Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. X ZR 99/14

X. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15032

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:230217UXZR99.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
X ZR
99/14
Verkündet am:
23. Februar 2017
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]
EPÜ Art 54; [X.] § 3
a)
Eine Verwendung ist neu, wenn die geschützte Lehre eine zusätzliche [X.] aufzeigt, die durch objektive Merkmale von den im Stand der Technik bekannten Verwendungsmöglichkeiten abgegrenzt wer-den kann (Bestätigung von [X.], Urteil
vom 20.
Dezember 2011

X
ZR
53/11, [X.], 373 -
Glasfasern
I).
b)
Für die Annahme einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme ist dementspre-chend nur Raum, wenn der Fachmann den bekannten Gegenstand zweckge-richtet zu dem geschützten Verwendungszweck eingesetzt hat.
[X.], Urteil vom 23. Februar 2017 -
X [X.] -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
Februar 2017 durch [X.]
[X.], [X.] und Dr.
Grabinski
sowie die Richterinnen
Schuster und Dr.
Kober-Dehm
für
Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3.
[X.]s ([X.]) des [X.] vom 13.
Mai 2014 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 5.
Mai 1999 unter Inan-spruchnahme der Priorität einer [X.] Patentanmeldung vom 13.
Mai 1998 international angemeldeten, mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1
084
080 (Streitpatent), das zwei Ansprüche umfasst, die in der [X.] lauten:
1.
Use of a time-continuous broad band of ultraviolet light of a me-dium pressure UV mercury lamp in doses of from 10
mJ/cm² to 175
mJ/cm² and with a wavelength range of 200 to 300 nm for treating drinking water to eliminate the potential for Crypto-
sporidium oocysts infection.
1
-
3
-
2.
The use according to claim
1, [X.] 20
mJ/cm² to 30 mJ/cm².
Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommenen Klägerinnen haben Nichtigkeitsklage erhoben und geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht pa-tentfähig.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer dage-gen gerichteten Berufung, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Streitpatent betrifft die Verhinderung von Infektionen durch im (Trink-)Wasser befindliche [X.]-[X.] und ähnlichen Organis-men.
1.
Der Beschreibung zufolge war der Einsatz von ultraviolettem (im [X.]: UV-)Licht
als Mittel zur Tötung oder Inaktivierung von [X.] insbe-sondere im Trinkwasser bekannt. Im Stand der Technik sei für die Inaktivierung von
[X.] parvum eine UV-Dosis von mindestens 3.000
mJ/cm² ge-nannt worden ([X.], [X.] 1993, 67
ff., Anlage [X.]). In dieser Untersuchung werde von einer Infektionsverhinderung bei [X.] berichtet, die, vermutlich unter Einsatz von [X.], über mindestens 150
Minuten
UV-Bestrahlung ausgesetzt worden seien. Die angewandte UV-Dosis müsse tatsächlich über 5.000
mJ/cm² betragen haben, um eine bessere Reduktion der Infektiosität
als 2
Log zu erzielen, wobei die Bildung von Thymindimeren als Ursache für die Eliminierung der Infektiosität
angeführt worden sei.
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3
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-
4
-
Aus der [X.] Patentanmeldung 2
292
097 ([X.]) sei eine Vorrich-tung
bekannt, bei deren Einsatz
[X.]-[X.] mithilfe von [X.] aus dem Trinkwasser herausgefiltert und dann mittels [X.] mit [X.] von zweimal 350 bis 400
mJ/cm² bestrahlt und dadurch abgetötet würden.
Des Weiteren war der Beschreibung zufolge der Einsatz gepulster [X.] zum Sterilisieren von Oberflächen
gegen Bakterien-, Pilz-, Sporen-, [X.], Protozoen-
und [X.]befall
unter Einsatz von [X.] von über 1.000
mJ/cm²
bekannt, wobei der Sterilisierungseffekt dem Zelltod zugeschrie-ben worden sei. Einem ähnlichen
