Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2008, Az. V ZR 221/07

V. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3434

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[X.]BESCHLUSS V ZR 221/07 vom 12. Juni 2008 in dem Rechtsstreit

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 12. Juni 2008 durch [X.] Dr. [X.], [X.] Lemke und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das [X.]eil des 11. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 21. Februar 2007 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 301.825,82 •. Gründe: [X.] Am 4. Dezember 1998 schlossen der Kläger und die [X.] mbH & Co. KG einen notariellen Kaufvertrag mit [X.] über eine Eigentumswohnung auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei in [X.]. Die Verkäuferin wollte das Gelände durch den Bau von Eigentumswohnungen, Lofts, Gewerbeflächen, Reihenhäusern, Tiefga-ragen und Grünflächen in das sog. [X.] umgestalten. 1

- 3 -Vor jeglicher grundbuchlichen Absicherung des [X.] wurde das Insol-venzverfahren über das Vermögen der Verkäuferin eröffnet. Der [X.] lehnte die Erfüllung des Kaufvertrages ab. Er verkaufte den gesamten Komplex im Mai 2002 an die [X.]. In Ziffer II § 6 des zwischen ihm und der [X.]n geschlossenen notariellen Kaufvertrages heißt es: 2 —Wohnungseigentumsverkäufe Der Insolvenzverwalter hat gegenüber sämtlichen Käufern von Wohneigentum die [X.]. Rückgaben sind größtenteils noch nicht erfolgt– Ein Teil dieser Käufer wird den Wunsch äußern, mit dem Erwerber Verhandlungen mit dem Ziel eines neuen Vertragsabschlusses zu führen. In solchen Fällen ist der Erwerber verpflichtet, Kaufpreise nicht höher festzulegen als 80 % des ursprünglich beurkundeten Kaufpreises. Im Übrigen ist der Käufer in der Kaufvertragsgestaltung im Rahmen des billigen Ermessens frei. Insbesondere kann er Vereinbarungen zur Ände-rung der dem jeweiligen Kaufvertrag zugrunde liegenden [X.] sowie zur Einschränkung der Gewährleistung [X.] Vorstehende Verpflichtungen des Erwerbers sind echter Vertrag zugunsten Dritter, also jeweils zugunsten des einzelnen [X.] Der Kläger verlangt von der [X.]n den Abschluss eines notariellen Kaufvertrages über die ursprünglich erworbene Eigentumswohnung zu 80 % des damals vereinbarten Kaufpreises. Das [X.] hat der Klage stattge-geben. Das [X.] hat sie abgewiesen und die Revision nicht zugelas-sen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde möchte der Kläger die Wiederher-stellung des erstinstanzlichen [X.]eils erreichen. 3

- 4 -I[X.] 1. Das angefochtene [X.]eil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. 4 a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet ([X.] NJW 2003, 1655). Das ist unter anderem der Fall, wenn ein Gericht die Rechtsprechung des [X.] missachtet, wonach die Ablehnung eines Beweises für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist, wenn diese so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (vgl. [X.] ZIP 1996, 1761, 1762). Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen durch das [X.] dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusi-onsvorschriften, verletzt sie Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn sie [X.] wie hier - offenkundig unrichtig ist (vgl. [X.] NJW 2001, 1565). 5 b) Das Berufungsgericht hätte den von dem Kläger angebotenen Beweis zu den Gesprächen erheben müssen, die vor dem Verkauf des [X.] zwischen dem Insolvenzverwalter und der [X.]n im Hinblick auf die Regelung in Ziffer II § 6 des Vertrages geführt worden sein sollen. Nach ständi-ger Rechtsprechung des [X.] genügt eine [X.] ihrer Darle-gungslast, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. z.B. [X.], [X.]. v. 4. Juli 2000, [X.], [X.], 3286, 3287; [X.]. v. 21. Ja-nuar 1999, [X.], NJW 1999, 1859, 1860; [X.]. v. 13. Juli 1998, [X.], NJW-RR 1998, 1409; [X.]. v. 29. September 1992, [X.], NJW-RR 1993, 189; [X.]. v. 12. Juli 1984, [X.], NJW 1984, 2888). Das trifft auf die unter Beweis gestellte Behauptung des [X.] zu, es sei dem [X.]

