Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2007, Az. IV ZR 133/06

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4890

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 133/06 Verkündet am:

7. März 2007

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2007 für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.]-Holsteinischen Oberlan-desgerichts in [X.] vom 27. April 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die im Jahre 1943 geborene Klägerin nimmt die Beklagte aus zwei [X.]en in Anspruch. 1 Sie war seit Oktober 1979 im Beamtenverhältnis - zuletzt als Obermedizinalrätin - im amtsärztlichen Dienst der [X.]tä-tig. Von Februar 1990 bis Mai 1992 war sie wegen einer Depression dienstunfähig erkrankt. Ende 1994 ordnete ihr Dienstherr eine amtsärzt-liche Untersu[X.] an. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein; im Zuge des sich anschließenden [X.] wurde sie durch 2 - 3 -

einen psychiatrischen Sachverständigen begutachtet, der keine [X.] für eine Depression und eine darauf beruhende Dienstunfähigkeit feststellen konnte. Später schloss die Klägerin bei der Beklagten Lebensversiche-rungsverträge mit [X.]en ab, die eine Laufzeit bis zum 30. November 2005 (erster Vertrag) und 30. November 2006 (zweiter Vertrag) hatten. In ihren Anträgen vom 8. Oktober 1997 und 22. Juni 1998 beantwortete sie die Gesundheitsfragen der Beklagten 3 "2. Bestehen oder bestanden Beschwerden, Störungen, Krankheiten oder Vergiftungen? – 4. Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden? Weshalb? – 6. Haben in den letzten 10 Jahren Krankenhaus-, Heilstät-ten-, Lazarett- oder Sanatoriumsaufenthalte stattgefun-den?" jeweils mit "ja". Ergänzend gab sie dazu an: 4 "Februar 1990 - Mai 1992 Depression, seitdem gesund. 1990 (oder 1991) 10 Tage Krankenhausbehandlung wg. Depression."
Auf die Frage 5 "8. Bezogen, beziehen oder beantragten Sie eine Rente oder Pension aus gesundheitlichen Gründen?" kreuzte sie "nein" an. 6 In die [X.] ist jeweils folgende Klausel [X.]: 7 - 4 -

"Zum Nachweis der Berufsunfähigkeit genügt die Vorlage des [X.], wenn - Ihnen ausschließlich wegen Ihres Gesundheitszustandes nach den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversi-cherung der [X.] eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente zuerkannt wurde und - Sie bei Eintritt der Berufsunfähigkeit eine Vollzeitbeschäf-tigung ausüben."
Dem Versicherungsverhältnis liegen Besondere Bedingungen für die [X.] (Stand 1998) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: 8 "§ 1 Was ist versichert? (1) Wird der Versicherte während der Dauer dieser Zusatz-versicherung zu mindestens 50% berufsunfähig, so erbrin-gen wir folgende Versicherungsleistungen –
§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen? (1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der [X.] infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräftever-falls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dau-ernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätig-keit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähig-keiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Le-bensstellung entspricht. – (4) Hat der Versicherte bei Eintritt von Berufsunfähigkeit im bisherigen Beruf im Sinne der Ziffern 1 bis 3 das 55. Lebensjahr vollendet und beträgt die restliche [X.] oder Leistungsdauer der Zusatzversicherung noch maximal 5 Jahre, verzichten wir auf die Prüfung, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit ausüben könnte." - 5 -

