Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2023, Az. XII ZB 124/22

12. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3999

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Familiensache: Erfordernis der elektronischen Übermittlung einer sofortigen Beschwerde durch einen Rechtsanwalt; Wiedereinsetzung im Fall der Versäumung der Einlegungsfrist


Leitsatz

1. Die Einlegung der sofortigen Beschwerde durch einen Rechtsanwalt erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 569 Abs. 2, 130d ZPO die elektronische Übermittlung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2022 - XII ZB 200/22, FamRZ 2023, 461).

2. Zur (hier versagten) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Fall der Versäumung der Einlegungsfrist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. [X.] des [X.] vom 11. März 2022 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft ein Ablehnungsgesuch gegen die zuständige Richterin in einer Familiensache. Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist die Entziehung der elterlichen Sorge für die beiden betroffenen Kinder wegen Kindeswohlgefährdung. Der Kindesvater (Beteiligter zu 2) hat [X.] gegen den beauftragten Sachverständigen, den zunächst zuständigen Abteilungsrichter und gegen die nunmehr zuständige [X.] gestellt.

2

Das Gesuch gegen die [X.] ist durch am 28. Dezember 2021 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen worden. Am 11. Januar 2022 hat die [X.] des Kindesvaters per Telefax und mit einfachem Brief sofortige Beschwerde eingelegt. Nach Hinweis des Senatsvorsitzenden des [X.] vom 16. Februar 2022 auf die mögliche Unzulässigkeit des Rechtsmittels hat sie die sofortige Beschwerde am 17. Februar 2022 elektronisch übermittelt und mit späterem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

3

Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde verworfen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Kindesvaters.

II.

4

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO aufgrund Zulassung statthafte Rechtsbeschwerde (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - [X.]/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 5 [X.]) hat in der Sache keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat seine in [X.], 804 veröffentlichte Entscheidung damit begründet, dass die sofortige Beschwerde verfristet sei. Die per Telefax und einfachem Brief eingelegte sofortige Beschwerde habe die [X.] nicht wahren können, weil diese gemäß § 14 b Abs. 1 FamFG als elektronisches Dokument habe übermittelt werden müssen. § 14 b Abs. 2 FamFG gelte nicht, schon weil sich nach § 6 Abs. 2 FamFG das Rechtsmittelverfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung richte. Zwar habe der Kindesvater die sofortige Beschwerde auch selbst einlegen können. Für die Einlegung durch einen Rechtsanwalt gelte aber das Schriftformerfordernis des § 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

6

Ein [X.] bestehe nicht, weil die Fristversäumung durch die fehlerhafte Behandlung seitens der [X.]n verursacht worden sei, was der Kindesvater sich zurechnen lassen müsse. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht fehlerhaft gewesen, weil seinerzeit die Regelung des § 14 b FamFG noch keine Geltung gehabt habe. Für die [X.] ab 1. Januar 2022 gehöre es zum Basiswissen eines jeden Rechtsanwalts, dass die Pflicht zur elektronischen Übermittlung bestehe.

7

2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

8

a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend von einer Verfristung der sofortigen Beschwerde ausgegangen.

9

Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass bei einer nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG von einem Rechtsanwalt schriftlich eingelegten Beschwerde die Beschwerdeschrift nach § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln ist (Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2022 - [X.] 200/22 - FamRZ 2023, 461 Rn. 7 [X.] und vom 31. Mai 2023 - [X.] 428/22 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch [X.] Beschluss vom 31. Januar 2023 - [X.]/22 - FamRZ 2023, 719 zur Einlegung durch einen Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger). Nichts anderes gilt, wenn sich das Beschwerdeverfahren - wie hier gemäß § 6 Abs. 2 FamFG - aufgrund einer Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung nach §§ 567 ff. ZPO richtet. Die Einlegung erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 569 Abs. 2, 130 d ZPO ebenfalls die elektronische Übermittlung (vgl. [X.] Beschluss vom 10. Januar 2023 - [X.] 41/22 - FamRZ 2023, 627 Rn. 15 zur Berufung).

b) Das Beschwerdegericht hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Recht abgelehnt.

Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, musste sich die [X.] bewusst sein, dass ab dem 1. Januar 2022 die schriftliche Rechtsmitteleinlegung durch einen Rechtsanwalt nur im Wege der Übermittlung als elektronisches Dokument möglich war. Der Kindesvater muss sich das Verschulden seiner [X.]n nach § 11 Satz 5 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Der von der Rechtsbeschwerde angeführte [X.] nach § 233 ZPO ist nicht gegeben. Ob die hier ergangene Rechtsbehelfsbelehrung vollständig ist und insbesondere die erst während des Laufs der Beschwerdeeinlegungsfrist in [X.] getretene Vorschrift des § 130 d ZPO eine Formvorschrift im Sinne des § 232 Satz 1 ZPO darstellt, kann dafür offenbleiben. Denn auch wenn das Gericht des ersten Rechtszugs entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung (§ 39 FamFG, § 232 ZPO) überhaupt keine oder nur eine unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, fehlt es bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten in der Regel am ursächlichen Zusammenhang zwischen dem [X.] und der Fristversäumung, weil dieser für die zutreffende Information über seine Rechtsmittelmöglichkeiten keiner Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung bedarf. Denn von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er (selbst) die Voraussetzungen für die wirksame Einlegung eines Rechtsmittels kennt. Diese Voraussetzungen hat er im hier gegebenen Fall einer Rechtsänderung während der laufenden Frist zur Einlegung der Berufung sogar mit erhöhter Sorgfalt zu überprüfen (vgl. [X.] Beschluss vom 10. Januar 2023 - [X.] 41/22 - FamRZ 2023, 627 Rn. 22 ff. [X.]). Das wird im vorliegenden Fall noch dadurch unterstrichen, dass die elektronische Übermittlung seit dem 1. Januar 2022 für sämtliche Anwaltsschriftsätze zwingend einzuhalten ist.

[X.]     

      

[X.]     

      

Günter

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 124/22

31.05.2023

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 11. März 2022, Az: 5 WF 11/22, Beschluss

§ 85 Abs 2 ZPO, § 130d ZPO, § 232 ZPO, § 233 ZPO, § 569 Abs 2 ZPO, § 11 S 5 FamFG, § 14b FamFG, § 39 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2023, Az. XII ZB 124/22 (REWIS RS 2023, 3999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3999

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZB 23/22 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Rechtsanwaltsverschulden bei Versäumung der Beschwerdefrist in Nachlassachen bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung


XII ZB 29/20 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung; Voraussetzungen einer Namensänderung eines Kindes


XII ZB 88/23 (Bundesgerichtshof)

Elektronischer Rechtsverkehr: Anforderungen an die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches …


XIII ZB 90/22 (Bundesgerichtshof)

Freiheitsentziehungssache: Pflicht des anwaltlichen Verfahrenspflegers zur Einreichung einer Beschwerdeschrift im elektronischen Rechtsverkehr


XIII ZB 90/22 (Bundesgerichtshof)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.