Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2014, Az. V ZB 20/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1128

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB 20/14

vom

20. November
2014

in der Rücküberstellungshaftsache

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 20. November
2014
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, den Richter Dr.
Czub, die Richterin Weinland und den Richter Dr.
Kazele
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] ([X.]) vom 10. Dezember 2013 und der Beschluss des [X.] ([X.])

4. Zivil-kammer -
vom 22. Januar 2014 den Betroffenen in seinen Rech-ten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Der Betroffene reiste am 9. Dezember 2013 ohne gültige Ausweispapiere nach [X.] ein und wurde von den Beamten der beteiligten Behörde 1
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festgenommen. Eine Recherche im [X.] ergab, dass der Be-troffene in [X.] und in [X.] Asyl beantragt hatte.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht gegen den [X.] am 10. Dezember 2013 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer von höchstens acht Wochen angeordnet, die in der [X.] vollzogen worden ist. Die Beschwerde des Betroffenen ist erfolg-los geblieben. Dagegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde, nach seiner Rücküberstellung nach [X.] am 23. Januar 2014 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung und ihrer Aufrechterhaltung durch das Be-schwerdegericht festzustellen. Die beteiligte Behörde beantragt, das [X.] als unzulässig zu verwerfen.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die formalen Voraussetzungen der Haft hätten vorgelegen. Gegen den Vollzug der Haft in der [X.] sei nichts einzuwenden.

III.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat Erfolg.

1. Sie ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG mit einem [X.] nach §
62 FamFG statthaft (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010

V
ZB 172/09, [X.] 2010, 150 Rn.
9), form-
und fristgerecht erhoben (§ 71 FamFG) und auch sonst zulässig. Der Schreibfehler bei der Angabe des [X.] des Betroffenen und die fehlende Angabe seines jetzigen Aufenthalts än-2
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dern daran entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde nichts
(vgl. näher [X.], Beschluss vom 20. November 2014
[X.], Rn.
5, zur Veröffentli-chung bestimmt).

2. Das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch begründet. Die Haftanordnung des Amtsgerichts
hat den Betroffenen jedenfalls deshalb in seinen Rechten ver-letzt, weil die Haft in der [X.] und damit unter Verlet-zung der im Lichte von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/[X.] auszu-legenden Vorschrift des § 62a Abs. 1 [X.] vollzogen worden ist.

a)
Die richtlinienkonforme Unterbringung hat das [X.] unabhängig von einer Rüge des Betroffenen zu prüfen, weil dies eine ma-terielle Voraussetzung für die Anordnung von [X.] betrifft und weil die gebotene möglichst wirksame Anwendung des Rechts der Union (effet utile) anders nicht zu erreichen ist. Die Anwendung der genannten Vorschrift steht auch nicht zur Disposition des Betroffenen oder anderer Beteiligter ([X.], Ur-teil vom 17. Juli 2014 -
Rs. [X.]/13 -
Pham, [X.]:[X.]:[X.] Rn. 22 f.; Senat, Beschluss vom 25. September 2014 -
V [X.], juris Rn.
6).

b)
Im Hinblick auf das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) muss der Haftrichter die Anordnung von Siche-rungshaft ablehnen, wenn absehbar ist, dass der Betroffene entgegen den Vor-gaben des Unionsrechts untergebracht werden wird (Senat, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 -
V [X.], juris Rn. 20, insoweit nicht in NVwZ 2014, 166 und vom 25. Juli 2014
-
V [X.], [X.] 2014, 230 Rn. 5). Diese Vorausset-zungen liegen hier vor.

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aa) Nach dem für die Haft des Betroffenen maßgeblichen Erlass des [X.] vom 18. November 2013
(F 5
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4431 E -
VIIa -
4599/13) war
Haft zur Sicherung von Abschiebung und Zurückschie-bung im [X.] ab dem 25. November 2013 in der [X.] zu vollziehen, in der keine Strafgefangenen mehr unter-gebracht sind. Allerdings waren nach diesem Erlass Betroffene bei Erschöpfung der Kapazität dieser Einrichtung nicht in einer anderen speziellen Einrichtung für Abschiebungshaft unterzubringen, sondern in der [X.], in der auch Strafhaft vollzogen wird.
Diese Art der Unterbringung steht mit den
Vorgaben von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/[X.] nicht in Einklang. Abschiebungs-
oder Zurückschiebungshaft darf nicht schon dann in einer gewöhnlichen Justizvollanstalt vollzogen werden, wenn die Kapa-zitäten in dem betreffenden Bundesland erschöpft sind, sondern erst, wenn auch keine Möglichkeit besteht, den Betroffenen in einer speziellen Abschie-bungshafteinrichtung eines
anderen Bundeslandes
unterzubringen ([X.], Ur-teil vom 17. Juli 2014 -
Rs. [X.]/13 und [X.]/13 -
Bero und Bouzalmate, [X.]:[X.]:C:2014:2095 Rn. 30 f.). § 62a Abs. 1 Satz 2 [X.] ist in diesem Sinne richtlinienkonform einschränkend auszulegen (Senat, Beschluss vom 25.
Juli 2014
-
V [X.], [X.] 2014, 230 Rn. 8).

[X.])
Die rechtswidrige Unterbringung des Betroffenen
war hier schon deshalb absehbar, weil sich aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde ergab, dass die Haft in der [X.] vollzogen werden sollte.
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6
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3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Czub

Weinland

Kazele

Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Entscheidung vom 10.12.2013 -
XIV 48/13 B -

LG [X.]
([X.]), Entscheidung vom 22.01.2014 -
42 [X.]/14 -

11

Meta

V ZB 20/14

20.11.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2014, Az. V ZB 20/14 (REWIS RS 2014, 1128)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1128

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