Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2010, Az. 3 StR 558/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 9807

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 558/09 vom 2. Februar 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 2. Februar 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Juli 2009, soweit es ihn betrifft, mit den [X.] aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger da-durch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier [X.] verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revi-sion, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines [X.] auf die Verfahrensrügen nicht bedarf. 1 1. Das Urteil hat keinen Bestand, da die Annahme eines bedingten Tö-tungsvorsatzes bei dem Angeklagten [X.]
auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. 2 a) Nach den Feststellungen griff der erheblich alkoholisierte Mitangeklag-ten [X.], der sich in Begleitung des ebenfalls angetrunkenen Angeklagten befand, ohne jeden Grund den ihm auf dem Gehweg entgegenkommenden [X.] - 3 - schädigten [X.]an und prügelte ihn in einen Hinterhof, wo er ihn zu Fall brachte. Der Angeklagte folgte dem Mitangeklagten nach. Als sich das Tatopfer aufzurichten versuchte, traten beide Angeklagte mit den Füßen gezielt gegen den Kopf des Geschädigten. Während [X.]

mindestens fünf mal mit voller Wucht gegen den ungeschützten Kopf des [X.] trat, versetzte der Ange-klagte diesem lediglich einen leichten Tritt gegen den Kopf, wobei er mit [X.] handelte. Den Tritten des [X.] sah der Angeklagte zu, was den Mitangeklagten zur weiteren Tatausführung ermutigte. Das Tatopfer, von dem die Angeklagten abließen, als sie mit dem Eintreffen der Polizei rech-neten, erlitt durch die Tritte multiple Gesichtsschädelbrüche, die zu einer le-bensbedrohlichen Gehirnschwellung und zu dauerhaften gesundheitlichen Be-einträchtigungen führten. Zur subjektiven Tatseite hat das [X.] festgestellt, dass der Ange-klagte die Lebensgefährlichkeit der Tritte des [X.] trotz seiner Alkoholisie-rung und seines jungen Lebensalters ebenso erkannt habe wie den Umstand, dass [X.] durch sein Zusehen zum [X.] ermutigt worden sei. Der Eintritt des Todes des [X.] infolge dieser Tritte sei ihm gleichgültig gewe-sen. Der Angeklagte habe sich selbst mit dem Tritt an den Gewalttätigkeiten beteiligt und [X.] bei dessen Gewaltanwendung zugesehen, um ein "Lustge-fühl an der Gewalt" auszuleben. 4 b) Diese Feststellungen erschöpfen das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht. Danach ist das [X.] rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass das an den Schuhen des Angeklagten [X.] aufgefundene Blut des [X.] dafür spricht, dass der Angeklagte "spät, eventuell sogar als letzter" den Geschädigten gegen den Kopf getreten hat. Dieses Beweisergebnis stellt [X.] das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes beim Angeklagten [X.] in Frage. 5 - 4 - Zwar liegt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Mög-lichkeit des Todes des [X.] rechnet und auch einen solchen Erfolg billi-gend in Kauf nimmt. Wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch auch immer die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Insbesondere bei spontanen und unüberlegten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters erge-benden Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das selbständig neben dem Wissenselement stehende voluntative Vorsatzelement gegeben ist ([X.], 603). Der Tatrichter muss deshalb in seine Erwägungen alle Um-stände einbeziehen, die einem solchen Ergebnis entgegenstehen können (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1, 5). 6 Gemessen an diesen Grundsätzen ist der von der [X.] allein aus der Tatausführung des Mitangeklagten - fünf wuchtige, dem Angeklagten als Mittäter zugerechnete Fußtritte gegen den Kopf des [X.] - gezogene Schluss auf den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten [X.] vor dem [X.] der getroffenen Feststellungen und den Ausführungen in der Beweis-würdigung nicht tragfähig begründet. Das [X.] hat bei Prüfung des be-dingten Tötungsvorsatzes nicht berücksichtigt, dass sich der Angeklagte - wo-von nach dem gefundenen Beweisergebnis zu seinen Gunsten auszugehen ist - erst am Ende, nachdem der Mitangeklagte dem Tatopfer die wuchtigen Tritte bereits verabreicht hatte, aktiv an dem Tatgeschehen beteiligte, hierbei nach den Feststellungen aber nur mit [X.] handelte. Diese Be-wertung der subjektiven Tatseite der eigenen Tathandlung ist jedoch mit der Annahme des [X.], der Angeklagte habe den Eintritt des Todes des [X.] infolge der - seiner eigenen Handlung vorausgegangen - Fußtritte des 7 - 5 - Mitangeklagten bereits gebilligt, nicht vereinbar. Diesen Widerspruch hat die [X.] nicht aufgelöst. Die unterschiedliche Würdigung des subjektiven Tatbestands innerhalb desselben Tatgeschehens stellt beim Angeklagten [X.] deshalb zumindest die Bejahung des voluntativen Elements des Tötungsvorsat-zes in Frage. 2. Der neue Tatrichter wird die Frage eines bedingten Tötungsvorsatzes daher erneut zu prüfen haben. Sollte er - wofür die Einlassung des Angeklagten sprechen könnte - zu der Überzeugung gelangen, dass der Angeklagte dem Tatopfer mit [X.] den ersten Tritt gegen den Kopf versetz-te und der Mitangeklagte erst anschließend mit Tötungsvorsatz auf den [X.] eintrat, wird er zu erwägen haben, ob eine Strafbarkeit des Ange-klagten wegen (tateinheitlich begangenen) versuchten Totschlags durch Unter-lassen aufgrund seines Vorverhaltens (Ingerenz) in Betracht kommt (BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7). 8 [X.] [X.] Dr. Schäfer befindet [X.] sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. [X.]

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3 StR 558/09

02.02.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2010, Az. 3 StR 558/09 (REWIS RS 2010, 9807)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9807

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