9 Im Juli 2002 wurde die Beklagte auf Veranlassung ihres Dienst-herrn durch den Sachverständigen Dr. [X.]erneut psychia- trisch begutachtet mit dem Ergebnis, dass keine volle Dienstfähigkeit, aber auch keine Dienstunfähigkeit im Sinne des [X.] für [X.]-Holstein ([X.]) vorliege. Im Februar 2003 bescheinigte die Amtsärztin [X.]vom Fachdienst Gesundheit des [X.] das Vorliegen einer Dienstunfähigkeit im Sinne von § 54 [X.]. Am 1. Juli 2003 wurde die Klägerin aus dem amtsärztlichen Dienst [X.]. Sie bezieht seither beamtenrechtliche Ruhestandsbezüge und zusätzlich eine Rente der Versorgungseinrichtung der Ärztekammer [X.]-Holstein. Von der Beklagten begehrte sie ab demselben Tage Versicherungsleistungen wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte trat [X.] am 15. Juli 2003 von den Versicherungsverträgen zurück und er-klärte am 14. Mai 2004 die Anfechtung wegen arglistiger Täus[X.]. Sie begründete dies damit, die Klägerin habe die psychiatrische Untersu-[X.] aus dem [X.] in den [X.] nicht angege-ben und auch ihre Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähig-keit von Februar 1990 bis Mai 1992 verschwiegen.
Das [X.] hat die Klage auf Zahlung einer Berufsunfähig-keitsrente von jeweils 8.180,64 • (24 Monate) und jeweils 340,86 • mo-natlich ab dem 1. Juli 2005 bis zum 30. November 2005 (erster Versiche-rungsvertrag) bzw. 30. November 2006 (zweiter Versicherungsvertrag) abgewiesen, weil die Klägerin nicht hinreichend zu einer bedingungsge-mäßen Berufsunfähigkeit vorgetragen habe. Die Berufung der Klägerin hatte in vollem Umfang Erfolg. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ih-rer Revision. 10 - 6 -

Entscheidungsgründe: 11 Auf das Rechtsmittel der Beklagten war die angefochtene Ent-scheidung aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen.

I. Dieses hat ausgeführt: Die Klägerin sei seit dem 1. Juli 2003 zu mindestens 50% berufsunfähig. Das folge bereits daraus, dass sie sich ab diesem Tage wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand befinde. Die in die [X.] aufgenommene Klausel, wonach zum [X.] die Vorlage des [X.] genüge, könne auf die Klägerin als Beamtin nach ihrem Wortlaut keine Anwen-dung finden. Da sie in den [X.] aber angegeben ha-be, als beamtete Ärztin im öffentlichen Dienst beschäftigt zu sein, habe sie aus der Aufnahme der Klausel schließen können und dürfen, dass die Beklagte versehentlich die "falsche" Bezeichnung gewählt habe und in Wahrheit die so genannte [X.] vereinbart sein sollte, wonach die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit als vollstän-dige Berufsunfähigkeit gelte. 12 Aber auch unabhängig davon habe die Klägerin den Nachweis ih-rer Berufsunfähigkeit geführt. Gemäß § 2 Abs. 4 BB-BUZ sei der [X.] angesichts des Lebensalters der Klägerin von damals 59 Jahren der Einwand einer zumutbaren Verweisungstätigkeit von vornherein ver-schlossen. Die Klägerin könne zudem ihren bisherigen Beruf als Amts- ärztin schon aus Rechtsgründen nicht mehr ausüben, weil sie sich im Ruhestand befinde. Überdies ergäben sich aus den Gutachten Dr. [X.]und [X.]

hinreichende Angaben zur [X.] - 7 -

lung der Berufsunfähigkeit der Klägerin. Auf dieser Grundlage habe der Senat keinen Zweifel, dass die Klägerin im Juli 2003 zur Ausübung ihres Berufes als Amtsärztin voraussichtlich dauernd außerstande gewesen sei. Von den Versicherungsverträgen sei die Beklagte weder wirksam zurückgetreten, noch habe sie diese wirksam angefochten. Die Klägerin, die dazu Bescheinigungen der H.
L. vorgelegt habe, sei während ihrer Depressionserkrankung dienstunfähig gewesen, nicht aber (vorübergehend) in den Ruhestand versetzt worden. Auch die weiteren Gesundheitsfragen habe sie nicht unrichtig beantwortet. Zur Offenlegung der von dritter Seite veranlassten Untersu[X.] im Zuge des [X.] sei sie nicht verpflichtet gewesen, zumal keine Erkran-kung festgestellt worden sei. Jedenfalls fehle es an dem erforderlichen Verschulden. Selbst bei wirksamem Rücktritt sei die Beklagte zur [X.] verpflichtet, weil die Voraussetzungen des § 21 [X.] gegeben [X.]. Die Klägerin sei nicht wegen der depressiven Erkrankung, sondern wegen eines fortschreitenden demenziellen Prozesses dienstunfähig ge-worden. Für ein arglistiges, die Beklagte zur Anfechtung berechtigendes Verschweigen der Begutachtung gebe es keine Anhaltspunkte. 14 II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand. 15 1. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Anfech-tung wegen arglistiger Täus[X.] verneint; das nimmt die Revision hin. Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass die Klägerin keine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten verletzt hat, die die [X.] - 8 -