Impulssystem sei, mutmaßlich unter Verwen-dung eines Mausinfektiositätsassays, eine hundertprozentige
Inaktivierung von [X.] bis zu einem Niveau von 6
Log bei Energieeinsatz von unge-fähr 200
mJ/cm² und größer
zugeschrieben worden. Der Erfolg werde auf eine Überwindung der DNA-Reparaturmechanismen zurückgeführt, allerdings seien die eingesetzten [X.] wesentlich größer als die bei Verwendung einer gleichförmigen ("steady state") Mitteldruck-Quecksilberlampe erforderlichen.
2.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent das Problem [X.], Infektionen durch im Wasser befindliche [X.]-[X.] kosten-günstig vorzubeugen. Dafür schlägt Patentanspruch
1 in der Gliederung des patentgerichtlichen Urteils vor:
1.
Verwendung eines zeitlich kontinuierlichen ("time-continuous") [X.] ultravioletten Lichts, das
2.
von einer Mitteldruck-UV-Quecksilberlampe
3.
in Dosen von 10
mJ/cm² bis 175
mJ/cm²
4.
mit einem Wellenlängenbereich von 200 bis 300
nm emittiert wird,
5.
zum Behandeln von Trinkwasser
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-
5
-
6.
zur Eliminierung des Potenzials für [X.]-[X.]-Infektionen.
3.
a)
Merkmal
3 wird aus fachmännischer Sicht, nicht zuletzt mit Blick auf die vom Streitpatent angestrebte Kosteneffektivität,
dahin verstanden, dass die jeweilige Energiemenge im Sinne einer Höchstmenge eingesetzt wird
und eine wiederholte Verabreichung nach der Lehre des [X.] nicht vorge-sehen ist.
b)
Das Streitpatent verhält sich nicht zur Beschaffenheit der zur Be-strahlung einzusetzenden Vorrichtungen, Apparaturen oder Systeme. [X.] ist der bekannte Einsatz von Filtern
in Gerätschaften zur Verbesserung der [X.], im Rahmen der streitpatentgemäßen Lehre grund-sätzlich nicht ausgeschlossen. Ob das auch für ([X.] gilt, die selbst zu-sätzlich desinfizierend wirken, weil ihr Einsatz, wie in [X.] beschrieben,
zur Folge hat, dass ein mit der entsprechend aktivierten Oberfläche in Berührung kommender Mikroorganismus infolge Oxidation abgetötet wird, bedarf keiner abschließenden Beurteilung.
c)
Nach dem Verständnis des Patentgerichts ist mit der in Merkmal
6 genannten Eliminierung des [X.] das Ziel
verbunden, die [X.] der im Trinkwasser befindlichen [X.]-[X.] zu unterbin-den und deren Infektiosität
auf ein
Minimum zu reduzieren, ohne sie notwendi-gerweise allesamt zu töten.
aa)
Soweit es dem Streitpatent nach dem Vorbringen der Berufung expli-zit darauf ankommen soll, Cryptosporidien nicht abzutöten, sondern
-
für die Unterbindung von Infektionen im Endwirt ausreichend
nur, ihre DNA so weit zu beschädigen, so dass sie
sich nicht weiter replizieren können, mag damit die mit dem Einsatz
der streitpatentgemäßen Lehre bezweckte Wirkung umschrie-ben sein. Der Geltungsbereich von Patentanspruch
1 wird dadurch nicht näher eingrenzend bestimmt. Die Verhinderung der Replikation als Modalität, Mikro-9
10
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12
-
6
-
organismen im Trinkwasser unschädlich zu machen, war als solche neben dem "Abtöten" durch Beendigung jeglicher Stoffwechselaktivitäten bekannt (vgl. "[X.]" von [X.], [X.]). Im Sinne von Merkmal
6 wird das Potenzial für [X.] nach dem [X.] Verständnis durch "Abtöten" der Parasiten genauso eliminiert, wie durch Verhinderung ihrer Replikation.
Ob etwas anderes gelten könnte, wenn das Streitpatent die Verabreichung von [X.] genau in dem Maße lehrte, das zur Verhinderung der Replikation hinreicht, ohne die bestrahlten Organismen abzutöten, kann dahinstehen, weil die Patentansprüche dies nicht vorsehen.
[X.])
Die Angabe "to elimininate the potential for [X.] oocysts infec-tion"
wird aus fachmännischer Sicht nicht als quantitativ exakte [X.] in bestimmter
Potenz verstanden.
Entsprechend der plausiblen Einschät-zung in der privatgutachterlichen Stellungnahme von Professor F.

