Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14424

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[X.]:[X.]:BGH:2016:160316UVIIIZR146.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VIII [X.]
Verkündet am:

16. März 2016

Vorusso,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 312d, 355 Abs. 1 Satz
2 in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung;
BGB § 242 Cd
a)
Es ist dem freien Willen des Verbrauchers überlassen, ob und aus welchen Grün-den er von einem bei einem Fernabsatzgeschäft bestehenden Widerrufsrecht Ge-brauch macht.
b)
Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs oder unzulässiger Rechtsausübung (§
242 BGB) kommt nur ausnahmsweise -
unter dem Gesichts-punkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers
-
etwa bei arglistigem oder schikanösem Verhalten des Verbrauchers in Betracht (Bestätigung und Fort-führung des [X.] vom 25.
November 2009 -
VIII
ZR 318/08, [X.], 235 Rn.
17, 20).

BGH, Urteil vom 16. März 2016 -
VIII [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterin Dr.
Hessel sowie [X.] [X.], Dr.
Bünger
und Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 10.
Juni 2015 wird [X.].
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger bestellte am 14.
Januar 2014 über die Website
der Beklagten, die mit einer "Tiefpreisgarantie"
warb, zwei Taschenfederkernmatratzen zum Preis von insgesamt 417,10

ratzen wurden am 24. und 27.
Januar
2014 ausgeliefert und vom Kläger bezahlt. In der Folgezeit bat der Kläger unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbie-ters zum Preis von 192,06

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t-tung des von ihm errechneten Differenzbetrags in Höhe von 32,98

von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehe.
Zu einer entsprechenden
Einigung kam es nicht. Der Kläger widerrief den Kaufvertrag daraufhin mit E-Mail vom 2.
Februar 2014 und sandte die
Matratzen zurück.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe widerrufen, 1
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um (unberechtigt) Forderungen aus der "Tiefpreisgarantie"
durchzusetzen und sich damit rechtsmissbräuchlich verhalten.
Die auf Rückzahlung des Kaufpreises von 417,10

h-tete Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr
Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der vom Kläger erklärte Widerruf des Kaufvertrags sei wirksam, so dass ihm
gegen die Beklagte der Zahlungsanspruch in Höhe von 417,10

n-sen zustehe.
Auf den Kaufvertrag fänden die §§
312b, 312d, 355 BGB in der bis zum 12.
Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §
346 BGB Anwen-dung. Es handele sich um einen Fernabsatzvertrag gemäß §
312b Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 [X.]. Die formellen und materiellen Voraussetzungen des Widerrufs seien, was von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen werde, erfüllt.
Die Ausübung des Widerrufsrechts sei nicht aufgrund des mit der [X.] eines Widerrufsrechts verfolgten Sinns
und Zwecks
ausgeschlossen.
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Die Einräumung eines Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen beruhe auf der Erwägung, dass der Verbraucher vor dem Abschluss derartiger Verträge grund-sätzlich keine Möglichkeit habe, das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaf-ten der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus verfolge der Gesetzgeber das Ziel, den Verbraucher vor irreführenden und
aggressiven [X.] im Fernabsatz zu schützen.
Von diesem Motiv des Gesetzgebers für die Einräumung eines Wider-rufsrechts zu trennen sei jedoch die Frage, aus welchen Gründen der Verbrau-cher von einem ihm zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch machen dürfe. Diesbezüglich habe der Gesetzgeber in §
355 [X.] bewusst davon abgese-hen, vom Verbraucher eine Begründung für
den Widerruf zu verlangen. Hiermit
hätten
insbesondere auch spätere Diskussionen darüber vermieden werden
sollen, ob eine vom Verbraucher gegebene Begründung für den Widerruf genü-gend sei oder nicht.
Sei der Verbraucher mithin nicht gehalten, vor Ausübung seines Wider-rufsrechts eine Begründung anzugeben, so könne es ihm auch nicht zum Nach-teil gereichen, wenn aus seinem übrigen Verhalten ein Motiv für die Ausübung des Widerrufs zutage trete, welches mit dem Sinn und Zweck der Einräumung des Widerrufsrechts nicht (vollständig) in Einklang zu bringen sei.
Dem vom Kläger erklärten Widerruf stehe auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Zwar könne der Einwand des rechts-missbräuchlichen Verhaltens (§
242 BGB) grundsätzlich auch bei Ausübung des Widerrufsrechts gemäß §
355 [X.] erhoben werden; insoweit seien [X.] strenge Anforderungen zu stellen.
Unter Abwägung sämtlicher Umstände des Falles erweise sich vorliegend die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger (noch) nicht als rechtsmissbräuchlich. Dass der Kläger mögliche 8
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Ansprüche aus der "Tiefpreisgarantie"
der Beklagten habe durchsetzen wollen, könne für sich genommen nicht den Einwand unzulässiger Rechtsausübung begründen.
Etwas anderes folge hier auch nicht daraus, dass
der Kläger die gleichen Matratzen nochmals bei einem anderen Anbieter zu einem günstigeren [X.] bestellt habe. Dass der Kläger dann -
unter Berufung auf die von der Be-klagten abgegebene
Tiefpreisgarantie
-
unter
Hinweis auf das ihm zustehende Widerrufsrecht bei der Klägerin um Erstattung der Kaufpreisdifferenz nachge-sucht
und insoweit
nach Ansicht der Beklagten weiter "Druck ausgeübt" habe, sei keine unzulässige Rechtsausübung.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Die Beklagte hat dem Kläger gemäß § 312d Abs. 1 Satz
1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit §
346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis für die Matratzen zu erstatten, nachdem dieser den im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrag wirksam widerrufen hat. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des [X.] hat das [X.] rechtsfehlerfrei verneint.
1. Auf den Kaufvertrag der Parteien finden, wie das Berufungsgericht zu-treffend angenommen hat, die vorgenannten Regelungen über das Widerrufs-recht bei Fernabsatzverträgen in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung Anwendung. Dass der Kläger von seinem danach bestehenden Widerrufsrecht form-
und fristgerecht Gebrauch gemacht hat, steht zwischen den Parteien nicht 11
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im
Streit. Insbesondere bedurfte der Widerruf keiner Begründung (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF).
Aufgrund der Ausübung des Widerrufs ist der Kläger nicht mehr an seine auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Damit hat er Anspruch auf Rückzahlung des [X.] (§ 346 Abs. 1 BGB).
2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dem Anspruch des [X.] stehe der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen, weil er das Widerrufsrecht in sachfremder Weise zur Durchsetzung vermeintlicher Ansprü-che aus einer "Tiefpreisgarantie"
der Beklagten eingesetzt habe.
a) Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen
gebundenes, ein-fach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom [X.] zu geben (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009

