Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2005, Az. IV ZR 56/04

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2843

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/04

Verkündet am:

29. Juni 2005

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein _____________________

[X.] § 2287 Abs. 1

Die Absicht des Erblassers, durch lebzeitige Verfügung für eine Gleichbehandlung seiner Abkömmlinge zu sorgen, begründet noch kein im Rahmen von § 2287 [X.] beachtliches lebzeitiges Eigeninteresse.

[X.], Urteil vom 29. Juni 2005 - [X.]/04 - LG Landau

AG Kandel

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2005
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] in der Pfalz
vom 21. März 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Geschwister und Miterben ihrer während des Revisionsverfahrens verstorbenen Mutter. Der Kläger führt deren Rechts-streit gegen den [X.]n weiter, mit dem die Rückzahlung eines dem [X.]n vom Vater der Parteien übergebenen Betrages von 40.000 DM aufgrund von § 2287 [X.] verlangt wird.

Die Eltern der Parteien hatten sich in einem Ehe- und Erbvertrag aus dem Jahre 1959 gegenseitig als Alleinerben eingesetzt, gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigten beim Tode des Zuerstversterbenden - 3 -

vorhanden sein würden; hinsichtlich der Erbfolge nach dem Überleben-den wurden keine Bestimmungen getroffen. Im September 1995 verein-barte der Vater der Parteien mit seiner Bank einen Vertrag zugunsten Dritter, wonach der [X.] beim Tod des [X.] das dann vorhandene Guthaben eines [X.] des [X.] erhalten sollte; als [X.] war die Mutter der Parteien angegeben. Dieser Vertrag wurde aus Anlaß einer Bankenfusion im Juli 1999 inhaltlich gleichlautend noch einmal abgeschlossen. Beide Verträge wurden auch von der Mutter der Parteien als der [X.] unterschrieben. Von diesem Spar-konto hob der am 16. November 1999 verstorbene Vater Anfang [X.] 1999 einen Betrag von 40.000 DM ab und händigte ihn dem [X.] aus.

Die Mutter der Parteien hat als frühere Klägerin vorgetragen, diese Zahlung sei in [X.] erfolgt; sie benötige das Geld für die Sicherung ihres Alters dringend. Dem [X.]n stehe der Betrag auch unter Berücksichtigung seines Pflichtteilsanspruchs nach dem [X.] nicht zu. Der [X.] hält die Schenkung dagegen nicht für miß-bräuchlich, weil sein Vater im Hinblick auf die Vorteile, die sein lange im Haus der Eltern wohnender Bruder und jetziger Kläger erhalten habe, für eine Gleichbehandlung der Brüder habe sorgen wollen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision wird sie weiter verfolgt.

- 4 -

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.].

1. Das Berufungsgericht sieht in der Unterschrift der Mutter der Parteien unter den Sparverträgen, durch die nach dem Tod des [X.] der [X.] als Dritter begünstigt wurde, schon dem Sinne nach keine Einwilligung in eine Beeinträchtigung ihrer Rechte aus dem Erbvertrag, die ihr den Schutz des § 2287 [X.] hätte nehmen können. Jedenfalls fehle es an der für die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung erforderli-chen notariellen Beurkundung (vgl. [X.]Z 108, 252, 254 f.).

Der Vater der Parteien habe trotz der Bindung durch den Erbver-trag lebzeitig frei über sein Vermögen verfügen können wie hier durch die Auszahlung der von seinem Sparkonto abgehobenen 40.000 DM an den [X.]n. Ob er seine Verfügungsmacht mißbraucht habe und der Mutter als [X.] deshalb ein Anspruch aus § 2287 [X.] zustehe, hänge nach der Rechtsprechung des [X.] davon ab, ob die Gründe, die den späteren Erblasser zu der lebzeitigen Verfügung be-stimmt haben, ihrer Art nach auf einem - auch vom [X.] Eigeninteresse beruhen; ob dies der Fall sei, habe der Tatrichter im Einzelfall zu prüfen ([X.]Z 83, 44, 45). Die Be-weislast für einen Mißbrauch trage zwar derjenige, der den Anspruch aus § 2287 [X.] erhebt; aber der durch die lebzeitige Verfügung Begünstigte müsse die Umstände darlegen, die den Erblasser zu seiner Verfügung bewogen hätten ([X.]Z 66, 8, 16 f.).
- 5 -

