Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2001, Az. 3 StR 45/01

3. Strafsenat | REWIS RS 2001, 2618

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/01vom10. Mai 2001in der Strafsachegegenwegen fahrlässiger Körperverletzung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] am 10. Mai 2001 gemäß § 349Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Oktober 2000 mit den Feststellungenaufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammerdes [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverlet-zung und unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von ei-nem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung aus-gesetzt worden ist. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hatErfolg.1. [X.] zum [X.] hat keinen [X.]) Das [X.] hat seinem Urteil folgendes zugrundegelegt: [X.] August 1997 traf der Angeklagte, der in [X.] einen Kiosk mit angeschlos-sener Gaststätte betreibt, in der Nähe seines Lokals auf [X.] [X.] . Es kamzu Tätlichkeiten, in deren Verlauf [X.] [X.] nicht unerhebliche [X.] Gesicht erlitt. Wegen dieses Vorfalls wurde der Angeklagte zwischenzeitlich- 3 -rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Am Tag danach suchten die [X.] und [X.] [X.] gegen Mittag die Gaststätte des - nicht [X.] - Angeklagten auf und drohten, ihn "platt zu machen" und sein Lokal "ab-zufackeln". Nach seiner Rückkehr von dem Vorfall unterrichtet, verständigteder Angeklagte die Polizei und begab sich zu seinem Wohnhaus. Dort traf [X.] auch [X.]zusammen mit dem Nebenkläger, einem Be-kannten des [X.], ein. Als [X.]den Angeklagten auf dem Hof ste-hen sah, ging er durch die etwa zehn Meter lange, auf beiden Seiten [X.] begrenzte Hofeinfahrt auf ihn zu und blieb an dem geschlosse-nen, etwa ein Meter hohen Rolltor am Ende der Einfahrt stehen. [X.] erschienen auch seine Brüder [X.], [X.] und Nihat [X.] in der Ho-feinfahrt, während der Nebenkläger zusammen mit weiteren Mitgliedern [X.] der Familie [X.] rechts vor der Hofeinfahrt blieb, etwa 14 [X.] Rolltor entfernt. Am Rolltor entspann sich nun eine lautstarke verbaleAuseinandersetzung, in deren Verlauf die Brüder [X.]erneut drohten, den [X.] "fertig" und "platt zu machen". [X.] [X.] ergriff schließlich [X.] 20 mal 40 cm große [X.] und warf sie in Richtung des [X.] entfernt stehenden Angeklagten. Dieser wich dem Wurf aus und be-gab sich in sein Haus, von wo aus er die Polizei erneut verständigte. Aus Sor-ge um seine Lebensgefährtin, die er mit einem gemeinsamen Kind zurücker-wartete, steckte der Angeklagte anschließend seinen geladenen [X.] & Wesson Kaliber 38 sowie Patronen zum Nachladen ein und ging [X.] auf den Hof. Als die [X.]-Brüder den Angeklagten kommen sahen, [X.] sie das Rolltor ein Stück zur Seite, um auf den Hof zu gelangen. [X.][X.] ergriff ei-ne zweite [X.] und machte Anstalten, diese nach dem [X.]n zu werfen. In diesem Moment zog der Angeklagte seine Waffe aus der- 4 -Westentasche, bei deren Anblick die Brüder [X.] hinter das Rolltor zurückwi-chen. Gleichwohl gab der Angeklagte mindestens vier Schüsse in ihre Rich-tung ab. Die Geschosse prallten an der die Hofeinfahrt begrenzenden [X.], wobei sie [X.] in Höhen zwischen 1,37 Meter und 2,55 Meterhinterließen. Nach Abgabe der Schüsse zog sich der Angeklagte in den hinte-ren Teil des Hofes zurück, um nachzuladen. [X.] [X.] warf ihm noch die[X.] nach, ohne ihn zu treffen. Als sich die Brüder [X.] versi-chert hatten, daß niemand verletzt worden war, zweifelten sie lautstark an, daßes sich um eine echte Waffe handelte, und riefen dem Angeklagten hinterher,daß sie ihm einmal eine echte Waffe zeigen wollten. Nach dem Nachladenkehrte der Angeklagte zurück und stellte sich vor seine Garage dem Rolltorgegenüber. Wie das [X.] zu seinen Gunsten unterstellt hat, zog Abdul-hardy [X.] nunmehr eine silberfarbene Pistole und richtete sie auf den [X.]n. Um der drohenden [X.] zuvorzukommen, schoß der [X.] zweimal gezielt auf Abdulhardy [X.] , den er jedoch trotz der geringenEntfernung von nur wenigen Metern verfehlte. Einer der beiden Schüsse trafden immer noch vor dem Haus im seitlichen Einfahrtsbereich stehenden [X.], der dadurch lebensgefährlich verletzt [X.]) Das [X.] hat die Abgabe der zweiten Schußsalve gegenüber[X.]als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen. Dem ihn nichtangreifenden und unbeteiligten Nebenkläger gegenüber habe er allerdingsobjektiv pflichtwidrig gehandelt. Für ihn sei vorhersehbar gewesen, anstelledes [X.] den Nebenkläger zu treffen, weil er um die Zielungenauigkeit [X.] habe. Dem Angeklagten stehe [X.] nicht der Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB zur Seite, weil die erfor-derliche Güterabwägung nicht ergebe, daß das geschützte Rechtsgut wesent-lich überwiege. Auf entschuldigenden Notstand (§ 35 StGB) könne er sich nicht- 5 -berufen, weil er die Gefahr für sich selbst durch die Abgabe der ersten vierSchüsse, die er nicht so wie geschehen abgeben durfte, und durch das [X.] verursacht habe.c) Die vom [X.] zur äußeren und inneren Tatseite getroffenenFeststellungen sind lückenhaft. Der Senat kann anhand der Urteilsgründe nichtnachprüfen, ob das [X.] zu Recht Fahrlässigkeit des Angeklagten an-genommen hat.Fahrlässig handelt, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern erdiese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte,und wenn gerade die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar [X.] gezeitigt hat. Die Einzelheiten des durch das pflichtwidrige Verhalten inGang gesetzten [X.] brauchen dagegen nicht vorhersehbar sein.Tritt der Erfolg durch das Zusammenwirken mehrerer Umstände ein, müssenalle diese Umstände dem Täter erkennbar sein, weil nur dann der Erfolg für ihnvoraussehbar ist (vgl. [X.], 143, 145; [X.] in [X.], 11. Aufl.§ 222 Rdn. 3 m.w.Nachw.). Es kommt jedoch stets auf die konkrete [X.]. Die [X.] entfällt, wenn dem Täter ein anderes Handeln nicht [X.] werden kann, wobei sich die Zumutbarkeit auch nach der Größe derdrohenden Gefahr richtet (vgl. BGHSt 4, 20, 23; Tröndle/[X.], [X.]. § 15 Rdn. 16; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 15 Rdn. 204). Blieb dem Angeklagten als einzige [X.] den unmittelbar lebensbedrohenden Angriff von Abdulhardy [X.] nur dieschnelle Abgabe zweier notwendigerweise unkontrollierter Schüsse, könnteihm demnach die damit verbundene Gefährdung Unbeteiligter nicht als Verlet-zung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht angerechnet werden. Diese [X.] sich indes aus revisionsrichterlicher Sicht nicht beantworten, zumal unklar- 6 -bleibt, ob und ggf. aus welchen Gründen für den im Umgang mit Schußwaffenvertrauten Angeklagten durch sorgfältigeres Zielen auf den Angreifer [X.] einer anderen [X.] eine Verletzung des [X.] ver-meidbar gewesen wäre. Die Urteilsgründe sind insoweit in zweierlei Hinsichtunvollständig:[X.]) Den Feststellungen des angefochtenen Urteils lassen sich [X.] die erforderlichen äußeren Gegebenheiten mit der gebotenen Genauig-keit entnehmen. Bereits für den Zeitpunkt der Abgabe der ersten vier [X.] es an der Mitteilung der genauen Entfernungen zwischen den [X.]