VIII ZR 318/08, [X.], 235 Rn. 17 mwN). Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein Aus-schluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs beziehungsweise un-zulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) nur ausnahmsweise -
unter dem Ge-sichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers -
in Betracht, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (Senatsurteil vom 25.
November 2009

VIII ZR 318/08, aaO Rn. 20).
Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Verhalten des [X.] im Zusammenhang mit dem Widerruf ergeben sich aber keine Anhalts-punkte für ein arglistiges Verhalten des
[X.], etwa dass es ihm darauf ange-kommen wäre, die Beklagte zu schädigen oder zu schikanieren. Im Gegenteil hat der Kläger lediglich versucht, mit Hilfe der
ihm zustehenden (Verbraucher-)
Rechte für sich selbst günstigere Vertragsbedingungen auszuhandeln. Ein sol-14
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ches Verhalten steht im Einklang mit den vorbezeichneten gesetzlichen Rege-lungen zum Widerrufsrecht des Verbrauchers.
Insbesondere ist es für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, ob der Kläger -
wie die Revision geltend macht -
die Nichtausübung des Widerrufs von der Gewährung eines nach der "Tiefpreisgarantie"
der Beklagten nicht in voller Höhe berechtigten Nachlasses abhängig gemacht hat. Ebenso kommt es auch -
anders als das Berufungsgericht offenbar meint -
nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Kläger Matratzen bei einem weiteren Anbieter bestellt und dies zum Anlass von Nachverhandlungen mit der Beklagten genommen hat. Mit einem solchen Verhalten nutzt der Käufer schlicht zu seinem Vorteil das ihm eingeräumte und an keine weiteren Voraussetzungen gebundene Wider-rufsrecht. Die Grenze zur Arglist oder Schikane ist dabei -
offensichtlich -
nicht überschritten.
b) Der Einwand der Revision, der Ausübung des Widerrufsrechts im vor-liegenden Fall seien mit Rücksicht auf dessen (eingeschränkten) Schutzzweck nach §
242 BGB Schranken gesetzt, geht schon im Ansatz fehl. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung beschränkt sich der Zweck des bei [X.] vorgesehenen Widerrufsrechts nicht darauf, dem [X.] die Möglichkeit zu geben, die Ware zu prüfen und bei Nichtgefallen zurückzugeben.
Denn das Gesetz knüpft die Ausübung des Widerrufsrechts -
wie schon das Fehlen einer Begründungspflicht (§
355 Abs. 1 Satz 2 [X.]) zeigt -
nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers (etwa an das Nichtgefallen der Ware nach Überprüfung), sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft. Nur dieses Verständnis wird dem oben genannten Sinn des Widerrufsrechts beim Fernab-18
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satzvertrag, dem Verbraucher ein einfaches und effektives Recht zur Lösung von einem im Fernabsatzgeschäft geschlossenen [X.] zu ge-ben, gerecht.
Dass ein Verbraucher -
wie hier der Kläger -
nach der Bestellung Preise vergleicht und mit dem Verkäufer darüber verhandelt, bei Zahlung einer [X.] vom Widerruf des Vertrages Abstand zu nehmen, ist lediglich eine Folge der sich aus dem grundsätzlich [X.] gewährten Widerrufs-recht ergebenden Wettbewerbssituation. Diese darf der Verbraucher zu seinen Gunsten nutzen, ohne sich dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auszusetzen.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. [X.]

Dr. Bünger
Kosziol
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.10.2014 -
1
C 194/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 10.06.2015 -
1 [X.] -

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Meta

VIII ZR 146/15

16.03.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15 (REWIS RS 2016, 14424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14424

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 146/15

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