zurückgewiesen wurde.
Auf die Beschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 14.
Juni 2012 den
Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§
128
b KostO).
Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen im Rechtsbe-schwerdeverfahren werden der St[X.]tskasse auferlegt (§
337 Abs.
1 FamFG).

-
3
-
Gründe:
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung seiner Unterbrin-gung.
Nachdem für den Betroffenen zunächst vorläufig eine Betreuung ange-ordnet und seine Unterbringung bis zum 14.
Juni 2012 einstweilen genehmigt worden war, hat das Amtsgericht die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 26.
Juli 2012 genehmigt und mit wei-terem Beschluss vom selben Tag die Betreuung im genannten Umfang auch in der Hauptsache angeordnet. Gegen beide Beschlüsse hat der Betroffene, der bereits am 11.
Juli 2012
entlassen worden ist, zunächst Beschwerde eingelegt. Das [X.], das hinsichtlich der Genehmigung der Unterbringung von ei-nem Antrag gemäß §
62 FamFG zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme ausgegangen war, hat die Beschwerden des Betroffenen mit Be-schluss vom 31.
Oktober 2012 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Be-troffene, soweit es die Genehmigung der Unterbringung anbelangt,
mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde
ist zulässig und begründet.
1. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Falle
der

hier vorliegenden

Erledigung der [X.] aus §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 FamFG
(vgl. [X.]sbeschluss vom 15.
Februar 2012

XII
[X.]
389/11

FamRZ 2012, 619 Rn.
11).
1
2
3
4
-
4
-
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffas-sung
des Beschwerdegerichts ist die Genehmigung der Unterbringung durch das Amtsgericht
jedenfalls [X.] erfolgt.
a) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Einholung des Sach-verständigengutachtens nicht den Anforderungen einer förmlichen Beweisauf-nahme genügt.
[X.])
Unbedenklich ist allerdings, dass die Sachverständige den
Betroffe-nen bereits zuvor behandelt hatte. Nach §
329 Abs.
2 Satz
2 FamFG soll das Gericht nur bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behan-delt hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass bei einer kürzeren Unterbrin-gungsdauer der behandelnde Arzt zum Sachverständigen bestellt werden kann ([X.]sbeschluss vom 15.
September 2010 -
XII
[X.]
383/10
-
FamRZ 2010, 1726 Rn.
9).
[X.]) Allerdings sieht §
321 Abs.
1 Satz
1 FamFG für das Unterbringungs-verfahren im Hinblick auf die damit einhergehenden erheblichen Eingriffe in die Freiheitsrechte eine förmliche Beweisaufnahme vor. Danach hat der Sachver-ständige den
Betroffenen gemäß §
321 Abs.
1 Satz
2 FamFG vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen, wobei er
vor der Untersuchung des Betroffenen bereits zum Sachverständigen bestellt sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnet haben muss, damit der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, sinnvoll ausüben kann (Se-natsbeschluss vom 15.
September 2010 -
XII
[X.]
383/10
-
FamRZ 2010, 1726 Rn.
18
ff.).
Dem wird das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten nicht gerecht. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass weder 5
6
7
8
9
-
5
-
aus den gerichtlichen Feststellungen noch aus der Akte ersichtlich wird, dass dem Betroffenen die Bestellung seiner behandelnden Ärztin
zur gerichtlichen Sachverständigen vor Beginn der Begutachtung bekannt gegeben worden ist. Hinzu
kommt, dass ausweislich des Gutachtens Grundlagen der Begutachtung ausschließlich die Krankenakte, die eigene Kenntnis aus der stationären [X.] im ZfP R.

sowie die Akte des Amtsgerichts waren. Darüber hinaus kann dem Gutachten nicht entnommen werden, dass die [X.] den
Betroffenen überhaupt auf ihre Funktion als solche hingewiesen hat.
b) Schließlich rügt die Rechtsbeschwerde
zutreffend, dass das [X.] dem Betroffenen nicht bekannt gegeben worden ist.
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als [X.] setzt gemäß §
37 Abs.
2 FamFG voraus, dass das Gericht den Betei-ligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutach-ten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen [X.] (§
275 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des §
288 Abs.
1 FamFG abgesehen werden ([X.]sbeschluss
vom 6.
Juli 2011

XII
[X.]
616/10

FamRZ
2011, 1574 Rn.
11 mwN).
Auch diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht ge-recht. Aus der Gerichtsakte lassen sich keine Verfügungen ersehen, wonach das Gutachten vom
1.
Juni 2012 dem Betroffenen oder auch nur den anderen Beteiligten bekannt gegeben worden ist.
Ebenso wenig enthält das [X.] einen Hinweis darauf, dass der Betroffene durch dessen Bekanntgabe an ihn [X.] entsprechend §
288 Abs.
1
FamFG zu befürchten hätte.

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-
6
-
c) Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß §
74 Abs.
7 [X.] abgesehen.
3. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuhe-ben. Der [X.] kann in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil diese zur Entscheidung reif ist (§
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG).
a) Die Feststellung, dass der Betroffene durch die angefochtene Ent-scheidung in seinen Rechten verletzt ist, kann grundsätzlich auch auf einer [X.] beruhen ([X.]sbeschluss vom 15.
Februar 2012 -
XII
[X.]
389/11
-
FamRZ 2012, 619 Rn.
25).
Da die entsprechende Maßnahme bereits erledigt ist, kommt eine [X.] der Sache an das Beschwerdegericht nicht in Betracht (vgl. dazu [X.]sbeschluss vom 15.
Februar 2012 -
XII
[X.]
389/11
-
FamRZ 2012, 619 Rn.
31). Wegen des Zeitablaufs und der damit einhergehenden Änderung des Zustandes des Betroffenen kann im Nachhinein grundsätzlich nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob die Genehmigung der Unterbringung auch bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften gerechtfertigt gewesen wäre. Hinzu kommt, dass dem Betroffenen erneute Ermittlungen allein zur Klärung der Frage, ob der von dem Gericht zu verantwortende [X.] noch zu heilen wäre, nicht zumutbar sind. Denn (auch) diese würden er-heblich in die Rechtssphäre des

mittlerweile entlassenen

Betroffenen eingrei-fen und ihn erneut mit der "Akutphase seiner Erkrankung" konfrontieren. Es ist deshalb zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass die Beschwerde-entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruht (vgl. [X.]sbeschluss vom 15.
Februar 2012 -
XII
[X.]
389/11
-
FamRZ 2012, 619 Rn.
29
ff.
mwN).

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16
-
7
-
b) Demgemäß ist festzustellen, dass die Entscheidung des Amtsgerichts den
Betroffenen
in seinen Rechten verletzt hat, nämlich in seinem Freiheits-grundrecht aus Art.
2 Abs.
2 Satz
2 GG.
Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse ist in der Regel anzu-nehmen, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt (§
62 Abs.
2 Nr.
1 FamFG), wobei die

hier vorliegende

Genehmigung einer [X.] Maßnahme stets einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff be-deutet ([X.]sbeschluss vom 15.
Februar 2012 -
XII
[X.]
389/11
-
FamRZ 2012, 619 Rn.
10 mwN).

Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Botur

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 14.06.2012 -
6 [X.] 752/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 31.10.2012 -
1 [X.]/12 und 1 [X.]/12 -

17
18

Meta

XII ZB 691/12

07.08.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. XII ZB 691/12 (REWIS RS 2013, 3608)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3608

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