- 5 -verwalter mit der Aufnahme von Ziffer II § 6 des Kaufvertrages darum gegangen sicherzustellen, dass die sog. Altkäufer einen eigenen Ankaufsanspruch zu 80 % des Kaufpreises durchsetzen könnten, wobei dies vor dem [X.] mit den Vertretern der [X.]n besprochen und von diesen akzeptiert worden sei. Erweist sich dieser Vortrag als zutreffend, kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, wie die Vertragsparteien die genannte Klausel verstanden haben. Entgegen der Auffassung des [X.] war der Kläger nicht gehalten, die diesbezüglichen Vertragsverhandlungen in allen Details wieder-zugeben. Insbesondere musste er nicht angeben, wer, wann, gegenüber wem was genau gesagt hat (vgl. [X.], [X.]. v. 2. April 2007, [X.], NJW-RR 2007, 1483, 1486; [X.]. v. 1. Juni 2005, [X.], NJW 2005, 2710, 2711). Die Angabe von Einzelheiten zu dem Zeitpunkt und dem Ablauf bestimmter [X.] ist nicht erforderlich, wenn diese [X.] wie hier [X.] für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind ([X.], [X.]. v. 4. Juli 2000, [X.], [X.], 3286, 3287; [X.]. v. 21. Januar 1999, [X.], NJW 1999, 1859, 1860; [X.]. v. 12. Juli 1984, [X.], NJW 1984, 2888). Misst ihnen das Gericht für die [X.] oder die Wahrscheinlichkeit der Behauptung Bedeutung zu, sind sie durch entsprechende Nachfrage bei der Beweisaufnahme zu klären. Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Sachverhaltsschilderung im Übrigen ohne Bedeutung (Senat, [X.]. v. 13. Dezember 2002, [X.], NJW-RR 2003, 491; [X.], [X.]. v. 13. Juli 1998, [X.], NJW-RR 1998, 1409). 7 [X.] ist auch nicht deshalb gezwungen, den behaupteten Sach-verhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben, weil der Gegner ihn bestreitet. Dem Grundsatz, dass der Umfang der Darlegungslast sich nach der Einlassung des Gegners richtet, liegt nicht etwa der Gedanke zugrunde, eine [X.] sei zur 8

- 6 -Förderung der Wahrheitsermittlung und zur Prozessbeschleunigung verpflichtet, den Gegner in die Lage zu versetzen, sich möglichst eingehend auf ihre Be-hauptungen einzulassen. Der Grundsatz besagt nur, dass dann, wenn infolge der Einlassung des Gegners der Tatsachenvortrag unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt, er der Ergänzung bedarf ([X.], [X.]. v. 1. Juni 2005, [X.], NJW 2005, 2710, 2711; [X.]. v. 12. Juli 1984, [X.], NJW 1984, 2888). Zu beachten ist auch, dass eine [X.] grundsätzlich Tatsachen behaup-ten darf, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie nach Lage der [X.] aber für wahrscheinlich hält. Die Grenze, bis zu der dies zulässig ist, ist erst erreicht, wenn das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf begründet, eine Behauptung sei —ins [X.] aufgestellt, mithin aus der Luft gegriffen, und stelle sich deshalb als Rechtsmissbrauch dar (Senat, [X.]. v. 13. Dezember 2002, [X.], NJW-RR 2003, 491; [X.], [X.]. v. 1. Juni 2005, [X.], NJW 2005, 2710, 2711). Hiervon kann vorliegend keine Rede sein. 9 c) Die von dem Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung zu den [X.] bei der Behauptung innerer Tatsachen ist nicht einschlägig. Richtig ist zwar, dass die Behauptung, einer bestimmten vertragli-chen Regelung liege eine übereinstimmende Vorstellung der [X.]en [X.], häufig eine innere Tatsache betrifft. In diesem Fall muss - weil andernfalls die Erheblichkeit der Behauptung nicht überprüft werden kann - dargelegt wer-den, anhand welcher Anknüpfungstatsachen, die innere Tatsache nach außen in Erscheinung getreten sein soll (Senat, [X.]. v. 7. April 2000, [X.], [X.], 2986; [X.], [X.]. v. 29. März 1996, [X.], NJW 1996, 1678, 1679). Darum geht es hier aber nicht. Der Kläger hat nämlich nicht etwa behauptet, zwischen den Vertragsparteien habe stillschweigendes Einverständnis [X.]

