Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2007, Az. XII ZR 255/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4652

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 21. März 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 543 Abs. 1, 273 Der Mieter von Geschäftsräumen hat in der Regel kein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution. Ob allein die Nichtzahlung der Kaution den Vermieter bereits vor Übergabe des Mietobjekts zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB berechtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. [X.], Urteil vom 21. März 2007 - [X.]/04 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richter [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 22. November 2004 wird auf Kosten der Klä-gerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Klägerin verlangt von der [X.]n Miete und nach Kündigung des Vertrages Ersatz von [X.]. Die [X.] macht widerklagend entgangenen Gewinn geltend. 1 Mit notariellem Vertrag vom 27. September 1999 vermietete die Klägerin der [X.]n zwei Häuser in [X.] zur Nutzung als Medien- und Geschäftszent-rum. Die Mietobjekte sollten von der Klägerin instand gesetzt und der [X.]n in einem der beigefügten Baubeschreibung entsprechenden Ausbauzustand übergeben werden. Die Baubeschreibung sah u.a. die Errichtung einer solide dimensionierten Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen vor. "Nach vollständiger Fertigstellung – des jeweiligen Hauses nebst Außenanla-genfi sollte die [X.] zur Übernahme der Mietobjekte verpflichtet sein. Mit der Übergabe sollte der Mietvertrag beginnen und die Miete geschuldet sein. 2 - 3 - Zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin aus dem Mietvertrag war die [X.] gemäß § 16 des [X.] verpflichtet, verschiedene Sicherheiten beizu-bringen. Änderungen des Vertrages sollten ebenso wie die Aufhebung der Schriftformklausel der Schriftform bedürfen (§ 21 Abs. 3 des [X.]). 3 Mit notariell beurkundeten Nachtragsverträgen vom 21. August 2000, 12. Juli 2001 und Mietbestätigungsvereinbarung vom 8. Mai 2002 haben die Parteien den Mietvertrag wegen wiederholter Verzögerungen der zunächst für Februar bzw. September 2001 geplanten Fertigstellung zuletzt dahin abgeän-dert, dass die Fertigstellung und Übergabe der Mietobjekte spätestens zum 1. Februar 2003 erfolgen und der Mietvertrag bis zum 31. Januar 2023 laufen sollte. Eine Bürgschaft der [X.]n über 900.000 • sollte bis 31. Dezember 2002 und eine Sicherheit der [X.]Ltd., [X.]über 500.000 • bis 18. Mai 2002 beigebracht werden. Letztere hat die [X.] der Klägerin fristgemäß übergeben. Die Klägerin hat der [X.]n wiederholt die Übergabe der Mietobjekte angeboten (Schreiben vom 14. Januar 2003, 19. Februar 2003 und 20. März 2003) und die Bürgschaft der [X.]n angemahnt. 4 Unter Hinweis auf das Fehlen der Grundinstallation für die [X.] und weitere Mängel der Mietobjekte hat die [X.] eine Übernahme abgelehnt und bezüglich der Bürgschaft ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. 5 Mit Schreiben vom 28. März 2003 hat die Klägerin den [X.] gekündigt, weil die [X.] die geschuldete Kaution nicht erbracht und die Übernahme des vertragsgerecht fertig gestellten Objekts verweigert habe. Sie behauptet, die Parteien hätten abweichend von dem schriftlichen Mietvertrag nachträglich vereinbart, dass die Grundinstallation für die [X.] - 4 - anlagen nicht von der Klägerin, sondern von der [X.]n in Auftrag gegeben werden solle. Bei den übrigen Mängeln handele es sich um kleinere Schön-heitsfehler, die die Gebrauchs- und Bezugsfertigkeit der Mietobjekte nicht [X.]. 7 Die [X.] hat ihrerseits, nachdem sie der Klägerin Abhilfefristen zur Fertigstellung der Mietobjekte gesetzt hatte, mit Schreiben vom 7. April 2003 den Mietvertrag fristlos gekündigt. Das [X.] hat die auf Miete und Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen und der auf Zahlung entgangenen Gewinns gerichteten [X.] dem Grunde nach stattgegeben. Gegen das die Berufung der Klägerin zurückweisende Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Das Berufungsge-richt hat die Revision zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die Frage der vertraglich vereinbarten Fertigstellung im Rahmen von Mietverträgen bzw. zur Nichterbringung einer vertraglich vorgesehenen Sicherheit vor Übergabe des Mietgegenstandes zugelassen. 