klagte zum Rücktritt (§§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 1, 20 Abs. 1 [X.]) berechtig-ten. Das ist im Ergebnis richtig.
a) Nach § 16 Abs. 1 [X.] hat der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Ü-bernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Ge-fahrerheblich sind solche Umstände, die geeignet sind, auf den Ent-schluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbar-ten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Dabei gilt ein Um-stand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich fragt, im Zweifel als gefahrerheblich. 17 Die Klägerin ist mit der - weit gefassten - Gesundheitsfrage unter Ziffer 4 unter anderem nach Untersu[X.]en in den letzten fünf Jahren gefragt worden. Es wird keine Einschränkung gemacht, ob die Untersu-[X.] durch den künftigen Versicherungsnehmer selbst oder durch einen Dritten veranlasst worden ist. Die Frage wird noch nicht einmal dahin eingegrenzt, ob es eine Untersu[X.] aus Anlass einer gesundheitlichen Störung gewesen ist (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1998 - [X.] - [X.], 217 unter [X.] [X.]); abgesehen davon sollte das Gutachten aus dem Jahre 1994 gerade dazu dienen, eine vom Dienst-herrn behauptete gesundheitliche Störung (Depression) abzuklären. Da somit allgemein nach "Untersu[X.]en" gefragt worden ist, gehört dazu auch die psychiatrische Begutachtung Ende 1994 und war von der Klä-gerin anzugeben. Dass diese Begutachtung der Klägerin anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzung "von einem [X.]" worden ist, wie das Berufungsgericht meint, ist unerheblich. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass sich die Klägerin nicht aus eigener Sorge um ihre Gesundheit einer ärztlichen Untersu-18 - 9 -

[X.] unterzogen hat; die Frage unter Ziffer 4 lässt eine solche Deutung nicht zu. Der Versicherungsnehmer hat Fragen nach seinen [X.] grundsätzlich so zu beantworten, wie sie ihm durch den Versicherer gestellt werden. Er hat die angeforderten Angaben [X.] und vollständig zu machen. Er ist nicht dazu aufgerufen, de-ren Gefahrerheblichkeit aus seiner Sicht zu beurteilen; vielmehr hat er die Prüfung und Bewertung dem Versicherer zu überlassen ([X.] vom 20. September 2000 - [X.] - [X.], 1486 unter 1 [X.]; vom 2. März 1994 - [X.] - [X.], 711 unter 2 a). Eine objektive Obliegenheitsverletzung ist somit gegeben.
Ein Recht der Beklagten zum Rücktritt scheitert aber daran, dass die Anzeige ohne Verschulden der Klägerin unterblieben ist (§ 16 Abs. 3 [X.]; vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1994 - [X.] - [X.], 1457 unter 3 c). Das vom gerichtlichen Sachverständigen im Jahre 1994 erstellte Gutachten kommt zu folgenden Ergebnissen: "Grundstim-mung, affektive Resonanz oder [X.] sowie das [X.] während der Exploration wiesen bei meiner Untersu[X.] [X.] Anzeichen einer Depression auf. – Ein krankheitswertiger Anankas-mus mit Verlangsamung des [X.] und [X.] hat sich in meiner Untersu[X.] nicht abgezeichnet. [X.] komme ich zu dem Ergebnis, dass meine Untersu[X.] keinen An-halt für eine Dienstunfähigkeit aus psychiatrischer Sicht ergeben hat." 19 Da die Untersu[X.] mithin keine pathologischen Befunde erge-ben hatte, folgte daraus für die Klägerin nicht die Erkenntnis, (weiterhin) an einer gesundheitlichen Störung - insbesondere einer Depression - zu leiden, mit der Konsequenz, dass sie - anders als im Antragsformular angegeben - seit Mai 1992 in dieser Hinsicht nicht "gesund" war. [X.] - 10 -