- 7 -den, dass die zugunsten der Erwerber getroffene Regelung in einer bestimmten Weise zu verstehen sei. Er hat vielmehr vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass ein eigenes Ankaufsrecht der sog. Altkäufer in den Gesprächen vor [X.] des Vertrages seitens der [X.]n akzeptiert worden sei. Wenn der behauptete übereinstimmende Wille aber darauf beruht, dass die Vertragspar-teien darüber gesprochen haben, wie die umstrittene Klausel zu verstehen ist, reicht es, ein solches Gespräch zu behaupten. 2. Durch die Aufhebung des angefochtenen [X.]eils erhält das Berufungs-gericht auch Gelegenheit, seine Auslegung der streitgegenständlichen Klausel zu überprüfen. 11 a) Schon nach deren Wortlaut drängt es sich geradezu auf, dass den [X.] ein eigenes Ankaufsrecht eingeräumt werden sollte. Beschränkte sich die Verpflichtung der [X.]n darauf, mit ihnen Verhandlungen ohne jegliche Abschlussverpflichtung zu führen, bliebe die Festlegung eines die Altkäufer [X.] folgenlos. Bei der Auslegung ist jedoch davon auszugehen, dass vertragliche Festlegungen einen rechtserheblichen Inhalt haben sollen. Deshalb ist einem Verständnis der Vorzug zu geben, bei dem sich die Regelung nicht ganz oder teilweise als sinnlos erweist (vgl. Senat, [X.]. v. 1. Oktober 1999, [X.], NJW 1999, 3704, 3705; [X.], [X.]. v. 7. März 2005, [X.], NJW 2005, 2618). Auch ist nicht verständlich, welches Inte-resse der Insolvenzverwalter gehabt haben sollte, die [X.] mittels eines - ausdrücklich so bezeichneten - echten Vertrages zugunsten Dritter dazu zu verpflichten, letztlich unverbindliche Verhandlungen mit den [X.] zu füh-ren. Enthält die Klausel dagegen ein Ankaufsrecht, wäre sie geeignet, Scha-densersatzansprüche der Altkäufer gegen die Gemeinschuldnerin wegen der Nichterfüllung der ursprünglich geschlossenen Verträge abzuwenden oder zu verringern. Dass sich die [X.] in demselben Vertrag verpflichtet hat, andere 12

- 8 -von der Gemeinschuldnerin abgeschlossene Verträge unmittelbar zu überneh-men, stellt entgegen der Auffassung des [X.] keinen Widerspruch dar. Es ist ohne weiteres denkbar, dass die [X.] in bestimmte Verträge un-bedingt, in andere Verträge dagegen nur nach näher vereinbarten Maßgaben eintreten sollte. Wäre von der Auslegung des [X.]s auszugehen, stünden das Erwerbsrecht der Altkäufer und der Kaufpreis fest, während die [X.] bei der Gestaltung des Vertrages im Übrigen —im Rahmen billigen [X.] frei wä-re. Insoweit müssten Verhandlungen zwischen der [X.]n und den einzel-nen [X.] stattfinden. Bei einem Streit darüber, ob die von der [X.]n vorgegebenen übrigen Bedingungen billigem Ermessen entsprechen, könnten die Verhandlungspartner erforderlichenfalls die Gerichte anrufen. Die Situation wäre vergleichbar mit derjenigen bei Bestehen eines Vorvertrages, wenn sich die Vertragsparteien nicht über den Inhalt des noch abzuschließenden Haupt-vertrages einigen können. Hierzu verweist der Senat auf sein [X.]eil vom 12. Mai 2006 ([X.], [X.], 2843), das sich auch mit der Frage des richtigen Klageantrages in einem solchen Fall befasst. 13 b) Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass aus der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde einer anderen Altkäuferin (Beschluss vom 9. Februar 2006, [X.]) kein Präjudiz für die Vertragsauslegung folgt. Zwar hatte das damalige Berufungsgericht der streitgegenständlichen Klausel ebenfalls kein Ankaufsrecht der Erwerberin entnommen. Hierauf kam es bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht an. Die [X.] hatte nämlich ein Reihenhaus auf einem real geteilten Grundstück gekauft, die (hiesige) [X.] war jedoch nur bereit, das Haus in der Rechtsform des Wohnungseigentums (erneut) an sie zu verkaufen. Die Altkäuferin vertrat [X.] die Auffassung, einen Anspruch auf Erwerb von [X.] zu 14

- 9 -haben. Die Hilfsbegründung des [X.], selbst wenn sich aus Ziffer II § 6 ein Ankaufsrecht der Alterwerber ergebe, halte es sich jedenfalls im Rah-men des der (hiesigen) [X.]n eingeräumten billigen Ermessens bei der Vertragsgestaltung im Übrigen, wenn sie nur anbiete, das Reihenhaus in der Rechtsform des Wohnungseigentums zu verkaufen, war selbständig tragend und gab keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. [X.] Lemke [X.][X.]: LG [X.], Entscheidung vom 19.07.2004 - 11 O 7/04 - KG [X.], Entscheidung vom 21.02.2007 - 11 U 19/04 -

Meta

V ZR 221/07

12.06.2008

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2008, Az. V ZR 221/07 (REWIS RS 2008, 3434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3434

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