Hier habe der [X.] im einzelnen dargelegt, daß es dem Vater darum gegangen sei, eine finanzielle Ungleichbehandlung der Parteien zu vermeiden. Das sei schon der Grund für die Anlage des [X.] zugunsten des [X.]n als Drittbegünstigten gewesen. Der Vater habe unter der Überschrift "Finanzielle Schädigung durch Vorteilsnahme" [X.], welche Vorteile dem Kläger durch das Wohnen im Elternhaus zugeflossen seien. Dieses Vorbringen des [X.]n sei unstreitig; eine finanzielle Bevorzugung des [X.] habe auch tatsächlich vorgelegen.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Grundidee des [X.] der Parteien, einen Ausgleich unter den Abkömmlingen herbeizuführen, als anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse anzusehen, jedenfalls wenn wie hier der Ehegatte Partner des Erbvertrages sei und der Aus-gleich zwischen den gemeinsamen Abkömmlingen herbeigeführt werden solle.

2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

a) Die Zuwendung, um die es hier geht, diente dem Interesse des [X.]n und nicht dem seines [X.]. Wie die Revision hervorhebt, war sich der Vater, als er dem [X.]n Anfang September 1999 die 40.000 DM aushändigte, unstreitig bewußt, daß er in [X.]. Anders als in Fällen, in denen ein späterer Erblasser durch lebzeitige Schenkung jemanden an sich binden möchte, dessen Zuwendung und Betreuung er im Alter erhofft (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 1992 - [X.] - NJW 1992, 2630 unter II), wollte der Vater der Parteien des [X.] dagegen keine eigenen, noch zu seinen Lebzeiten er-füllbaren Interessen mit Hilfe der Zuwendung an den [X.]n fördern. - 6 -

b) Allerdings ist ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse auch darin gesehen worden, eine sittliche Verpflichtung zu erfüllen, so etwa wenn der Erblasser mit dem Geschenk einer Person, die ihm in be-sonderem Maße geholfen hatte, seinen Dank abstatten wollte ([X.]Z 66, 8, 16; [X.] FamRZ 1992, 607 unter [X.]; ferner zu § 2330 [X.] [X.], Urteil vom 9. April 1986 - [X.]/84 - FamRZ 1986, 1079; zu § 534 [X.] [X.], Urteil vom 11. Juli 2000 - [X.] - NJW 2000, 3488 unter I). Daß der Vater dem [X.]n aus solchen Gründen sittlich zu Dank verpflichtet gewesen wäre, stellt das Berufungsgericht nicht fest.

Eine sittliche Verpflichtung, die Abkömmlinge gleich zu behandeln, bestand auch nicht etwa im Hinblick auf § 1924 Abs. 4 [X.], wie die Re-visionserwiderung meint. In ihrem Erbvertrag haben die Eltern der [X.] ihre Abkömmlinge von der Erbfolge nach dem Zuerstversterbenden ausgeschlossen. Die Parteien waren mithin auf Pflichtteilsansprüche be-schränkt. Die Erbfolge nach dem zuletzt versterbenden Elternteil war im Erbvertrag nicht geregelt. Die Ausgleichung von [X.]n, um die es dem Vater bei den streitigen Zuwendungen an den [X.]n ging, hätte im Fall der Erhebung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Tod des zuerst versterbenden Elternteils im Rahmen von § 2316 [X.] erfolgen können; soweit der überlebende Elternteil eine Ausgleichung unter den Kindern nicht durch lebzeitige Verfügung oder Verfügung von Todes we-gen herbeiführen würde, wären nach dessen Tod §§ 2050 ff. [X.] maß-gebend. Im Zeitpunkt der streitigen Zuwendungen an den [X.]n war indessen für eine Ausgleichung durch einseitige Maßnahmen nur eines Elternteils kein Raum. - 7 -

c) Ein anzuerkennendes Eigeninteresse des [X.] läßt sich schließlich nicht, wie die Revisionserwiderung meint, daraus herleiten, daß die Verträge, durch die der Vater den [X.]n hinsichtlich des [X.] begünstigte, von der Mutter mit unterschrieben worden sind. Selbst wenn sie damit, wie das Amtsgericht im Gegensatz zum [X.] angenommen hat, der vom Vater beabsichtigten Gleichstel-lung der Parteien zugestimmt hätte, wäre dies, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, jedenfalls mangels notarieller Beurkundung rechtlich nicht bindend. Diese Rechtsfolge kann nicht dadurch umgangen werden, daß in der formunwirksamen Erklärung eine bindende Anerkennung der Interessen des [X.] an einer Gleichbehandlung der Parteien gesehen und allein daraus auf ein den Mißbrauch seiner lebzeitigen Verfügungs-befugnis ausschließendes berechtigtes Eigeninteresse geschlossen wird.