mehr wurde sie in ihrem Standpunkt bestätigt, nicht (mehr) an einer De-pression und auch an keiner anderen psychischen Erkrankung zu leiden (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 - [X.] - VersR 1990, 1382 unter 2). Wenn die Revision weiter darauf abstellt, aus dem gericht-lichen Gutachten ergäben sich jedenfalls eine Wespenstichallergie und ein durchlittener Magen-Darm-Infekt, was die Klägerin in den [X.] nicht angegeben habe, so hat die Beklagte ihren Rücktritt darauf nicht gestützt. Überdies sind insoweit die Voraussetzungen des § 21 [X.] offensichtlich; die unterbliebene Anzeige hat keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles und den Umfang der Leistung der Beklagten gehabt.
b) Die Frage nach dem Bezug einer Rente aus gesundheitlichen Gründen hat die Klägerin schon objektiv nicht unrichtig beantwortet. Sie hat zutreffend angegeben, über einen Zeitraum von mehr als zwei Jah-ren mit teils stationärer Behandlung an einer Depression gelitten zu ha-ben. Sie hat allerdings in den Antragsformularen nicht vermerkt, deswe-gen durchgängig krank geschrieben ("dienstunfähig") gewesen zu sein. Indes ist ihr seitens der Beklagten eine entsprechende Frage auch nicht gestellt worden. "Dienstunfähigkeit" als solche ist keine eigene offenba-rungspflichtige Erkrankung, sondern bloße Folge der - von der Klägerin wahrheitsgemäß angegebenen - über einen langen Zeitraum währenden Depression. Der Beklagten hätte es freigestanden, auf die übrigen Anga-ben der Klägerin hin zur Wahrung der eigenen Interessen bei Schließung des Vertrages in eine nähere Risikoprüfung einzutreten; gegebenenfalls hätte alsbald bei der Klägerin nachgefragt werden müssen (vgl. Senats-urteile vom 2. November 1994 - [X.] - [X.], 80 unter [X.]; vom 3. Mai 1995 - [X.]/94 - [X.], 901 unter 3). Da dies unterblieben ist, kann die Beklagte der Klägerin jetzt nicht vorhalten, ihre 21 - 11 -

depressive Erkrankung "verharmlost" zu haben. Wenn die Beklagte aus der zur "Dienstunfähigkeit" führenden Erkrankung den Schluss zieht, die Klägerin habe sich zumindest vorübergehend im Ruhestand befunden, trifft dies nicht zu, wie die Klägerin durch Bescheinigungen ihres Dienst-herrn, sie habe sich durchgängig im aktiven Dienst befunden und sei entsprechend besoldet worden, belegt hat.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch bislang keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob bei der Klägerin Berufsunfähigkeit ein-getreten ist. 22 a) Diese richtet sich ausschließlich nach § 2 Abs. 1, 4 BB-BUZ. Die Annahme des Berufungsgerichts, in das Versicherungsverhältnis sei die so genannte [X.] einbezogen, wonach eine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst oder ein Versetzen in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ohne weiteres als bedingungsgemäße Berufsunfähig-keit gelten, ist nicht haltbar. Die zwischen den Parteien getroffenen [X.] geben dafür nichts her. Der Wortlaut der in die Versicherungs-scheine aufgenommenen Klausel ist eindeutig und konnte von der Kläge-rin - die sich darauf auch gar nicht berufen hat - nicht dahin verstanden werden, in Wahrheit sei etwas anderes - die [X.] - [X.]. Vielmehr knüpft die [X.] unzweifelhaft für die Vorausset-zungen einer Berufsunfähigkeit an die Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung an. Dass auch die Dienstunfähigkeit für die Aner-kennung einer Berufsunfähigkeit genügen könnte, war für die Klägerin dem Versicherungsschein oder den beigefügten BB-BUZ an keiner Stelle zu entnehmen. Es ergab sich für sie kein Anhaltspunkt, die Beklagte ha-be die "falsche" Klausel in die Versicherungsverträge aufgenommen. Schon gar nicht geht es an, wie es das Berufungsgericht getan hat, nach 23 - 12 -

