Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2016, Az. XII ZB 57/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5171

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[X.]:[X.]:BGH:2016:210916BXIIZB57.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII
[X.]/16

vom

21. September 2016

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG §§ 68 Abs. 3; 317, 319
Eine Anhörung des Betroffenen
im Unterbringungsverfahren, die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist [X.] (im [X.] an Senatsbeschluss vom 15.
Februar 2012
XII ZB 389/11
FamRZ 2012, 619).
BGH, Beschluss vom 21. September 2016 -
XII [X.]/16 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 21.
September 2016
durch den
Vorsitzenden Richter Dose
und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Dem Betroffenen wird als Beschwerdeführer für das Verfahren der Rechtsbeschwerde ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewil-ligt und Rechtsanwalt Dr.
H.

beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 27.
Oktober 2015 und der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 22. Dezember 2015 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

-
3
-
Gründe:
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung seiner geschlosse-nen Unterbringung.
Er leidet unter einer schizoaffektiven Psychose bei Alkoholabhängigkeit. Im Laufe seiner Erkrankung kam es im [X.] erstmals zur Bestellung eines Betreuers und anschließend zu verschiedenen Unterbringungen und [X.].
Das Amtsgericht hat den
Betroffenen nach Bestellung einer Verfahrens-pflegerin angehört. Im Anhörungstermin vom 13.
Oktober 2015, an dem die Verfahrenspflegerin
nicht teilgenommen hat, ist ein Sachverständiger zugegen
gewesen. Nachdem dieser sein Gutachten anschließend gefertigt und am 14.
Oktober 2015 zur Akte gereicht hatte,
hat das Amtsgericht die Unterbrin-gung des Betroffenen
mit Beschluss vom 27.
Oktober 2015 bis zum 13.
April 2016 genehmigt. Das [X.] hat die Beschwerde ohne erneute persönli-che Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. [X.] der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall der -
hier vorliegenden
-
Erledigung der [X.] aus §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 29.
Januar 2014
-
XII
ZB
330/13 -
FamRZ 2014, 649 Rn.
7
mwN).
1
2
3
4
5
-
4
-
2. Die Entscheidungen von Amts-
und [X.] haben den Be-troffenen
in seinen Rechten verletzt, was nach der in der [X.] entsprechend anwendbaren Vorschrift des §
62 Abs.
1 FamFG

antragsgemäß

festzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 29.
Januar 2014

XII
ZB
330/13 -
FamRZ 2014, 649 Rn.
8
mwN).
a) Nach Auffassung des [X.]s liegen die Voraussetzungen für die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung des Betroffenen gemäß §
1906 Abs.
1 Nr.
1 BGB vor. Aufgrund der -
fortbestehenden
-
Erkrankung be-stehe die ernstliche und konkrete Gefahr, dass sich der Betroffene selbst erheb-lichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Der Betroffene sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, die Notwendigkeit der Unterbringung zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen sei abgesehen worden, da eine solche bereits im ersten Rechtszug vorgenom-men worden sei und nach dem gesamten Inhalt der Akten von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären.
b) Die Entscheidungen
des Amtsgerichts und des [X.]s halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie sind [X.] ergan-gen.
aa) Zu
Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Anhörung durch das Amtsgericht
deshalb [X.] erfolgt ist, weil sie stattfand, ohne dass die Verfahrenspflegerin
Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen.
(1) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer [X.] gemäß §
317 Abs.
1 Satz
1 FamFG soll die Wahrung der Belange des Be-troffenen in dem Verfahren gewährleisten. Er soll bei den besonders schwer-wiegenden Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person nicht allein ste-hen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden. Der Verfahrenspfleger 6
7
8
9
10
-
5
-
ist daher vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrens-handlungen zu beteiligen. Dies gebietet es zumindest dann, wenn das Betreu-ungsgericht bereits vor der Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit einer Verfahrenspflegerbestellung erkennen kann, in [X.]n regel-mäßig,
den Verfahrenspfleger bereits vor der abschließenden Anhörung des Betroffenen zu bestellen. Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhö-rungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen [X.] kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungs-recht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie [X.] und verletzt den [X.] in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG ([X.] vom 15.
Februar 2012

XII
ZB
389/11

FamRZ 2012, 619 Rn.
22
mwN).
(2) Dem wird das vorliegende
Verfahren nicht gerecht. Zwar
hat das Amtsgericht die Verfahrenspflegerin
zu dem Anhörungstermin vom 13.
Oktober 2015 geladen. Die Ladung
ist der Verfahrenspflegerin
allerdings erst am 14.
Oktober 2015 zugestellt worden, also erst nach erfolgter Anhörung des Be-troffenen.
bb) Ebenso
leidet das Beschwerdeverfahren an einem entsprechenden Verfahrensfehler, weil auch das [X.]
es der Verfahrenspflegerin nicht ermöglicht hat, an einer -
erneut durchzuführenden
-
persönlichen Anhörung des Betroffenen teilzunehmen.
Zwar räumt §
68
Abs.
3 Satz
2 FamFG auch in einem Unterbringungs-verfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten [X.] abzusehen. Im Beschwerdeverfahren kann allerdings 11
12
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-
6
-
nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen wer-den, bei denen das Gericht des ersten [X.] zwingende Verfahrensvor-schriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den betref-fenden Teil des Verfahrens nachholen (Senatsbeschluss vom 15.
Februar 2012 -
XII
ZB
389/11
-
FamRZ
2012, 619 Rn.
18 mwN).
c) Der Betroffene ist durch diesen
Verfahrensmangel
in seinem Frei-heitsgrundrecht aus Art.
2 Abs.
2 Satz
2 GG verletzt worden.
aa) Die Feststellung, dass ein Betroffener durch angefochtene Entschei-dungen in seinen Rechten verletzt ist, kann grundsätzlich auch auf einer Verlet-zung des Verfahrensrechts
beruhen. Dabei ist die Feststellung nach §
62 FamFG
jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Verfahrensfehler so gravierend ist, dass die Entscheidung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung hat, der durch Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist (Senatsbeschluss vom 29.
Januar 2014 -
XII
ZB
330/13
-
FamRZ 2014, 649 Rn.
27
mwN).
bb) Auch wenn das Gericht zwar den Betroffenen persönlich angehört, dem Verfahrenspfleger,
der die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten soll, aber keine Gelegenheit gegeben hat, an der [X.] teilzunehmen, stellt das einen Verfahrensmangel dar, der derart schwer wiegt, dass der genehmigten [X.] insgesamt der Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung anhaftet (vgl. auch Senatsbeschluss vom 29.
Januar 2014

XII
ZB
330/13
-
FamRZ 2014, 649 Rn.
24
ff. mwN).
14
15
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-
7
-
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).
Dose Klinkhammer Schilling

Botur Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.10.2015 -
8 XVII 26/11 O -

LG [X.], Entscheidung vom 22.12.2015 -
3 [X.] -

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Meta

XII ZB 57/16

21.09.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2016, Az. XII ZB 57/16 (REWIS RS 2016, 5171)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5171

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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