Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2011, Az. V ZR 222/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5795

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
222/10
Verkündet am:

10. Juni 2011

Langendörfer-Kunz

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2011
durch [X.]
Dr.
Krüger, [X.] und Dr.
Roth und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 11.
Zivilkammer des [X.] vom 5.
Oktober 2010 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien, jeweils Eheleute,
sind die Mitglieder einer aus vier Woh-nungen bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein Verwalter ist nicht bestellt. Ende 2008/Anfang 2009 einigten sie sich schriftlich, dass am 28.
Januar 2009 in den Kanzleiräumen des Anwalts der Kläger eine
"Voll/Universalversammlung
... unter Verzicht auf die formellen Einberufungsvo-raussetzungen"
stattfinden solle. Eine von den Klägern vorgeschlagene Tages-ordnung wurde von den [X.] mit Schreiben vom 20. Januar 2009 um we-sentliche Punkte erweitert. Auch auf die Person des Versammlungsleiters konn-ten sich die Parteien nicht einigen. Am 26.
Januar 2009 sagten die
Kläger die vereinbarte Eigentümerversammlung wieder ab, da sie zu kurzfristig über die Wünsche der [X.] informiert worden seien, und baten darum, dass [X.]
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tümerversammlungen in Zukunft unter Beachtung der formellen Voraussetzun-gen einberufen werden.
Daraufhin teilten die [X.] dem Anwalt der Kläger mit, dass die Eigentümerversammlung dennoch durchgeführt werde und sie diese in die Kanzlei des [X.] zu 2 verlegen würden, wenn der vereinbarte Versammlungsraum nicht zur Verfügung gestellt werde.
Da am 28.
Januar 2009 weder die Kläger noch ihr Anwalt am Versammlungsort anwesend waren und den [X.] der Zutritt zum Versammlungsraum verwehrt wurde, verlegten die [X.] -
unter Hinterlassung einer entsprechenden Mitteilung an die Klä-ger
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die Eigentümerversammlung in die einige Kilometer entfernten Kanzlei-räume des [X.] zu 2. Dort fand eine halbe Stunde später eine Versamm-lung in Abwesenheit der Kläger statt. Auf Antrag der Kläger hat das Amtsgericht die von ihnen angegriffenen
auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewie-sen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der [X.], mit der sie eine Klageabweisung erreichen möchten. Die Kläger beantragen die
Zurück-weisung der Revision.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die angegriffenen Beschlüsse seien auf einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Versammlung gefasst [X.]. Die Versammlung sei als Vollversammlung gedacht gewesen, zu der es nach der Absage der Kläger nicht mehr habe kommen können. Im Übrigen ha-be spätestens die Verlegung der Versammlung in die Kanzleiräume des [X.] zu 2 zu einer allseitigen Aufhebung der Versammlung geführt. Bei der Versammlung am neuen Versammlungsort habe es sich nicht um eine [X.]
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zung der vereinbarten, sondern um eine neue Versammlung gehandelt. Die einseitige Verlegung zum neuen Ort und zu veränderter [X.] verstoße gegen die vorgeschriebenen Einberufungsformalien. Eine solche Änderung
könne nur durch den Berechtigten erfolgen. Daher hätten die [X.] entweder auf eine neue Vereinbarung hinwirken oder sich vom Gericht zur Einberufung ermächti-gen lassen müssen.

