Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.11.2021, Az. 2 B 14/21

2. Senat | REWIS RS 2021, 778

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Gegenstand

Hinreichende Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf Gründe des erfolgreichen Berufungszulassungsantrags


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 27. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Der Kläger war seit September 2014 Polizeikommissar des beklagten [X.] im [X.]eamtenverhältnis auf Probe. In der dreijährigen Probezeit war der Kläger an 139 Tagen wegen Erkrankung dienstunfähig; an 98 Tagen davon hätte er Dienst leisten sollen. Im Juli 2017 wurde die Probezeit des [X.] um dreieinhalb Monate verlängert. Gegen diesen [X.]escheid hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Nachdem er nach Ablauf der Probezeitverlängerung zum [X.]eamten auf Lebenszeit ernannt worden war, hat er seinen Klageantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt.

2

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil festgestellt, dass der [X.]escheid rechtswidrig gewesen ist, soweit die Probezeit um mehr als 49 Tage verlängert worden ist. Hiergegen haben der Kläger und das beklagte Land die Zulassung der [X.]erufung beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Zulassungsantrag des [X.] verworfen und auf den Zulassungsantrag des beklagten [X.] die [X.]erufung zugelassen. Das beklagte Land hat daraufhin mitgeteilt, das Vorbringen des [X.] im [X.]erufungszulassungsverfahren gebe "unter [X.]ezugnahme auf die Ausführungen" des beklagten [X.] im [X.]erufungszulassungsverfahren "darüber hinaus keinen weiteren Anlass für eine ergänzende [X.]egründung".

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung des beklagten [X.] für zulässig gehalten und das angefochtene Urteil des [X.] teilweise geändert; es hat festgestellt, dass der [X.]escheid rechtswidrig war, soweit mit ihm festgestellt wird, dass sich der Ablauf der Probezeit des [X.] um mehr als 98 Tage hinausschiebt. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem [X.]egründungserfordernis des § 124a Abs. 6 Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO - noch - entsprochen ist. Zwar sei der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO allein eingegangene Schriftsatz des beklagten [X.] vom 23. September 2019 nicht als [X.]erufungsbegründung gekennzeichnet; es sei sogar durchaus fraglich, dass er als solche gedacht gewesen sei. Gleichwohl lasse sich dem Schriftsatz hinreichend sicher entnehmen, dass das beklagte Land das Verfahren mit dem von ihm nur zu erwartenden Klageabweisungsantrag fortsetzen wolle. Die bloße [X.]ezugnahme auf die [X.]egründung des Zulassungsantrags genüge im Streitfall als [X.]erufungsbegründung, weil das beklagte Land mit Ersterer zur Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung eingehend dargetan habe, aus welchen Gründen es die Rechtsauffassung des [X.] bzw. des [X.] für unzutreffend halte.

4

2. Der vom Kläger allein geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass das beklagte Land seine [X.]erufung noch gemäß den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO begründet hat.

5

Lässt - wie hier - das Oberverwaltungsgericht die [X.]erufung auf Antrag zu, wird gemäß § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO das Antragsverfahren als [X.]erufungsverfahren fortgesetzt und bedarf es nicht der Einlegung einer [X.]erufung. Allerdings ist die [X.]erufung auch dann - innerhalb eines Monats nach Zustellung des [X.]eschlusses über die Zulassung der [X.]erufung - zu begründen, § 126a Abs. 6 Satz 1 VwGO. Die [X.]erufungsbegründung muss gemäß § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO einen bestimmten Antrag und die [X.]erufungsgründe, d.h. die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung, enthalten; fehlt es an einem dieser Erfordernisse, ist die [X.]erufung unzulässig, § 124a Abs. 6 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO.