wird
der Fachmann zwar erwarten, dass bei einer streitpatentgemäßen Bestrahlung eine höhere Inaktivierungsquote als 90
Prozent erreicht wird. Für ein fachlich einvernehmliches Verständnis einer ganz bestimmten höheren Erfolgsquote
(Potenz) bestehen jedoch keine hinreichend
konkreten Anhaltspunkte, zumal sich auch das Streitpatent hierzu ausschweigt.
I[X.]
Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Es spreche bereits viel dafür, dass der Gegenstand von Patentan-spruch
1 durch [X.] vorweggenommen werde. Über die darin jedenfalls unmit-telbar und eindeutig offenbarten Merkmale
1, 2, 4 und 5 hinaus werde ein neunzigprozentiges Abtöten unter anderem von [X.]-[X.] im Trinkwasser und damit eine Eliminierung im Sinne von Merkmal
6 beschrieben, für die [X.] von mindestens 60 bis 80
mJ/cm² als erforderlich erachtet worden seien.
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-
7
-
Der Gegenstand von Patentanspruch
1 beruhe jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
[X.] lehre im streitpatentgemäßen Sinne,
für das Abtöten pathogener Mikroorganismen UV-Licht zu verwenden, vorteilhafterweise solches mit einer Wellenlänge von 245 bis 265
nm. In [X.] werde auch als für die Abtötung von Mikroorganismen wie Cryptosporidien übliche Dosis eine solche von 50 bis 100
mJ/cm² genannt; soweit die in [X.] vorgeschlagene Lehre eine Bestrah-lung mit einer zwölffach höheren UV-Dosis vorsehe, hänge das mit der gleich-zeitig angestrebten hohen Fließgeschwindigkeit des zu behandelnden [X.] zusammen, was wiederholte [X.] von insgesamt 1.200
mJ/cm² erforderlich mache. Danach lägen die patentgemäßen Merkma-le
3 bis 5 nahe.
Die in Merkmal
6 beschriebene "Eliminierung" begründe eine erfinderi-sche Tätigkeit nicht. Zum einen entspreche dem das in [X.] beschriebene Ab-töten der Mikroorganismen; zum anderen gehöre zum allgemeinen [X.] Wissen, dass UV-Bestrahlung Thymindimere in der DNA der Mikroorga-nismen erzeuge, durch die diese ihre Replikationsfähigkeit verlören. Als Folge dieses Fachwissens und der durch [X.] vermittelten Kenntnisse bestehe für den Fachmann eine hinreichende Erfolgsaussicht, durch den Einsatz von [X.] von 50 bis 100
mJ/cm² eine [X.]-[X.]-Infektion elimi-nieren zu können. Diesen Weg zu befolgen liege auch nahe, weil der [X.] im Interesse der Kosteneffizienz darauf bedacht sei, die Strahlenenergie von [X.] möglichst gering zu halten.
II[X.]
Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren
nicht stand.
Der [X.] vermag nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§
286 ZPO) nicht zu dem Ergebnis zu gelangen, dass der Gegenstand des [X.] dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war
(Art. 56 EPÜ).
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8
-
1.
Als Ausgangspunkt für die aufgabengemäße Suche nach einer kos-teneffektiven Eliminierung des [X.] von [X.]-[X.] kam [X.] insoweit in Betracht, als danach bekannt
gewesen sein soll, dass Dosen von 50 bis 100
mJ/cm2 diese Parasiten töteten ("It is
known, [X.]-100 mW Sec/cm2
kills [X.] and Giardia microorganisms").
Aus dieser Information ergibt sich indes nach den gesamten Umständen keine hinreichend konkrete Anregung dafür,
die Lösung für das Problem der Eliminie-rung des [X.]
von Cryptosporidien auf dem vom Streitpatent vorgeschlagenen Wege, insbesondere mit der von ihm (lediglich) beanspruch-ten [X.] der UV-Strahlung (Merkmal
3) zu suchen.
a)
Auf die Dosen von 50 bis 100