8 Entscheidungsgründe: Die Revision hat keinen Erfolg. [X.] Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: 10 - 5 - Der von der Klägerin für die [X.] vom 1. bis 28. März 2003 geltend ge-machte Mietzinsanspruch bestehe nicht, weil der Mietzins gemäß § 5 Abs. 1 des [X.] erst ab Übergabe der Mietobjekte geschuldet, die [X.] aber mangels Fertigstellung der Mietobjekte nicht zur Übernahme verpflichtet gewesen sei. 11 12 Schon das Fehlen der gemäß Baubeschreibung geschuldeten [X.] für die Telekommunikationsanlagen schließe eine Fertigstellung aus. Soweit die Klägerin behauptet habe, die Parteien hätten insoweit den schriftli-chen Mietvertrag mündlich geändert, stehe der Wirksamkeit einer solchen [X.] die in § 21 Abs. 3 des [X.] enthaltene qualifizierte Schrift-formklausel entgegen. Selbst wenn man eine konkludente Abänderung der Schriftformklausel für zulässig halte, könne die Klägerin hieraus zu ihren Gunsten nichts herleiten. Es fehle an Vortrag dazu, wann/wo/wer mit wem in Abänderung des Vertrages eine Übernahme der Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen durch die [X.] vereinbart habe. 13 Auch die weiteren von der [X.]n gerügten Mängel stünden einer Fertigstellung der Mietobjekte entgegen. Deren Gesamtheit rechtfertige die An-nahme einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. 14 Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Ersatz eines sogenannten Kündigungsfolgeschadens in Höhe des entgangenen Mietzinses für die geltend gemachte [X.] ab fristloser Kündigung bis Ende April 2003. Denn die Klägerin sei zu einer Kündigung aus wichtigem Grund wegen Nichtleistung der verein-barten Sicherheit nicht berechtigt gewesen. Zwar werde die Auffassung vertre-ten, dass eine solche Kündigung auch schon vor Übergabe der [X.] sei, wenn das Sicherungsbedürfnis des Vermieters durch das Verhalten des Mieters berührt werde, also wenn vertragswidriges Verhalten des Mieters den Zugriff auf die zu leistende Sicherheit rechtfertigen würde. Das sei hier gerade nicht der Fall. Da die Klägerin noch keinen Anspruch auf Zahlung der Miete [X.] habe, habe auch kein Sicherungsbedürfnis bestanden. 16 Selbst wenn bei Nichtzahlung der Kaution ein Recht zur Kündigung vor-gelegen hätte, hätte dieses nicht zu dem von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch geführt, da eine Mietzinsverpflichtung der [X.]n bereits deshalb nicht bestanden habe, weil eine Übergabe der Mietobjekte mangels Fertigstellung nicht möglich gewesen sei. Soweit die Klägerin geltend mache, die Konzernmutter der [X.]n sei [X.], weshalb die von ihr gestellte Sicherheit wertlos sei, stelle dies keinen wichtigen Grund zur Kündigung des [X.] dar, da die Beibrin-gung der Sicherheit den vertraglichen Vereinbarungen entsprochen habe und das Risiko der Wertlosigkeit von Anfang an bei der Klägerin gelegen habe. 17 Die Widerklage sei dem Grunde nach gerechtfertigt. Da die Klägerin bis zum Ablauf der von der [X.]n gesetzten Frist nicht in der Lage gewesen sei, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen, sei die [X.] zur [X.] berechtigt gewesen. Deshalb stehe ihr auch ein [X.] nach §§ 280, 281 BGB jedenfalls dem Grunde nach zu. 18 II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. 19 - 7 - 1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Miete. Denn sie hat der [X.]n die Mietobjekte nicht in dem vertraglich vereinbarten Zustand zur [X.] angeboten. 20 21 a) Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht zu Recht da-von ausgegangen ist, dass die [X.] zur Übernahme der Mietobjekte nicht verpflichtet war, weil diese mangels Herstellung der vertraglich geschuldeten Grundinstallation für die Telekommunikationsanlagen nicht fertig gestellt waren. b) Die [X.] war jedenfalls schon wegen der Vielzahl der anderen Mängel der Mietobjekte berechtigt, die Übernahme abzulehnen. Das [X.] ist nach Würdigung der Mängelliste der [X.]n vom 18. Februar 2003, die auch Gegenstand des von der Klägerin in Auftrag gegebenen Sach-verständigengutachtens war, zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Mängel in ihrer Gesamtheit die Annahme einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB rechtfertigen. 22 Entgegen der Ansicht der Revision ist der Mieter nicht verpflichtet, eine Mietsache, die ihm in vertragswidrigem Zustand angeboten wird, zu überneh-men. Vielmehr kann er die Übernahme ablehnen, wenn das Mietobjekt nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspricht und die Sach- oder Rechtsmängel nicht nur geringfügig sind ([X.]