6

Im Hinblick auf diese Gesetzeslage geht das [X.] davon aus, dass nach Zulassung der [X.]erufung durch das Oberverwaltungsgericht der [X.]erufungsführer einen gesonderten Schriftsatz zur [X.]erufungsbegründung einreichen muss. Dies ist keine bloße [X.]. Mit der Einreichung der [X.] soll der [X.]erufungskläger nämlich eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung eines [X.]erufungsverfahrens erstrebt. Es genügt deshalb nicht, wenn sich die [X.]egründung und der Antrag dem Vorbringen im Zulassungsverfahren entnehmen lassen. Soweit der [X.]erufungsführer allerdings im Zulassungsantrag bereits erschöpfend vorgetragen hat, genügt es, wenn er darauf in einem innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO eingehenden Schriftsatz [X.]ezug nimmt und seine [X.]erufungsanträge formuliert; es wird von ihm in solchen Fällen nicht verlangt, eine völlig gleichlautende [X.] (nochmals) einzureichen ([X.]VerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 9 C 6.98 - [X.]VerwGE 107, 117 <120 f.>; [X.]eschlüsse vom 19. Oktober 2009 - 2 [X.] 51.09 - juris Rn. 3 f. m.w.N. und vom 18. September 2013 - 4 [X.] 41.13 - juris Rn. 5 f. m.w.N.).

7

Wenn der [X.]erufungsführer bereits im Zulassungsantrag erschöpfend vorgetragen hat, genügt es außerdem, dass er darauf in einem innerhalb der [X.]egründungsfrist eingehenden Schriftsatz [X.]ezug nimmt oder dass die [X.]erufungsbegründung unter [X.]ezugnahme oder Verweisung auf den Zulassungsantrag und den [X.] erfolgt. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO verlangt mit dem Erfordernis eines "bestimmten Antrags" nicht, dass ein ausdrücklicher [X.]erufungsantrag gestellt wird. Dem Antragserfordernis wird regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der [X.]erufungsführer an der Durchführung des zugelassenen [X.]erufungsverfahrens festhalten will. Es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Rechtsmittelfrist abgegebenen Erklärungen im Wege der Auslegung erkennbar ist. Welche Mindestanforderungen in Anwendung der vorstehenden Grundsätze jeweils an die [X.]erufungsbegründung zu stellen sind, hängt schließlich wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. September 2011 - 3 [X.] 56.11 - juris Rn. 6 und 10 m.w.N.). Dabei hindert der Umstand, dass ein nach dem [X.] eingegangener Schriftsatz des [X.]erufungsführers nicht als [X.]erufungsbegründung gekennzeichnet ist oder sogar nicht einmal als [X.]erufungsbegründung gedacht gewesen ist, als solches nicht die Annahme einer den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO genügenden [X.]erufungsbegründung, sofern der Schriftsatz die dargelegten inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt ([X.]VerwG, Urteil vom 8. März 2004 - 4 C 6.03 - [X.]uchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 S. 31 = juris Rn. 22).

8

Angesichts dessen ist es nicht verfahrensfehlerhaft, dass das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall angenommen hat, dass der Schriftsatz des beklagten [X.] vom 23. September 2019 mit der [X.]ezugnahme auf die [X.]egründung des Zulassungsantrags im Hinblick auf den konkreten Inhalt dieser [X.]egründung den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO - noch - genügt.

9

Lediglich angemerkt sei, dass der Vortrag des beklagten [X.], das dem [X.]egehren des [X.] auf Zulassung der Revision wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zwar entgegengetreten ist, zugleich aber eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache aus einem gänzlich anderen Grund angenommen hat, hinsichtlich dieser geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung gänzlich unbehelflich ist. Der außerhalb der Fristen zur Einlegung und [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingegangene Schriftsatz des beklagten [X.] enthält keinen eigenen Antrag auf Zulassung der Revision und kann von vornherein der Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] nicht zum Erfolg verhelfen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

2 B 14/21

29.11.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Januar 2021, Az: 6 A 4105/18, Urteil

§ 124a Abs 6 S 1 VwGO, § 124a Abs 6 S 3 VwGO, § 124a Abs 3 S 4 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.11.2021, Az. 2 B 14/21 (REWIS RS 2021, 778)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 778

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