mJ/cm2 wird in [X.] nur eher
beiläufig und unvermittelt hingewiesen und ohne jegliche Bezugnahme auf bestimmte wissenschaftliche Veröffentlichungen oder sonstige Quellenangaben zu den Umständen und Bedingungen, unter denen diese Erkenntnis gewonnen worden sein soll.
Der Fachmann hätte aber auch deshalb gezögert, diese Mitteilung zum Anlass zu nehmen, die Lösung in dem von Patentanspruch
1 beanspruchten [X.] zu suchen, weil die Gabe
von 50 bis 100
mJ/cm2
in auffälli-gem Kontrast zu den
von [X.] eigens vorgeschlagenen zu
verabreichenden [X.] steht. Beide Ausführungsbeispiele
sehen Dosierungen vor, die
mehr als zwölfmal so hoch sind, als die zum Abtöten der Organismen ver-meintlich hinreichenden 50 bis 100
mJ/cm2.
Diese
beträchtliche Diskrepanz lässt sich schon deshalb nicht überzeu-gend allein mit dem Anliegen von [X.] erklären, eine hohe Durchflussrate zu gewährleisten, weil nicht mitgeteilt wird, auf welche Bedingungen sich die Dosis von 50 bis 100 mJ/cm2
bezieht; es fehlt, wie ausgeführt, jede wissenschaftliche Verknüpfung
dieser Information, die dem fachkundigen Leser ermöglichen
wür-de, sich über den Stellenwert dieser Angabe ein verlässliches Bild zu machen.
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-
9
-
b)
Der in der mündlichen Verhandlung erörterte Gesichtspunkt, eigentli-cher Kostenfaktor seien die hochpreisigen eingesetzten Lampen, deren [X.] neben den Anschaffungskosten nicht erheblich ins Gewicht falle und deshalb vernachlässigbar sei, geht aus dem Dokument selbst nicht hervor und ist als Motiv der dortigen Erfinder für die vorgeschlagenen hohen Dosen [X.] nicht hinreichend klar erkennbar. Der an einer kostengünstigen Lösung interessierte Fachmann entnimmt [X.] dementsprechend
zwar, dass dort [X.] von 50 bis 100 mJ/cm2
Erwähnung finden, die eigentlich [X.]e Lehre jedoch in eine diametral entgegengesetzte Richtung weist.
Eine plausible Erklärung für diesen Widerspruch und die in den Ausfüh-rungsbeispielen von [X.] vorgesehenen hohen Dosierungen ist weniger in den vermeintlich nicht ins Gewicht fallenden Mehrkosten zu sehen, als vielmehr in denselben Sicherheitsbedürfnissen, die aus den aus anderen Dokumenten er-kennbaren Zuschlägen auf die zur Abtötung von Mikroorganismen eigentlich als hinreichend bekannten [X.] hervorgehen. Während der Untersuchung von [X.] aus dem Jahre 1990 ("Ultraviolet disinfection of potable water", [X.]. [X.]. [X.]. 1990, 768
ff., [X.])
zufolge die [X.] für eine 90-prozentige Inaktivierung von Bakterien und [X.] bei 2 bis 6
mJ/cm² liegen
([X.]: 2 bis 8
mJ/cm²), hat das [X.] ([X.], Education and Welfare)
auf der Grundlage der Ergebnisse für Bakterien und [X.] für [X.] eine Mindestdosierung von 16
mJ/cm² bei einer Wasser-tiefe von rund 7,5 cm empfohlen, wobei die handelsüblichen Bestrahlungssys-teme auf eine maximale Dosis von 25 bis 30
mJ/cm² ausgelegt gewesen sein sollen ([X.] S. 769 re. Spalte). Im Merkblatt W
293 des Deutschen Vereins des Gas-
und Wasserfachs von Oktober 1994 (NK5 S.
12 Spalte
2 Abs.
3) wird für Wasseraufbereitungsanlagen in [X.] mit einer Mindestdosis von 40
mJ/cm² sogar mehr als das Doppelte des vom [X.] empfohlenen Werts empfohlen, wobei sich dies
nicht auf die Bekämpfung von Parasiten [X.], auf deren höhere Widerstandsfähigkeit auch gegenüber UV-Strahlen mit 24
25
-
10
-
dem Bemerken hingewiesen wird, für deren Entfernung müssten andere [X.] ergriffen werden ([X.].
Spalte
unten).