den Grundsätzen einer "falsa demonstratio" das tatsächlich Vereinbarte ohne weiteres durch die [X.] zu ersetzen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in den Versiche-rungsanträgen angegeben hatte, Beamtin zu sein; daraus resultierte [X.] Verpflichtung der Beklagten, tatsächlich die [X.] zur An-wendung zu bringen. Es fehlte schon an einem entsprechenden Antrag der Klägerin, als "Beamtin" versichert zu werden. Ein solcher Antrag er-gab sich nicht allein daraus, dass sie das Kästchen "Beamter" [X.] hatte. Es ging dabei nur um die Erfragung ihrer Berufsstellung als Teil der erbetenen Angaben zur "zu versichernden Person", ohne dass diese Angabe auf eine bestimmte Ausgestaltung des [X.] der Beklagten gerichtet war (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2001 - [X.]/00 - VersR 2001, 1502 unter [X.] und [X.]). Die von der Beklagten in die [X.] aufgenommene [X.] war zudem für die Klägerin nicht ohne Wert, weil sie zugleich Mitglied ei-nes Versorgungswerkes war, dessen Leistungen sich regelmäßig an den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung ausrichten. 24 b) Nach § 2 Abs. 1 BB-BUZ liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder [X.], die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd au-ßerstande ist, seinen Beruf auszuüben. Das schließt es aus, mit dem Be-rufungsgericht die auf dem Eintritt in den Ruhestand beruhende "rechtli-che Unmöglichkeit", den bisherigen Beruf weiterhin auszuüben, für die Annahme einer Berufsunfähigkeit genügen zu lassen. Damit würde - zumindest mittelbar - erneut auf die [X.] abgestellt, die in das Versicherungsverhältnis der Parteien aber gerade keinen Eingang gefunden hat. Stattdessen hätte das Berufungsgericht den Sachverhalt 25 - 13 -

dahin aufklären müssen, ob die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BB-BUZ gegeben sind.
(1) Daran fehlt es; insbesondere können - wiederum entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit die sachverständigen Stellungnahmen Dr. [X.] und [X.] nicht herangezogen werden. Denn diese waren auf eine mögliche Dienstunfähigkeit der Klägerin ausgerichtet. Bei der [X.] im privatversicherungsrechtlichen Sinne handelt es sich jedoch um einen eigenständigen Rechtsbegriff, der weder mit Dienstunfähigkeit noch mit Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne des gesetz-lichen Rentenversicherungsrechts gleichgesetzt werden kann (vgl. Se-natsurteile vom 22. September 2004 - [X.]/03 - [X.], 676 unter [X.]; vom 12. Juni 1996 - [X.] - [X.], 959 unter [X.] und 2 a). Demgemäß gilt ein Beamter - sollte die [X.] ver-einbart sein - bei Dienstunfähigkeit als berufsunfähig, ohne dies [X.] zugleich im Sinne von § 2 Abs. 1, 4 BB-BUZ zu sein. 26 (2) Allein das verbietet es, auf die beiden Gutachten zurückzugrei-fen, um das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit abzuklären. Überdies [X.] die Stellungnahmen, was die Beurteilung einer - für § 2 Abs. 1 BB-BUZ nicht maßgeblichen - Dienstunfähigkeit anbelangt, zu unter-schiedlichen Ergebnissen. In dem vom 12. Juli 2002 stammenden Gut-achten Dr. [X.]

