Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.11.2016, Az. II R 17/15

2. Senat | REWIS RS 2016, 2701

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Gegenstand

Erwerb von Anteilen an einem Haubergkomplex


Leitsatz

Der Erwerb von Haubergsanteilen unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2015  8 K 3618/12 GrE wird als unbegründet zurückgewiesen.  

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem [X.] ein unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 6.000 € sowie acht Pfennige eines [X.]es (Haubergspfennige) zu einem Kaufpreis von 8.000 €. Bewirtschaftet und verwaltet wird der [X.] durch eine [X.] nach dem Gemeinschaftswaldgesetz im [X.] --GWaldG NW-- (Gesetz- und Verordnungsblatt [X.] --GVBl NW-- 1975, 304; zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2007, GVBl NW 2007, 662). Die [X.] war unter der Bezeichnung "[X.]" als Eigentümer verschiedener Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Der Kläger wurde sodann unter Nennung seines Namens als Eigentümer der Haubergspfennige (Haubergsanteile) im Anteilgrundbuch eingetragen.

2

Mit Bescheid vom 25. Juni 2012 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) Grunderwerbsteuer in Höhe von 700 € fest und legte dabei den gesamten gezahlten Kaufpreis in Höhe von 14.000 € als Gegenleistung zu Grunde.

3

Der Einspruch, der sich gegen die Einbeziehung des Kaufpreises für die Haubergspfennige in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer richtete, wurde als unbegründet zurückgewiesen.

4

Die Klage vor dem [X.] ([X.]) hatte Erfolg. Zur Begründung führte das [X.] im Wesentlichen aus, der Kaufpreis für die Haubergspfennige sei nicht in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Haubergspfennige seien keine Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2015, 756 veröffentlicht.

5

Mit seiner Revision rügt das [X.] eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG. Bei den Anteilen an dem [X.] handle es sich um Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG.

6

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Erwerb von [X.] nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt.

9

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind unter Grundstücken i.S. des [X.] Grundstücke i.S. des bürgerlichen Rechts zu verstehen.

2. Der Erwerb von [X.] ist kein steuerbarer Erwerbsvorgang. [X.] sind --wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat-- keine Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

a) Die Rechtsverhältnisse der [X.] waren ursprünglich in der Haubergordnung für den [X.] vom 17. März 1879 (Gesetz-Sammlung für die königlichen Preußischen Staaten 1879, 228) --Haubergordnung-- geregelt. Nunmehr findet das [X.] auf die ehemaligen [X.] Anwendung (§ 1 Nr. 2 [X.]). Ziel und Zweck des [X.] ist die Erhaltung des Waldes in seinem Bestand (vgl. § 21 Satz 2 [X.]). Der [X.] ist eine auf Dauer angelegte Vereinigung von [X.]n zur Förderung und Erreichung dieses Ziels. Er ist daher mit einer Personengesellschaft vergleichbar, bei der ebenfalls zwischen den Gesellschaftern eine vereinbarte gegenseitige Verpflichtung besteht, "die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern" (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --[X.]-- für die GbR).

Die [X.] vermitteln eine Berechtigung mit mitgliedschaftlichem und sachenrechtlichem Einschlag. Der [X.] ist Mitglied der zur Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens gebildeten [X.] (§ 9 [X.]) und als Gesamthänder am Gemeinschaftsvermögen (§ 2 Abs. 1 [X.]) beteiligt.

b) Zum [X.] gebundenen Gemeinschaftsvermögen nach § 2 Abs. 1 [X.] gehören auch die Grundstücke des [X.] ([X.]).

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] steht das Gemeinschaftsvermögen den [X.]n zur gesamten Hand zu ([X.]sgemeinschaft). [X.] sind die Inhaber von Anteilen an dem Gemeinschaftsvermögen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

[X.] bildet das für [X.]sgemeinschaften typische, von dem Vermögen der [X.]n abzugrenzende zweckgebundene und organisierte Sondervermögen (vgl. § 718 Abs. 1 [X.] für die GbR; § 105 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs --HGB-- i.V.m. § 718 Abs. 1 [X.] für die OHG; § 161 Abs. 1 HGB i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 718 Abs. 1 [X.] für die [X.]; [X.]/[X.]/[X.], 7. Aufl., Vor § 705 Rz 15). Es ist ein dinglich gebundenes ungequoteltes Sondervermögen der [X.]n, d.h. deren unmittelbares Eigentum in [X.]er Verbundenheit. Jeder einzelne Gegenstand des [X.]svermögens gehört dem einzelnen [X.]n ganz, beschränkt durch das gleiche dingliche Recht des anderen (vgl. [X.]/Bassenge, [X.], 76. Aufl., § 903 Rz 3).