Vor diesem Hintergrund mag der Fachmann die in [X.] verwendeten Dosen als möglicherweise sehr vorsichtig gewählt ansehen
und deshalb daran gedacht haben, sie moderat
herabzusetzen. Er hätte sich aber nicht in der [X.] diametral davon entfernt, dass er die Lösung im Einsatz eines so
geringen Bruchteils der von [X.] propagierten Dosierungen gesucht hätte, wie es der vom Streitpatent beanspruchten Spanne entspricht.
c)
Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Fachmann die Mitteilung über die vermeintlich ausreichende Dosis von 50 bis 100 mJ/cm2
unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Erfolgserwartung ([X.], Urteil vom 15. Mai 2012

[X.], [X.], 803 Rn. 46 -
Calcipotriol-Monohydrat; vgl. auch [X.], Urteil vom 10. September 2009, [X.], [X.], 123

Escitalopram)
zum Anlass genommen hätte, die Lösung des sich stellenden technischen Problems in dem Dosierungskorridor von Merkmal
3 zu suchen.
Auch unter diesem Gesichtspunkt haben sich keine die Patentfähigkeit durchgreifend infrage stellenden
Erkenntnisse ergeben. Verfahren zum [X.] wie Cryptosporidien sind von vornherein aufwändiger, als diejenigen zum Nachweis kultivierbarer Mikroorganismen, und zugleich unter Umständen fehleranfälliger (Gutachten [X.] NK11
S. 7
ff.). Welche Dosen für die Eliminierung des [X.] noch als vertretbar hätte [X.] werden können, hätte, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, durch breiter angelegte [X.] abgesichert werden
müssen. Dass dem Fachmann dieser Aufwand hinreichend erfolgsversprechend er-schien, ist in Anbetracht des vagen
Anhaltspunktes
für das Ausreichen einer Dosis von 50 bis 100 mJ/cm2
in [X.] nicht anzunehmen.
26
27
28
-
11
-
2.
Der übrige Stand der Technik bietet

auch in Verbindung mit [X.]

keine hinreichend konkreten Ansätze für die Auffindung der streitpatentgemä-ßen Lehre.
[X.] enthält keine eigenen Erkenntnisse zu den bei Cryptosporidien an-zuwendenden Dosen, sondern verweist dafür auf die Angaben in [X.]. Dort wird für eine knapp 80-prozentige Inaktivierung von Giardia lamblia eine Dosis von bis zu 63
mJ/cm² und für eine 90-prozentige Inaktivierung von Giardia muris eine solche von rund 82
mJ/cm² angegeben. Für Cryptosporidien finden sich [X.] zufolge in der Literatur
keine Informationen zur erforderlichen Dosie-rung; es wird aber die Einschätzung geäußert, diese müsse in
Anbetracht der hohen Chlorresistenz dieser Parasiten höher sein als die für Giardia (S.
769 re. Spalte
und S.
771 Tab.
1).
IV.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Grün-den als richtig.
Der Gegenstand von Patentanspruch
1 ist neu (Art. 54 EPÜ).
1.
In [X.] wird unmittelbar und eindeutig nur der Einsatz von UV-Strahlen
zur Deaktivierung von Bakterien und [X.] offenbart, nicht aber von [X.]. Jedenfalls aber wird nur für den zuerst genannten Verwen-dungszweck neben der theoretisch erforderlichen auch eine in der Praxis ein-gesetzte Dosis offenbart.
[X.] offenbart jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig eine Patentan-spruch
1 entsprechende technische Lehre (oben III
2).
2.
Näherer Erörterung bedarf danach lediglich
die Frage, ob die Neuheit zu verneinen
ist, weil die Behandlung von Wasser mit UV-Licht in
der vom Streitpatent beanspruchten Wellenlänge und Dosierung vorbekannt gewesen ist und das Infektionspotenzial von Cryptosporidien dabei zwangsläufig eliminiert wurde. Auch diese Zusammenhänge vermögen den Bestand des [X.] indes aus Rechtsgründen nicht infrage zu stellen.
29
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31
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33
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-
12
-
a)
Eine Verwendung, wie das Streitpatent sie beansprucht, setzt einen zweckgerichteten Einsatz voraus. Ein solcher kann (wohl)
auch dann vorliegen, wenn dem Fachmann die Wirkungsmechanismen nicht bekannt sind ([X.], Ur-teil vom 9.
Juni 2011 -
X
ZR
68/08, [X.], 999 Rn.
43