. Insbesondere aber fehlen die präzisen [X.] der Abgabe der zweiten Schußsalve zwischen dem Angeklagten und [X.] einerseits und zu dem Nebenkläger andererseits. Lassen sich die Standortedes [X.] und des [X.] noch einigermaßen bestimmen, bleibt unklar,wo sich der Angeklagte im Zeitpunkt der [X.] befand. Aufgrund [X.], daß er sich "einige Meter" "in den hinteren Hofbereich" zurückzogum nachzuladen, er dann "zurückkehrte" und sich "vor der Garage" aufstellteund zweimal auf [X.] schoß, den er "trotz der geringen Entfernung von nurwenigen Metern" verfehlte ([X.], 8), läßt sich schon nicht die genaue Ent-fernung zwischen dem Angeklagten und [X.] nachvollziehen, ebenso vagebleibt die zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger, die [X.] zwischen 15 und 20 Meter betrug.bb) Lückenhaft sind insbesondere die Feststellungen zur innerenTatseite. So teilt das Urteil nur mit, daß der Angeklagte, nachdem die Brüder[X.] angesichts der Waffe des Angeklagten hinter das Rolltor [X.]" mindestens vier Schüsse in ihre Richtung abgab. Einen Grunddafür hat die Kammer nicht angegeben, sondern - widersprüchlich - einerseits- 7 -angenommen, daß es sich nicht um Warnschüsse gehandelt habe, der [X.] aber andererseits mit seinen Schüssen die Gebrüder [X.] verfehlenwollte.Auch die Wahrnehmungen und Vorstellungen des Angeklagten vor [X.] der zweiten Schußsalve teilt das Urteil nicht mit. So fehlen hinlänglicheFeststellungen dazu, warum der Angeklagte nach dem Nachladen - als dermöglicherweise gefährdete Zeuge [X.]ins Haus geflüchtet war, die Lebens-gefährtin des Angeklagten und das Kind noch nicht in der Nähe des [X.] waren und der Angeklagte selbst nicht mehr unmittelbar angegrif-fen wurde - "zurückkehrte", also mit der Waffe in der Hand auf die Brüder [X.] zuging. Nicht nachvollziehbar ist deshalb, "daß sich der Angeklagte in [X.] berechtigterweise Sorgen um seine Lebensgefährtin und derenBruder" ([X.]), den Zeugen [X.], machte.Da dieses der [X.] unmittelbar vorausgehende Verhalten [X.] - möglicherweise - der Grund dafür war, daß - so zugunsten [X.] vom [X.] unterstellt - [X.] "nunmehr" eine Pistole zog [X.] den Angeklagten richtete, mußte sich das [X.] damit auseinander-setzen, was in diesem Zeitpunkt in dem Angeklagten vorging. Daran fehlt es.2. Die Verurteilung wegen unerlaubten Waffenbesitzes kann ebenfallsnicht bestehen blieben, weil das [X.] nicht geprüft hat, ob sich der An-geklagte auf einen Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 4 Nr. 3 [X.] berufenkann. Zugunsten des Angeklagten geht es davon aus, daß ihm die Pistole mitdem eingeschlagenen Wort "[X.]" erst am Tage zuvor von der Zeugin [X.], die die Waffe bei Durchsicht der Sachen ihres verstorbenen [X.] hatte, mit der Bitte übergeben wurde, diese ordnungsgemäß zu ver-wahren bzw. zu entsorgen. Bei diesem Sachverhalt kommt eine vorübergehen-- 8 -de Verwahrung der Waffe für einen Berechtigten gemäß § 28 Abs. 4 Nr. 3[X.] in Betracht. Die Zeugin [X.]hatte die Pistole von Todes wegen er-worben und war deshalb zum Besitz der Waffe berechtigt (§ 28 Abs. 4 Nr. 1[X.]). Daß die Zeugin die Pistole loswerden wollte, steht einer vorüberge-henden Verwahrung durch den Angeklagten in ihrem Interesse dann nicht ent-gegen, wenn damit nur der Zeitraum überbrückt werden sollte, bis der [X.] die rechtlichen Voraussetzungen für deren endgültigen Erwerb ge-schaffen hatte. Wenn der Angeklagte die Pistole dagegen am nächsten [X.] bei der zuständigen Waffenbehörde abliefern wollte, läge eine nicht ge-werbsmäßige Beförderung zu einem Berechtigten vor, welche nach § 28 Abs. 4Nr. 3 [X.] ebenfalls keiner vorherigen Erlaubnis bedarf. Diese Vorschriftstellt nicht nur die eigentliche Verwahrung oder Beförderung für einen Berech-tigten frei, sondern auch die Entgegennahme, also den Erwerb einer Waffe zusolchen Zwecken ([X.], Waffenrecht, § 28 [X.] Anm. 19). Ob der [X.] wegen unerlaubten Waffenbesitzes bestraft werden kann, hängt [X.] ab, was er mit der übergebenen Waffe zu tun beabsichtigte. Hierzu hatdas [X.] keine Feststellungen getroffen.[X.] Becker

Meta

3 StR 45/01

10.05.2001

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2001, Az. 3 StR 45/01 (REWIS RS 2001, 2618)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2618

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.