II.
Rechtlich zutreffend kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Beschlüsse für ungültig zu erklären waren, da sie auf einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Eigentümerversammlung gefasst worden sind.
1. Der Ordnungsmäßigkeit der Einberufung steht zwar nicht entgegen, dass die Eigentümerversammlung durch die Wohnungseigentümer selbst ein-berufen wurde. Grundsätzlich obliegt das Recht zur Einberufung der Eigentü-merversammlung gem. §
24 Abs. 1 und 2 WEG dem Verwalter oder in den Fäl-len des § 24 Abs. 3 WEG dem Vorsitzenden des [X.]. [X.] sind aber auch die Eigentümer berechtigt, eine Eigentümerver-sammlung einzuberufen, sofern die Einberufung einvernehmlich durch alle Wohnungseigentümer erfolgt ([X.], [X.], 1428, 1429; [X.], WEG, 11.
Aufl., § 24 Rn. 24; [X.] in [X.], WEG, 2.
Aufl., §
24 Rn.
30). So liegt es hier. Die Eigentümerversammlung wurde mit schriftlichem Einvernehmen aller Wohnungseigentümer einberufen.
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2. Die Einberufung der Eigentümerversammlung ist nicht dadurch [X.] geworden, dass die Kläger die einberufene Versammlung abgesagt haben.
a) Zwar kann eine anberaumte Wohnungseigentümerversammlung vom jeweilig Einladenden wieder abgesetzt werden. Dies ist im [X.] nicht ausdrücklich geregelt. Für die Kapitalgesellschaften des [X.] und für den bürgerlichrechtlichen rechtsfähigen Verein ist jedoch [X.], dass derjenige, der die Versammlung der Gesellschafter berufen hat, auch zur Absage befugt ist ([X.], [X.], 225 mwN; [X.], [X.] 1980, 1022, 1023, juris, Rn. 72). Der hierin zum Ausdruck kommende [X.] verbandsrechtliche Grundsatz gilt auch im Recht des Wohnungseigentums ([X.], [X.], 225; [X.]/Pick, WEG, 19.
Aufl., §
24 Rn.
11; [X.] in [X.], WEG, 2.
Aufl., §
24 Rn.
39; [X.]/Bassenge, BGB,
70.
Aufl., §
24 WEG, Rn. 12; [X.], aaO).
Die Kläger waren daher nicht befugt, die von allen Wohnungseigentümern einvernehmlich einberufene Eigentümerversamm-lung abzusetzen. Für eine wirksame Absetzung hätte es einer einvernehmli-chen Vorgehensweise durch alle Wohnungseigentümer bedurft.
b) Ein anderes Ergebnis folgt nicht daraus, dass sich die [X.] über ihre Rechtsanwälte auf die Durchführung einer "Voll-/Uni-versalversammlung"
geeinigt hatten. Dies kann nicht dahingehend verstanden werden, dass nach dem Willen der Parteien die Wohnungseigentümerver-sammlung nur durchgeführt werden durfte, wenn alle Eigentümer zur Versamm-lung erscheinen, und dass der einzelne Eigentümer berechtigt sein sollte, die Versammlung abzusagen. Die rechtliche Besonderheit einer Vollversammlung, bei welcher alle Wohnungseigentümer einer [X.] bei einer Eigentü-merversammlung anwesend sind, besteht darin, dass die Anwesenheit sämtli-cher Wohnungseigentümer entsprechend § 51 Abs. 3 GmbHG unter bestimm-5
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ten Voraussetzungen alle Einberufungsmängel heilt ([X.] in [X.], WEG, 2.
Aufl., §
23 Rn. 28; [X.], WEG, 11.
Aufl., § 23 Rn. 87). [X.] ein Wohnungseigentümer seine Teilnahme an einer als "Vollversammlung"
einbe-rufenen Wohnungseigentümerversammlung ab, darf die Versammlung [X.] durchgeführt werden. Allerdings tritt bei Fernbleiben eines Eigentümers in der Versammlung die Heilungswirkung hinsichtlich etwaiger Einberufungsmän-gel nicht ein ([X.] in [X.], WEG, 2.
Aufl., §
23 Rn. 28).
3. Ein [X.] liegt aber darin, dass die Eigentümerver-sammlung nicht an dem Versammlungsort durchgeführt wurde, den die [X.] bei der Einberufung der Eigentümerversammlung einver-nehmlich festgelegt hatten, sondern durch die [X.] ohne Einverständnis der Kläger in die Kanzlei des [X.] zu 2 verlegt wurde.
a) Es kann dahin gestellt bleiben, ob es sich bei der Zusammenkunft in den Kanzleiräumen des [X.] zu 2 um eine neue Versammlung handelte, zu der eine erneute Einladung erforderlich gewesen wäre, oder ob es sich um die Durchführung der bereits einberufenen Versammlung lediglich an einem anderen Versammlungsort handelte. Denn auch zu einer Änderung des [X.] waren die [X.] nicht befugt. Ebenso wie die Auswahl des [X.] der zur Einberufung zuständigen Person obliegt ([X.], NJW-RR 2006, 520, 521; [X.], WEG, 11.