Memantin). Um eine solche Fallgestaltung geht es vorliegend jedoch nicht.
UV-Licht zur Be-kämpfung von Mikroorganismen in Wasser einzusetzen, war zwar, wie ausge-führt, bekannt. Dabei handelte es sich naturgemäß aber stets um den zweckge-richteten Einsatz in Dosen, die zur Inaktivierung bestimmter Mikroben wie Bak-terien oder [X.] als ausreichend erachtet wurden. Die UV-Bekämpfung des [X.] von [X.]-[X.] in den
vom Streitpatent be-anspruchten Dosierungen
wurde aber vor dem [X.] nicht in Erwägung gezogen, weil sie nicht für erfolgversprechend erachtet wurde.
Eine bestimmte Verwendung ist neu, wenn die geschützte Lehre eine zusätzliche Verwendungsmöglichkeit aufzeigt, die durch objektive Merkmale von den im Stand der Technik bekannten Verwendungsmöglichkeiten [X.] werden kann ([X.], Urteil vom 20.
Dezember 2011 -
X
ZR
53/11, [X.], 373 -
Glasfasern
I). Für die Annahme einer neuheitsschädlichen Vorweg-nahme ist dementsprechend insoweit nur Raum, wenn der Fachmann den [X.] zweckgerichtet zu dem geschützten Verwendungszweck eingesetzt
hat. Daran fehlt es im Streitfall. Dass im Stand der Technik mit einer zur Inakti-vierung von Bakterien und [X.] eingesetzten Anlage ohne Wissen des [X.]s auch Cryptosporidien
inaktiviert wurden, begründet weder einen zweck-gerichteten Einsatz noch eine bekannte Verwendungsmöglichkeit in diesem Sinne. Unerheblich ist für die Patentfähigkeit insoweit, dass der Erfolg, den die
neu
beanspruchte Verwendung verspricht, beim Einsatz zu den bekannten Zwecken eintreten konnte. Die objektive Eignung eines an sich bekannten [X.] für eine neue Verwendung ist für die Kategorie der Verwendungspatente typisch und steht dem Schutz der neuen Verwendung nicht entgegen (vgl. hier-zu Benkard/[X.], [X.], 11. Aufl., § 1 Rn. 38
f.).
35
36
-
13
-

b)
Aus der von den Klägerinnen angeführten Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des [X.] ergibt sich für den Streitfall nichts Abweichendes.
Danach ist Neuheit zwar zu verneinen, wenn sich bei Einsatz eines be-kannten Mittels zu einem bekannten Zweck lediglich eine bislang unbekannte zusätzliche Wirkung herausstellt ([X.], Beschluss vom 22.
Mai 2000, [X.]/95 Abs.
2.5).
Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich vorliegend aber nicht, weil das bekannte Mittel (UV-Strahlen in der Dosis gemäß Merkmal
3) gerade nicht für einen bekannten Zweck (Bekämpfung
des [X.] von Cryptosporidien) eingesetzt wurde, sondern nur zur Behandlung von [X.] im Hinblick auf andere schädliche
Organismen. Der zweckgerichtete
Ein-satz zur Deaktivierung von Cryptosporidien
war für eine UV-Behandlung mit den in Patentanspruch
1 vorgesehenen Merkmalen im Stand der Technik, wie ausgeführt,
gerade nicht bekannt.
37
38
-
14
-
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2
Satz 2 [X.] i.V.m. §
91 Abs. 1
ZPO.
[X.]
[X.]
Grabinski

Schuster
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 13.05.2014 -
3 Ni 3/13 (EP) -

39

Meta

X ZR 99/14

23.02.2017

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. X ZR 99/14 (REWIS RS 2017, 15032)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15032

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 99/14

X ZR 98/09

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