Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2011, Az. 4 StR 477/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 129

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Gegenstand

Drogenfahrt: Anforderungen an den Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Verfahren im Fall 33 der Urteilsgründe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin trägt der Angeklagte.

Gründe

1

1. Soweit der Angeklagte im Fall 33 der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist, ist das Verfahren auf Antrag des [X.] nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, weil die bisher getroffenen Feststellungen die Verurteilung nicht tragen und eine Zurückverweisung mit Rücksicht auf das geringe Gewicht des [X.] nicht angezeigt ist.

2

Der geständige Angeklagte geriet nach dem [X.] von Kokain mit seinem Pkw in einen Verkehrsunfall. Eine zwei Stunden nach dem Unfallereignis entnommene Blutprobe enthielt [X.] in einer Konzentration von 387 ng/ml und Kokain in einer Konzentration von 14,6 ng/ml. Bei der Blutentnahme schien der Angeklagte „leicht beeinflusst“ zu sein. Das [X.] hat den Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit schon deshalb als erbracht angesehen, weil der von der [X.] empfohlene Grenzwert für [X.] von 75 ng/ml um das Fünffache überschritten war.

3

Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten [X.] gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a., § 316 StGB auch weiterhin nicht allein durch einen bestimmten [X.] geführt werden. Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei [X.] oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne Weiteres auf eine rauschmittelbedingte [X.] zu schließen, bestehen nach wie vor nicht ([X.], Beschluss vom 3. November 1998 - 4 StR 395/98, [X.]St 44, 219, 222; Beschluss vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 272/08, [X.], 359, 360; [X.] 2004, Suppl. [X.] 9, 10; [X.] § 316 Rn. 30; [X.], StGB 59. Aufl., § 316 Rn. 39 mwN.). Es bedarf daher neben dem positiven [X.] noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern ([X.], Urteil vom 15. April 2008 - 4 [X.], [X.], 528, 529). Das ohne eine phänomengebundene Schilderung mitgeteilte Erscheinungsbild des Angeklagten („leicht beeinflusst“) reicht dazu nicht aus.

4

Die vom [X.] herangezogenen Empfehlungen der Gemeinsamen [X.] (hier zu [X.] im Beschluss vom 22. Mai 2007, [X.] 2007, 311) bezeichnen lediglich Messwerte, die mindestens erreicht sein müssen, damit eine Blutwirkstoffkonzentration bei Anwendung der Richtlinien der [X.] als qualitativ sicher nachgewiesen und quantitativ richtig bestimmt gelten kann (sog. Analytische Grenzwerte). Sie beruhen auf einer Übereinkunft der in der [X.] versammelten Experten und versuchen Richtlinien für den Nachweis berauschender Mittel und Substanzen im Blut im Sinne von § 24a Abs. 2 Satz 2 [X.] vorzugeben (Ergebnisbericht der Gemeinsamen [X.], [X.] 1998, 372, 374; [X.] 2007, 311; [X.], [X.] 2008, 125, 127; [X.], [X.], 24, 26; vgl. [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht 41. Aufl., [X.] § 24a Rn. 21a und 21b mwN.). Da diese Grenzwerte keine Aussage über eine Dosis-Blutkonzentrations-Wirkungs-Beziehung enthalten, lässt ihre Überschreitung für sich genommen noch keinen zuverlässigen Rückschluss auf eine im konkreten Fall gegebene, eine Strafbarkeit nach § 316 StGB begründende rauschmittelbedingte [X.] zu [X.], [X.] 2004, Suppl. [X.] 16, 17).

5

2. Die weiter gehende Revision ist offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat schließt aus, dass das [X.] bei einem Wegfall der im Fall 33 der Urteilsgründe verhängten [X.] auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Gegen den Angeklagten wurden in den verbleibenden Fällen jeweils zwei Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Fälle 26 und 28 der Urteilsgründe), einem Jahr (Fälle 6 und 8 der Urteilsgründe), neun Monaten (Fälle 5 und 7 der Urteilsgründe) und sechs Monaten (Fälle 4 und 27) sowie 20 Geldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen (Fälle 9 bis 24 und 29 bis 32 der Urteilsgründe) festgesetzt.

[X.]                                       Franke

                            Bender                                               Quentin

Meta

4 StR 477/11

21.12.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 26. Januar 2011, Az: 612 KLs 20/10

§ 315c Abs 1 Nr 1 Buchst a StGB, § 316 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2011, Az. 4 StR 477/11 (REWIS RS 2011, 129)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 129

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 9/23

4 StR 535/20

4 StR 111/15

4 StR 477/11

4 StR 231/22

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