Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2019, Az. 2 B 64/18

2. Senat | REWIS RS 2019, 9420

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Gegenstand

Pflicht zur vorsorglich fristwahrenden Einlegung eines Rechtsbehelfs


Gründe

1

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO und § 69 [X.]) gestützte [X.]eschwerde des [X.]n ist zulässig, aber nicht begründet.

2

1. Der 1956 geborene [X.] steht als Regierungshauptsekretär ([X.]esoldungsgruppe [X.]) im Dienst der Klägerin. Mit Urteil vom 20. März 2017 wurde er wegen Untreue in drei Fällen rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. Der [X.] war beim [X.] im [X.]ereich Finanzen und Haushalt tätig und hatte durch die Schaffung fiktiver Nutzer in dem behördlichen [X.]uchhaltungssystem bewirkt, dass insgesamt 33 987,74 € auf sein eigenes Girokonto überwiesen wurden. [X.]ei der Strafzumessung ging das Strafgericht zugunsten des [X.]n wegen seines massiven Alkoholmissbrauchs zu den [X.] von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StG[X.] aus. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den [X.]n aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. Das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2018 wurde dem [X.]evollmächtigten des [X.]n am 30. Mai 2018 zugestellt. Am 3. Juli 2018 legte zunächst der [X.] persönlich [X.]erufung ein. Sein [X.]evollmächtigter legte am 16. Juli 2018 beim Verwaltungsgericht [X.]erufung ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der [X.]hof hat die [X.]erufung verworfen und zur [X.]egründung im Wesentlichen ausgeführt:

3

Die [X.]erufung sei unzulässig, weil die Monatsfrist für die Einlegung der [X.]erufung nach § 64 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht eingehalten sei. Das Vorbringen des [X.]n erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass der [X.] ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert gewesen sei. Das Verschulden seines [X.]evollmächtigten sei dem [X.]n zuzurechnen. Der [X.]evollmächtigte hätte sich mit der fehlenden Reaktion des [X.]n auf sein Schreiben vom 30. Mai 2018 nicht zufrieden geben dürfen. Er wäre gehalten gewesen, beim [X.]n nochmals ausdrücklich wegen der Weiterverfolgung seiner Rechte Rückfrage zu halten. Denn er habe im [X.] mit der Webakte einen elektronischen Datenaustausch genutzt. Dementsprechend hätte er eine Lesebestätigung von dem von ihm genutzten System anfordern müssen. Dies organisatorisch sicherzustellen habe der [X.]evollmächtigte unterlassen. Zudem wäre es dem [X.]evollmächtigten nach der ihm erteilten [X.] ohne weiteres möglich gewesen, nach Ausbleiben einer Reaktion des [X.]n auf die Nachricht vom 30. Mai 2018 vorsorglich fristwahrend [X.]erufung einzulegen.

4

2. Aus den vom [X.]n in der [X.]eschwerdebegründung aufgeführten Gründen, auf deren Prüfung das Revisionsgericht beschränkt ist, kann die Revision nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 69 [X.]) zugelassen werden.

5

Der [X.] sieht die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache in der Frage,

"ob ein Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO handelt, wenn er bei der Kommunikation mit seinem Mandanten mittels einer elektronischen Kommunikationsplattform, die keine Empfangs-/Lesebestätigung vorsieht, nicht bei seinem Mandanten wegen der Einlegung eines Rechtsmittels nochmals nachfragt, nachdem sich der Mandant innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht geäußert hat".

6

Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil sie sich nur auf eine von mehreren Erwägungen des [X.]erufungsgerichts bezieht, die jeweils eigenständig seine Auffassung tragen, der [X.]evollmächtigte des [X.]n habe hinsichtlich der Monatsfrist zur Einlegung der [X.]erufung schuldhaft gehandelt und der [X.] müsse sich das Verschulden seines bevollmächtigten Rechtsanwalts gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 VwGO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.

7

Ist eine [X.]erufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der [X.]egründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. u.a. [X.], [X.]eschlüsse vom 15. Juni 1990 - 1 [X.] - [X.] 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 11, vom 20. August 1993 - 9 [X.] 512.93 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Daran fehlt es hier.

8

Der [X.]hof hat hinsichtlich des Merkmals des Verschuldens des [X.]evollmächtigten [X.]. § 60 VwGO unter Hinweis auf eine entsprechende Entscheidung des [X.] ([X.]eschluss vom 8. März 1984 - 9 [X.] 15204.82 - [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 137 S. 33 m.w.N.) selbstständig tragend darauf abgehoben, der Rechtsanwalt des [X.]n hätte ungeachtet des Ausbleibens einer Antwort des [X.]n auf sein Schreiben vom 30. Mai 2018 vorsorglich selbst fristwahrend [X.]erufung einlegen müssen. Denn der [X.]evollmächtigte sei nach der ihm erteilten [X.] auch ohne ausdrückliche Weisung des Mandanten zu allen einen späteren Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen ermächtigt gewesen. Diese schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht seines [X.]evollmächtigten müsse sich der [X.] wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Hinsichtlich dieser selbstständig tragenden Erwägung des [X.]hofs zum Verschulden des [X.]evollmächtigten wird in der [X.]eschwerdebegründung keine Frage von grundsätzlicher [X.]edeutung aufgeworfen.

9

3. Der [X.]eschluss des [X.]hofs leidet auch nicht an dem vom [X.]n geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 69 [X.]).

Der [X.] bringt vor, das [X.]erufungsgericht hätte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte [X.]erufungsfrist stattgeben müssen. Die vom [X.]evollmächtigten des [X.]n genutzte Kommunikationsplattform sehe die Möglichkeit einer Lesebestätigung gerade nicht vor. Es sei nicht erkennbar, ob die Nachricht beim Empfänger angekommen sei oder der Empfänger eine automatische [X.]enachrichtigung per E-Mail erhalten habe. Die ausgebliebene Rückmeldung des [X.]n habe der [X.]evollmächtigte dahingehend interpretiert, dass der [X.] kein Rechtsmittel einlegen wolle. Der Versuch der Kontaktaufnahme am letzten [X.] sei gescheitert. Wegen der mit einer [X.]erufung verbundenen Kosten habe der [X.]evollmächtigte von einer fristwahrenden [X.]erufungseinlegung abgesehen.

Nach der Rechtsprechung des [X.] verletzt der Prozessbevollmächtigte seine Sorgfaltspflicht schuldhaft, wenn er von der ihm durch die [X.] eröffneten Möglichkeit der vorsorglich fristwahrenden Einlegung eines Rechtsbehelfs keinen Gebrauch macht. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts war es dem [X.]evollmächtigten nach der [X.] vom 17. März 2016 ohne weiteres möglich, selbst [X.]erufung einzulegen. Gerade bei Ausbleiben einer Antwort des Mandanten auf eine entsprechende Anfrage des [X.]evollmächtigten muss dieser die für alle Instanzen geltende [X.] in diesem Sinne nutzen, die ihn auch ohne ausdrückliche Weisung des Mandanten zu allen einen späteren Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen ermächtigt ([X.], [X.]eschlüsse vom 8. März 1984 - 9 [X.] 15204.82 - [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 137 S. 33 m.w.N. und vom 25. Juni 2001 - 8 [X.] 70.01 - juris Rn. 4).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 [X.] und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 Satz 1 [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 64/18

13.03.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 26. Juli 2018, Az: 16b D 18.1459, Beschluss

§ 60 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2019, Az. 2 B 64/18 (REWIS RS 2019, 9420)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9420

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