Aufl., §
24 Rn.
48; [X.] in [X.], WEG, 2.
Aufl., § 24 Rn. 73), kann die Verlegung des [X.] nur durch den [X.] erfolgen. Da die [X.] die Eigentümerversammlung gemeinsam einberufen hatten, konnten sie den festgelegten Versammlungsort auch nur im gegenseitigen Einvernehmen ändern.
b) Eine Befugnis der [X.] zur Verlegung des [X.] folgt auch nicht daraus, dass die Kläger den Wohnungseigentümern unberech-8
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tigt den Zutritt zum vereinbarten Versammlungsort hatten verwehren lassen und deshalb die einberufene Versammlung dort nicht durchgeführt werden konnte. Das Verhalten der Kläger mag unter Umständen zu Schadensersatzansprüchen der vergeblich angereisten Wohnungseigentümer führen; es begründet aber nicht die Berechtigung nicht zur Einberufung berechtigter Personen, den [X.] zu verlegen. Daran ändert der Umstand nichts, dass die [X.] die Kläger einen Tag vor der Versammlung darauf hingewiesen hatten, die Versammlung werde in den Büroräumen des [X.] zu 2 stattfinden, wenn sie den Zutritt zum vereinbarten Versammlungsort verweigerten. Auch eine vor-herige Information der übrigen Wohnungseigentümer über die beabsichtigte Vorgehensweise begründet kein Selbsthilferecht einzelner Wohnungseigentü-mer (vgl. [X.], WEG, 11.
Aufl., § 24 Rn. 24; [X.] in [X.], WEG, 2.
Aufl., § 24 Rn. 31). Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die [X.] entweder auf eine neue Vereinbarung hätten hinwirken oder sich vom Gericht -
ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung (vgl. [X.] in [X.], WEG, 2.
Aufl., § 24 Rn. 34)
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zur Einberufung einer Eigentümerver-sammlung hätten ermächtigen lassen müssen.
4. Die Kläger müssen sich im Hinblick auf ihr eigenes, zum Scheitern der Eigentümerversammlung am vereinbarten Ort führende Verhalten nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als liege kein Einberu-fungsmangel vor. Ihre Vorgehensweise war von sachlichen Gründen getragen. Der Zustimmung der Kläger zur Durchführung einer Eigentümerversammlung unter Verzicht auf die formellen Einberufungsvoraussetzungen lag unausge-sprochen die Erwartung zugrunde, dass man sich vorher auf eine Tagesord-nung einigt. Zu einer solchen Einigung ist es jedoch nicht gekommen, nachdem die [X.] eine Woche vor dem Versammlungstermin die Tagesordnung um substantielle Punkte wie etwa die Beschlussfassung über die Erhebung einer [X.]
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Hausgeldrückständen erweiterten. Hinzu
kommt, dass auch über die Person des Versammlungsleiters keine Einigung erzielt werden konnte. Hierbei [X.] es sich nicht lediglich
um einen unwesentlichen Nebenaspekt. In Anbetracht des angespannten Verhältnisses zwischen den Parteien kam der Frage, ob die Leitung der Versammlung -
den Vorstellungen der [X.] entsprechend
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durch den [X.] zu 2 erfolgen
oder ob dies ein Dritter übernehmen sollte, erhebliche Bedeutung zu. Angesichts dieser veränderten Umstände kann den Klägern nicht der Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens gemacht werden, wenn sie nun doch auf der Einberufung einer Eigentümerversammlung unter Beach-tung der formellen Voraussetzungen bestanden und die Durchführung der [X.] Eigentümerversammlung zu verhindern suchten.
5. Gegen die rechtlich zutreffenden Ausführungen des Berufungsge-richts, dass der [X.] für die Beschlussfassung kausal war, [X.] die Revision keine Einwendungen.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger
Schmidt-Räntsch
Roth

[X.]
Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.07.2009 -
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LG [X.], Entscheidung vom [X.] -
11 [X.]/09 -

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Meta

V ZR 222/10

10.06.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2011, Az. V ZR 222/10 (REWIS RS 2011, 5795)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5795

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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