Das gilt auch hinsichtlich der [X.]. Die [X.] stehen nicht im Bruchteilseigentum der [X.]n (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 5. Februar 1957 V [X.] 25/56, [X.], 241, unter II.B.1., zu Grundstücken nach der Haubergordnung; Urteil des [X.] --BFH-- vom 20. Dezember 1962 III 321/60 S, [X.], 558, [X.]I 1963, 204, unter [X.], zu Jahnschaften nach dem [X.] vom 3. August 1897).

c) Wegen der [X.]en Bindung des Gemeinschaftsvermögens sind die [X.] keine Miteigentumsanteile i.S. von §§ 741 ff., 1008 ff. [X.] an den [X.]. Die Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1976 II R 139/71, [X.], 510, [X.] 1976, 693), nach der Miteigentumsanteile als Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu behandeln sind, findet insoweit keine Anwendung. Allein aus § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.], der --ähnlich wie § 747 Satz 1 [X.]-- eine Übertragung der Anteile durch Rechtsgeschäft zulässt, kann nicht --entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]-- der Schluss gezogen werden, dass [X.] den Miteigentumsanteilen an Grundstücken vergleichbar sind.

d) Die [X.] sind auch nicht deshalb als Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] anzusehen, weil § 3 Abs. 3 [X.] anordnet, dass für die Anteile die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des [X.] gelten, nach § 42 Abs. 2 [X.] für jede [X.] von Amts wegen ein besonderes Grundbuchblatt --Anteilgrundbuch-- angelegt wird und der [X.] deshalb in seinem Beschluss in [X.], 241, unter II.B.1., ausgeführt hat, die [X.] gälten als Grundstücke i.S. des [X.]. Denn Rechte, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, unterliegen als grundstücksgleiche Rechte --mit Ausnahme der in § 2 Abs. 2 [X.] abschließend aufgezählten [X.] nicht der Grunderwerbsteuer (vgl. [X.] in [X.], [X.], 18. Aufl., § 2 Rz 142).

e) Entgegen der Auffassung des [X.] unterliegt der Erwerb von [X.] nicht deshalb der Grunderwerbsteuer, weil bei einer Erbengemeinschaft nach §§ 2032 ff. [X.] als besonderer Form der [X.]sgemeinschaft der Erwerb eines Miterbenanteils bei einem zum Nachlass gehörenden Grundstück der Grunderwerbsteuer unterliegt (BFH-Urteile vom 17. Juli 1975 II R 141/74, [X.], 270, [X.] 1976, 159, und vom 9. Juli 2014 II R 50/12, [X.], 222, [X.] 2015, 399). Die rechtliche Ausgestaltung von Erbengemeinschaften und [X.]en unterscheidet sich in mehreren entscheidungserheblichen Punkten.

aa) Die Erbengemeinschaft entsteht allein dadurch, dass den Erben [X.] gebundenes Vermögen anfällt (§§ 2021, 2033 Abs. 2 [X.]). Die Miterben verwalten den Nachlass gemeinschaftlich (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die [X.] ist nicht --wie z.B. bei der Personengesellschaft-- verfestigt, sondern auf Auseinandersetzung nach den allgemeinen Regeln angelegt (§ 2042 [X.]). Das [X.]sverhältnis der Erben ist nur durch die [X.]sbindung des Vermögens bestimmt (vgl. Fischer in [X.], a.a.[X.], § 1 Rz 166). Der Miterbe hat eine ideelle quotale Berechtigung am [X.]svermögen, über die er nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 [X.] verfügen kann (vgl. [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 2033 Rz 1). Die vermögensrechtliche Beteiligung an dem Nachlass ist nicht an die Erbenstellung gebunden (Fischer in [X.], a.a.[X.], § 1 Rz 166, m.w.N.).

bb) Der [X.] ist --im Gegensatz zur [X.] auf Dauer angelegt. Die Mitglieder des [X.] sind bereits aufgrund dieser Stellung am verfestigten Gemeinschaftsvermögen berechtigt. Sie sind [X.] am Gemeinschaftsvermögen (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 [X.]). Die Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens stehen nicht den [X.]n gemeinschaftlich zu. Diese bilden vielmehr zu diesem Zweck eine [X.] als Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 9 [X.]). Die [X.] hat Betriebspläne (vgl. § 22 [X.]) und Wirtschaftspläne (vgl. § 23 [X.]) aufzustellen und den Wald zur Erreichung des gemeinsamen Ziels seiner Bestandserhaltung nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewirtschaften und pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten (vgl. § 21 [X.]). Die [X.] gibt sich eine Satzung, die u.a. die Rechte und Pflichten der Mitglieder unter Berücksichtigung der [X.] regelt (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Sie hat als Organe eine Genossenschaftsversammlung und einen Vorstand (vgl. § 11 [X.]). Die Aufgaben der Genossenschaftsversammlung sind in § 12 [X.] geregelt.

cc) Die Besonderheiten der Erbengemeinschaft (Anlegung auf Auseinandersetzung, ideelle quotale Berechtigung am [X.]svermögen durch den einzelnen Miterben, keine Vermittlung eines mitgliedschaftsähnlichen Rechts an der Erbengemeinschaft durch die Miterbenstellung) rechtfertigen sachlich ihre gegenüber anderen [X.]sgemeinschaften abweichende grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung (vgl. [X.] vom 4. Februar 2004 II B 147/02, [X.], 813).

3. Nach diesen Grundsätzen durfte das [X.] den Kaufpreis für die Übertragung der Haubergspfennige nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer miteinbeziehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 17/15

09.11.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 22. Januar 2015, Az: 8 K 3618/12 GrE, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 2 Abs 1 S 1 GrEStG 1997, § 2 Abs 1 GWaldG NW, § 9 GWaldG NW, § 2 Abs 2 GWaldG NW, § 781 Abs 1 BGB, § 741 BGB, § 1008 BGB, § 21 GWaldG NW

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.11.2016, Az. II R 17/15 (REWIS RS 2016, 2701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2701

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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