wird ausgeführt, es ließen sich keine [X.] einer aktuellen depressiven Störung oder einer spezifischen Stö-rung der Persönlichkeit erkennen. Zu denken wäre allenfalls an die [X.] einer demenziellen Erkrankung im Sinne einer leichten kogniti-ven Störung. Dabei handele es sich jedoch noch nicht um eine Krankheit im engeren Sinne, sondern unter Umständen um das Vorstadium einer 27 - 14 -

späteren Demenz, möglicherweise auch um altersbedingte Abbauvor-gänge, die als physiologisch zu werten wären. In Beantwortung der [X.] sei zu bestätigen, dass wegen der diagnostizierten leichten kognitiven Störungen keine volle Dienstfähigkeit im Sinne des [X.] ge-geben sei, aber ebenso wenig eine Dienstunfähigkeit. Weder die vom Dienstherrn angenommene schwerwiegende Persönlichkeitsstörung noch eine chronifizierte Depression könnten gutachterlich bestätigt werden. Allein die Gutachterin [X.]

hat am 10. Februar 2003 eine Dienstunfähigkeit bejaht. Es sei zwar keine aktuelle depressive Störung zu erkennen, indes eine ausgeprägte Entscheidungsschwäche bzw. -unfähigkeit. Eine Krankheit im engeren Sinne liege nicht vor, hingegen eine Störung, die Vorstadium einer möglichen späteren Demenz sein könne. Unter Berücksichtigung des klassischen Aufgabenprofils eines Gesundheitsamtes, nicht nur im amtsärztlichen Bereich, sondern auch im sozialpsychiatrischen Dienst mit der Ableistung von Rufbereitschafts-diensten, sei festzustellen, dass die Klägerin nicht als dienstfähig ange-sehen werden könne. (3) Das Berufungsgericht wird hier weitere Feststellungen zu tref-fen haben. Liegt Berufsunfähigkeit im dargestellten Sinne vor, kommt es angesichts der Regelung in § 2 Abs. 4 BB-BUZ und des Lebensalters der Klägerin von damals 59 Jahren nicht mehr darauf an, ob sie in der Lage wäre, einen Vergleichsberuf auszuüben. Insoweit ist das Berufungsge-richt zu Recht der Auffassung des [X.]s entgegengetreten, sie habe es an substantiiertem Vortrag fehlen lassen und ihre bisherige Tä-tigkeit als Amtsärztin nicht hinreichend umschrieben. 28 c) Das Berufungsgericht hat sich des Weiteren nicht damit befasst, dass die Klägerin bereits in der Klageschrift und erneut in der Beru-29 - 15 -

fungsbegründung vorgetragen hat, ab dem 1. Juli 2003 als Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks (Versorgungseinrichtung der Ärzte für [X.]-Holstein) eine Rente wegen eingetretener Berufsunfähig-keit zu beziehen. Das ist deshalb von Bedeutung, weil nach der zwischen den Parteien getroffenen Zusatzvereinbarung zum Nachweis der Berufs-unfähigkeit die Vorlage des [X.] genügt, wenn dem [X.] ausschließlich wegen seines Gesundheitszustandes nach den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung der Bun-desrepublik Deutschland eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente zu-erkannt wurde. Seitens des Versorgungswerkes ist die Klägerin durch den Sachverständigen Prof. Dr. Hu.

begutachtet worden. Weder die-ses Gutachten noch der [X.] sind bislang vorgelegt worden. - 16 -

Das Berufungsgericht wird auch in diesem Punkt den Sachverhalt aufzu-klären und zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der [X.] durch den Bezug einer Rente durch das Versorgungswerk erfüllt sind. Das wird zu bejahen sein, sollte der Bezug dieser Rente Bestimmungen folgen, die denen der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen. Terno [X.] [X.] Dr. Kessal-Wulf [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.06.2005 - 4 O 241/04 - OLG [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

IV ZR 133/06

07.03.2007

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2007, Az. IV ZR 133/06 (REWIS RS 2007, 4890)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4890

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