/[X.] 2006 § 543 Rdn. 18; [X.]/[X.] Miete 2. Aufl. § 535 Rdn. 217, § 543 Rdn. 49 m.w.[X.]; Grapentin in Bub/[X.] Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. [X.] IV Rdn. 145). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Mängel eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung zur Folge haben. 23 - 8 - 2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz entgangener Miete. Denn sie war zur fristlosen Kündigung wegen Nichtleistung der geschuldeten Kaution nicht berechtigt. 24 25 Zwar stand der [X.]n kein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution zu, die nach den Vereinbarungen der Parteien einen Monat vor der Übergabe fällig sein sollte. Denn die Sicherheitsleistung soll den Vermieter ohne Rücksicht auf einen Streit der Parteien über die Berechtigung von Gegenrechten des Mieters in Bezug auf dessen Vertragspflicht zur Zahlung der vereinbarten Miete schüt-zen und ihm während und nach Beendigung des Mietverhältnisses eine erleich-terte Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche aus dem konkreten Mietver-hältnis gegen den Mieter ermöglichen ([X.] Justiz 2007, 139 m.w.[X.]). Da die Sicherheitsleistung der Absicherung des Anspruchs des [X.] auf künftige Leistungen dient, kann das [X.] auch schon vor Übergabe der Mietsache vorliegen. Mit dem Sicherungszweck der Kaution ist ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der Kaution nach § 273 BGB in der Regel nicht zu vereinbaren. Ob jedoch allein die Nichtzahlung der Kaution den Vermieter zur fristlo-sen Kündigung berechtigt, hängt gemäß § 543 Abs. 1 BGB von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, ob ihm unter Abwägung der beidersei-tigen Interessen der Vertragsparteien, die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. 26 Hier ist eine Unzumutbarkeit für die Klägerin jedoch noch nicht gegeben. Denn bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich selbst nicht vertragstreu verhalten hat, indem sie die ver-traglich geschuldete Herstellung der Mietobjekte verweigert hat. Die [X.] - 9 - rung des [X.] war der Klägerin deshalb aufgrund der Nichtbeibringung der geschuldeten Bürgschaft nicht unzumutbar geworden. 28 3. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht den mit der Widerklage gel-tend gemachten Anspruch der [X.]n auf Schadensersatz gemäß §§ 280, 281 BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. 29 a) Die von der Revision erhobene Rüge, das Grundurteil sei unzulässig, weil das Berufungsgericht zur Wahrscheinlichkeit eines Schadens keine Fest-stellungen getroffen habe, greift nicht. Das Berufungsgericht ist insoweit dem Urteil des [X.]s gefolgt. Danach ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der [X.]n ein Schaden aus der Nichterfüllung des [X.] entstanden ist. b) Die [X.] hat den Mietvertrag - entgegen der Ansicht der [X.] - auch wirksam fristlos gekündigt. Sie war schon vor Übergabe der Mietob-jekte gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB zur fristlosen Kündigung berech-tigt, weil die Klägerin ihr die Mietobjekte - wie oben ausgeführt - nicht in dem vertraglich vereinbarten Zustand angeboten und die Mängel nicht binnen der von der [X.]n gesetzten Frist beseitigt hat. Die Klägerin hat sich dabei auch nicht etwa darauf berufen, zu einer Gebrauchsfertigstellung solange nicht verpflichtet zu sein, bis die [X.] ihrerseits ihre Verpflichtung zur Erbringung der Kaution erfüllt hat. Sie hat vielmehr durch die Erklärung in ihrem Kündi-gungsschreiben vom 28. März 2003, sie habe das Mietobjekt im vertraglich ver-einbarten Zustand zur Übergabe angeboten, die geschuldete Vertragserfüllung endgültig verweigert. Deshalb war die [X.] - entgegen der Ansicht der
30 - 10 - Revision - auch nicht wegen eigener Vertragsuntreue (Nichtbeibringung der geschuldeten Bürgschaft) an der Kündigung gehindert. Hahne [X.] Ahlt Vézina Dose
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.03.2004 - 29 O 472/03 - [X.], Entscheidung vom 22.11.2004 - 8 U 109/04 -

Meta

XII ZR 255/04

21.03.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2007, Az. XII ZR 255/04 (REWIS RS 2007, 4652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4652

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