d) Da die Absicht des [X.], dem [X.]n einen Ausgleich für [X.] seines Bruders zu verschaffen, nach dem hier zugrunde liegenden Erbvertrag schon ihrer Art nach nicht geeignet war, eine damit verbundene Beeinträchtigung der Mutter als [X.] vom [X.] des § 2287 [X.] auszunehmen, kommt es auf die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Bevorzugung des [X.] nicht an. [X.] ist aber gegenüber der Revisionserwiderung klarzustellen, daß die persönliche Überzeugung des [X.] der Parteien, der Kläger sei [X.] bevorzugt worden, für sich genommen nicht ausreichen würde. Denn ob ein lebzeitiges Eigeninteresse oder andere Gründe gegeben sind, die eine den [X.] beeinträchtigende lebzeitige Verfügung des [X.] Erblassers trotz seiner erbvertraglichen Bindung billigenswert und gerechtfertigt erscheinen lassen, hat der Tatrichter aus der Sicht eines - 8 -

objektiven Beobachters in Anbetracht der gegebenen Umstände zu beur-teilen ([X.]Z 77, 264, 266). Dabei sind zwar die persönlichen [X.] und Vorstellungen zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 17. Juni 1992 aaO unter [X.]). Verfügt der Erblasser indessen nur aufgrund einer Ein-bildung, die in der Realität keine Grundlage hat, fehlt ein vom [X.] anzuerkennender Grund, der den Schutzzweck des § 2287 [X.] zurücktreten ließe.

3. a) Auch ohne ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers muß dessen Zuwendung nicht in jedem Fall mißbräuchlich sein, etwa wenn er eine Schenkung in dem Bestreben vornimmt, auf diesem Wege gerade den Vorteil des [X.] wahrzunehmen und dessen Versorgung sicherzustellen ([X.], Urteil vom 23. April 1986 - [X.] - NJW-RR 1987, 2 unter I[X.]). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Vielmehr spricht für einen die Anwendung des § 2287 [X.] rechtfertigenden Mißbrauch der lebzeitigen Verfügungsbefugnis des Erblassers, daß die Zuwendung an den [X.]n auf eine Korrektur des Erbvertrages hinauslief: Der [X.] wurde ein wesentlicher Vermögenswert ohne Gegenleis-tung vorenthalten. Die [X.] des [X.] rechtfertigten eine wei-tere Verminderung des dem überlebenden Ehegatten vertraglich zugesi-cherten Vermögens durch Zuwendungen an den [X.]n nicht. Ein ü-ber die Vorschriften der §§ 2050 ff., 2316 [X.] hinausgehender Aus-gleich zwischen den Abkömmlingen konnte auf andere Weise erfolgen, etwa durch Anordnungen nach § 2050 Abs. 3 [X.], durch Anrechnungs-bestimmungen nach § 2315 [X.] oder durch eine die [X.] des [X.] berücksichtigende letztwillige Verfügung des überlebenden [X.].
- 9 -

b) Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsge-richt nicht geprüft, ob und gegebenenfalls inwieweit die streitige [X.] Verfügung des [X.] im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch des [X.]n nach dem Vater schon objektiv nicht die berechtigten Erber-wartungen der Mutter als [X.] beeinträchtigen konnte; der [X.] aus § 2287 [X.] ist auf das beschränkt, was nach Begleichung des Pflichtteils des Beschenkten übrig bleibt ([X.]Z 88, 269, 272; [X.] vom 27. September 1995 - [X.] - [X.] 1996, 25 unter 3 a). Diese Prüfung wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.

Terno [X.] [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IV ZR 56/04

29.06.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2005, Az. IV ZR 56/04 (REWIS RS 2005, 2843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2843

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